Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Berlin, Teil II | Wo habe ich aufgehört zu erzählen? Ach ja, im Restaurant in Berlin. Am Tag danach fuhr ich Teltow und arbeitete dort für einen Kunden, sah Menschen, die ich meist nur auf Kacheln sehe und selten persönlich. Das war gut.

Von Teltow aus schlug ich mich am Abend nach Charlottenburg durch, fuhr erst mit dem Bus in die falsche Richtung, dann in die richtige. Je näher wir dem Bahnhof Zoo kamen, desto voller wurde der Bus und desto illustrer wurde das Publikum. In Charlottenburg schlug ich mich zur Tür durch und marschierte zu einem österreichischen Restaurant.

Restaurant, das aussieht wie eine gute Stube: Hängegardinen, traditionelle Lampen, Stühle mit Polster und Bänke zum Sitzen. An den Wänden eine Kuhglocke und Bilder

Dort traf ich mein traditionelles Berlin-Date, einen (inzwischen emeritierten) Professor, den ich während meiner Mediations-Ausbildung kennengelernt habe. Ich freue mich jedesmal, ihn zu sehen; es ist immer ein angenehmer, geistreicher Abend – und als Ur-Berliner weiß er auch stets etwas über die Stadt zu erzählen.

Auf dem Rückweg zum Hotel sah ich erst einen, dann zwei Füchse am Spree-Ufer.


Desillusion | Am Samstag Konzert von Bukahara in Münster. Wer die Band nicht kennt: Stilrichtung Folk und Swing, mit nordafrikanischen Einflüssen und ein bisschen Singer-Songwritertum. Die Mitglieder haben eine tunesische, eine jüdisch-schweizerische, eine palästinensische und eine deutsche Familiengeschichte.

Bühne von Bukhara in Münster während des Konzerts

Wir haben das Konzert vorzeitig verlassen. Erst skandierte der Bassist „Free Palestine“, was ich schon unglücklich fand. Aber nun gut: Musik, Publikum, Emotionen. Als der Frontmann dann aber zu einer politischen Rede ansetzte und über den „Krieg in Gaza“ sprach, vom „Antisemitismus gegen Palästinenser“, als er begann, von „einseitigen Medien“ zu faseln, vom „Genozid gegen Palästinenser“ und es dann immer wirrer wurde, während er die Gewalt der Hamas gegen Israel mit keinem Wort erwähnte, konnte wir dem Konzert nicht mehr beiwohnen und verließen es. So ein derber Shit.


Gelesen | Comeback der Kinderarbeit in den USA

Gelesen | Kitanotstand: Wie das System versagt


Amerikanische Kutsche | Ich bin jetzt Elektromobilistin und fahre Tesla. Am Wochenende haben wir den Wagen in der Nähe von Bielefeld abgeholt, einen Model Y, ein Leasingfahrzeug. Auf dem Rückweg war ich gut damit beschäftigt, mich an den Wagen, an das Display und die etwas unterschiedliche Bedienung zu gewöhnen. Auf etliche Automatismen, die ich mir in Verbrennerautos angeeignet habe, konnte ich im Tesla nicht zurückgreifen; ich muss mein Gehirn neu anlernen. Insgesamt aber gutes Fahrgefühl, bin erfreut. Ich werde demnächst genauer berichten.


Schweine | Bildnis mit Snacks:

Zwei Meerschweien vor eine Futterschale, darin ein paar Möhren, zwei rote Knabberkugeln und ein paar Erbsenflocken.

Und sonst | Heute ein neues Bahnabenteuer, das allerdings recht ereignislos daherkam: Mit nur 30 Minuten Verspätung fuhr ich von Haltern am See nach Stuttgart, den Rhein entlang. Der war ziemlich voll – nach den vergangenen Sommern ein ungewöhnliches, beeindruckendes Bild. In Mainz Schnee, sonst überall ergiebiger Regen. Morgen Workshop, am Abend geht es schon wieder zurück. Drücken Sie mir die Daumen, dass die Bahn mich vor Mitternacht nach Hause bringt.

Abendessen | Während ich die nachfolgenden Worte tippe, sitze ich in einem kambodschanischen Restaurant. Die Deko ist stimmungsvoll, um nicht zu sagen überbordend. Schräg hinter mir schimpft die Kellnerin in einer asiatischen Sprache; sie verfällt dabei immer wieder ins Deutsche, kehrt zurück ins Kambodschanische (das wird es wohl sein) und flucht wie ein Kesselflicker, um dann lächelnd an meinen Tisch zu treten.

Blick in ein überladen dekoriertes Restaurant. Zwischen zwei Fenstern steht ein künstlicher Baum, es gibt Vorhänge, Palmen und rot blühende Blumen, auf dem Tisch eine Kerze und eine Rose, grün-gold-verzierte Ballustraden.

Der Baum ist aus Vollplaste, die Ballustraden sind aus Pappmaché – oder leichtem Holz? Jedenfalls darf man sich nicht dagegen lehnen. Ich liebe alles an diesem Ambiente. Das Essen ist hervorragend.


Broterwerb | Gestern war ich einen Tag lang im Hauptbahnhof hier in Berlin, achte Etage. Dort gibt es Konferenzräume. Man schaut auf den Humboldthafen und den Fernsehturm, zu Füßen Geschichte: das ehemalige Zellengefängnis Moabit, die Invalidenstraße und der Hamburger Bahnhof, auf der anderen Seite die Charité. Sonnenaufgang vor der Veranstaltung:


Ein neues Bahnabenteuer | Die Bahnfahrt nach Berlin war störungsfrei – das muss man erwähnen, es ist zurzeit eher Ausnahme als Regel. Auch das Unterhaltungsprogramm war exzellent. Eine Damengruppe im Vierersitz, auf dem Tisch eine Illustrierte und eine erkleckliche Anzahl Corny-Riegel. Das Gesprächsthema: die Firma und die Kolleg:innen. Es ist leicht herauszuhören, bei welchem Unternehmen die Gruppe angestellt ist; es ist dort übel, sehr übel, wenn man den Damen Glauben schenkt. Die Arbeit, die Kunden, die Führung, die Kolleginnen und Kollegen – es bleibt kein gutes Haar an nichts und niemandem.

„Wenn ich mal so über meinen Job spreche“, raunt eine Sitznachbarin in ihr Telefon, „sagt mir hoffentlich jemand, dass ich kündigen soll.“ Bei genanntem Unternehmen möchte hier im Waggon jedenfalls niemand arbeiten – ob wegen der Erzählungen der Damen oder wegen der Damen selbst, bewertet jeder für sich anders.

Später, wir sind schon fast in Spandau, nach drei Stunden Durchkauen der betrieblichen Gegebenheiten, plötzlich ein harter Themenwechsel hin zu Schönheitsoperationen, zu Brüsten und Schlupflidern. Wer hat was machen lassen? Auch man selbst war schon tätig, allerdings nur mit Botox. Mitreisende beugen sich leicht in den Gang, um das Ergebnis zu begutachten. „Die Lippen haben nur 800 Euro gekostet“, sagt sie und meint die Lippen einer Kollegin, nicht die eigenen, „aber der Hals, das sieht man ja, der Hals wird teuer.“


Klüger werden | Am vergangenen Wochenende begann ich meine einjährige Weiterbildung zum Systemischen Coach. Ich begleite bereits Kundinnen und Kunden, viel beratend, aber oft auch mit Coachingfragen. Ich möchte das Ganze auf solide Beine stellen und insbesondere kniffligen Gemengelagen, Turbulenzen und einzelnen Persönlichkeiten besser begegnen, sie besser unterstützen.

Campus der Fernuni Hagen im Sonnenaufgang: Links ein Fahrstuhl im Freien, daneben Treppen, ganz rechts das Seminargebäude. Die Atmosphäre ist freundlich-kühl, der Himmel blau mit Schäfchenwolken.

Ich hatte etwas Sorge, was mich erwartet – nicht in Bezug auf die Ausbildung und die Dozent:innen; von der Qualität habe ich mich vorab überzeugt. Ich darf mir das Zitat meiner Sitznachbarin borgen, die am Ende des Wochenendes sagte: „Ich bin sehr beruhigt, dass wir hier keine Kumbaya-singenden Müsli-Esser sind.“ Ich hätte es anders formuliert, aber ja, genau das waren meine Bedenken: Singen, Klatschen und Tüchertanz statt grundständige Kompetenzen.

Aber ich bin begeistert von der Gruppe, die bunt und heterogen ist, aber dazu auch bodenständig, mit ganz viel Erfahrung und Warmherzigkeit. Sehr bereichend. Die Dozentin und der Dozent sind spitzenmäßig: Bei jeder Erläuterung und noch mehr bei jeder Nachfrage wird deutlich, dass sie viel praktische Erfahrung und außerdem tiefes akademisches Know-how haben; die Weiterbildung ist am Institut für Psychologie angesiedelt, das merkt man. Nach einem ausführlichen Kennenlernen stiegen wir direkt in medias res ein: Coachingphasen und Coaching-Haltung, wir erkundeten die Anliegen der Teilnehmenden und sprachen über Konstruktion von Wirklichkeit. Das Meiste war nicht neu, kenne ich aus meinem Studium oder aus der beruflichen Praxis, aber dennoch fand ich in allem gute Gedankenanstöße. Sehr wertvoll ist außerdem die Möglichkeit, jederzeit Rückmeldung zu bekommen zu dem, was ich tue; ich habe viel mitgenommen, werde nun ein paar Dinge klarer und strukturierter angehen.

Das Innere des Seminargebäudes an der Fernuni: Bunte Metallatühle, große, gelbe Stehlampen vor einer Fensterfront. Im Vordergrund eine auslande Grünpflanuze. Die Atmosphäre ist hell, freundlich und motivierend.

Wir werden uns bis November 2024 zwölf Tage in Präsenz sehen, zusätzlich werde ich mich mehr als 100 Stunden online fortbilden, dazu 25 Stunden Intervision, also Beratung unter Berufskolleg:innen. Ich freue mich darauf.


Gelesen | Frau Novemberregen über Macht.

Ausprobiert | Dutch Cycling Lifestyle. Straße auswählen und schauen, wie sie in einer anderen, nicht autozentrierten Welt aussehen könnte. Leise weinen.


Schweine | Das heutige Schweinebild:

Drei Meerschweine am Fressnapf, der vordere nah an der Kamera, unscharf. Das Dicke in der Mitte mit Salat im Maul, er guckt ertappt. Abendessen, das Schreckschwein, versteckt sich hinter einem Salatblatt.

Abteilung „Interior Design“ | Die bestellten Teppiche sind da. Nachdem ich im Einzelhandel nicht fündig geworden bin, habe ich online bestellt, ich erzählte davon. Das Ergebnis ist erfreulich: Die Qualität und die Farbe der Teppiche entsprechen sowohl den Abbildungen als auch meinen Erwartungen. Die Küche:

Natürlich habe ich mich gefragt, ob ein Teppich unter der Essgruppe sinnvoll ist, Stichwort: krümeln und kleckern. Bei uns geht es vor allem uns Krümeln, um explodierende Croissants und um berstende Brötchen. Vorteil des Teppichs: Dielen haben Ritzen, der Teppich nicht.

Das Obergeschoss. Hier fehlte Farbe und Gemütlichkeit.


Party | Ereignis am Wochenende: Geburtstagsfeier der Zwillinge, Kid’s Edition. Eine angenehme Veranstaltung. Im Spaßbad war unsere Aufgabe im Wesentlichen, Essen zu reichen und ansonsten unsichtbar zu sein. Der Reiseleiter und ich chillten in unseren Liegestühlen und beobachteten das Geschehen, das Springen vom Dreier, die Salti vom Rand, das Rutschen und Tauchen. Ab und an fingen wir Handtücher und Taucherbrillen auf, die gerade nicht gebraucht wurden, schwammen abwechselnd selbst und reichten Sandwiches, Muffins, Obst und Getränke. Es schloss sich eine Übernachtungsparty an. Auch hier war unser Engagement darauf reduziert, Pommes und Hot Dogs zu reichen; darüber hinaus waren wir ausdrücklich nicht erwünscht. Am nächsten Morgen war die Jugend redlich müde. Der Reiseleiter und ich hingegen waren gut ausgeschlafen.


Stark durch den Alltag | Vor einiger Zeit habe ich hier gefragt: Welche Frau und Mutter hat Interesse an einem stärkenden Tag mit Gedankenanstößen für den Alltag? Ziel: Den Alltag zwischen Beruf und Familie reflektieren, Veränderungen intiieren und mit neuer Kraft nach Hause zurückkehren. Es haben sich Interessentinnen gemeldet, so dass ich losgezogen bin, um ein Tagungshaus zu organisieren und einen Preis zu kalkulieren. Die Planung ist abgeschlossen: Alle Infos zu Inhalten, Termin, Ort und Preis – und Anmeldung. Erzählt es weiter!

//*konspiratives Flüstern: Eignet sich auch als Weihnachtswunsch und Weihnachtsgeschenk.


Schlauer werden | Diese Woche ist Weiterbildungswoche. Ich habe drei Tage „Organisationsentwicklung“ hinter mir, ein kompaktes Überblicksseminar, das ich mir ausgesucht habe, um zu schauen, wo ich stehe und in welche Themen ich noch tiefer eintauchen möchte. Außerdem standen ein paar Stichworte auf der Agenda, die mir nichts sagten – was ich als Zeichen verstand, dass ich mich damit beschäftigen sollte. Wesentliche Erkenntnis: Es wird überall nur mit Wasser gekocht. Aber auch: Es gibt immer Schräubchen, Dinge besser zu machen. Gute Impulse:

  • Die anderen Teilnehmerinnen (tatsächlich nur Frauen) waren super. Allesamt aus spannenden Unternehmen, teils Konzernumfeld, diverse Hintergründe (Ingenieurwesen, IT, Betriebswirtschaft, Universität, therapeutischer Background), viel Know-how. Der Erfahrungsaustausch war bereichernd.
  • Wir haben mithilfe verschiedener Werkzeuge und Schemata Transformationsprozesse betrachtet, an denen die Teilnehmerinnen derzeit arbeiten. Ich konnte dadurch nochmal mein Vorgehen schärfen.
  • Spannend war eine Diskussion über das UnFIX-Modell von Jurgen Appelo, mit dem ich mich noch einmal in der Tiefe beschäftigen werde. Es ist nicht revolutionär, bringt aber einige Dinge gut auf den Punkt und schafft die Möglichkeit, klassische Organisationensstrukturen mit ihren Silos aufzubrechen und neu zu denken, aber nicht mit dem Holzhammer und nicht, indem man ins andere Extrem, in die totale (und unreflektierte) Agilisierung fällt.
  • Tetralemma als Entscheidungswerkzeug

Gelesen | Immer wieder gerne: What happened last week? Ein Newsletter der Journalistin Sham Jaff, der sich mit Geschehnissen im globalen Süden beschäftigt – also mit Nachrichten, die es nicht in unsere westliche Aufmerksamkeit schaffen. Der Newsletter gliedert sich in „Bad“, „We’ll see“ und „Good“. Informationshäppchen, die den Blick weiten.

Gelesen | Ein Text für alle, die nichts gegen den Klimawandel unternehmen wollen mit der Begründung: „Aber China!“ Chinas Emissionen könnten im kommenden Jahr einen Peak erreichen – und danach dank massiver Investitionen in erneuerbare Energien deutlich fallen.

Gelesen | Die Manipulation mittels KI geht los: Falsche tagesschau-Audiodateien im Umlauf


Leibesübungen | Am Montag gerudert. Am Dienstag zwei Kilometer geschwommen, sehr zügig auf einer freien Bahn. Das tat gut.


Schweine | Der obligatorische Moment aus dem Leben der Schweine:

Drei Meerschweine: Es in der Weidenrolle und reckt den Kopf vor. Ein zweites liegt träge davor. Ein drittes im Hintergrund, bereit zu fliehen.

Charakterstudie. Der Dicke: „Hö? Ach … egal.“ Das Pionierschwein in der Weidenrolle: „Was ist los? Foto? Hier! Hallo!“ Das überspannte Dramaschwein – hinten – sieht zu, dass es schnell wieder verschwinden kann.


Und sonst | Schon 50 Prozent der Weihnachtsgeschenke besorgt. Dieses Jahr bin ich ganz weit vorne.

Emsige Tage | Nach meiner Bahnfahrt nach Aalen moderierte ich dort am Dienstag einen Workshop. Der Kunde hatte mich als Preis in der Landesauszeichnung Mobilitätswende gewonnen.

Am Tag darauf, am Mittwoch, fuhr ich von Aalen nach Schwäbisch Gmünd und verbrachte den Tag am Standort eines Kunden. Es war prima, dort zu sein: Die Leute aus dem Süden sehe ich sonst nur als Kacheln auf dem Bildschirm. Besonders die Gespräche zwischen den eigentlichen Terminen waren gut.

Von Schwäbisch Gmünd fuhr ich nach Herrenberg und kämpfte mich mit dem Bus zum Hotel durch. Am Donnerstag beriet ich dort – ebenfalls in meiner Funktion als Preis – einen weiteren Kunden. Am Donnerstagabend fuhr ich wieder heim und kam gegen Mitternach in Haltern an.


Bemerknisse und Ereignisse auf der Reise | Gesehenes und Erlebtes, beginnend mit eine hübschen Morgen.

#1 – In Herrenberg hatte ich einen sehr schönen Sonnenaufgang – nach einer mäßigen Nacht.

Sonnenaufgang: Im Vordergrund ein Baum mit herbstlichem Blattwerk, dahinter roter Himmel

Vom schlimmen Männerschnupfen ist immer noch ein leidlicher Husten übrig, der mich besonders Nachts quält. Immerhin waren die Ghettoblaster vom Flur verschwunden: Als ich in Herrenberg ankam und mein Zimmer bezog, nutzte eine Jugendgruppe den Flur als Wohnzimmer, begleitet von lauter Musik und viel Tohubawohu. Die Jugendlichen gingen im Laufe des Abend jedoch tatsächlich zu Bett. Ich war dankbar.

#2 – Last Stockrose standing in Aalen:

Stockrose auf einem Kirchplatz. Dahinter der Eingang einer Kirche und Stühle einer Außengastronomie.

#3 – Die halbe Welt scheint aus Aalen zu kommen. Jedenfalls erreichten mich über Instagram, über das Kännchenblog, Twitter und Bluesky diverse Nachrichten, wie schön es doch sei, dass ich in Aalen weile, man sei dort geboren.

Ein besonderer Dank geht an Kommentatorin Ina, die mich nicht nur zur Konditorei des Ortes schickte, damit ich mir dort Aalener Spionle kaufte, sondern mir auch noch das Geld für einen Spionle (die Geschichte dazu) in die Kaffeekasse warf. Ich kaufte allerdings nicht nur einen Spion, sondern eine ganze Packung, damit die Daheimgebliebenen auch kosten können. Zusätzlich zu den Spionle erwarb ich auf der Reise diverse Leckereien, und ich lernte Wibele kennen. Die Schätze:

Fünf Packungen Süßigkeiten aus Schwaben:

#5 – In der Tüte in der Mitte ist Quittenspeck. Er ist ein Geschenk von E., die ebenfalls las, dass ich in Aalen bin und mich zu einem schwäbischen Abendessen zu sich nach Hause einlud. Es war ein wunderbarer Abend mit guten Gesprächen, gutem Essen und viel Herzenswärme. Herzlichen Dank nochmal!

#6 – Gelernt: In Schwäbisch Gmünd, in einem roten Haus, werden die Tonies geboren.

Produziert werden sie nebenan bei Schleich. Die sitzen auch in Schwäbisch Gmünd. #bildungsblog

#8 – Herrenberg Downtown: Dort war ich in der Mission „Stadtnavi“ unterwegs. Das Stadtnavi vernetzt unterschiedliche Daten der Kommunen, um einen Mehrwert für den ürger zu schaffen, zum Beisiel um zu wissen, wo die nächste „Nette Toilette“ ist. Vor allem aber dient es dazu, Mobilität zu planen. Hinter dem Stadtnavi liegen Busfahrpläne, aber auch Parkplatzauslastungen und Standorte von Sharing-Angeboten. Hier gibt es mehr Erklärung dazu.

Panorama-Aufnahme des Herrenberger Marktplatzes: Fachwerkhäuser, das historische Rathaus und ein Brunnen

Das Stadtnavi hat den Nebeneffekt, dass Kommunen sich darum bemühen, gezielter Daten zu erheben und mit ihnen zu arbeiten. Die Informationen stehen, einmal erfasst, dann nicht nur einer Anwendung wie Stadtnavi zur Verfügung, sondern der gesamten Öffentlichkeit.

#9 – Die Rückfahrt war gewagt geplant: Abfahrt in Herrenberg am frühen Abend, Ankunft im Münsterland nach 23 Uhr. Ich dachte mir ganz optimisch: Durchgehende Verbindung von Stuttgart ins Ruhrgebiet – das wird schon passen. Als ich jedoch am Stuttgarter Hahptbahnhof ankam, blinkte die Anzeigetafel wie ein Weihnachtsbaum: 70 Minuten Verspätung, 60 Minuten, 40 Minuten, Zugausfälle, Personen im Gleis, Verspätung eines vorausfahrenden Zuges, dies und das.

Keiner der Fernzüge kam pünktlich – außer meiner. Gechillt und nach Fahrplan fuhr ich also ins Ruhrgebiet, stieg in Essen in den Regionalverkehr um und kam gegen halb Zwölf, ziemlich erschöpft, aber guter Dinge in Haltern an, wo der Reiseleiter mich vom Bahnhof abholte.


Bildungswoche | Ich freue mich auf die kommende Woche. Von Montag bis Mittwoch mache ich eine Weiterbildung in Organisationsentwicklung, am Freitag beginnt meine Ausbildung in Systemischem Coaching an der Fernuni Hagen. In beidem habe ich bereits Wissen und Erfahrungen, aber gerade von der Fernuni erhoffe ich mir Fundierung und Hintergrund. Die Ausbildung ist dem Institut für Psychologie angegliedert und wird von Psychologen durchgeführt; ein Blick in die Inhalte zeigt mir eine gute Mischung aus Praxis und akademischer Theorie; ich bin guter Dinge.

Seit ich selbstständig bin, bilde ich mich jedes Jahr weiter. Dieses Jahr habe ich aber einen besonders großen Hunger aufs Lernen. Mein Kundenstamm hat sich in den vergangenen zwei Jahren, nach dem Höhepunkt der Pandemie, deutlich vergrößert. Die Kunden sind ziemlich unterschiedlich. Ihre Anliegen sind zwar im Kern gleich – es geht um die Begleitung in Veränderung -, aber die Ausprägung ist divers: Die Kontexte, in denen der Wandel stattfindet, ist anders; die Branchen unterscheiden sich; die Regeln, nachdem die Branche und die Organisation funktionieren – und natürlich sind die Menschen einzigartig. So kommt es, dass ich, je mehr ich mit meinen Kunden arbeite und je mehr ich dabei erlebe, was ich gut kann, auch erkenne, was ich (noch) nicht weiß und nicht kann.

In diesem Jahre habe ich mehr als 12.000 Euro in mein Wissen und meine Kompetenzen investiert. Ich finde, eine Investition in die eigenen Kompetenzen ist die beste Investition, die ich tätigen kann (viel besser als einen neuen Geschäftswagen oder ein neues Smartphone). Weil ich inzwischen ziemlich breit aufgestellt bin (ich habe das letztens mal aufgelistet), finde ich in jeder Weiterbildung zahlreiche Anknüpfungspunkte. Das macht einen Riesenspaß und ich habe große Freude, Wissen und Methoden zu kombinieren.


Schweine | Jeden Morgen sind die Schweine kurz davor, eine Tierrechtsorganisation anzurufen – so verhungert sind sie. Sehen Sie den vorwurfsvollen Blick?


Gelesen | Björn Höcke: Ein Fall für Artikel 18. Heribert Prantl plädiert dafür, Björn Höcke das Recht auf seine Grundrechte zu nehmen – und damit das Recht auf politische Beteiligung. Das geht: Artikel 18 des Grundgesetzes wurde nach dem Zweiten Weltkrieg bewusst als Instrument gebaut, damit Rechte die Demokratie nicht mehr mit ihren eigenen Mitteln aushebeln können. Es wird Zeit, den Artikel zu entstauben und anzuwenden.

Gelesen | Frankreich verankert das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung

Gehört | Soziologe und Bildungsforscher Aladin E-Mafaalani im Gespräch mit Matze Hielscher. Keine neuen Erkenntnisse, aber wie immer pointiert. Wir müssen Aladin El-Mafaalani so lange und so oft sprechen lassen, bis unsere Gesellschaft endlich in Schulen und Bildung investiert.

Reiseblog | Heute hatte ich ein Eisenbahnabenteuer. Die Tagesaufgabe war, von Haltern am See nach Aalen zu fahren – mit Umstiegen in Münster und Stuttgart. In Münster hieß es erst: zehn Minuten Verspätung. Dann zwanzig Minuten. Dann vierzig. Am Ende fuhr der Zug nach einer Stunde und fünfundvierzig Minuten ein. Reparatur an einem vorausfahrenden Zug, Reparatur einer Weiche, Oberleitungsschaden zwischen Münster und Hamm – alles gleichzeitig oder nacheinander, wie auch immer. Der Wind pfiff über den Bahnsteig. Aber weil die Verspätungsangabe nur in Zehn-Minuten-Schritten vorrückte, jeden Moment vielleicht doch der Zug einfahren würde, konnte ich weder aufs Klo gehen noch mir einen Kaffee kaufen. Zwischendurch organisierte die Bahn gesundheitsfördernde Spaziergänge, indem sie den Zug mehrfach ankündigte, aber mit umgekehrter Wagenreihung. Alle, die in Abschnitt E standen, marschierten zu Abschnitt A, die B-Stehenden zu D und so fort. Eine halbe Stunde später dann retour. Der Zug kam dann doch nicht. Dafür hatte ich eine sehr nette Begegnung am Bahnsteig, wir unterhielten uns gut, litten gemeinsam. Das machte Freude und verkürzte das Warten erheblich.

Bis Köln war das Bistro geschlossen. Hinter Köln öffnete es und offerierte Freigetränke. Nicht nur das übliche Wasser im Tetrapack: Wir durften aus dem Vollen schöpfen – Cola, Kaffee, alles war möglich. Die Bahn musste wirklich ein schlechtes Gewissen haben. Alle Passagiere, die, während wir in Münster am Bahnsteig ausgeharrt hatten, bei Osnabrück auf der Strecke gestanden hatten, ohne Wasser und Brot, gefangen im Blech, schleppten sich mit letzter Kraft zum Bistro. Eine waggonlange Schlange bildete sich. Ich nahm wieder Abstand vom Angebot.

Blick aus dem Zugfenster auf die Gleise vor Stuttgart. Im Vordergrund Züge, im Hintergrund ein wilder Himmel

Im Nebensitz telefonierte ein Niederländer und fasste die Situation treffend, wenngleich sehr diplomatisch zusammen: „Germany is always a bit disappointing when you‘re travelling.“

Zwei Stunden hinter Plan kam ich dann in Aalen an und war überrascht angesichts meiner Unterkunft. Die hatte ich selbst gebucht – im Zuge eines Buchungsmarathons von mehreren Reisen, die diesen Monat anstehen. Aber irgendwie hatte ich vergessen, was ich gebucht hatte. Jedenfalls schlafe ich jetzt in einer hübschen Appartmentsuite, und ich erinnere mich nun auch wieder, wie das kam: Das Convenience-Hotel gegenüber war teurer.

Tisch mit Pflanzendecko, dahinter ein kleines Sofe, dahinter ein weiterer Raum, Schlafzimmer. Rechts eine Küchenzeile.

Ich bin hocherfreut.


Gelesen | Die Regierung will das Deutschlandticket verteuern, der SZ missfällt das. Mir auch. In meinem Fall würde sich der Finanzminister auch besser stellen, den Preis bei 49 Euro zu belassen. Im Moment lasse ich das Ticket nämlich einfach im Abo laufen. Es gibt Monate, in denen ich es nutze, vor allem auf Geschäftsreisen, in anderen kaum. Ich rechne mir nicht aus, ob es sich lohnt. Es ist bequem, ich muss mir keine Gedanken über Tickets und Tarifzonen machen, kann einfach einsteigen – zuhause, in Berlin, in Stuttgart, in Karlsruhe oder in Hamburg. Das allein ist mir schon einen Betrag wert. Wird es teurer, ist die Rechnung aber wieder eine andere.

Gehört | hr3 Sonntagstalk mit Conny und Manuela Reimann. Überraschend unaufgeregt.


Archivschwein | Aus der Fotosammlung:

Meerschwein mit Mangoldstängel im Mund

Allgemeinbefinden | Nichts passiert, bitte weitergehen. Gearbeitet und danieder gelegen: Schlimmer Männerschnupfen™, elendiges Siechtum. Corona-Tests allerdings negativ, ein schnöder Infekt. Während des Siechtums schaute ich fern. Ich startete mit dem Thementag Eisenbahnromantik: gefällige Bilder und überschaubare intellektuelle Anforderungen in baskischen Schmalspurbahnen und auf den Magistralen der Welt. Der Reiseleiter, der neben mir siechte, wollte jedoch Bodies schauen, eine Serie über vier Zeitebenen mit unglaublich viel Personal. Das war fordernd und trug nicht zu meiner Genesung bei. Während er rasch wieder erstarkte, raffte es mich erst richtig dahin.

Entsprechend begrenzt waren meine Aktivitäten: Am Dienstag, als ich noch einigermaßen fit war, begleitete ich einen Kunden in einem Workshop. Das Ganze fand im Maker Space an der Ruhr-Uni Bochum statt, ein interessanter Ort.

Der Maker Space befindet sich im alten Verwaltungsgebäude des stillgelegten Opel-Werks, das jetzt O-Werk heißt und offen ist für Wissenschaft und Technolgie. Das gesamte Opel-Gelände wird derzeit zu einem neuen Quartier umgebaut. Eine spannende Entwicklung.


Versuchter Teppichkauf | In einem etwas weniger siechen Moment versuchte ich, Teppiche zu kaufen. Das neue Heim hier im Münsterland ist gemütlich. Es gibt bereits seit Längerem überall Vorhänge, aber noch nirgendwo einen Teppich. Hier und da, zum Beispiel vor dem Sofa, wäre ein Teppich jedoch schön.

Ich bekomme online ständig Teppich-Werbung, besonders auf Instagram. Ich bin jedoch dafür, einen Teppich vor dem Kauf auch mal anzufassen, um zu wissen, ob er flauschig oder kratzig, dick oder dünn ist. Also fuhren wir in den stationären Einzelhandel, besuchten ein großes Teppichhaus, ein Möbelhaus und noch ein Möbelhaus. Das Erlebnis war ernüchternd. Im Teppichhaus, in dem ich viel Expertise vermutete, fehlte gänzlich der Service. Der Reiseleiter und ich schlugen kiloschwere Teppiche um, um die darunter liegenden zu betrachten. Ein vorbeilaufender Verläufer murmelte etwas von „Sie kommen zurecht, ja?“, und verschwand wieder im Nirgendwo, während uns bereits die Arme schmerzten. Maße waren schwer ersichtlich; wenn uns etwas gefiel, entpuppte es sich als zu groß, zu klein oder sackteuer. Im Möbelhaus war der Service besser, aber geschmacklich … schwierig. Man stellte uns Teppiche vor, die, je nachdem, von welcher Seite man draufschaut, anders aussehen. Wenn ich den Wohnzimmerteppich also von der Küche aus betrachte, ist er wunderbar freundlich und hell; wenn ich auf dem Sofa sitze, ist er gruselig dunkel und schimmert silbrig, und das für 1.000 Euro. Das Konzept verstand ich nicht. Menschen, die Wohnwände und Sitzwürfel besitzen, sind hier sicher gut aufgehoben; ich fühlte mich nicht abgeholt. Wir kehrten im Möbelhausrestaurant ein, aßen eine Suppe. Dann fuhren wir nach Hause. Ich bestellte online bei einem schwedischen Teppichhaus. Mal schauen, was da kommt.


Gelesen | Die Formel der Hoffnung von Lynn Cullen, übersetzt von Maria Poets. Die Autorin erzählt die Geschichte von Dorothy Millicent Horstmann, die in den 1940er und 50er Jahren zu Polio forschte und nachwies, wie das Poliovirus vom Darm über das Blut ins zentrale Nervensystem gelangt. Damit legte sie den Grundstein für die Entwicklung des Impfstoffs. Eine vielversprechende Geschichte, leider enttäuschend umgesetzt. Die Figuren sind flach und holzschnitzartig, die Sprache ist es ebenfalls. Zudem verliert sich die Geschichte in den einzelnen Phasen der Impfstoffentwicklung und den daran beteiligten Wissenschaftlern. Schade.

Gelesen | Freiheit im Fadenkreuz. In Waiblingen berichtet der Journalist Alexander Roth über Querdenker und ihre Verbindung zur Reichsbürgerszene. Die taz erzählt von der Hetze und Bedrohung, der er ausgesetzt ist.


Schweine | Die Schweine verbringen die Regentage gerne zuhause. Sie freuen sich jedoch, wenn Besuch kommt.

Drei Meerschweine schauen neugierig aus einem Haus und einer Weidenrolle in die Kamera.

Sonntagmorgen auf dem Fußballplatz | Stellen Sie sich einen Fußballplatz in Seppenrade vor. Seppenrade – das liegt zwischen Lüdinghausen und den Borkenbergen, im Südwesten Kökelsum und Rekelsum, im Norden Ondrup und Daldrup. Das wird Ihnen nichts sagen, es ist auch nicht wichtig. Lassen Sie die Dorfnamen einfach auf sich wirken und stellen Sie sich den Fußballplatz vor, über den sich gerade ein ergiebiger Münsterländer Landregen ergießt.

Am Rande des Platzes, unter einer kleinen, überdachten Tribüne, stehen Eltern in Steppjacken und Trekkingschuhen. Sie haben die Schultern hochgezogen, ihre Hände umschließen Becher mit dampfendem Kaffee. Es ist Sonntagmorgen. Es ist zu früh, um hier zu stehen. Es ist zu windig, zu kalt und zu nass. Es ist zu alles.

Auf dem Platz rennen Mädchen, elf und zwölf Jahre alt. Unerschütterlich jagen sie einem Ball hinterher. Das Spiel sieht schon ganz gut aus, viel besser als in der vergangenen Saison. Ballannahme, Passspiel, alles geschieht inzwischen solider, sowohl bei jeder einzeln als auch im Zusammenspiel.

Zu Füßen der Eltern kauern die Geschwister der Spielerinnen und führen dentale Fachgespräche. Es wird besprochen, wem zuletzt welche Zähne ausgefallen sind und was das größere Unbill ist: Schneide- oder Backenzähne. „Mir ist ein Zahn gewachsen, bevor der andere ausgefallen ist“, berichtet ein Mädchen, reißt den Mund auf und lässt die Fachgruppe teilhaben. „Damit musst du zum Zahnarzt“, sagt ein Knilch, der nicht älter als vier sein kann. „Das hatte mein Bruder auch. Der Zahnarzt musste operieren mit ganz viel Blut.“ Schockstarre.

Die Mädchen bolzen weiter, unbeirrt. Auf der faltbaren Ersatzbank am Spielfeldrand sitzen die Spielerinnen im Regen. Sie warten auf ihren Einsatz. Sie lehnen sich zurück und plaudern, reichen Flaschen herum und necken sich, als sei es ein Sommertag.

In der zweiten Halbzeit wird es tatsächlich freundlicher, der Himmel klart auf. Aber der Wind wird frischer. Es ist jetzt nur auf andere Weise kalt. Die Eltern auf der Tribüne ziehen die Reißverschlüsse ihrer Steppjacken hoch, rücken die Mützen auf den Geschwisterköpfen zurecht und schlingen die Arme um den Körper.

Am Ende steht es 0:0. Es werden noch Elfmeter geschossen, auch wenn es nichts mehr zum Ergebnis beiträgt. Aber die Jugend will einen Sieger sehen. Gebrüll feuert die Schützin an – oder die Torfrau, je nachdem, auf welcher Seite man steht. Die Auswärtsmannschaft gewinnt das Schießen mit 3:1.

Als wir zu den Kabinen gehen, Kinder und Rucksäcke im Schlepptau, kommen wir am Kiosk vorbei. Es gab Waffeln, aber sie sind jetzt aus. Die Mädchen ziehen sich um. In kurzen Hosen kommen sie zurück aus den Umkleiden und ernten mahnende Worte: Den Eltern friert, sie sollen sich etwas anziehen. „Aber es ist total warm!“ Immerhin gibt es noch süße Tüten am Kiosk, nicht nur für die Kinder.


Leibesübung | Gerudert und geschwommen, nichts Besonderes. Es war schön, mal wieder eine längere Strecke im Wasser zu sein, auch wenn das Becken sehr voll war. Beim Rudern auf dem Heimtrainer sah ich eine 37°-Doku: Mein Nachbar, der Neonazi. Gruselig, wirklich gruselig. Auch wenn der Film sich an einem hoffnungsvollen Ende versucht: Es bleibt ein schaler Geschmack zurück. Und der Schluss: Es geht nur, wenn alle aufstehen, wenn wir sichtbar werden gegen Rechts.


Lesung | Am Samstag las ich aus meinem Roman vor. Der Ladies‘ Circle Dortmund hatte mich zu einer Charity-Lesung eingeladen. Im Preis für die Eintrittskarte waren nicht nur Sekt und Fingerfood enthalten, sondern auch eine Spende. Der Erlös geht an den Sozialdienst katholischer Frauen in Hörde, um gute Sozialarbeit in meiner alten Hood zu unterstützen.

Es war eine schöne, kurzweilige Runde mit etwa 30 Gästen. Ich erzählte von der Entstehung des Romans, Hintergründe aus der Recherche, und es gab zahlreiche Fragen aus dem Publikum. Hinterher saßen wir noch ein bisschen zusammen. Das war super.

(Keine Bilder – habe verpasst, Fotos zu machen)


Fahrerflucht | Jemand hat mein (parkendes) Auto angefahren und ist abgehauen. Als der Reiseleiter und ich am Auto anlangten, standen dort vier Menschen, sagten uns, was geschehen war – es muss wohl gut hörbar gewesen sein und einen ordentlichen Rüttler gegeben haben – und fügten hinzu: „Wir haben alles gesehen, und wir haben das Kennzeichen.“ Außerdem hatten sie eine Videoaufzeichnung, denn einer der Zeugen fährt einen Tesla: In dem Moment, als der Unfall sich anbahnte, hat er geistesgegenwärtig auf „Aufnahme“ gedrückt. Wir riefen die Polizei, die alles zu Protokoll nahm.

Inzwischen habe ich die Unfallmeldung auf der Wache abgeholt. Die Polizei hat den Halter ermittelt und bereits dokumentiert, dass sein Auto eine Unfall-entsprechende Beschädigung aufweist. Die Versicherung des Halters wird mir den Schaden (Lack- und Schleifschäden am Kotflügel) also ersetzen können, sehr prima.

Der Rest wird für den Halter dann wohl eher unerfreulich, vor allem wenn er auch der Fahrer war.


Gesehen | Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen. Interessant und lehrreich, auch für Erwachsene. Jetzt habe ich Lust, längere Dokus über all die Orte zu sehen, zu denen Marina und Checker Tobi gereist sind. Ganz toll ist schonmal dieser Drohnenflug durch die Sơn-Đoòng-Höhle in Vietnam.

Gelesen | Beim Sonntagsfrühstück in der taz gelesen und zwei interessante Artikel entdeckt, die es auch online gibt: Matthias Schimpf, ein stellvertretender Landrat aus Hessen, fasst die Sicht der Kommunen zusammen. Lesenswert, ich nickte bei jedem Absatz. Außerdem: Ein kurzer Einblick in den Spekulationsmarkt der Pflegeheime, erhellend.

Gelesen | Sie will doch nur arbeiten [€]. Samikshya Bhurtel ist ausgebildete Pflegekraft und darf nicht arbeiten, obwohl sie bereits einen Arbeitgeber hat, dem zudem die Pflegekräfte fehlen. Eine Geschichte vom Passierschein A38.


Schweine | Nachdem die Schweine während der vergangenen Regenzeit maximal inaktiv waren, erwachten sie am Sonntagnachmittag mit frischer Energie.

Drei Meerschweine drängeln sich in der Stalltür

Brennender Brenner | Ein kurzer Rückblick noch das Südtirol, bevor ich mich der Gegenwart zuwende. Der Rückweg aus Südtirol war hindernisbehaftet. Der Münchener Merkur titelt Klickbait-trächtig: Feuer-Inferno legt Brenner-Autobahn lahm. Wir standen wenige hundert Meter dahinter und konnten nur eins: Warten.

Fotos aus dem Auto heraus: Vor dem Auto ein weiteres, im Hintergrund Bergkulisse

Wir warteten mit guter Aussicht. Und warteten. Zweieinhalb Stunden lang. Dann gaben Polizei und Autobahnmeisterei eine Spur frei, und wir konnten langsam vorbeirollen. Von den Lkws waren nur noch Gerippe übrig. Die Fahrer wurden zum Glück nicht verletzt, und auch sonst gab es nur Sachschaden. Das ist das Wichtigste. Solch ein Unfallgeschehen macht ja immer sehr demütig.


Zwischenstopp | Wir fuhren nicht direkt nach Hause, zumindest ich nicht. In Karlsruhe brachte ich den Reiseleiter zum Zug. Nach dem unfreiwilligen Halt auf dem Brenner erwischte er noch eine Abendverbindung und kam vor Mitternacht im Münsterland an. Ich selbst fuhr zu einem Hotel und verbrachte zwei Tage beim Kunden.

Hotelzimmer: Links ein Doppelbett, die Tapete dahinter gestreift. Vor dem Fenster (geradeaus) eine weiße, blickdichte Gardine. Links ein Glasschreibtisch mit rotem Stuhl davor und ein Fernseher an der Wand. Die Atmosphäre ist kühl.

Der Umstand, dass ich sowohl auf dem Hinweg als auch auf dem Rückweg bei Kunden in Baden-Württemberg Halt machte, war praktisch und wirtschaftlich, erforderte aber Einiges an Planung. So habe ich vor dem Urlaub alle Materialien und das passende Outfit für Kunde Eins eingepackt, alles Zeugs für den Urlaub und alle Materialien für Kunde Zwei, plus ausreichend weiteres Outfit. Im Südtiroler Schrank hingen also Blusen und Hosen, die ich unangezogen wieder einpackte, um sie auf dem Rückweg zu tragen.

Nach dem Auftrag beim Kunden fuhr ich heim: fünf Stunden Fahrt durch den Abend, von Baden-Württemberg ins Münsterland. Erstaunlich, wie viele Fahrzeuge ab 19 Uhr noch unterwegs sind. Die Park- und Pausenproblematik der Fernfahrer war mir bekannt, aber dass ich, als ich anhalten wollte, entlang der A3 keinen Platz fand, um mal zwanzig Minuten meinen Pkw (!) zu parken, hat mich dann doch, ja, erschüttert. Jeder, wirklich jeder freie Quadratmeter war mit Lkws belegt. Ich hatte also einige Mühe, auszutreten und mir Pommes zu kaufen. Anschließend hatte ich Mühe, wieder auf die Autobahn aufzufahren, weil auch die Beschleunigungsspur zugeparkt war. Heikel.

Da sag einer, Bahnfahren sei unkomfortabel. Da hat’s wenigstens ein Klo und man kann in Ruhe etwas essen.


Halloween | Auf Frau Novemberregens Themenvorschlagsliste stand Halloween, das ist ja bald wieder, und ich greife das mal auf. Ich habe nicht direkt etwas gegen Halloween, ich habe aber auch nichts für Halloween. Grundsätzlich finde ich es eher unangenehm, wenn abends, nachdem ich bereits im Jogger bin und es mir auf dem Sofa gemütlich gemacht habe, unaufgefordert Menschen an meiner Tür klingeln. Dass sie seltsam bemalte Gesichter haben, mich anschreien und Süßigkeiten von mir erpressen, macht es nicht besser. Dass es Kinder sind, erwärmt mein Herz nicht sonderlich – wären es Senioren, die Zeugen Jehovas oder Menschen mit kleinen Babykätzchen, wäre die Sache ebenso unkomfortabel. Aber man kann sich im Leben nicht jede Abendgestaltung aussuchen. Folglich ist das wohl hinzunehmen.


Der Cyber-Apostel | Das Gruselthema lässt mich noch einmal gedanklich nach Südtirol zurückspringen. In einer Kirche in Bruneck entdeckten wir auf einem Seitenaltar das Bild eines Jungen. Worte, die sich um sein Bild rankten, und der Schmuck des Altar legten Verehrung nahe. Ich recherchierte.

Der Bub, ein braunhaariger Teenager, heißt Carlo Acutis. Er starb 2006 an Leukämie und ist selig gesprochen. Der Grund: Er war Cyber-Apostel. Die ganze Geschichte ist wild, deshalb hier nur eine Management-Summary: Carlo, Kind eines Investmentbankers, wuchs in einem religiösen Umfeld auf und beschäftigte sich schon früh mit dem Glauben – und mit dem Programmieren. Mit elf Jahren erstellte Carlo eine Datenbank, in dem er 136 überlieferte eucharistische Wunder katalogisierte. Dann erkrankte er an Leukämie und starb. Durch nicht genau nachvollziehbare Entwicklungen – es scheint hier starkes Engagement der Eltern gegeben zu haben – wurde der Junge posthum zum religiösen Helden.

Aus dem Wikipedia-Artikel möchte ich Ihnen besonders diese Passage ans Herz legen:

Bereits 2019 wurde der Leichnam Acutis’ aus der Gruft in Assisi gehoben und exhumiert. […] Der Bischof von Assisi, Domenico Sorrentino, stellte später richtig, Acutis’ Körper sei nicht unversehrt aufgefunden worden, sondern habe „den normalen Prozess der Verwesung“ durchlaufen und sei „mit Kunst und Liebe wieder zusammengefügt“ worden.

Das Herz wurde dem Leichnam entnommen und bleibt in einem kostbaren Reliquiar in der Franziskus-Basilika ausgestellt. Der Leichnam Carlos wurde in einem Holzsarg in der Kathedrale von Assisi zur öffentlichen Verehrung ausgestellt. […]

Dort war der wiederhergestellte Leichnam von Carlo Acutis bekleidet mit Alltagskleidung aus seinem Nachlass zu sehen, die Haare präpariert und das Gesicht und die Hände aus Silikon nachmodelliert.

Wikipedia: Carlo Acutis

Sie haben es ganz gut hingekriegt, das „Zusammenfügen“ und „Nachmodellieren“.


Schweine | Nach dem Grusel nun etwas Flausch: Ich bin wieder mit den Meerschweinen vereint. Die Viecher freuen sich. Sie freuen sich allerdings über jeden, der ihnen Essen bringt; ich nehme es nicht persönlich.

Vor dem Urlaub mussten wir mit Abendessen (1. Bild rechts, 2. Bild links) zum Tierarzt. Das Tier hatte eine kahle Stelle am Kopf. Da Abendessen das scheuste der Schweine ist – ein nervöser Charakter, der ständig auf der Hut ist – brauchte es Geschick, um das Tier einzufangen. Der Reiseleiter lockte es in einen Hinterhalt, reduzierte durch strategisches Einkesseln den Bewegungsradius, packte es und verfrachtete es in eine Transportbox. Das Schwein quiekte, als hätte der Habicht zugeschlagen, verfiel in Schockstarre und gab sich anschließend vollends auf.

Der Tierarzt wog das Schwein. Die kleine Spezialität bringt ausreichend Gewicht für eine Jause auf die Waage. Wirtschaftlich betrachtet wäre es die bessere Wahl gewesen, Abendessen entsprechend zu verwenden – oder schlicht zu erwürgen (was ich natürlich nie tun würde, ich zeige nur den Möglichkeitsraum auf). Die Behandlung kostete mit 70 Euro nämlich ein Vielfaches des Schweins.

Diagnose: Pilzerkrankung. Wir haben das Schwein vor unserer Abreise mehrmals mit einem Tonikum betupft, die Schwiegereltern mussten auch ran, sie machten Schweinesitting. Jetzt ist Abendessen wieder behaart, wohlauf und quasi vergoldet.


Eine politische Anmerkung | Seit einigen Wochen wird die Migrationspolitik medial bearbeitet. Der Kanzler fordert auf dem Spiegel-Titelblatt „Abschiebungen im großen Stil“. Dem sind zwei Dinge entgegenzustellen: Alle, die auch nur ein Mü informiert sind, wissen, dass es ein paar formale Petitessen gibt, die der Sache entgegenstehen. Und: Scholz‘ Aussage im Interview ist differenzierter, wenngleich immer noch populistisch. Wir haben also sowohl ein Problem mit einer populistischen Aussage als auch mit einer Redaktion, die diese auf einem Titelblatt noch populistischer zusammenfasst, anstatt sie zu hinterfragen.

Überraschend finde ich, wie die Migrationsthematik plötzlich aufschwappt, als würden gerade Menschen über Menschen unser Land überrennen (was nicht der Fall ist). Schon klar: Es gibt Schmerzpunkte in den Kommunen, bei den Ländern, beim Bund; viele praktische Dinge, die man besser machen kann, und die, weil wir sie nicht gut machen, negative Resultate zeitigen – aber in ihrer Gesamtheit scheint mir die Aufgabenstellung doch eher politisches Liniengeschäft zu sein. Mich persönlich bewegt das Thema jedenfalls nicht über das normale Maß hinaus. Praktisch ist natürlich: Wenn Migration diskutiert wird, muss sich niemand um Bildung, Infrastruktur, Bürokratieabbau und Klimawandelfolgen kümmern; das wird dann automatisch alles super, wenn die 56.000 ausreisepflichtigen Ausländer weg sind. Oder verstehe ich etwas falsch?

Ich sorge mich angesichts dieses von rechts getriebenen Agenda-Settings. Denn es säht nicht nur Zweifel am Grundrecht des Asyls. Es produziert Misstrauen gegenüber Jedem mit internationaler Familiengeschichte, delegitimiert auch diejenigen, die schon seit Jahrzehnten in Deutschland leben und löst keine unserer großen Herausforderungen.

Ich will gar nicht wissen, welche Wogen erst losbrechen, wenn angesichts des Klimawandels irgendwann viele, wirklich viele Leute bei uns vor der Tür stehen – und zwar nicht über einen Zeitraum von wenigen Monaten wie 2015 oder zu Beginn des Ukraine-Krieges, sondern über Jahre.


Gelesen | Frau Herzbruch war beim Bauaufsichtsamt.

Gelesen | Frau Mohnblume betreut eine Frau mit Behinderung und war mit ihr bei einem niedergelassenen Gynäkologen. Ein würdeloser Besuch.


Broterwerb | Im November stehen beruflich wieder Reisen an: nach Stuttgart, nach Aalen und nach Herrenberg, nach Berlin, nochmal nach Stuttgart, dazu Engegaments innerhalb NRWs. Alles in wilden Kombinationen – Tage nacheinander an verschiedenen Orten. Gestern habe ich Hotels und Zugfahrten gebucht. Ich hoffe, dass Daten, Orten, Zugfahrten und Kunden alle zueinander passen, nd ich nicht in Herrenberg einchecke, obwohl ich eigentlich in Berlin sein sollte. Das wird ein erlebnisreicher Monat.

Die Weiterbildungsagentur Pro Content hat mich für ein weiteres Seminar in 2024 engagiert: Interne Kommunikation: Mitarbeiter:innen informieren & beteiligen – Change-Prozesse begleiten. Das wird sehr handfest und praxisnah.


Geguckt | Sörensen fängt Feuer. Die Theaterszenen waren mir zu abgehoben, aber sonst sehr gerne gesehehen.

Leute | Bevor ich Sie erneut mit einem Bergpanorama belästige, einige Bemerknisse zu den Umständen, unter denen ich in Südtirol residierte.

Die Urlaubsplanung verläuft bei uns so: Wir einigen uns grundsätzlich auf die Art des Urlaubs (Wanderurlaub, Fahrradreise, Pool & Entdecken etc.) und eventuell auf die Region, im konkreten Fall Südtirol. Der Reiseleiter erfragt dann im Sinne eines guten Projektmanagaments die Requirements & Constraints, also die Anforderungen an einen zufriedenstellenden Urlaub und die Einschränkungen, denen wir unterliegen. Die Anforderungen an den Südtirol-Urlaub waren: Wellness, Wandergebiete und leckeres Essen, entweder im Hotel oder durch fußläufig erreichbare, kulinarische Infrastruktur. Einschränkungen: per Bahn erreichbar, Nähe zu öffentlichen Verkehrsmitteln.

Der Reiseleiter fand unser Hotel mit Pool und Saunalandschaft, mit der Almencard für die kostenlose Nutzung des Südtiroler ÖPNV und mit Dreiviertelpension, also mit Frühstück, Nachmittagsjause und abendlichem 4-Gänge-Menü. Wir buchten.

Die Wahl stellte sich als hervorragend heraus. Das ist aber nicht das, was ich erzählen möchte. Es ist nur relevant für den Kontext. Wir hatten also dieses Hotel gebucht, für elf Nächte. Elf Morgende und Abende lang saßen wir beim Essen am selben Tisch. Das hatte hotelorganisatorische Gründe und brachte eine interessante Perspektive mit sich: Alle – ja, tatsächlich alle – Menschen blieben nur zwei, drei oder vier Tage, wir hingegen blieben die gleichen. Wir entwickelten ein Angela-Merkel- und Wolfang-Schäuble-Gefühl: Während wir an unseren Sesseln klebten und Knödel aßen, wechselte beständig das Kabinett.

Für vier Tage war zum Beispiel der Schnitzelmann Teil des Geschehens: Anstatt es seiner Begleiterin gleichzutun und seine Hauptspeise aus drei wohlkomponierten Gerichten zu wählen – Fisch, Fleisch oder vegetarisch, moderne Interpretationen Tiroler Küche – aß er jeden Abend SchniPo: Schnitzel und Pommes. Ich bewunderte ihn für seinen unterschütterlichen Mut zur Adilette.

Am Fenster für drei Tage ein Pärchen, er Baggy-Jeans und eine 80er-Jahre-Aviator-Brille (ich musste die modische Bezeichnung wieder nachschlagen, #bildungsblog), sie mit Wuscheldutt auf dem Kopf, weite Wolpullis. Sie unterhielten sich allabendlich; ich verstand nicht, was gesprochen wurde, hörte nur die Tonalität: Ihre Stimme problemschwer, ins Nörgelige driftend, er beschwichtigend, manchmal seufzend.

Für nur einen Abend saß ein schwules Pärchen neben uns: Er, zwei Meter groß und dünn wie eine Zaunlatte, sein Partner nur knapp einssechzig und ebenso schlank. Sie kamen spät, frühstückten nur einen Espresso, schwiegen sich an und waren wieder fort.

Für zwei Abende war ein Pärchen da, hetero, er drahtig und weißhaarig, Typ Marathon laufender Orthopäde, sie deutlich jünger, vielleicht die Geliebte. Er feierte seinen Geburtstag nach und bekam eine Torte vom Haus, sie erzählte allen, wonach niemand gefragt hatte: dem Reiseanlass („Wir sehen uns nicht oft und gönnen uns ein Wochenende“), von ihrer beruflichen Erfahrung im Tourismus („Ich habe ja auch eine zeitlang in der Hotelerie gearbeitet“), den Ernährungsgewohnheiten (er viele Meeresfrüchte, sie abends nur Rohkost) und ihrem Sportprogramm („Ich jogge viermal in der Woche“). Wir aßen mit Käse gefüllte Knödel.

Während wir dort waren, kamen außerdem drei Busgesellschaften, ebenfalls nur für wenige Tage. Sie kamen jeweils abends an. Das Servicepersonal war gerüstet, lotste zu den Plätzen und durch die vier Gänge. Am darauffolgenden Morgen jedoch, am Frühstücksbuffet, waren die Leute auf sich allein gestellt: Selbstbedienung. Beobachtung: Je mehr Leute, desto mehr stützen sie sich in ihrer Desorientierung: „Der Kaffee …?“ – „Hier drüben.“ – „Nein, nicht hier. Dort. schauen Sie mal, da ist ein Automat.“ – „Aber …“ – „Ach ja, doch nicht.“ – „Woher haben Sie das Spiegelei?“ – „Dort drüben.“ – „Wo?“ – „Da.“ – „Nein.“ – …


Bergpanorama | Jetzt aber endlich schöne Aussicht: die Fane Alm.

Holzhäuser in Bergkulisse unter blauem Himmel mit weißen Wölkchen

Der Reiseleiter näherte sich der Alm von oben, ich von unten.

Weil ich am Morgen noch fürchterlich müde war und allgemeine Schlaffheit verspürte, wollte ich keine lange Wanderung machen und legte mich noch einmal hin. Der Reiseleiter, ein Mann voller Tatendrang, schnallte sich hingegen den Rucksack auf, stieg in den Bus nach Vals und begab sich auf eine Höhenwanderung. Abmachung: Wir treffen uns auf der Fane Alm.

Zwei Stunden später erwachte ich, fuhr mit dem Auto zu einem Wanderparkplatz und erklomm von dort die Serpentinen zur Alm, ein Weg von eineinviertel Stunde; dafür hatte ich gerade noch Kraft. Auf der Alm wartete bereits der Reiseleiter vor einer heißen Zitrone auf mich.

Nachdem wir gemeinsam abgestiegen waren, die Erkenntnis: Ich war mehr Höhenmeter gestiegen als er. Sein Aufstieg bestand aus mehr Bergbahn als Bergmarsch. Na sowas.


Das Ufo | An einem Tag spazierten wir in Meransen umher, ein kleiner Ort oberhalb unseres Quartiers in Mühlbach, Rio di Pusteria. Auf einem Hügel thront ein schwarzes, ovales Objekt. Es nennt sich familiamus, Zitat: „ein Ort für Familien und Kinder in all ihren Formen und Facetten“.

Weniger relevant als die Formen und Facetten scheinen mir die vorhandenen finanziellen Mittel: Die Nacht im Familienzimmer „Happiness“ kostet 310 Euro. Pro Person. Für eine Woche im „magischen Familienreich“ mit „Schatzsuche zu eurem eigenen Ich“ würden wir mit den drei Reiseleiter-Kindern also 7.385 Euro bezahlen. Inklusivleistungen sind unter anderem eine „Snackbar mit raffiniertem Obst- und Gemüse-Fingerfood“ (hier kindliche Würge-Geräusche einfügen) und „Kind- und Jugendprogramme mit Berücksichtigung individueller Entwicklungsbedürfnisse“. Die private Reitstunde ist allerdings – Obacht, Pferdefreunde! – nicht enthalten.

Ich lasse Sie damit mal allein. Wenn Sie sich spontan entscheiden und noch für den aktuellen Monat buchen, ist ein Kind inklusive. Das zeigt die Website aber bei der Preisberechnung nicht an, ein kleiner Fauxpas. Da müssten Sie dann mal nachhaken.


Seespaziergang | Am letzten Tag in Südtirol war es uns zu kalt für große Höhen. Wir fuhren nach Toblach und liefen einmal um den Toblacher See.

Toblacher See mit einem im Wasser auf Stelzen stehenden Restaurants

Toblach ist eine Wasserscheide von europäischer Bedeutung: Die Rienz fließt dort in Richtung Westen und mündet über Eisack und Etsch in der Adria. Die Drau fließt nach Osten, dort in die Donau und ins Schwarze Meer.


MMM | Die Almencard, die wir vom Hotel bekamen, erlaubte nicht nur die Nutzung des Nahverkehrs, sondern auch den kostenlosen Besuch eines Museums. Nach einer Woche bekamen wir eine neue Almencard und konnten ein zweites Museum besuchen. Wir entschieden uns für zwei Standorte des Messner Mountain Museums (MMM): Das MMM Corones auf dem Gipfelplateau des Kronplatzes widmet sich der Geschichte des Bergsteigens. Das MMM Ripa zeigt eine Ausstellung über die Bergvölker der Welt.

Das MMM Corones, Architektur von Zaha Hadid hat beeindruckende Räume: parallele Gänge im Hang, abfallende Wege, verborgene Ecken, Aussichten.

Das MMM Ripa auf der Burg Bruneck: historische Mauern und ein interessanter Einblick in das Leben von Bergvölkern auf allen Kontinenden – mit überraschenden Parallelen.

Die Initialkosten für das Messner Mountain Museum, 30 Millionen Euro, haben zur Hälfte das Land Südtirol und Reinhold Messner getragen. Das Land finanzierte den Ausbau der alten Gemäuer, während Messer sich dazu verpflichtete, seine Austellung für die nächsten 30 Jahre aufrecht zu erhalten, auf eigene Kosten (Wikipedia).


Gelesen | Der Guardian beschäftigt sich mit der Deutschen Bahn: It’s the same daily misery: Germany’s terrible trains are no joke for a nation built on efficiency Dazu passt ein – Oldie, but Goldie – Cicero-Artikel aus dem Jahr 2019.

Gelesen | Frau Novemberregen beschreibt ihren Umgang mit Teenagerleichtsinn.

Gelesen | Fabio Volo: La vita nuova. Paolo ist ein Mann mittleren Alters: Verheiratet, ein Kind, die Ehe kriselt, seine Eltern werden pflegebedürftig. Sein Freund Andrea ist ein Lebemann: Nach wechselnden Beziehungen hat er nun zwar schon länger eine Beziehung, er lebt aber weiterhin in einer eigenen Wohnung und nimmt alles nicht so ernst. In einem alten Fiat 850 Spider fahren die beiden durch Italien, um Paolos Vater mit dem Wagen zu überraschen. Eine Roadstory mit Männergesprächen, spontanen Halten und einer Entwicklung. Leichte Lektüre, aber nicht flach. Gerne gelesen.

Drei Zinnen | In den Bergen lernt man viel über Menschen. Über sich selbst und über andere. Zum Beispiel unterhalb der Drei Zinnen, jenem dominanten Gebirgsstock in den Sextner Dolomiten; ein dankbares Motiv für Kühlschrankmagnete und, ja, Influencer. Nun mag es sein, dass ich auch irgendwie Influencerin bin; vielleicht Waffel- oder, seit Jüngstem, Meerschweinchen-Influencerin. Jedenfalls lassen das Zuschriften vermuten, die ich erhalte.

Unterhalb der Drei Zinnen tritt eine Art von Influencer:innen auf, die, nun ja, Überraschung hervorruft. So wanderten der Reiseleiter und ich in angemessener Bergmontur auf einem Geröllpfad aufwärts, auf 2.400 Metern. Wir schnauften etwas, als hinter einer Kurve unversehens eine junge Frau auf einem Felsblock stand, lediglich bekleidet mit – Moment, ich muss das Fachwort nachschlagen – Boyshorts und einem Büstenhalter. Den Rest hatte sie abgelegt, hinter ihr die Berge. Die Frau schob ihren Po raus, streckte ihre Brüste vor, das Kinn ebenso und schürzte die Lippen. Es bedurfte deutlicher Mühe, lasziv auszusehen und nicht vom Felsen zu fallen, Eine andere Frau machte Handyfotos von ihr.

Panoramabild, in der Mitte die drei Zinnen, an ihrem Fuß Menschen. Im Hintergrund weitere Berge.

Es waren viele Menschen dort oben unterwegs. Von der Auronzo-Hütte bis zu den Drei Zinnen zog eine Touristenkarawane. Die Karawane verlief sich jedoch, je weiter wir den Rundweg um die Felsengruppe gingen, eine zehn Kilometer weite Schleife, die erst zur gegenüberliegenden Drei-Zinnen-Hütte führt, dann hinab ins Tal, wieder hinauf auf die Anhöhe und die sich anschließende in einem ausholenden Schwung zurück zur Auronzo-Hütte zieht.

Der Reiseleiter und marschierten also weiter zur Drei-Zinnen-Hütte. Die Aussicht war ausnehmend spektakulär; maximal instagramable.

Panorama: Rechts die Drei Zinnen, links die Drei-Zinnen-Hütte. Hochalpine Landschaft mit Felden und Tälsern, blauer Himmel.

Die Drei-Zinnen-Hütte selbst hatte bereits geschlossen. Wir saßen auf Felsen und schauten in die Gegend. Ins Tal und in die Berge zu schauen, ist hier eine absolut ausreichende Tätigkeit. Ab und zu ließ sich eine Alpendohle mit der aufsteigenden Luft zu uns tragen und wartete auf herabfallende Brotkrumen. Kleine Käfer krochen über Steine. In der Ferne taten die Menschen es ihnen nach.

Panoramaufnahme: Drei-Zinnen-Hütte vor alpiner Kulisse

Als wir genug geschaut hatten, stiegen wir ins Tal hinab. Und dann stiegen wir wieder aus dem Tal hinauf. Das war unerfreulich anstrengend; die Höhe machte sich bemerkbar. Außerdem verspürte ich den Bedarf nach leicht zugänglichen Kohlenhydraten, denn auf der Hütte hatten wir ja nichts bekommen. Wir hatten aber keine Kekse mit, auch keinen Kuchen. Immerhin fanden wir Schüttelbrot und einen Apfel im Rucksack.

Eine Szene noch, bevor ich die Drei Zinnen erzählerisch verlasse: Er, Pullunderträger (nicht in der Ausführung Berlin-Friedrichshain, sondern in der Edition Finanzamt Erlangen) trug die Kompaktkamera. Sie, gesmokte Taftbluse, die Haare hochgebunden mit – auch hier muss ich das Fachwort recherchieren – einem getigerten Scrunchie aus Satin, hielt einen kurzatmigen Pekinesen im Arm. Sie kletterte auf einen Felsen, eine Hand am Stein, in der anderen der Hund im Würgegriff. Das Vorhaben war wackelig, der Pekinese schaute besorgt – Absturz oder Erstickungtod, hier war heute alles drin. Die Frau ließ sich nieder, den Hund weiterhin fest im Arm. Sie strich ihm über den Kopf, richtete sein Fell und drehte sich in Richtung des Pullundermannes mit seiner Kompaktkamera. Gemeinsam mit dem Hund bildete sie ein Ölgemälde-würdiges Motiv vor der alpinen Bergkulisse. Ihr Körper straffte sich noch einmal. Der Pullundermann hielt sich die Komptaktkamera vors Gesicht. Die Frau richtete noch einmal den Hund – Klick!


Reiner Höhenweg | Die nächste Wanderung führte uns in die Einsamkeit des Tauferer Ahrntals, ein Ort gänzlich ohne Influencer und Pekinesen. Von hier aus, so lasen wir, könne man auf die Riesenferner-Gebirgsgruppe und auf Gletscher schauen. Das wollten wir tun, solange es sie noch gibt.

Wie alle Wege hier begann auch dieser unerfreulich steil. Rolltreppen wären eine gute Sache hier und würden manches erleichtern. Aber hier gab es weder Rolltreppen noch Bergbahnen, aber als wir eine erkleckliche Höhe erreicht hatten, konnten wir zur Kirche hinunter schauen. Dort waren wir losgegegangen. Am Hang die Lobiser Schupfen, historische Heuhütten, neu aufgebaut.

Am liebsten mag ich es ja, wenn es nach einem knackigen Anstieg eine zeitlang gerade geht. Wanderbeschreibungen wie: „Der Weg führt uns auf gleichbleibender Höhe am Hang entlang“ begrüße ich.

Paniramaaufnahme vom Reiner Höhenweg

Ebenbfalls toll sind geöffnete Hütten. Auf der Durra Alm genoss ich erst eine Apfelschorle, dann eine Holunderschorle, dann eine Johannisbeerschorle (ich hatte Durst) und aß ein üppiges Käsebrot. Danach war ich bereit für den Abstieg.

Ein Käsebrot und ein Glase Holunderlimonade für Bergkulisse

Ein Haus am Wegesrand, kurz vor dem Ziel:

An die Mauser gepinselt: 
Dies Haus ist mein
und doch nicht mein
der nach mir kommt
kann's auch nicht leih'n
und wir's den Dritten übergeben
er kann's nur haben
für sein Leben
den Vierten trägt
man auch hinaus
sag, wem gehört nun dieses Haus

Friedhof | Wenn ich andernorts bin, gehe ich gerne auf Friedhöfe. Niemand erzählt das Leben so gut wie die Toten, besonders in den Dörfern, wo die Namen auf den Grabsteinen sich ungezählt wiederholen und wo – wie hier in Südtirol – jedes Grab Fotos derjenigen Menschen zeigt, die es beherbergt. Man schaut in Gesichter aus drei Jahrhunderten, Menschen in strenger Tracht und mit ebenso strengen Mienen, Schwarz-weiß-Aufnahmen aus einer weit entfernten Zeit. Man sieht Menschen mit schweren Brillen im Sepia der 1970er und Fotos aus jüngeren Tagen, bunt und fröhlich.

Wer in den Bergorten Südtirols zu liegen kommt, hat eine hervorragende Aussicht. Die Gräber befinden sich an den Kirchen, die Kirchen stehen exponiert im Dorf. Es gibt Gräber voller Lechners, Unterlechners und Siebenlechners, voller Hubers, Unterhobers und Oberhubers.

Wer in der Stadt liegt, etwa in Bruneck oder in Brixen, ist umrahmt von Arkadengängen. In den Arkaden liegen die Reichen und die Honorigen, in der Mitte ruht das gemeine Volk. Auf den alten Grabsteinen: Berufe und Verwandtschaftsbeziehungen. „Güterbesitzer“ war ein auffallend beliebter Beruf der Laubenliegenden.

In der Kategorie „Reproduktion“ geht der Sonderpreis an den Neuhauser Josef jun., der 22 Kinder mit vier Frauen zeugte:

Grabstein der Familie Neuhauser, darauf verzeichnet die Frauen des Josef Neuhaser und die ausgewählte Kinder

Ich möchte Romane über all diese Familien lesen, über die Neuhausers und über die Lechners, die Unter- und die Sieben-, über die Menschen, deren Hof und Herkunft auf dem Grabstein steht, und über diejenigen, deren Spitzname verzeichnet ist, weil sie niemand unter dem richtigen Namen kennt.


Gelesen | Jetzt droht ein großer Krieg [€]. Eine lange Analyse zu den Zusammenhängen zwischen den Angriffen der Hamas, der Rolle Irans und der Rolle Russlands. Sehr interessant, gleichzeitig ausgesprochen unerfreulich.

Ausprobiert | So groß ist der Gaza-Streifen im Vergleich zur eigenen Stadt. Spoiler: Er ist klein.



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