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Zehn Bemerknisse zu einer Reise mit dem Zug nach Barcelona – ein Gastbeitrag des Reiseleiters

3. 4. 2024 12 Kommentare Aus der Kategorie »Expeditionen«

Es folgt: Ein Gastbeitrag des Reiseleiters. Mit jedem seiner drei Kinder unternimmt er einzeln eine Reise. Dieses Jahr war K3 (11) dran. Sie fuhren mit dem Zug vom Münsterland nach Barcelona. Sein Abenteuer in zehn Bemerknissen:

1 – Weltenrettung | Nennen Sie mich naiv, aber ich glaube daran, dass mein Verhalten einen Einfluss hat – auf die Umwelt, das Klima und auf die späteren Entscheidungen meiner Kinder. Der Auftrag lautete also: Erreiche das Reiseziel möglichst nachhaltig.

Tatsächlich ist es recht einfach, mit der Bahn von Köln nach Barcelona zu kommen – wenn man davon absieht, dass man zwölf Stunden auf der Schiene ist und einen Bahnhofswechsel in Paris absolvieren muss. Und: Wenn man die Kosten ausblendet. Die sind nämlich für die Fahrt mit Eurostar und TGV fast vierstellig für zwei Personen und damit locker doppelt so hoch wie für die Alternative mit dem Flieger. Das muss man wirklich wollen!

Nachdem ich den Preis kannte und auch wieder Luft bekam, redete ich mir ein, dass es doch auch ein tolles Erlebnis sein könnte, mit Tempo 300 durch Frankreich zu düsen; dass nur auf diese Weise dem Kind die Entfernungen wirklich gewahr werden können; und dass so eine Zugreise ja auch einen gewissen geografischen Bildungseffekt haben kann.

Fazit nach der Rückkehr: Ich würde es jederzeit wieder so machen. Alles klappte ohne Verspätungen, und die Fahrt war tatsächlich ein Erlebnis.

Den TGV kannte ich bisher nur aus meinem Französisch-Schulbuch aus den 90ern und hatte ihn mir aus dieser Erinnerung heraus etwas luxuriöser vorgestellt. Das Bordbistro hatte enormes Potenzial nach oben und auch sonst war der Komfort eher mittelmäßig. Dennoch waren die Züge auf beiden Fahrten fast komplett ausgebucht – es gab also genug andere Verrückte, die meine Idee teilten (Inlandsflüge sind in Frankreich übrigens weitestgehend verboten, Grüße gehen raus an die deutsche Politik). Sicherlich eine Verbesserung gegenüber den 90ern ist das WLAN im Zug und damit einhergehend die Möglichkeit, das Kind seine Serien bingewatchen zu lassen, wenn die Landschaft gerade nicht so spannend ist.

2 – Tourie-Trubel | Ja, wir waren Teil des Problems, das ist mir klar. Aber dass die Stadt schon Ende März dermaßen überlaufen sein könnte, hätte ich nicht gedacht. Französische Mittelschulen auf Klassenfahrt, Massen von asiatischen Touristen und deutsche Jugendfussballmannschaften auf Turnierreise bevölkerten die Altstadt und die Touristen-Hotspots. Man kann nachvollziehen, dass die Katalanen trotz der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus inzwischen versuchen gegenzusteuern.

3 – Wetter-Pech | Nachdem Vanessa und ich dieses Jahr schon den schlimmsten Schneesturm seit 30 Jahren erlebt haben, verfolgte mich das Wetter-Pech auch nach Barcelona. Katalonien ächzt unter einer schweren Dürre; seit Wochen zeigte die Wetter-App für die Region zwanzig Grad und Sonne an. Dennoch nahm uns Barcelona mit zwölf Grad und Regen in Empfang – wir hätten auch nach Hamburg fahren können!

Die Barceloner und Barcelonerinnen (ich habe tatsächlich nachgeschlagen, wie sie heißen) freuten sich aber bestimmt über den Regen. Somit machten auch wir das Beste daraus: Aquarium, Einkaufszentrum, Maritim-Museum – und tatsächlich kam am letzen Tag noch die Sonne heraus.

4 – Rutscherampen | #Serviceblog im Selbstversuch: Die angeschrägten Rampen zwischen Gehweg und Straße, für die die Katalanen Naturstein verwenden, können bei Regen unerwartet glatt sein. Wir waren auf dem Weg in die Altstadt und ich schlenderte lässig den Passeig de Gracia entlang, als ich die Grätsche machte und mich auf dem Trottoir wiederfand. Für den Rest der Reise absolvierte ich die Rampen in Tippelschritten.

5 – Teurer Kirchenbesuch | Natürlich wollte das Kind die Sagrada Familia sehen. Auf Anraten Bekannter buchte ich die Eintrittskarten in Voraus: 75 Euro für zwei Personen, stornierbar, mit Audioguide aufenglisch. Wo soll ich anfangen … Sicherheitskontrolle wie am Flughafen, der Audioguidelief nicht, und um uns herum 5.000 andere Touristen – uff!

Der Bau an sich ist beeindruckend. Der ganze Bums soll 2033 fertiggestellt sein. Der zentrale Turm wird dann der höchste Kirchturm der Welt sein. Ich wünsche mir, dass meine 75 Euro in einem Zierelement verbaut werden.

6 – Ruhepol Sarríà | Barcelona ist nicht nur sehr überlaufen, der Verkehr an den Hauptachsen ist trotz aufkeimenden Radverkehrs und sehr gut ausgebautem ÖPNV höllisch. Abseits der Hotspots gibt es allerdings wirklich nette und ruhige Stadtviertel, die immer noch sehr gut angebunden sind.

Gasse, Fenster mit Holzläden und kleinen Balkonen, Rote und beige Fassaden

Wir kamen in Sarríà unter, einem Quartier nördlich der Innenstadt am Fuß der Berge, die Barcelona umgeben. Kleine Sträßchen mit Cafés und Läden, an jeder Ecke nette Parks und Spielplätze – sollte ich einmal nach Barcelona ziehen, käme der Stadtteil auf jeden Fall in die engere Auswahl. Es sind auch in Barcelona die kleinen Dinge, die auffallen: An fast jeder Straßenkreuzung stehen Bänke oder fest montierte Stühle zum Ausruhen. Gerade für ältere Menschen eine tolle Sache – oder wenn man mit zwei schweren Rücksäcken bepackt auf dem Weg zur U-Bahn kurz verschnaufen möchte.

7 – Supermarkt-Overkill | Ich arbeite bei einem großen Lebensmittelhändler. Als Geograph modelliere ich Filialnetze. Bei jeder Reise schaue ich mir deshalb aus beruflichem Interesse Supermärkte vor Ort an, um mir einen Überblick über den Lebensmitteleinzelhandel zu machen.

[Anm. d. Red.: Die Tatsache, dass Supermärkte stets eine große Rolle bei unseren Reisen spielen, wirkt sich sehr positiv auf die Gebäckvorräte aus.]

Fazit für Barcelona: sehr breites Angebot mit starker Diversifizierung und geringem Institutionalisierungsgrad. An jede Ecke rein laufkundenorientierte kleine Nahversorger, inhabergeführte Obst- und Gemüsemärkte, Feinkostläden und ein paar schöne Markthallen. Eine feine Sache!

8 – Galeerenleben | Das Maritim-Museum von Barcelona ist in einer ehemaligen städtischen Werft untergebracht. In früheren Jahrhunderten wurden dort Galeeren gebaut. Mit denen haben die Spanier um die Herrschaft über das Mittelmeer gekämpft.

Das Leben auf einer Galeere, lernten wir, gestaltete sich wenig erquicklich. Die Mannschaft bestand aus Sklaven und Häftlingen, aber auch aus normalen Soldaten. In größeren Galeeren saßen fünf Mann an einem Riemen und ruderten. Der innen Sitzende musste bei jedem Schlag aufstehen und sich wieder hinsetzen. Der außen sitzende Mann musste am wenigsten tun – das waren dann die älteren und verbrauchten Männer. Wurde ein Galeere versenkt, gingen die Sklaven einfach mit unter.

Kaum ein Galeerensklave überlebte mehr als zwei Jahre auf so einem Schiff. Besonders pikant: Sklaven und Häftlinge waren angekettet und durften ihren Platz während der gesamten Fahrt nicht verlassen. Sie verrichteten alles, wirklich alles an ihrem Platz. Gischt und Wellen spülten die Fäkalien fort – im Idealfall. Ein Anpirschen an den Feind war nicht möglich: Die Galeeren stanken so bestialisch, dass man sie über Meilen riechen konnte.

Ich werde in Zukunft weniger über die Arbeit schimpfen.

9 – Tibidabo | Am letzten Tag der Reise gönnten wir uns noch etwas Spaß und besuchten den Tibidabo. Das ist ein fünfhundert Meter hoher Berg am Rande von Barcelona. Hinauf geht es mit einer Standseilbahn. Die Aussicht oben ist atemberaubend.

Neben der Aussicht gab es auf dem Berg eine fürchterlich hässliche Basilika und einen netten, kleinen Freizeitpark. Die Achterbahn stürzte direkt in den Abgrund. Die Schiffschaukel griff das Thema Seefahrt wieder auf (allerdings ohne, dass wir angekettet wurden). Tip für Ihren Besuch (#serviceblog): Früh dort sein, dann sind die Schlangen noch kurz. Die Eintrittskarten, die man am Automaten erwirbt, berechtigen nicht zur Nutzung der Attraktivitäten. Man muss sich an einer weiteren Kasse oben auf dem Berg erst ein Armband geben lassen (dieses Wissen hätte uns eine halbe Stunde Wartezeit am roten Flugzeug erspart).

10 – Familienglück im TGV | Die Rückfahrt war besonders interessant. Schon am Bahnsteig fiel eine  katalanische Großfamilie auf, die unter großer Aufregung und viel Palaver eine absurd hohe Anzahl an Gepäckstücken in den Zug hievte. Die zwei Erwachsenen und sechs Kinder kamen direkt vor uns zum Sitzen. Das war ein Spaß! Eltern und Kinder – Alter: geschätzte zwei bis sechzehn Jahre alt – unterhielten den Wagen bis weit hinter die französische Grenze. Es wurde gelacht, geschrien, getrunken (viel) und gegessen (enorm viel). Ich habe selbst drei Kinder und Verständnis, wenn es lauter wird – aber so laut! Das war eindrücklich.

Irgendwo zwischen Perpignan und Narbonne fiel die Familie in den Schlaf. Die Kleinen kuschelten sich an die Großen, die Füße des Vaters, nackt, lagen auf dem Tisch neben den Essensresten. Der Waggon hielt den Atem an. Und ich dachte mir: Das hättest du im Flugzeug so nicht erlebt. Alles richtig gemacht.

Vielen Dank für Ihr Interesse!  

Kommentare

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  1. PaulineM sagt:

    Vielen Dank an den Reiseleiter fürs Mitnehmen. Die Sagrada Familia habe ich zweimal gesehen, einmal 1990 mit Kleinkind, damals waren wir auch im Innern, einmal 2014, da war uns der Eintritt schon zu teuer und wir haben nur noch außen gesehen, dass sie wieder größer geworden ist. Und die Stadt von oben haben wir auch sehr genossen.

  2. Hilde Reinsch sagt:

    Stadtteile zum Wohnen in BCN – El Clot und Poblenou sind besser wie Sarria- weil das Meer ist fussläufig zu erreichen , beide Stadtteile sind stark in mit viel Jungvolk, guter Markthalle und vielen kleinen Lädchen und Kneipen, ich schreibe aus 20 Jahren Erfahrung, Freunde sind von Sarria nach El Clot gezogen!

    1. Reiseleiter sagt:

      Danke für den Tipp, wenn es tatsächlich so weit kommen sollte werde ich ihn beherzigen ;-)

  3. Ilona sagt:

    Vielen Dank bitte an den „Reiseleiter“ dass er uns teilhaben liess an dieser Reise. Einiges hat mich herzlich schmunzeln lassen. Und auch Hut ab, dass er doch so einige Mühen und Kosten auf sich nahm um seinem Kind eine bestimmt unvergessliche Reise zu ermöglichen.
    Herzlichst
    Ilona
    …vielleicht hat er ja wieder mal Lust auf einen Gastbeitrag. :-)

  4. Jessica sagt:

    Ich kommentiere ja normalerweise nicht, aber: Wäre ein Interrail-Ticket als Zugticket nicht halbwegs günstig gewesen? Kinder bis 11 Jahre fahren gratis, und Menschen zwischen 28 und 59 Jahren zahlen für ein Global-Ticket für 5 Tage innerhalb von einem Monat 318€ – das müsste vermutlich für die Reise nach Spanien und zurück reichen, oder? Link dazu: https://www.interrail.eu/de/interrail-passes/global-pass

    1. Reiseleiter sagt:

      Auf DIE Idee war ich tatsächlich selber schon gekommen und meine Erfahrungen mit Interrail wären tatsächlich einen eigenen Blogbeitrag Wert. Das Problem: TGV und Eurostar sind reservierungspflichtig. Die Plätze für Interrailticket-Inhaber sind aber kontingentiert und es gab schon im Februar keine freien Plätze mehr für Verbindungen, die für uns in Frage gekommen wären. Das erfährt man jedoch erst, wenn man das Interrail-Ticket bereits erworben hat (weil man die Ticket-Nummer angeben muss bei der Reservierungsanfrage)! Bei einer Stornierung (weil ja keine Plätze frei sind) werden 15% des Kaufpreises einbehalten. Zudem sind die Reservierungen (wenn es denn freie Plätze gibt) richtig teuer, für eine Strecke im TGV pro Person 40-60€! Die kommen dann auf das „günstige“ Interrail-Ticket noch obendrauf. Wenn man mit irgendwelchen Bummelzügen ohne Zeitdruck spontan durch Europa reisen möchte, ist Interrail sicherlich interessant – ich bin erst einmal durch mit dem Thema ;-)

    2. Berit sagt:

      Als Antwort auf den Reiseleiter: „[…]meine Erfahrungen mit Interrail wären tatsächlich einen eigenen Blogbeitrag Wert.“

      Ich bitte darum! Das klingt so hahnebüchen, das es eigentlich nur saukomisch sein kann (für Außenstehende)

  5. Daniela sagt:

    Vielen Dank fürs Mitnehmen und das Engagement, so eine Reise NICHT im Flieger anzutreten. Schönes Vorbild für die Kinder, ich wünschte, es gäbe mehr davon.

  6. Trulla sagt:

    Dank an den Reiseleiter.
    Ich liebe diese lebendige Stadt Barcelona, die ich schon öfter gerne besuchte wegen der besonderen Atmosphäre. Dem Besucher wird viel geboten: die unterschiedlichen Stadtviertel, die interessante Architektur Gaudis, die reichhaltigen Märkte und nicht zuletzt die wunderbaren Museen.

    Beeindruckend die Schilderung des Galeerenlebens. Als ich das las, war auch mein erster Gedanke „ach, geht’s uns doch gold“, das sollte viel mehr geschätzt werden.

    Nächste Station mit einem anderen Kind (sehr gute Idee der Einzelreisen) vielleicht tatsächlich Hamburg? Wir haben ein großartiges Maritimes Museum und auch sonst noch so einiges…Für Garantie auf Regen würde ich mich auch fast aus dem Fenster lehnen können.

  7. Philine sagt:

    Obwohl das Thema Bahnbuchung udn die dazugehörigen Frustrationen hier nicht vorkommen, dennoch ein kurzer Servicepoint: Für Langstreckenbuchungen in Europa empfehle ich:
    https://www.seat61.com/ Mister Seat 61 ist der Inbegriff eines hingebungsvollen Amateurs, der für ALLE Fernverbindunen Europas per Bahn Buchungsempfehlungen hat.
    Dank ihm kenne ich jetzt trainline (kommerziell), die aus der Unfähigkeit der nationalen Eisenbahnen ein GEschäft gemacht haben, das sich für alle lohnt: Für uns ist der Fahrschein günstiger und sie kriegen Provisionen https://www.thetrainline.com/
    Und shame on interrail dasfür dass man frz Schnellzüge nur so unverschämt teuer nutzen kann.

  8. Philine sagt:

    Last not least: Bei einem Stopover in Brüssel Süd (Midi) von >60 minuten lohnt es sich, mit der Metro zum Place Louise zu fahren, die Aussicht zu genießen, ggf. das Riesenrad zu genießen für MEHR Aussicht und wenn noch Zeit ist, über die Rue Haute in den Marollen zurück zum Bhf zu laufen.

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