Eine Idee von Herbst | Ein Hauch von Herbst liegt über dem Dorf. Kühl weht die Luft ins Schlafzimmer. Man kann sich nun nachts zudecken, sogar schon ein bisschen einmummeln ins Federbett. Man will nicht mehr, dass Füße herausschauen, auch die Schultern sollen nicht frieren.
Nach Sonnenaufgang leuchtet der Garten nun in warmen Farben. Die Tomaten sind abgeerntet, viele Stauden zurückgeschnitten. Der Ahornbaum zeigt erste Anzeichen herbstlicher Zerrupfung. Blätter fallen hinunter ins Schweinegehege. Die Schweine sind angetan, sie streiten sich um jedes Blatt und fressen es mit Wonne, ebenso die verblühten Sonnenblumen. Am Wochenende gab es Kürbissuppe.
Nur die Mücken haben noch keinen Herbst. Sie sirren durchs Zimmer, um den Kopf herum, verfangen sich in den Haaren und tun so, als wäre es noch praller August, als kämen wir gerade aus dem Freibad, die Luft schwer und gewittrig. Nachts wache ich auf und kann nicht mehr einschlafen, weil meine Arme und Beine jucken und ich mich gegen Angreifer verteidigen muss. Ich bräuchte ein Moskitonetz, aber dafür ist die Saison zu weit fortgeschritten, das Anbringen lohnt sich nicht mehr. Also begnüge ich mich mit einem Gerät aus dem Drogeriemarkt. Es steckt in der Steckdose und stößt einen penetranten Geruch aus. Ich werde davon ganz benommen, die Sinne schwinden mir, ich schlafe glückseelig und merke nicht mehr, wie mich die Mücken verspeisen.
Expedition nach Chemnitz | Eine Woche zuhause liegt hinter mir, ohne Reise, mit Vorbereitungen für zwei Reisewochen. Heute bin ich dann von Haltern nach Chemnitz gefahren, zu einem Engagement an der TU. Dort darf ich drei Tage lang mit Nachwuchskräften über Macht sprechen, zunächst mit Mentees eines Führungskräfteprogramms, danach mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Es wird um Selbstbehauptung gehen, darum, sich mit herausfordernden Persönlichkeiten auseinandersetzen. An Tag Zwei kommt Katja King dazu, die beste Rollenspielerin für derartige Anlässe. Gemeinsam werden wir die Leute fordern, für sich einzustehen, sich Status zu verschaffen und Konflikte auszuhalten.
Bis Leipzig verlief die Zugfahrt ereignislos, abgesehen von zwanzig Minuten Verspätung, die mir Aufenthalt in Leipzig bescherten. In Leipzig kann man sich gut aufhalten, wenn man den Bahnhof von Dortmund gewohnt ist.
Auf Gleis Dreiundzwanzig wartete der RE6, eine Art Museumszug: betagte Waggons der Deutschen Reichsbahn, weder barrierefrei noch klimatisiert, aber mit dem entscheidenden Vorteil, dass man die Fenster öffnen kann. Ich hatte Klassenfahrtsgefühle und war versucht, den Kopf aus dem Fenster zu schieben und den Menschen an der Strecke zu winken.
Einzig, dass der Zug nicht fuhr: Streckensperrung. Eineinhalb Stunden harrten wir am Gleis aus. Menschen stiegen wieder aus, andere stieg ein, wieder aus, wieder ein. Es dämmerte schon, als die Waggons sich quietschend in Bewegung setzten.
In Chemnitz angekommen, war Pioniergeist gefragt. Ich fühlte mich an meine Expedition nach Alt-Duvenstedt erinnert, als ich in in der Rendsburger Prärie unter Grillenzirpen auf den letzten Bus wartete, um 16: 30 Uhr. Heute stand ich nicht in Holzbunge, sondern in Hutholz, es war 19:30 Uhr, ich wartete auf den Bus nach Klaffenbach und blätterte derweil die dreihundertste Seite in meinem Buch um. Endlich kommt man mal zum Lesen.
Er kam dann auch, mit einigen Minuten Verspätung. Ich war der einzige Fahrgast. Jetzt residiere ich im Wasserschloss Klaffenberg, dem nächstgelegenen Haus zur Veranstaltungsstätte. Eine standesgemäße Residenz – vermute ich. Ich habe sie ja nicht mehr im Hellen gesehen.
Ein Gruß geht raus an zwanzig Jahre verpennte Verkehrspolitik.
Update | Die Bahn hat uns die Zugfahrtkarten nach Südtirol anstandslos erstattet, Hin- und Rückfahrt, ohne Stornierungsgebühr.
Medizin-Dienstleistung | Meine neue Hausärztin ist nicht nur voll digitalisiert – Online-Terminvergabe, eRezept, Chat, Videosprechstunde -, sie bietet nun auch Impftage an Samstagen an: 10 bis 14 Uhr, einfach hingehen, ohne Termin, Spritze rein, fertig. Super Sache.
E wie elektrisch | Eine Entscheidung steht an. Mein Geschäftswagen, ein Skoda Octavia Diesel, ist inzwischen 160.000 Kilometer gelaufen und nun auch aus der Abschreibung raus. In Anbetracht dessen, des Klimawandels und der Tatsache, dass ich Langstrecken ohnehin mit dem Zug absolviere, möchte ich auf E-Mobilität umsteigen.
Der Reiseleiter hat die Projektleitung in dieser Angelegenheit, er hat Modelle und Anbieter recherchiert und finanzielle Berechnungen angestellt, die er mir jeweils zur Entscheidung vorlegt – wir haben hier eine klare Arbeitsteilung. Nach der ersten Entscheidungsrunde spitzt sich die Sache auf zwei Lösungen zu: einen Tesla Model 3 oder Model Y im Abo bei E-Flat oder einen MG4 oder MG5 als Leasing vom Autohaus. SAIC Motor, Chinas größter Automobilkonzern, hat die einst britische Marke MG aufgekauft und geht unter diesem Label nun mit Elektromobilität auf den europäischen Markt.
Die Entscheidungskriterien sind Kosten, Reichweite und Platz auf dem Fahrersitz: Ich habe lange Beine und möchte nicht Go-Kart fahren. Ach, und: Ein SUV kommt nicht infrage, wir sind ja keine Förster.
Am Wochenende haben wir uns den MG4 und MG5 Eletric angesehen, und ich bin überraschend angetan. Kompaktklasse, jede Menge Beinfreiheit, kluges Innenraumdesign mit vielen Ablagen, Minimum 380 Kilometer Reichweite, guter Preis. Möglich also, dass wir bei einem chinesischen Auto landen.
Geguckt | Irgendwann ist auch mal gut. Habe mich gut unterhalten gefühlt.
Gelesen | Septembertropen. Ich bin sehr bereit für vierzehn Grad und Regen, der gegen die Scheiben klatscht.
Schwein des Tages | Der Dicke mampft Sonneblume.