Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Drei Zinnen | In den Bergen lernt man viel über Menschen. Über sich selbst und über andere. Zum Beispiel unterhalb der Drei Zinnen, jenem dominanten Gebirgsstock in den Sextner Dolomiten; ein dankbares Motiv für Kühlschrankmagnete und, ja, Influencer. Nun mag es sein, dass ich auch irgendwie Influencerin bin; vielleicht Waffel- oder, seit Jüngstem, Meerschweinchen-Influencerin. Jedenfalls lassen das Zuschriften vermuten, die ich erhalte.

Unterhalb der Drei Zinnen tritt eine Art von Influencer:innen auf, die, nun ja, Überraschung hervorruft. So wanderten der Reiseleiter und ich in angemessener Bergmontur auf einem Geröllpfad aufwärts, auf 2.400 Metern. Wir schnauften etwas, als hinter einer Kurve unversehens eine junge Frau auf einem Felsblock stand, lediglich bekleidet mit – Moment, ich muss das Fachwort nachschlagen – Boyshorts und einem Büstenhalter. Den Rest hatte sie abgelegt, hinter ihr die Berge. Die Frau schob ihren Po raus, streckte ihre Brüste vor, das Kinn ebenso und schürzte die Lippen. Es bedurfte deutlicher Mühe, lasziv auszusehen und nicht vom Felsen zu fallen, Eine andere Frau machte Handyfotos von ihr.

Panoramabild, in der Mitte die drei Zinnen, an ihrem Fuß Menschen. Im Hintergrund weitere Berge.

Es waren viele Menschen dort oben unterwegs. Von der Auronzo-Hütte bis zu den Drei Zinnen zog eine Touristenkarawane. Die Karawane verlief sich jedoch, je weiter wir den Rundweg um die Felsengruppe gingen, eine zehn Kilometer weite Schleife, die erst zur gegenüberliegenden Drei-Zinnen-Hütte führt, dann hinab ins Tal, wieder hinauf auf die Anhöhe und die sich anschließende in einem ausholenden Schwung zurück zur Auronzo-Hütte zieht.

Der Reiseleiter und marschierten also weiter zur Drei-Zinnen-Hütte. Die Aussicht war ausnehmend spektakulär; maximal instagramable.

Panorama: Rechts die Drei Zinnen, links die Drei-Zinnen-Hütte. Hochalpine Landschaft mit Felden und Tälsern, blauer Himmel.

Die Drei-Zinnen-Hütte selbst hatte bereits geschlossen. Wir saßen auf Felsen und schauten in die Gegend. Ins Tal und in die Berge zu schauen, ist hier eine absolut ausreichende Tätigkeit. Ab und zu ließ sich eine Alpendohle mit der aufsteigenden Luft zu uns tragen und wartete auf herabfallende Brotkrumen. Kleine Käfer krochen über Steine. In der Ferne taten die Menschen es ihnen nach.

Panoramaufnahme: Drei-Zinnen-Hütte vor alpiner Kulisse

Als wir genug geschaut hatten, stiegen wir ins Tal hinab. Und dann stiegen wir wieder aus dem Tal hinauf. Das war unerfreulich anstrengend; die Höhe machte sich bemerkbar. Außerdem verspürte ich den Bedarf nach leicht zugänglichen Kohlenhydraten, denn auf der Hütte hatten wir ja nichts bekommen. Wir hatten aber keine Kekse mit, auch keinen Kuchen. Immerhin fanden wir Schüttelbrot und einen Apfel im Rucksack.

Eine Szene noch, bevor ich die Drei Zinnen erzählerisch verlasse: Er, Pullunderträger (nicht in der Ausführung Berlin-Friedrichshain, sondern in der Edition Finanzamt Erlangen) trug die Kompaktkamera. Sie, gesmokte Taftbluse, die Haare hochgebunden mit – auch hier muss ich das Fachwort recherchieren – einem getigerten Scrunchie aus Satin, hielt einen kurzatmigen Pekinesen im Arm. Sie kletterte auf einen Felsen, eine Hand am Stein, in der anderen der Hund im Würgegriff. Das Vorhaben war wackelig, der Pekinese schaute besorgt – Absturz oder Erstickungtod, hier war heute alles drin. Die Frau ließ sich nieder, den Hund weiterhin fest im Arm. Sie strich ihm über den Kopf, richtete sein Fell und drehte sich in Richtung des Pullundermannes mit seiner Kompaktkamera. Gemeinsam mit dem Hund bildete sie ein Ölgemälde-würdiges Motiv vor der alpinen Bergkulisse. Ihr Körper straffte sich noch einmal. Der Pullundermann hielt sich die Komptaktkamera vors Gesicht. Die Frau richtete noch einmal den Hund – Klick!


Reiner Höhenweg | Die nächste Wanderung führte uns in die Einsamkeit des Tauferer Ahrntals, ein Ort gänzlich ohne Influencer und Pekinesen. Von hier aus, so lasen wir, könne man auf die Riesenferner-Gebirgsgruppe und auf Gletscher schauen. Das wollten wir tun, solange es sie noch gibt.

Wie alle Wege hier begann auch dieser unerfreulich steil. Rolltreppen wären eine gute Sache hier und würden manches erleichtern. Aber hier gab es weder Rolltreppen noch Bergbahnen, aber als wir eine erkleckliche Höhe erreicht hatten, konnten wir zur Kirche hinunter schauen. Dort waren wir losgegegangen. Am Hang die Lobiser Schupfen, historische Heuhütten, neu aufgebaut.

Am liebsten mag ich es ja, wenn es nach einem knackigen Anstieg eine zeitlang gerade geht. Wanderbeschreibungen wie: „Der Weg führt uns auf gleichbleibender Höhe am Hang entlang“ begrüße ich.

Paniramaaufnahme vom Reiner Höhenweg

Ebenbfalls toll sind geöffnete Hütten. Auf der Durra Alm genoss ich erst eine Apfelschorle, dann eine Holunderschorle, dann eine Johannisbeerschorle (ich hatte Durst) und aß ein üppiges Käsebrot. Danach war ich bereit für den Abstieg.

Ein Käsebrot und ein Glase Holunderlimonade für Bergkulisse

Ein Haus am Wegesrand, kurz vor dem Ziel:

An die Mauser gepinselt: 
Dies Haus ist mein
und doch nicht mein
der nach mir kommt
kann's auch nicht leih'n
und wir's den Dritten übergeben
er kann's nur haben
für sein Leben
den Vierten trägt
man auch hinaus
sag, wem gehört nun dieses Haus

Friedhof | Wenn ich andernorts bin, gehe ich gerne auf Friedhöfe. Niemand erzählt das Leben so gut wie die Toten, besonders in den Dörfern, wo die Namen auf den Grabsteinen sich ungezählt wiederholen und wo – wie hier in Südtirol – jedes Grab Fotos derjenigen Menschen zeigt, die es beherbergt. Man schaut in Gesichter aus drei Jahrhunderten, Menschen in strenger Tracht und mit ebenso strengen Mienen, Schwarz-weiß-Aufnahmen aus einer weit entfernten Zeit. Man sieht Menschen mit schweren Brillen im Sepia der 1970er und Fotos aus jüngeren Tagen, bunt und fröhlich.

Wer in den Bergorten Südtirols zu liegen kommt, hat eine hervorragende Aussicht. Die Gräber befinden sich an den Kirchen, die Kirchen stehen exponiert im Dorf. Es gibt Gräber voller Lechners, Unterlechners und Siebenlechners, voller Hubers, Unterhobers und Oberhubers.

Wer in der Stadt liegt, etwa in Bruneck oder in Brixen, ist umrahmt von Arkadengängen. In den Arkaden liegen die Reichen und die Honorigen, in der Mitte ruht das gemeine Volk. Auf den alten Grabsteinen: Berufe und Verwandtschaftsbeziehungen. „Güterbesitzer“ war ein auffallend beliebter Beruf der Laubenliegenden.

In der Kategorie „Reproduktion“ geht der Sonderpreis an den Neuhauser Josef jun., der 22 Kinder mit vier Frauen zeugte:

Grabstein der Familie Neuhauser, darauf verzeichnet die Frauen des Josef Neuhaser und die ausgewählte Kinder

Ich möchte Romane über all diese Familien lesen, über die Neuhausers und über die Lechners, die Unter- und die Sieben-, über die Menschen, deren Hof und Herkunft auf dem Grabstein steht, und über diejenigen, deren Spitzname verzeichnet ist, weil sie niemand unter dem richtigen Namen kennt.


Gelesen | Jetzt droht ein großer Krieg [€]. Eine lange Analyse zu den Zusammenhängen zwischen den Angriffen der Hamas, der Rolle Irans und der Rolle Russlands. Sehr interessant, gleichzeitig ausgesprochen unerfreulich.

Ausprobiert | So groß ist der Gaza-Streifen im Vergleich zur eigenen Stadt. Spoiler: Er ist klein.

Sich einlassen | Beginnen wir beim Wetter. Es ist warm in Südtirol, sehr warm. Heute hatten wir 28 Grad im Tal. Für die Chronik: Wir schreiben Montag, den 9. Oktober.

Wir hatten mit gutem Wetter gerechnet, aber nicht so gutem. Ich habe nur eine kurze Hose im Gepäck, nachträglich in den Koffer geworfen vom Reiseleiter, der mir nach Stuttgart nachreiste und, seiner Rolle folgend, das Reisewetter im Blick hatte und entsprechend handelte.

Wir wohnen in einem Hotel, das jeden Abend ein Vier-Gänge-Menü serviert. Ein Gang besteht immer aus etwas, das mit Käse gefüllt ist, sanft umgeben von einer Käsesoße. Am ersten Abend gab es mit Käse gefüllte Spinatknödel in Gorgonzolasoße, gestern mit Käse gefüllte und frittierte Canelloni, heute mit Käse gefüllte Rote-Beete-Knödel. Käse ist ein großes Thema hier, beim Frühstück, bei der Jause wie auch beim Abendessen. Wir lassen los und uns darauf ein.

Einlassen ist ein gutes Stichwort: Am ersten Wandertag ließen wir uns auf die Almprinzen ein, ein Volksmusikduo. Es spielt beim Almabtrieb in Nauders, frisch und frohgemut, mit Akkordeon und Gitarre und einer Sammlung Altherrenwitze, die Mario Barth hätte erblassen lassen. Die Wiese an der Spritzenhütte war voll mit Menschen, Touristen wie Einheimischen. Es gab Krapfen mit und ohne Marmelade, Pommes und Bier und eben die Almprinzen. Als wir dort ankamen, hochmarschiert aus dem Tal und etwas außer Puste, war mir sofort klar, dass man sich hier voll in die Situation werfen muss: Trachten, Volksmusik und Tiroler Bauernjugend – das muss man wollen, von Herzen.

Wir blieben dort, bestellten Alkoholfreies und beobachteten, wie Busunternehmen immer mehr Senioren auf die Wiese karrten. In der Warteschlange vor dem Toilettenhäuschen traf ich Frau, graues Haar. Sie sagte sie sei das erste Mal mit einem solchen Unternehmen unterwegs. Ich fragte sie, ob es gut sei. Sie antwortete: „Naja, es ist halt alles organisiert.“

Wiese mit Bergkulisse im Hintergrund. Auf der Wiese sehf viele Biergarnituren, auf denen allesamt Menschen sitzen.

Neben der Festwiese war eine weitere Wiese, doppelt so groß. Auf dieser Wiese parkten die Autos aller Menschen, die nicht wie wir zu Fuß gekommen waren. Mit dem SUV zum Almabtrieb, so macht man das heute, da lohnt sich danna uch die Bodenfreiheit, wenn es über rumpelige Grashügel zurück auf die Dorftstraße geht.

Irgendwann kamen dann auch die Kühe. Die Chefkuh war geschmückt, aber unbeeindruckt vom Trubel; sie kam sich in keiner Weise wichtig vor. Vielmehr hatte man den Eindruck, dass sie ein bisschen genervt war von all den Leuten – wer will es ihr verdenken. Man stelle sich so einen Almabtrieb anders vor, man stelle sich vor, die Kuh wäre ein Mensch, keine Frau, sondern ein Mann, ein Markus Söder unter den Almkühen. Den ganzen Sommer wäre er auf der Alm gewesen, bei Sonne und bei Regen, hätte 3000 Liter Milch nr mit dem eigenen Körper produziert – aus Gras! Ja, Herrschaftszeiten, da hätten wir uns etwas anhören können. Es hätte Reden über die Kraft Tiroler Kühe gegeben, über die Leistung des Almwesens. Ein Herzerl auf der Stirn hätte dann lange nicht gereicht, es hätte ein Krönungsgewand königlichen Ausmaßes gebraucht, um mit ihm von der Alm herunter zu schreiten; weniger wäre der Sache nicht gerecht gewesen.

Kühe auf der Weide, eine davon geschmückt. Dahinter die Festwiese.

Stattdessen aber waren die Kühe froh, als sie endlich unten waren und sich auf die Wiese fallen lassem konnten.

Am zweiten Wandertag ließ ich mich auch ein – nicht auf die Almprinzen, sondern auf eine Verhandlung mit dem Reiseleiter, der, abweichend von der geplanten Wanderroute, „einen kleinen Abstecher aufs Haunoldköpfl“ vorschlug. Der Abstecher weitete die Wanderung auf 850 Höhenmeter und 15 Streckenkilometer aus. Das wussten wir aber beim Beschluss des Abstechers nicht. Wir folgten nichtsahnend dem Schild „Haunoldköpfl, 1h“.

Der Aufstieg dauerte tatsächlich nur eine Stunde, aber eine Stunde, in der es ausschließlich über Steine und Wurzeln steil bergauf ging.

Weg aus Wurzeln und Steinen

Unerfreulicherweise gibt das Bild nicht ansatzweise das Elend wieder, das wir eine Stunde lang erlebten. Glauben Sie mir also einfach, wenn ich sage, dass es fordernd war.

Als ich auf dem Köpfl ankam, musste ich mich erstmal drei Minuten auf dem Kasten mit dem Gipfelbuch ablegen, sonst wäre ich umgefallen. Zugegebenermaßen entschädigte die Aussicht. Wir hatten einen wunderbaren Blick auf die Dreischusterspitze und die Drei Zinnen, hinab ins Tal nach Innichen. Der Wind umsauste uns, und die Wolken zogen über unsere Köpfe hinweg.

Panorama vom Haunolldkoepfl mit Blick auf die Drei Zinnen

Als ich wieder einigermaßen in Schuss war, platziere ich mich auf einem Stein, zog mir Jacke und Weste über und kramte Brotstangen aus dem Rucksack. Nicht nur, dass sie hier in Südtirol alles mit Käse füllen, sie haben im Supermarkt auch eine Wand aus Grissini zur Auswahl: Grissini aus Mais, Grissini stirati, Grissini mit extra gutem Olivenöl, Grissini in allen Längen und Dicken.

Ich knusperte also Grissini, während ich auf dem Felsen saß und auf die Dolomiten blickte, unter mir das Pustertal.

Vanessa auf einem Felsplateau über dem Tal

Hinunterlaufen ist genauso unangenehm wir hinauf, nur auf andere Art und Weise. Meine Oberschenkel waren jedenfalls butterweich, als wir eineinhalb Stunden später, nach Unmengen verwurzelter Serpentinen, aus einem Geröllfeld herausstiefelten und unten am Berg ankamen. Die Stimmung war zudem angespannt. Denn Grissini sind eine feine Sache, wir hatten aber längst den Moment überschritten, an dem uns trockene Brotstangen weiterhalfen. Wir brauchten etwas Warmes, mit Käse Gefülltes.

Mein Blick schwenkte nach rechts. Da war tatsächlich eine Bushhaltestelle, und aus der Bushaltestellte schauten Beine heraus. „Guten Tag“, sagte ich, „fährt hier etwa ein Bus?“ Ich konnte es nicht glauben. Ja, sagte die Frau, aber erst in einer Viertelstunde. Was für eine hervorragende Nachricht! Ich hätte sie am liebsten umarmt und den Mann, der neben ihr saß, gleich mit. Einträchtig warteten wir auf den Shuttlebus, der uns vier Kilometer Weg einsparte. Es war die schönste Busfahrt seit Langem.

In Innichen fuhren wir mit dem Zug zurück nach Mühlbach. Den Nahverkehr haben sie hier gut organisiert. Und die Bahnhöfe sehen außerdem aus wie aus dem Katalog.


Gelesen | Margret Millar: Die lauschenden Wände, aus dem Amerikanischen von Karin Polz. Ein Buch aus dem Jahr 1959, gefunden im Bücherschrank im Dorf. Ein solider Kriminalroman: Amy Kellog ist verschwunden. Ihr Bruder beauftragt den Privatdetektiv Dodds, um herauszufinden, ob ihr Mann sie ermordet hat. Die Spannung ist überschaubar; dennoch wollte ich wissen, wie es ausgehen. Nette Ferienlektüre.

Der Weg nach Stuttgart | Obwohl ich nach Süden muss, fahre ich erst nach Norden. In Duisburg wird gebaut. Die Bahn fährt Umwege oder gar nicht, deshalb muss ich erst nach Münster, wenn ich nach Stuttgart will. Ich stehe am Bahnhof im Dorf und warte auf den Zug. Gerade habe ich mich von den Schweinen verabschiedet. Sie werden zweieinhalb Wochen ohne mich verbringen, bekümmert von den Schwiegereltern. Für einen Tag reise ich zum Kunden, von dort aus weiter nach Südtirol, Urlaub.

Der Zug kommt pünktlich. Regionalbahngeruch, aber in dezent. Es ist Mittag, der Waggon fast leer. Dülmen, Buldern, Appelhülsen, Bösensell. Endstation Münster, bitte aussteigen.

Münsters Bahnhof zeigt sich als Symbol des heraufziehenden, aber immer noch zu warmen Herbstes. Menschen in Stiefeln, Brauntönen und Daunenjacken mischen sich mit kurzhosigen Herren und Damen in Sommerkleidern. Eine Frau mit ausladendem Rock führt ihre Hausschuhe aus: goldene Schlappen mit fedrigen Puscheln, eine Anmutung von Derrick, die Füße nackt.

Die Anzeigetafel im Foyer zeigt alles an, was das Sortiment hergibt: Gleiswechsel, Verspätungen, umgekehrte Wagenreihungen. Die Zeugen Jehovas lächeln dagegen an. Sie haben sich unter der Anzeige platziert, neben dem Ticketautomaten, strategisch günstig, sollte man meinen. Doch in Zeiten von Bahn-App und Deutschlandticket lässt die Laufkundschaft zu wünschen übrig. Auf dem Handkarren der Zeugen steht, über den Zeitschriften: „Was ist Gottes Reich?“ Ich verstehe die Frage nicht. Was soll das heißen: Was ist Gottes Reich? Wo ist Gottes Reich, ja, das kann man sich fragen – aber was? Vielleicht wollen sie darüber ins Gespräch kommen, dass auch diese Bahnhofshalle Gottes Reich ist, ein Reich zwischen Yormas, Presse & Buch und dem Sanifair-Zwilling rail & fresh. Aber impliziert die Frage nicht, dass Gottes Reich irgendwo aufhört? Wenn es ein Was gibt, gibt es auch nicht Nicht-Was, gibt es auch die Frage: Was ist nicht Gottes Reich? Widerspricht das nicht dem Glauben des allgegenwärtigen Gottes? Ich bin versucht, die zwei Zeugen in genau diese Gedanken zu verwickeln. Ich habe 45 Minuten Aufenthalt, das ließe sich gut an. Aber ich entscheide mich dagegen und für den amerikanischen Kaffeeausschank, dort für einen Reisefrappuccino. 

Ich sitze schon im Zug, während ich diesen Text tippe. Immer, wenn ich „Gottes Reich“ tippe, macht mein Handy daraus „Gittes Reich“. Gittes Reich, wie die Schallplattensammlung meiner Mutter: Gitte Henning, was ist aus der eigentlich geworden? Ich schaue nach und ja, sie lebt noch. Sie ist heuer 77 Jahre alt, und ich bin erstaunt: War sie nicht in meiner Kindheit schon mindestens 60, oder fühlte sich das nur so an, aus der Perspektive des Kindes? Ich lese, dass sie in Aarhus geboren ist. Aarhus, auch so ein Reiseziel, das ich bald besuchen werde, in der ersten Januarwoche. Ich freue mich schon. Ich bin schon mehrmals im Januar verreist, meist allerdings nach Süden. Diesmal wird es Norden, wie damals nach Danzig, wo es erst um 9 Uhr hell und um 15 Uhr schon wieder dunkel wurde. Ich schlief damals viel, es war ein erholsamer Urlaub. Zum Nachmittag hin, wenn es dämmerte, trank ich eine heiße Zitrone mit Danziger Goldwasser, diesem Gewürzlikor mit Blattgoldflocken und 40 Volumenprozent Alkohol. Ich lernte die Mischung sehr schätzen. Während es draußen minus 14 Grad hatte, der Fluss zufror und dünner Schnee durch die historische Hanse-Kulisse wirbelte, saß ich in einem Kaffeehaus und speiste Teigwaren, während das Zitronengoldwasser meine Seele wärmte.

Im Zug eine Frau in Jeans und herbstlichem Mantel, an den Füßen nur Flip Flops. Sie steigt am Frankfurter Flughafen aus. Wo sie wohl hinfliegt? Sicherlich in ein Land, in dem leichte Fußbekleidung angeraten ist. Oder hatte sie nur eine Hammerzeh-OP und fliegt nach Kamtschatka? Ihr gegenüber zwei Herren, die fortwährend Bier trinken und Snickers essen, ein Riegel nach dem anderen, eine Flasche nach der nächsten. Auf ihren Köpfen prangen Zöpfe aus dünnen Haaren, um ihre Ohren und am Hinterkopf ist alles abrasiert. Auch sie steigen in Frankfurt aus. Neben mir ein Geschäftsmann im Anzug mit feinem Schuhwerk, hellbraunes Leder, die Schnürsenkel gewachst; es sind Senkel von der Sorte, die immer aufgehen, zum ungünstigsten Zeitunkt schlappen sie plötzlich um den Fuß herum. Während man mit dem Koffer durchs Bahnhofgedränge schiebt oder gerade zwei Becher trägt, flutschen sie aus der Schleife; man ist zur Doppelschleife gezwungen, damit das nicht geschieht, wie ein Sechsjähriger. Auch der Geschäftsmann trägt Doppelschleife, und er spielt ein Spiel auf dem Handy, Jump‘n‘Run, muss Geldstücke einsammeln. Er macht das gut, sehr routiniert.

Ich packe mein Brötchen aus: ein Kartoffelbrötchen mit Camembert und Marmelade, zu Hause geschmiert und in Butterbrotpapier verstaut. Die eigenen Stullen sind immer noch die besten. Ich höre Tatort Ostsee, die ersten drei Folgen einer Investigativrecherche zur Sprengung der Nord-Stream-Pipelines. 

Signalstörung im Raum Biblis. Wir bleiben immer wieder stehen, fahren Verspätung ein. Ich blicke in Gärten mit Apfelbäumen, an denen rot und schwer die Früchte hängen. Auf einzelnen Feldern steht noch Korn. Nebenan auf der Landstraße staut sich der Verkehr. 

Wir holen die Verspätung wieder auf und erreichen Stuttgart fast pünktlich. In Stuttgart das gleiche Bild wie in Münster, nur vereint in einer Person: Ein Mann, Kopf und Füße nackt, oben Glatze, unten Sandalen, dazwischen eine Daunenjacke. Auf dem Bahnsteig steht ein Mann im Hasenkostüm, er kann mit dem Schwanz wackeln. Ich googele später, wie man den Schwanz eines Hasen nennt; „Blume“, heißt er, das war mir entfallen. Ich begebe mich auf den Fernwanderweg 21, die hölzerne Allee ums Banhofsbauloch. Ein Junge hält sich an seinem leeren Kinderwagen fest und brüllt mir zu: „Wie schön, dass wir beisammen sind! Wir gratulieren dir, Geburtstagskind!“

Ich fahre mit der S-Bahn bis Feuersee und laufe den Rest zum Hotel. Es geht den Hügel hinauf und den Hügel wieder hinab. Ich hatte vergessen, wie wellig es hier ist.

Auf dem Weg liegen viele Stolpersteine: Manfred und Alice Straus und Sophie Fellheimer. Die Steine liegen vor einem Fabrikgebäude. Das ist ungewöhnlich, ich schlage später nach. Einige Meter weiter Sigmunde Friedmann, direkt daneben Karl-Bernhard Rothschild. Ich gehe die Treppe hinunter und treffe Paul, Wilhelm und Anny Kohn. Man muss sie alle sehen, diese vielen Stolpersteine. Das ist gut so.


Gelesen | Im Zug und im Hotel las ich wunderbares Buch. Ich habe es vor einigen Wochen auf dem Flohmarkt eines Supermarktes gefunden und für zwei Euro mitgenommen. Ursula März erzählt das Leben ihrer Tante Martl, feinfühlig und in einer poetischen Sprache. Es ist das Leben einer Frau, die als Lehrerin arbeitete, ihre Eltern versorgte und zeitlebens ohne Partner:in blieb. Ein zauberhaftes Portrait einer Frau und gleichzeitiger einer ganzen Generation. Das beste Buch seit langem. Große Empfehlung.

Gelesen | Christa Anita Brück: Ein Mädchen mit Prokura. Geschrieben in den 1930er Jahren, es spielt auch in den denselben. Erzählt wird die Geschichte von Thea Iken, die als Bankangestellte und rechte Hand des Chefs unter der Beobachtung der Männer steht. Als die Weltwirtschaftskrise auch das Bankhaus erfasst und jemand stirbt, gerät sie in Verdacht. Auch ein prima Buch, wenngleich nicht so nahbar wie Tante Martl. Aber ein interessantes Zeitdokument.


Neues Angebot | Das Seminar, das Katja King und ich in Chemnitz gegeben haben, steht nun auch auf meiner Website: Mit schwierigen Persönlichkeiten professionell umgehen und die eigene Gestaltungsmacht ausbauen. Wir sind käuflich und kommen gerne zu Euch in die Organisation.

Experiment | Für Frühjahr plane ich gemeinsam mit einer anderen Kollegin, Katharina Hermanns, ein Angebot speziell für Frauen mit Kindern: Stark durch den Alltag – ein Seminar für Mütter. Gemeinsam wollen wir Mütter stärken, die zwischen Beruf und Kindern jonglieren, die entkräftet sind von der Rolle als Familienmanagerin und ihre Denkmuster und Routinen hinterfragen möchten.

Der Preis für den Tag steht noch nicht fest – und der genaue Ort auch noch nicht. Ich werde in meiner Umgebung im Raum Dortmund/Münsterland anfragen. Ich würde gerne erstmal abschätzen, ob überhaupt Interesse besteht.

Das Angebot ist auch zur Vernetzung gedacht. Gerne können wir nach dem Programm den Abend gemeinsam verbringen (das wäre dann nicht mehr in der Leistung inkludiert, aber vielleicht sehr stärkend und unterhaltsam). Bei Interesse freue ich mich über eine E-Mail oder eine Interessensbekundung über die Seminarseite.


Schweinebild aus dem Archiv | Beim Snacken:

Man fährt, wenn man fährt | Das lange Wochenende war ausgesprochen entspannt. Ich fuhr mit der Möwe auf dem Halterner Stausee. Meine Tante war zu Besuch, sie ist 80 Jahre alt, und die Fahrt war eine Möglichkeit, ihr lokale Attraktionen zu bieten. Die Möwe heißt eigentlich Möw-e, weil sie ein Elektroschiff ist. Ein Mordswortspiel.

Ginge es nach den Betreibern, den Stadtwerken, hieße das Schiff eMS Lebensfreude. „eMS“ steht dabei für „Elektromotorschiff“, also elektro-Motorschiff Lebensfreude. Kurz bevor das Schiff zu Wasser gelassen wurde, enthüllten die Stadtwerke den Namen. Entsetztes Schweigen in der Bevölkerung: Ein Name wie ein schwimmendes Seniorenheim. Oder wie ein Männergesangsverein: „eMS Lebensfreude: Der Melodienstrauß ist breit aufgefächert“ – nein, das konnte nicht wahr sein.

Nach einem Moment der Schockstarre geriet der ganze Ort in Aufruhr. Beim Bäcker, beim Friseur, an Marktständen – überall gab es nur ein Thema. Man schickte Brandbriefe an die Stadtwerke und an die Lokalzeitung. Mit Erfolg: Das Schiff heißt nun wieder Möwe, so wie sein Vorgänger aus dem Verbrennerzeitalter. Alles bleibt also, wie es ist, nur in umweltfreundlich.

Die Fahrt mit der Möwe, pardon: Möw-e, ist, nun ja, entschleunigend. Mit der Geschwindigkeit einer Ente schiebt sich das Schiff über den See. Niemand muss sich am Geländer festhalten, niemand muss Angst um seine Frisur haben. Es bleibt ausreichend Zeit, die Sehenswürdigkeiten am Ufer zu betrachten. Diese bestehen im Wesentlichen aus Bäumen. Das Schiff hält bei Jupp am Biergarten, an der Jugendherberge und in der Stadtmühlenbucht, an letzterer sogar eine halbe Stunde. Das Anlegen, das Ein- und Ausladen von Menschen, alles dauert so lange, wie es dauert. Der Ticketkontrolleur, der Snackverkäufer, die reisenden Seniorengruppen: Es ist so, als gebe es die Welt drumherum nicht, als sei man in einem eigenen, eineinhalbstündigen Universum. Alles ist ganz wunderbar. Man fährt, wenn man fährt, man steht, wenn man steht – mehr muss man nicht wissen.


Fortgang Elektroauto | Die Elektrofahrsache nimmt (Achtung, Wortspiel) auch zuhause Fahrt auf. Ich habe eine Wallbox bestellt. Ein Elektrofachbetrieb wird sie installieren.


Kulinarik | Der Garten gibt noch etwas her, Mangold zum Beispiel.

Mangold, die Stiele bereits angeschnitten, auf dem Tisch. Daneben eine Schüssel, Zwiebeln, Knoblauch und ein Messer

Ich kochte Mangoldpasta: Mangold, Zwiebeln, Knoblauch, Salz und Pfeffer, abgelöscht mit etwas Sahne. Dazu aufgerauhte Linguine, damit die Soße gut haften bleibt, und Parmesan.

Außerdem buk ich Pflaumenkuchen. Nach der Fahrt mit der Möwe kamen wir in Haltern Downtown beim Früchtejuwelier vorbei, ein türkischer Gemüsehändler mit ambitionierten Preisen, aber auch mit guter Qualität. Ich kaufte eineinhalb Kilo Pflaumen und verarbeitete sie am Feiertag zu Kuchen.

Pflaumenkuchen in Nahaufnahme

Pflaumenkuchen geht bei mir nur mit Quark-Öl-Teig. Der wird schön fluffig und schlotzig. Alles andere ist mir zu trocken.


Gelesen | Frau Novemberregen schreibt über Strategien zur Berufswahl, die auch den meinen entsprechen:

Ich habe schon alles Mögliche gearbeitet. Im Nachhinein kann ich all diese Jobs zu einer überzeugenden Geschichte zusammenfügen in der alles Sinn ergibt und die gar keinen anderen Schluss zulässt, als dass ich meine jetzige Stelle habe. In Wirklichkeit ist das aber Quatsch, es war eine Aneinanderreihung von Zufällen und genutzten Gelegenheiten ohne jede Strategie. Ich wusste gar nicht, dass es Arbeitsplätze wie meinen jetzigen gibt; meine Eltern, Tanten, Onkel, Großeltern haben nie in einem Büro gearbeitet.

3. Oktober 2023

Ich beobachte bei jungen Menscheneine eine große Sorge, die falsche Entscheidung zu treffen, was die Wahl des Ausbildungsplatzes oder des Studiums angeht. Mitunter mündet diese Sorge in völliger Tatenlosigkeit. Ich kann nur ermutigen, irgendwas anzufangen. Legt einfach los, lasst Euch ein. Es wird sowieso nicht Eurer letzter Job sein, wahrscheinlich nicht einmal Eure letzte Ausbildung, sondern nur die erste von vielen. Einfach starten – der Weg zeigt sich beim Gehen.


Schweine des Tages | Der Dicke, kuschelbedürftig, auf der Suche nach einem Anschmiegeschwein.

Zwei kuschelnde Schweine, eins sitzt im Häuschen und streckt den Kopf raus, der Dicke schmiegt sich von außen an

Chemnitz | Gestern Abend kam ich aus Chemnitz zurück – nicht mit dem Zug, sondern in Katjas Auto. Katja war mit mir als Kollegin in Chemnitz, wir haben zusammen ein Seminar gehalten. Im Seminar ging es um den Umgang mit Macht – um eigene Macht und die Macht anderer – und um den Umgang mit herausfordernden Personen, die mit ihrem Verhalten Macht über uns ausüben. Sei es, weil sie dominant auftreten oder weil sie nicht zu packen sind, weil sie sich uns immer entziehen. Katja und ich, aber insbesondere Katja, sind in Rollenspiele mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gegangen. Das Motto war „Scheiter heiter!“, denn so ein Rollenspiel, vor allem mit Katja als Gegenüber, kann man erstmal nicht gewinnen. Aber dann, mit Beratung der anderen Teilnehmer:innen, mit Ausprobieren und mit dem Ausbrechen aus bestehenden Mustern geht es doch.

Wir hatten uns für eine gemeinsame Rückfahrt verabredet. Gemeinsam ist es ja immer geselliger. Wir haben die Strecke staufrei und mit guten Gesprächen rumgekriegt. Außerdem haben wir uns selbst auf die Schulter geklopft, nicht die ganze Zeit, nur bis zur Autobahn: Nicht nur, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer uns gutes Feedback gegeben haben. Sie möchten uns auch im kommenden Jahr noch einmal sehen.

In Chemnitz residierte ich standesgemäß im Wasserschloss. In Hamburg oder München würde man für diese Residenz wahrscheinlich Unsummen bezahlen; in Chemnitz hingegen kann man dort wohnen, ohne das Budget zu überschreiten.

Wasserschloss Klaffenbach im Dämmerlicht, im Vordergrund Geranien

Eine gute Bleibe zeichnet sich ja vor allem durch drei Dinge aus: ein hartes Bett, ein gut durchlüftetes Zimmer und das Gefühl, dass die Leute sich ein bisschen Mühe für mich geben. Das war im Wasserschloss so; ich habe sehr zufrieden geschlafen.

Am zweiten Tag waren wir abends im der Innenstadt von Chemnitz. Dort ist es erfreulich hübsch. Es gibt Springbrunnen, bunte Bänke und das beste Heidelbeereis. Ich kaufte Viba-Nougat in der Karl-Marx-Verpackung, Touristen-Edition.

Historische Fassade, davor ein Baum, durch den die Sonne scheint. Vor dem Haus bunte Bänke vor einem Springbrunnen.

Sushi mit Dampf | In Chemnitz traf ich A., wir kennen uns von Instagram. Menschen, die mit Blogs und Social Media nichts am Hut haben, sind stets befremdet, wenn ich von derlei Verabredungen berichte. Einfach so fremde Personen treffen? Und was, wenn sie unsympathisch sind?

Erstmal finden diese Menschen mich ja sympathisch, sonst würde es nicht zu einer Verabredung kommen. Also muss von ihrer Seite zumindest eine gewisse Grundsympathie bestehen. Ich selbst finde mich auch sympathisch, also haben wir schonmal etwas gemeinsam. Wie fast alle Menschen, die ich übers Blog oder Social Media kennenlerne, ist A ein grundsympathischer Mensch. Wir hatten einen sehr schönen Abend – mit einer Sushiplatte. die dampfte. Der Dampf hatte keine Funktion, war lediglich eine Marketing-Masche. Aber ich muss sagen: Ich war schon beeindruckt. Gut schmeckte es außerdem.

Sushi, drumherum weißer Dampf

A arbeitet im Gesundheitswesen und bestärkte wieder einmal meinen Eindruck, den ich aus anderen Gesprächen habe: Die Menschen, die dort arbeiten, sind super. Aber das System ist am Arsch.


Die E-Auto-Entscheidung | Die Entscheidung ist gefallen. Ich möchte etwas ausholen, bevor ich sie verkünde.

A fragte mich bei unserem Date, ob es nicht komisch sei, dass wir uns träfen und sie so viel über mich wisse und ich über sie quasi nichts. Diese Frage bekomme ich bei derlei treffen quasi immer gestellt. Ich habe dazu schon mehrmals in mich hinein gehorcht und kann sagen: Nein, das beunruhigt mich nicht. Denn es ist ja nicht so, dass ich hier mein ganzes Leben erzählte. Vielmehr gibt es jede Menge mehr private Dinge, aber auch unprivate, die ich aus banalen Gründen (keine Zeit, zu langweilig, keine Lust) hier nicht erzähle. Überdies, und da schließt sich der Kreis zum Thema Macht, könnte man zwar meinen, dass meine Blogleser:innen durch dieses Wissen Macht über mich haben; die größte Macht habe ich allerdings selbst, indem ich auswähle, was ich preisgebe und was nicht.

Außerdem, und jetzt kommen wir zur E-Auto-Entscheidung, habe ich durch meine Erzähltipperei im Kännchencafé viel mehr Nutzen als umgekehrt. Nachdem ich über meine Elektroauto-Überlegungen gebloggt hatte, erhielt ich Zuschriften aus zweierlei Richtung: Zum Einen von einer Person mit ausgewiesener Expertise in Informations- und Verfassungsrecht, die mir viel Kontext hinsichtlich chinesischen Elektroautos gab, die darin erhobenen Daten, die Nutzung dieser Daten durch den chinesischen Staat – und was das für praktische Konsequenzen haben kann. Zum anderen von einer Person aus dem Kfz-Sachverständigenwesen, die mir Informationen zu Sicherheitsaspekten des MG gab; nichts, was einen sofort umbringt, aber was zu Unaufmerksamkeiten im Straßenverkehr führt: Doppelbelegungen von Lenkradtasten, kleine Displayanzeigen. Danke an beide für die Infos!

Im gleichen Atemzug mit den Zuschriften geschahen zwei weitere Dinge:

  1. Das Leasingangebot des MG-Händlers traf ein. Das Leasing des MG ist in der Gesamtschau – inklusive steuerlicher Aspekte hinsichtlich Geschäftswagen, Versicherung und Wartungskosten – preiswerter als die Dauermiete des Tesla. Allerdings nicht in einem Maße, das mir Unbehagen bereitet.
  2. Meine Auftraggeberin in Chemnitz holte mich am ersten Morgen am Wasserschloss ab – mit einem Tesla Model Y.

All dies führte zu der Entscheidung für einen Tesla.

Unerfreulicherweise las ich einen Tag später im aktuellen Newsletter des Recherche-Nertzwerks Correctiv von Verstößen von Arbeitsschutz- und Umweltschutzauflagen in der brandenburgischen Tesla-Fabrik. Sie hören mich seufzen. Es wird aber bei der Entscheidung bleiben.


Der Gießkannen-Code | Dann geschah noch etwas: Ich erhielt einen Anruf. Am anderen Ende der Leitung war eine Journalistin, die im Auftrag eines bekannten Autors recherchiert. Ich kenne den Autor, habe selbst schon Bücher von ihm gelesen; er ist vielfach ausgezeichnet. Sie riefe an, sagte sie, weil ich in meinem Blog über den Gießkannen-Code geschrieben habe: Wenn man Witwe oder Witwer sei und auf den Friedhof ginge, könne man die Gießkanne auf bestimmte Weise tragen, mit dem Ausguss nach vorne oder nach hinten, das signalisiere, ob man wieder bereit sei für eine neue Beziehung. Besagter Autor wolle dies in sein neues Buch einbauen, wolle aber vorher ein Fact-Checking machen: Gibt es das wirklich? Sie fragte mich, ob ich Quellen habe, ob ich Menschen kenne, die dies bestätigen könnten oder ob ich mir das ausgedacht habe. Ich telefonierte mit meinem Vater, mit meiner Tante und mit einer Bekannten meines Vaters und bestätigte der Journalistin: Ja, doch doch, das gibt es. Allerdings, gab ich der Journalistin weiter, komme dies nach meiner Meinung Sauerländer Verwandtschaft nicht mehr zur Anwendung, man seis chließlich offener geworden, würde sich eher ansprechen. Aus aktuellen Anlass könne man allerdings sagen, dass der Friedhof eine hervorragende Partnerbörse für das gesetztere Semester sei, *zwinkizwonki. Ich gab diese Informationen weiter. Die Journalistin bedankte sich und versprach mir ein Exemplar des Buches.


Schwein des Tages | Mittagessen, unser Entdeckerschwein: neugierig, mutig, Schnellmerker.

Meerschwein stützt sich auf Blumentopf auf

Eine Idee von Herbst | Ein Hauch von Herbst liegt über dem Dorf. Kühl weht die Luft ins Schlafzimmer. Man kann sich nun nachts zudecken, sogar schon ein bisschen einmummeln ins Federbett. Man will nicht mehr, dass Füße herausschauen, auch die Schultern sollen nicht frieren.

Nach Sonnenaufgang leuchtet der Garten nun in warmen Farben. Die Tomaten sind abgeerntet, viele Stauden zurückgeschnitten. Der Ahornbaum zeigt erste Anzeichen herbstlicher Zerrupfung. Blätter fallen hinunter ins Schweinegehege. Die Schweine sind angetan, sie streiten sich um jedes Blatt und fressen es mit Wonne, ebenso die verblühten Sonnenblumen. Am Wochenende gab es Kürbissuppe.

Garten am Morgen

Nur die Mücken haben noch keinen Herbst. Sie sirren durchs Zimmer, um den Kopf herum, verfangen sich in den Haaren und tun so, als wäre es noch praller August, als kämen wir gerade aus dem Freibad, die Luft schwer und gewittrig. Nachts wache ich auf und kann nicht mehr einschlafen, weil meine Arme und Beine jucken und ich mich gegen Angreifer verteidigen muss. Ich bräuchte ein Moskitonetz, aber dafür ist die Saison zu weit fortgeschritten, das Anbringen lohnt sich nicht mehr. Also begnüge ich mich mit einem Gerät aus dem Drogeriemarkt. Es steckt in der Steckdose und stößt einen penetranten Geruch aus. Ich werde davon ganz benommen, die Sinne schwinden mir, ich schlafe glückseelig und merke nicht mehr, wie mich die Mücken verspeisen.


Expedition nach Chemnitz | Eine Woche zuhause liegt hinter mir, ohne Reise, mit Vorbereitungen für zwei Reisewochen. Heute bin ich dann von Haltern nach Chemnitz gefahren, zu einem Engagement an der TU. Dort darf ich drei Tage lang mit Nachwuchskräften über Macht sprechen, zunächst mit Mentees eines Führungskräfteprogramms, danach mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Es wird um Selbstbehauptung gehen, darum, sich mit herausfordernden Persönlichkeiten auseinandersetzen. An Tag Zwei kommt Katja King dazu, die beste Rollenspielerin für derartige Anlässe. Gemeinsam werden wir die Leute fordern, für sich einzustehen, sich Status zu verschaffen und Konflikte auszuhalten.

Bis Leipzig verlief die Zugfahrt ereignislos, abgesehen von zwanzig Minuten Verspätung, die mir Aufenthalt in Leipzig bescherten. In Leipzig kann man sich gut aufhalten, wenn man den Bahnhof von Dortmund gewohnt ist.

Leipziger Hauptbahnhof

Auf Gleis Dreiundzwanzig wartete der RE6, eine Art Museumszug: betagte Waggons der Deutschen Reichsbahn, weder barrierefrei noch klimatisiert, aber mit dem entscheidenden Vorteil, dass man die Fenster öffnen kann. Ich hatte Klassenfahrtsgefühle und war versucht, den Kopf aus dem Fenster zu schieben und den Menschen an der Strecke zu winken.

RE6 nach Chemnitz

Einzig, dass der Zug nicht fuhr: Streckensperrung. Eineinhalb Stunden harrten wir am Gleis aus. Menschen stiegen wieder aus, andere stieg ein, wieder aus, wieder ein. Es dämmerte schon, als die Waggons sich quietschend in Bewegung setzten.

In Chemnitz angekommen, war Pioniergeist gefragt. Ich fühlte mich an meine Expedition nach Alt-Duvenstedt erinnert, als ich in in der Rendsburger Prärie unter Grillenzirpen auf den letzten Bus wartete, um 16: 30 Uhr. Heute stand ich nicht in Holzbunge, sondern in Hutholz, es war 19:30 Uhr, ich wartete auf den Bus nach Klaffenbach und blätterte derweil die dreihundertste Seite in meinem Buch um. Endlich kommt man mal zum Lesen.

Er kam dann auch, mit einigen Minuten Verspätung. Ich war der einzige Fahrgast. Jetzt residiere ich im Wasserschloss Klaffenberg, dem nächstgelegenen Haus zur Veranstaltungsstätte. Eine standesgemäße Residenz – vermute ich. Ich habe sie ja nicht mehr im Hellen gesehen.

Hotelzimmer mit Doppelbett und Plüschsessel

Ein Gruß geht raus an zwanzig Jahre verpennte Verkehrspolitik.


Update | Die Bahn hat uns die Zugfahrtkarten nach Südtirol anstandslos erstattet, Hin- und Rückfahrt, ohne Stornierungsgebühr.


Medizin-Dienstleistung | Meine neue Hausärztin ist nicht nur voll digitalisiert – Online-Terminvergabe, eRezept, Chat, Videosprechstunde -, sie bietet nun auch Impftage an Samstagen an: 10 bis 14 Uhr, einfach hingehen, ohne Termin, Spritze rein, fertig. Super Sache.


E wie elektrisch | Eine Entscheidung steht an. Mein Geschäftswagen, ein Skoda Octavia Diesel, ist inzwischen 160.000 Kilometer gelaufen und nun auch aus der Abschreibung raus. In Anbetracht dessen, des Klimawandels und der Tatsache, dass ich Langstrecken ohnehin mit dem Zug absolviere, möchte ich auf E-Mobilität umsteigen.

Der Reiseleiter hat die Projektleitung in dieser Angelegenheit, er hat Modelle und Anbieter recherchiert und finanzielle Berechnungen angestellt, die er mir jeweils zur Entscheidung vorlegt – wir haben hier eine klare Arbeitsteilung. Nach der ersten Entscheidungsrunde spitzt sich die Sache auf zwei Lösungen zu: einen Tesla Model 3 oder Model Y im Abo bei E-Flat oder einen MG4 oder MG5 als Leasing vom Autohaus. SAIC Motor, Chinas größter Automobilkonzern, hat die einst britische Marke MG aufgekauft und geht unter diesem Label nun mit Elektromobilität auf den europäischen Markt.

Die Entscheidungskriterien sind Kosten, Reichweite und Platz auf dem Fahrersitz: Ich habe lange Beine und möchte nicht Go-Kart fahren. Ach, und: Ein SUV kommt nicht infrage, wir sind ja keine Förster.

Am Wochenende haben wir uns den MG4 und MG5 Eletric angesehen, und ich bin überraschend angetan. Kompaktklasse, jede Menge Beinfreiheit, kluges Innenraumdesign mit vielen Ablagen, Minimum 380 Kilometer Reichweite, guter Preis. Möglich also, dass wir bei einem chinesischen Auto landen.


Geguckt | Irgendwann ist auch mal gut. Habe mich gut unterhalten gefühlt.

Gelesen | Septembertropen. Ich bin sehr bereit für vierzehn Grad und Regen, der gegen die Scheiben klatscht.


Schwein des Tages | Der Dicke mampft Sonneblume.

Verlbühte Sonnenblume, an der versonnen ein Meerschwein knabbert

Erholsames Wochenende | Einen fantastischen Sonntag gehabt. Am Samstag schlief ich um 21 Uhr ein, am Sonntag erwachte ich um 9 Uhr (ich Feierbiest!). Noch vor dem Frühstück schaute ich den Film zu Ende, bei dem ich eingeschlafen war: Fluchtpunkt Nizza, ein Thriller mit Sophie Marceau, ein bisschen vorhersehbar, aber nicht übel. Dann ausgedehntes Frühstück, Flohmarktbesuch, Besuch bei den Schwiegereltern, Spaziergang. Am Spätnachmittag noch einmal eingenickt, am Abend eine Doku über den Radrennfahrer Marc Cavendish geschaut.

Auch der Samstag war erbaulich: Fußballplatz mit K2 und K3, die Zwillinge spielen in einer U13-Mädchenmannschaft. Zu Beginn dieser Saison sind sie in der Altersgruppe aufgestiegen, deshalb hagelt es jetzt Niederlagen. Das Team spielte aber sehr gut, die Einstellung stimmte, es ließ sich nur auskontern. Am Platz gab es Waffeln kurz vor der Perfektion: 9,5 Punkte auf der Internationalen Waffelskala.

Herzchenwaffel mit Puderzucker

Papier mit Stempel | Ich bin jetzt TÜV-zertifizierte Change Managerin. Die Weiterbildung in Filderstadt endete am Freitag mit einer mündlichen Prüfung. Die Prüfung bestand aus einem realistischen Fallbeispiel – der Erweiterung eines Geschäftsfeldes in einer mittelständischen Firma – mit Bedenken und Befindlichkeiten, die ich dergestalt auch aus meinem Arbeitsalltag kenne. Sehr gut, das einmal mit Kolleg:innen anderer Branchen und mit den vermittelten Methoden durchzuspielen.


Kraft der Jugend | K1 ist spontan einen Fünf-Kilometer-Lauf mitgelaufen, einfach so, ohne Training, weil ein Freund ihn fünf Minuten zuvor gefragt hat. Zeit bei Ankunft im Ziel: 27 Minuten. Man müsste nochmal 13 sein.


Landleben | Im Dorf war Schützenfest. Drei Tage und Nächte klangen Blasmusik und Schüsse durch die Luft, Menschen in Fantasie-Uniformen marschierten über Bürgersteige – mal mehr, mal weniger geradeaus.

Puppe steht mit Kopf in Heuballen, ein Fahrrad an den Füßen. Drumherum grün-weiße Fähnchen

Meinen Berufseinstieg Ende der Neunziger verbrachte ich in der Lokalredaktion einer sauerländischen Regionalzeitung. Im Sommer tingelte ich von Schützenfest zu Schützenfest, um darüber zu berichten. Was ich dort an Unangemessenheit, Alkoholausfällen und Belästigung erlebt habe, reicht mir, um nie wieder ein Schützenfest besuchen zu wollen.


Sank ju for trävelling | Der Reiseleiter und ich fahren Anfang Oktober nach Südtirol zum Wandern. Geplant war die Reise mit dem Zug: von Haltern frühmorgens nach Essen, dort in den ICE nach München, in München aus Zeitpuffergründen zwei Stunden Aufenthalt, dann Weiterfahrt mit dem EC nach Südtirol. Dauer der Reise: zehn Stunden. Sehr kommod.

Schon vor etlichen Wochen bekamen wir eine E-Mail, dass der ICE nicht wie gebucht fahren würde. Allerdings funktionierte die spätere Alternative dank des Zeitpuffers immer noch locker. Nun die Nachricht: Die Verbindung fällt gänzlich aus. Alternative ist eine Verbindung mit viermal Umsteigen in knappen zwölf Stunden. Das wird natürlich vorne und hinten nicht funkionieren, allein die Umsteigezeiten sind absurd. Wir werden also mit dem Auto fahren. Schade für uns, schade fürs Klima.

Die Bahnprozesse sehen nun eine Stornierungsgebühr von zwanzig Euro für Hin- und Rückfahrt vor. Wir befinden uns in Korrespondenz. Ich stelle mir das in meinem Business vor. Ich kann eine Leistung nicht zum vereinbarten Termin erbringen („Sorry, aber zum Workshop am Fünfzehnten komme ich jetzt doch nicht. Sie können gerne auf vier Kolleginnen zurückgreifen, die jeweils Teile der Leistung bedienen. Sie werden aber untereinander nicht abgesprochen sein, und wahrscheinlich wird mindestens eine nicht kommen.“), und der Kunde muss mir 15 Prozent Stornierungsgebühr bezahlen. Hahaha!


Schweineleben | Das obligatorische Schweinefoto: Wildkräuterlunch.

Drei Schweine an einem Blumentopf mit Wildkräutern

Schlauer werden | Heute Blogging aus Filderstadt. Ich mache eine Zertifizierung beim TÜV Süd, Change Management, damit ich auch mal eine Papierchen habe für das, was ich kann und mache. Das ist ja bisweilen wichtig, zum Beispiel in Ausschreibungen. Außerdem lernt man immer was. Es sind spannende weitere Teilnehmer und Teilnehmerinnen dabei, interessante Unternehmen; wir sprechen die realen Change-Projekte durch, an denen die Leute haben. Die unterschiedlichen Perspektiven aus Mittelstand und aus Konzernen, aus Ingenieurwesen, IT und Consulting sind super.


Sank ju for trävelling | Die Anreise nach Filderstadt war eine Aneinanderreihung von allem, was bei der Bahn schief gehen kann: verspätete Bereitstellung des Zuges, Leute im Gleis, Polizeieinsatz auf der Strecke, Überfüllung, Reparaturarbeiten. Am Ende fuhr der Zug 2,5 Stunden Verspätung ein. Das hatte ich lange nicht! Oder noch nie? Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern.

Machte aber nichts. Ich hatte eine durchgehende Verbindung nach Stuttgart gebucht, genug Verpflegung im Rucksack und musste nur dasitzen, schlafen, lesen oder essen. Ich hatte auch luftig geplant, so dass ich noch gut in Filderstadt ankam, zur tagesthemen-Zeit.


Location Scouting | Am zweiten Seminartag fuhr ich abends nach Stuttgart und traf Kunden. Ich besichtigte einen Workshoptraum für Anfang Obtober. Sehr besonders! Gefällt mir außerordentlich.

Wir werden dort über Führung sprechen, um Führen ohne Weisungsbefugnis in eine andere Organisation hinein. Knifflige und sehr besondere Konstellation. Wir werden die Möglichkeiten und Grenzen ausloten.

Anschließend war ich mit dem Kunden essen, in einem interessanten koreanischen Restaurant. Lecker! Ich bin mir nicht sicher, was ich alles aß. Fermentierter Kohl in einem Schälchen, in einem anderen Schälchen waren Algen, in einem weiteren etwas Suppenrartiges, dazu Bibimbap mit Tofu. Zur Vorspeise teilten wir uns Yachaejeon, Gemüsepfannkuchen – eine Offenbarung!

Holztisch aus der Vogelperspektive mit drei Menüs

Wetterfühlig | Gut, dass das heiße Wetter vorbei ist. Das ist mir auf den Sack gegangen. Im Urlaub ist es ja super. Aber während der Arbeit? Nä. Uff.


Prosit | Wir verbringen die Abende in schwäbischen Biergärten. Das ist außerordentlich angenehm. Heute waren wir in Esslingen. Wir plaudern über Dies und Das, es ist lustig. Ich bin mit Menschen zusammen, die Humor haben. Wir streifen ernstere Themen. Die Luft ist lau, unter den großen Schirmen ist es behaglich.

Nach zwei Radlern, einem Williams und einem bayerischen Wrap komme ich in mein Hotelzimmer und schalte den Fernseher ein. Im SWR läuft: „Mein Darm, seine Mikroben und ich“. Auf dem Tisch liegen zwei zerdrückte „Huober Bierstengel“ vom Vorabend, „wen er einmal gepackt hat, den lässt er nicht mehr los“. Ich lasse mich in die Situation fallen, draußen zirpen die Grillen.

Wenn Sie nicht wissen, wo Sie Ihre nächste Weiterbildung machen: Ich kann diesen Landstrich empfehlen.


Gelesen | Wie Gustavo Gusto die Tiefkühlpizza vom Junkfood-Image befreit hat

Gelesen | „Wir müssen Formate machen, die Zuschauer:innen dazu bringen, wütende Briefe in Sütterlin zu schreiben“


Bild vom Wochenende | Forderndes Schweineleben:

Meerschwein in Weidenrolle draußen auf dem Rasen, schläfrig.

Broterwerb | Ich mag meine Arbeit sehr. Manchmal mag ich sie sehr sehr. Zum Beispiel in der vergangenen Woche, als ich zu Gast in Schleswig-Holstein war. Ich hielt einen Vortrag, begleitete die 35 Teilnehmer:innen durch den weiteren Tag, am Abend Gespräche. Alles vor der tollen Kulisse des Bistensees. Der Vortrag war maßgeschneidert auf den Kunden. Ich habe ein Briefing bekommen, und danach mit zwei Feedbackrunden einen Vortrag erarbeitet, der genau auf die Situation des Kunden passt. Das hat alles prima hingehauen, inhaltlich hat es den Nerv getroffen. Das hat mich sehr gefreut.

Blick über die Sonnenterrasse mit Schirmen auf einen See im Morgennebel

Premiere: Zum ersten Mal war ich mit Kund:innen schwimmen. Das Wasser war wunderbar weich und ausreichend warm. Wir schwammen eine gute Strecke, umrundeten eine Insel und schwammen wieder zurück.

Die Anreise nach Alt-Duvenstedt hat etwas Pioniergeist erfordert. Mit dem Zug fuhr ich erst von Haltern nach Münster, dann von Münster nach Hamburg und von Hamburg nach Rendsburg. Soweit alles easy. In Rendsburg musste ich dann den Überlandbus nehmen: erst die Nummer 700 nach Holzbunge-Nord und dort umsteigen in die Nummer 727 zurück Richtung Rendsburg; der Bus fuhr einen anderen Bogen zurück, als der andere hin gefahren war und setzte mich am Seehotel ab.

Der Anschluss in Holzbunge-Nord:

Fahrplan in Holzbunge-Nord: Zwei Busse am Tag

Es brauchte ein bisschen Gottvertrauen.Gemeinsam mit mir warteten zwei Handwerker an der Bushaltestelle, während die Grillen zirpten und der Wind durch die Gräser strich.

Als wir in den Bus stiegen, begrüßten die Handwerker alle Insassen – es waren zwei – mit Namen, darunter der Busfahrer. Als sie vier Haltestellen später ausstiegen, sagten sie Tschüss. So läuft das hier also.

Koffer am Straßenrand unter dem Haltestellenschild.

Auf dem Rückweg nahm ich ein Taxi nach Rendsburg: Zu der Zeit, wo ich fahren wollte, fuhr kein Bus. Der Taxifahrer freute sich über die Fahrt. Wir unterhielten uns über Fußball, über Regen und Sonnenschein („Da hatten Sie aber Glück mit dem Wetter!“). Er wusste sehr viel über Regen in Schleswig-Holstein, Regen mit Wind, Regen ohne Wind und Regen, der von allen Seiten kommt. „Wenn es schüttet, dann schüttet es!“


Schweine | Während ich in Schleswig-Holstein war, haben die Schweine eine neue Villa bekommen. Der alte Stall war marode; wir hatten ihn zum Schweine-Einzug gebraucht gekauft; seinerzeit wollten wir keine großen Investitionen tätigen. Die Immobilie erwies sich jedoch rasch als sanierungsbedürftig. Besonders die Bodenplatten waren angegriffen und bekamen nach und nach Löcher. Wir entschlossen uns zu Abriss und Neubau.

Die neue Kapitalanlage ist eine freistehende Stadtvilla. Ihre Installation erforderte Umbaumaßnahmen auf dem Gelände. Landschaftsgärtnerin K2 hat die Parklandschaft erweitert und verschiedenes Grün arrangiert.

Die Schweine finden es am besten unter der Villa.

Drei Meerschweine unter dem Stall. Eines streckt seine Schnauze raus.

Streckensperrung | Die Bahn baut. Zwei Wochen lang fuhr kein Zug durch unser Dorf. Deshalb blieb auch zwei Wochen lang die Schranke, die das Dorf teilt, oben.

Alle im Dorf waren ein bisschen orientierungslos. Normalerweise schließt die Schranke alle naselang – für den Regionalverkehr, für Güterverkehr, für Fernzüge und für durchfahrende Einzelloks. Mitunter fahren drei, vier, manchmal fünf Züge durch, bevor die Schranke wieder öffnet. Dabei gehen bis zu zwanzig Minuten ins Land – zwanzig Minuten, in denen man über das Leben nachdenken kann. In der Zeit versammeln sich Leute an der Schranke: Dorfmenschen, Reisende, Verirrte, Menschen im Auto und noch mehr zu Fuß und auf dem Fahrrad. Man kommt ins Plaudern, klagt sich gegenseitig sein Schrankenschicksal, tauscht sich über die Temperatur des Freibadwassers aus.

Weil alle Leute, wenn sie ins Dorf wollen, bei ihren Wegen eine geschlossene Schranke einplanen und zehn Minuten früher losgehen, kamen alle Leute zwei Wochen lang zehn Minuten zu früh zu ihren Verabredungen. Gleichzeitig traf man sich nicht mehr, hatte keine Gelegenheit zu erfahren, wie warm es im Freibad ist. Ich denke, es wäre gut gewesen, wenn wir die Schranke einfach alle zwanzig Minuten für einen Moment heruntergelassen hätten. Zwei Rentner hätten eine Draisine von links nach rechts hebeln können, dekoriert mit einem Pappmaché-ICE. Das hätte uns allen gut getan, es hätte uns Halt gegeben.


Nochmal Schwein | Nachdem ich im Norden war, fuhr ich in den Süden. Ich begleitete Vattern zu einem Auftrag nach Schriesheim, nahe Heidelberg. Vattern hütet dort für eine Woche das Meerschwein der Turnschwester, einer Freundin von mir.

Nachdem er sich hier in Haltern erfolgreich als Schweinesitter von Frühstück, Mittagessen und Abendessen verdingt hat, während der Reiseleiter, die Kinder und ich in die Niederlande radelten, ist er nun dabei, aus der Sache einen deutschlandweiten Service zu entwickeln: „Schweineversorgung und Housesitting durch seriösen älteren Herrn“.

Zielobjekt in Schriesheim ist Schwein Lucien. Er ist seit Kurzem Witwer und benötigt nicht nur Gurken, sondern auch Trauerbegleitung.

Lucien, das Witwerschwein, mit einer Gurke

Die beiden Herren werden sich eine schöne Woche an der Badischen Bergstraße machen, im sonnigen Weinanbaugebiet. Allein der Ort Schriesheim besitzt ausreichend Weinschenken, dass jeder Abend einen Termin hat.

Um Ortskenntnis zu erlangen, machen wir am Wochenende noch einen Ausflug nach Heidelberg, die Stadt und die Wege kennenlernen. Es war wunderbares Wetter, Schlossbeleuchtung, am Neckar spielte Live-Musik.

Auf meinem Rückweg nach Haltern blieb ich für eine Weile in Wanne-Eickel stecken. Auf der Strecke zwischen Wanne-Eickel und Recklinghausen gibt es nämlich eine Weiche, die mindestens so marode ist, wie unser Schweinestall es war. Fast täglich gibt es Weichenstörungen. Die Bahn hält immer schon einen Trupp orangener Männer bereits, die WD40 draufsprühen und die Weiche dann per Hand umlegen.

Ein launiger Zugbegleiter hielt die Stimmung hoch.

Zugbegleiter: Wie Sie sicherlich bemerkt haben, stehen wir immer noch in Wanne-Eickel. Vor uns ist eine defekte Weiche. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Zugbegleiter: Wie die Leitstelle mir gerade mitteilt, stehen drei Züge vor der Weiche. Die müssen nun alle erstmal zurück auf ein anderes Gleis rangieren. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Zubegleiter: Neues von der Leitstelle. Die Weiche wird repariert. So lange warten wir hier. Sie können gerne aussteigen. Ich lasse die Türen offen.

Zugbegleiter: .. //*vernehmliches Seufzen … Es fährt noch immer nichts. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie nicht denken, ich hätte Sie vergessen. Wir haben heute die Arschkarte.

Vater zu Kind: Das eben war ein böses Wort. Das haben wir nicht gehört.

Zugbegleiter: Soooo …. ich höre, dass die Weiche repariert ist. Allerdings darf jetzt erst der Fernverkehr fahren. Wir sind kein Fernverkehr. Wie gesagt, Arschkarte.

Vater zu Kind: Das Wort hören wir nicht.

Zugbegleiter: Meine Damen und Herren, gleich sind wir dran. Es fährt nur noch der Intercity, den Sie nebenan uns auf Gleis fünf sehen. Warum darf der zuerst fahren? Weil er weiß ist! Wir hingegen sind rot. Bei Rot muss man warten. Gucken Sie also auf den Intercity auf Gleis fünf. Wenn der losfährt, steigen Sie ein.

Zugbegleiter: Neue Information von der Leitstelle! Sie brauchen nicht mehr auf den weißen Zug gucken. Er wird umgeleitet und fährt nicht über die Weiche. Machen Sie es wie meine Frau: Gucken Sie einfach nur auf mich.

Dann durften wir losfahren.

Zugebegleiter: Wie Sie sehen, fahren wir wieder. Wir erreichen dann … also … in Kürze will ich nicht sagen … aber wir erreichen als nächstes Recklinghausen.

//*Gelächter, vereinzelter Applaus


Landleben | Auflockerndes Bild vom Schützenfest im Dorf.

Ein Paar aus Strohballen

Beigespachtelt | Ich habe mein Seminarangebot überarbeitet. Im laufenden Jahr sind ein paar Seminare hinzugekommen, andere haben sich verändert.

Neu hinzugekommen:

Überarbeitet und neu aufgesetzt habe ich mein Angebot zum Thema „Moderieren“. Es gibt nun ein Seminar für Einsteiger und eins für Menschen, die bereits Moderationserfahrung haben. Alle Angebote kann man natürlich auch nach gusto kombinieren; das mache ich mit Kunden regelmäßig. Mitunter erweitern und verändern wir die Inhalte auch. So entstehen dann neue Seminare.


Übergepinselt | Auch aktualisiert: Meine Termine. In diesem Jahr bilde ich mich viel weiter.


Neu aufgelegt | Meine Kollegin Andrea Schmitt und ich bieten im November noch einmal einen Impuls zum Thema „Selbstführung und Zeitmanagement“ an: zwei Stunden am späten Nachmittag für weniger Multitasking und mehr Klarheit.


Corona | Vier Einschläge bei mir bekannten Menschen – zwar nicht in physischer Nähe, aber immerhin. Anekdoten dieser Art waren in den vergangenen drei Jahren immer ein Indiz, dass die Gesamtinzidenz wieder steigt. Vor allem, nachdem lange nichts war. Alle Kranken sind übrigens richtig krank. Ich ahne Böses für den Winter.


Und sonst | Kartoffelernte:

Kleine Kartoffeln im Waschbecken

Nachbarschaft | Ich habe die Nachbarschaft kennengelernt: Es gab ein Nachbarschaftsfest. Seit meinem Umzug im Januar bin ich zwar Teil einer WhatsApp-Gruppe und auch schon einzelnen Leuten begegnet, aber es gab bislang keine Möglichkeit, sich ausführlicher bekannt zu machen.

Auf dem Fest lösten sich einige Rätsel auf, zum Beispiel das des Fahrradschuppens. Der Fahrradschuppen ist an eines der Eckhäuser angebaut, und jedesmal, wenn ich an ihm vorbeikomme, tritt eine andere Person heraus; ein Fahrradschuppen wie in der Truman Show, der Startpunkt aller Komparsen. Jetzt ist klar: Die Leute wohnen dort wirklich alle, und die Verhältnisse sind dergestalt, dass ich dem Reiseleiter, der nicht auf dem Fest war und dem ich alles nachträglich erklären musste, sowohl einen Etagenplan als auch einen Stammbaum skizzierte.

Ergebnis des Festes ist, dass ich Mitglied einer Nachbarschafts-Tippspielgruppe bin, in der ich nach dem ersten Spieltag Platz vier von zehn belege. Die ersten drei Plätze bekommen am Saisonende die uneingeschränkte Anerkennung der Gruppe und einen Pokal, der entweder sichtbar in eine Vitrine oder, noch besser, illuminiert in straßenseitige Fenster zu stellen ist. Dass die Gruppe im Wesentlichen aus ehemaligen Fußballerinnen besteht, darunter Bundesliga und Regionalliga, sowie kundigen Rentnern, macht die Sache knifflig. Ich strebe an, nicht Letzte zu werden.


Tomatensituation | Nachdem wir über mehrere Wochen täglich Gurken ernten konnten und sie sowohl uns als auch den Meerschweinen aus den Ohren rauskamen, haben wir jetzt Tomaten ohne Ende. Erstaunlicherweise haben sie kaum Braunfäule, obwohl sie im Freien stehen und es reichlich geregnet hat.

Ich habe also noch einmal Tomatensoße gekocht, große Mengen für schlechte Zeiten, habe sie eingemacht und eingefroren.

Tomatensoße herzustellen befriedigt mich sehr. Es gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Wer eimerweise Tomatensoße besitzt, ist für das Leben mit all seinen Widrigkeiten gerüstet.


Broterwerb | Ich war bei Kunden an verschiedenen Orten in NRW und habe Seminare gegeben und Workshops geleitet.

Bei Workshops ist mein oberstes Ziel, dass es konkrete Ergebnisse gibt, also: Problem –> Lösung + Aufgabenverteilung. Oder: undurchsichtige Gemengelage –> mehr Durchblick + nächste Schritte. „Schön, dass wir darüber geredet haben“ ist etwas für die Feierabendlimo; in der Arbeitszeit sollte es ein Ergebnis geben.

Workshops sind manchmal einfach, weil Problem und Lösung auf der Hand liegen und sich nur alle mal strukturiert dazu austauschen müssen, um ein gemeinsames Bild zu haben und zu klären, wer jetzt was macht. Bisweilen sind sie aber auch ziemlich intensiv und anstrengend für alle Seiten, weil es viele Baustellen gibt, viele Abhängigkeiten zwischen den Baustellen, unterschiedliche Interessen; weil nicht klar ist, wo welche Verantwortung liegt (einschließlich der eigenen) und nicht zuletzt, weil es eine Historie gibt, die zu Frust und Enttäuschung geführt hat.

In der vergangenen Woche hatte ich einen ziemlich intensiven Workshop. Aber wir sind voran gekommen, und es gibt konkrete nächste Schritte. Das ist gut. Danach war ich allerdings ziemlich platt.


Nebensätze | Nach einem Tag Seminar und zwei Tagen Workshop bin ich zu einer Tagung gefahren: der Zukunftstagung der Organisationsberatung Praxisfeld in Remscheid. Mitgestalter des Tages war Prof. Rudolf Wimmer vom Wittener Institut für Familienunternehmen. Er beschäftigt sich mit Führung und Dynamik in Familienunternehmen. Wenn es wissenschaftliche Redebeiträge gibt, ist es für mich immer ein Zeichen, dass die Veranstaltung über anekdotische Evidenz hinausgeht und sich lohnen könnte. Also meldete ich mich an.

Redner auf der Zukunftstagung verschwommen im Hintergrund. Im Vordergrund ein Notizheft.

Sowohl in Weiterbildungen als auch auf Konferenzen sind es immer die Nebensätze, die mir im Gedächtnis bleiben. Hier ein paar davon:

Macht ist nur Kommunikation, ist nur eine Ankündigung: Man nimmt an, es könnte etwas passieren.

Das nehme ich auch in meinen Seminaren zum Thema „Selbstführung“ wahr – und in Einzelberatung mit Kunden: die Tendenz, sich selbst zu blockieren, weil wir jemand Anderen/etwas Anderes als machtvoll empfinden. Beim näheren Hinschauen stellt sich dann heraus: Vieles ist durch unsere Wahrnehmung geprägt; sicher auch durch unsere Erfahrungen. Die Erfahrungen beruhen jedoch oft auf gut gepflegten Handlungsmustern. Was also, wenn wir etwas anders machen? Das, von dem wir denken, was passieren wird, ist keine Bestimmung.

Führung beschäftigt sich mit Positionen, die nicht entscheidbar sind. Wären sie es, könnte man die Lösung einfach ausrechnen.

Ich habe den Satz mitgenommen, bin aber unschlüssig. Management ist Entscheiden, aber Führung ist so viel mehr. Warum ich den Satz trotzdem notiert habe: Es geht tatsächlich viel um Positionen. Allein, indem ich als Vorbild agiere, welches Beispiel ich gebe, macht deutlich, dass es auch eine andere Seite gibt.

In familiär geprägten, patriarchalischen Organisationen ist alles informell.

Der Satz ist ein wenig aus dem Zusammenhang genommen. Er fiel in dem Kontext, dass es in Unternehmen Dinge gibt, die formell geregelt sind (Gehaltsstrukturen, Arbeitsorte und Arbeitszeiten, …) – sie sorgen für Transparenz, Gerechtigkeit, Sicherheit. Andere sind nicht formell geregelt; mit ihnen hat die Führungskraft Spielraum für ihren individuellen Führungsstil. Rudolf Wimmers Perspektive ist: Auch wenn es in kleinen Familienunternehmen formale Regeln gibt, hängt letztlich alles vom Ermessen einer oder weniger Personen ab, die jederzeit entgegen der Formalie handeln und Vorteile gewähren können und dies auch tun. Folglich sei in patriarchalen Unternehmen alles informell.


Brutalistisch | Gestern war ich zu Gast an der Ruhr-Uni, ein toller Ort für den Freundeskreis Beton.

Ich habe ja dereinst in Düsseldorf studiert, einer Universität, die ebenfalls wenig erbaulich ist, architektonisch.

Inhaltlich hing die Erbaulichkeit sehr von den handelnen Personen ab. Ich erinnere mich an Dr. R, bei dem ich sogar Seminare belegte, die ich gar nicht brauchte, weil er so unterhaltsam war. Dr. R hatte seine akademische Karriere in den 1970er und 1980er Jahren begonnen und ist in dieser Zeit offenbar allen wesentlichen Personen der deutschen Gesellschafts- und Kulturgeschichte begegnet. Seine Seminare hangelten sich von Anekdote zu Anekdötchen, von Joseph Beuys zu Rio Reiser, von Willy Brandt zu Walter Scheel, ein Medley der Zeitgeschichte, mal mit R als Protagonist, mal mit ihm als Beobachter. Zwischendurch schweiften wir zu Dantes Göttlicher Komödie ab, die der Veranstaltung ihren Titel gab; dabei gelang es R jedesmal auf wundersame Weise, einen weiten Bogen von Dante zu Fassbinder zu schlagen – oder zu Ulrike Meinhof, je nach Tagesverfassung. Einmal schrieb ich auch eine Arbeit bei ihm, über biblische Lichtsymbolik in der Divina Commedia; dabei lernte ich die Bibel als zeitgeschichtliches Werk schätzen, und R wanderte in seinen anschließenden Ausführungen von Gott zu Breschnew.


CSD | Im kleinen Haltern fand der erste Christopher Street Day der Stadtgeschichte statt. Die Münsterländer Bevölkerung versammelte sich auf dem Marktplatz, betrachtete das Geschehen und lauschte den Darbietungen. „Was sind das für große Frauen auf Stelzen?“, fragten die Kinder. – „Das sind Männer in Stöckelschuhen. Wenn die sich so bunt anziehen, nennt man sie Drag Queen.“ – „Warum machen die das?“ – „Weil es ihnen gefällt.“ Freundliche Kenntnisnahme; wenn es so einfach ist, ist es auch direkt wieder uninteressant.

Eine Parade gab es nicht, aber Musik, Stände, Klebe-Tattoos und Lollis. Was will man mehr.


Marmeladensituation | Ich habe den Marmeladenvorrat stabilisiert: Vatta hat auf dem Dortmunder Hauptfriedhof Brombeeren gepflückt und sie im Eimer nach Haltern gefahren. Wir werden gut über den Winter kommen.


Geguckt | Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann von Regina Schilling. Die Regisseurin leuchtet die Historie von „Aktenzeichen XY“ aus und arbeitet heraus, wie die Sendung gesellschaftliche Wahrnehmung formte, besonders in Hinblick auf Beruf und Familie und das Verhalten von Frauen und Homosexuellen.

Gelesen | Frau Novemberregen ist zufrieden mit der Störungsbehebung ihres Internetanbieters. Das ist doch auch mal schön. Diese kleinen Glanzlichter des Alltags mag ich sehr gern. Hier im Dorf macht es zum Beispiel Freude, in den Supermarkt zu gehen. Sowohl im roten als auch im gelb-blauen Supermarkt sind die Mitarbeiter:innen sehr freundlich – herzlich, plauderig, aber nicht zu viel. Das haben sie gut raus. Auch an der kleinen Poststation ist es immer gut: Man kommt schnell dran, und alle sind nett. Die E-Rezept-Sache bei meiner neuen Hausärztin klappt auch super: Ich schrieb eine Chatnachricht über die App, bekam eine nette Antwort und keine drei Stunden später hatte ich das E-Rezept dort. Fantastisch.

Gehört | You are f*cked – Deutschlands erste Cyberkatastrophe, ein Podcast des MDR. Die Hör-Serie arbeitet einen Hackerangriff auf den Landkreis Anhalt-Bitterfeld auf und zeigt, die verwundbar Kommunen in Deutschland sind. Von Juli 2021 bis zum Januar 2022 war der Landkreis quasi handlungsunfähig: Straßenverkehrsamt, Ausländerbehörde, Auszahlung von Sozialhilfe – alles war beeinträchtigt. Der Angriff macht auch deutlich, wie nachteilig ein Föderalismus ist, in dem jede Kommune selbst für ihre IT-Sicherheit verantwortlich ist.


Schwein des Tages | Die Schweine haben jetzt einen Weidentunnel, und es scheint keinen schöneren Ort zu geben.

Schlafendes Meerschwein im Weidentunnel

Wir gedenken an dieser Stelle dem Schriesheimer Schwein Meghan, das nach kurzer, schwerer Krankheit in hohem Alter verstarb. Lucien und Meghan haben wesentlichen Anteil daran, dass in meinem Garten Meerschweine leben.



In diesem Kaffeehaus werden anonym Daten verarbeitet. Indem Sie auf „Ja, ich bin einverstanden“ klicken, bestätigen Sie, dass Sie mit dem Datenschutz dieser Website glücklich sind. Dieser Hinweis kommt dann nicht mehr wieder. Datenschutzerklärung

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen