Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

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Tag 26: Teneriffa – Düsseldorf – Dortmund mit Erlebnissen in Verkehrsmitteln

31. 01. 2020  •  8 Kommentare

Abschied ins kalte Dunkel | Ich freute mich durchaus, wieder nach Hause zu kommen, nur auf eine Sache habe ich mich nicht gefreut: aufs kalte, nasse Dunkel. Das Licht, die Wärme – vielleicht bin ich gar kein Mensch. Vielleicht bin ich eine Blume.


Die andere Filterbubble | Sehen wir das Positive: Das Schöne an touristischen Flughäfen ist, dass man sich dort gemeinsam mit Leuten aufhält, mit denen man im sonstigen Leben nicht zusammenkommt. Weil man nicht zusammenkommen möchte. Ein zauberhafter Ort der Auseinandersetzung mit sich selbst, seinen Werten, den Werten der Anderen, der eigenen Achtsamkeit, des Gleichmuts und der Fähigkeit zur Nächstenliebe.

Am Flughafen Teneriffa-Süd fällt der deutsche Reisende auf. Das liegt nicht einmal an seinem Hang zu Rentnerbeige, Sieben-Achtel-Hosen und Bauchtaschen; letztere als Nylon gewordener Beweis, dass der Ausländer zum Klauen neigt – besonders dann, wenn man sich in seinem Land befindet.

Nein, das alles ist es nicht, auch wenn das Genannte gute Hinweise sind. Es ist vor allem sein Auftreten als Grantler, das den deutschen Reisenden unverkennbar zu einem Vertreter seiner Nation macht. Er weiß nämlich alles und vor allem alles besser. Im Gegensatz zum spanischen Flughafenmitarbeiter weiß er zum Beispiel, wie man einen Check-in organisiert, einen Duty-Free-Shop betreibt und Anzeigentafeln bedient. Weil er im Zuge der Entwicklungshilfe rückständigen Nationen gerne selbstlos unter die Arme greift, erklärt er dem Spanier zu jeder sich bietenden Gelegenheit, was er falsch macht. Wenn der Spanier es nicht versteht, erklärt der Deutsche es nochmal lauter.

Tschüß, Sonne! Tschüß, Wärme!

Das Leben war jedoch gut zu mir und platzierte mich für den Flug neben einem jüngst ins Rentnerleben eingetretenen Holländer, der sich, frisch verliebt, mit seiner Herzensdame einen VW Bus gekauft hat. Den Bus richten die Beiden her. Dann fahren sie damit im Sommer auf Festivals – und was danach komme, sagte er, werde man sehen. Wir unterhielten uns über Gott und die Welt und über den Job; er war mal Verkaufsleiter, wir tauschten uns über Teams und Mitarbeiterführung aus – und darüber, was wichtig ist im Leben und im Zusammensein mit Menschen. Ein sehr erbauliches Gespräch.


Eine von 19 Tasten ist die richtige | Nach der Landung stieg ich in den Regionalexpress von Düsseldorf-Flughafen nach Dortmund. Zuvor beschäftigte ich mich mit dem Ticketautomaten.

Stellen wir uns zu diesem Zwecke vor, ich sei ein Mensch, der selten Bahn fährt oder der aus Paris, Rom oder Moosach im Landkreis Ebersberg kommt. Ich möchte von der Stelle, an der ich mich befinde, dem Bahnhof des Sky Trains, nach Dortmund fahren. Ich bin ein redlicher Mensch und möchte beim Lösen des Fahrscheins alles richtig machen.

Ich tippe den Bildschirm an und sehe:

Bildschirm des Ticketautomaten mit einer Unmenge an Auswahl: K, A3, 4er-Ticket, Zusatztickert, 24-Stunden-Ticket, Tickets anderer Verkehrsverbünde, Messe usw.

Wie hoch schätzen wir die Chance ein, dass ich mit dem richtigen Ticket in den Zug nach Dortmund einsteige?


Das destroyed sie voll | Wir fuhren schon ein Weilchen durch die Dunkelheit, als plötzlich aus einem Vierersitz Satzfetzen zu mir herüber flogen.

„Sie hat dich gehatet, sie hat mich gehatet, aber sie ist irgendwie cool.“
„Laura ist voll der Facepalm.“
„Okay, true. Sie wollte die ganze Zeit was mit Noah haben, das war so obvious, aber sie sagt immer: Nee, will ich nicht.“
(nachgeäfft) „Noah, kann ich noch‘n Wein haben. Noah, gibste mir ne Kippe. „
„Ich hab jetzt einen getindert, der sah cute aus, aber der hatte voll die ekelige Caption. Ich hab den trotzdem geliked. Das Date war so abgefucked, ey.“
„Guck dir mal so Tinder-Dokus an, dann bist du auch durch damit. Geh doch einfach auf irgendwelche Parties.“
„Geh ich doch.“
„Aber nicht auf die richtigen.“
[Gesprächspause]
„Ich finde das voll wag von mir selber, dass ich so viele Menschen um mich herum habe, aber qualitativ halt auch irgendwie wenig.“
„Ich hab auch voll wenig Leute, auch an der Uni, weil wenn du von der Qualität her denkst, dann sind da nicht viele.“
„Leute müssen halt neue Ideen in mein Leben bringen. Weißt du, so – wenn sie mir neue Versionen von mir selber zeigen. Manche greifen nur Teile von dir und manche greifen dich ganz. Ich versuch noch dahinterzukommen, was der Key zu dem Ganzen ist, so that‘s it und so. Das destroyed mich dann manchmal, aber manchmal bringts mich auch echt weiter.“


Gelesen | Achtsam morden von Karsten Dusse. Klappentext:

Björn Diemel wird von seiner Frau gezwungen, ein Achtsamkeits-Seminar zu besuchen, um seine Ehe ins Reine zu bringen, sich als guter Vater zu beweisen und die etwas aus den Fugen geratene Work-Life-Balance wieder herzustellen. Denn Björn ist ein erfolgreicher Anwalt und hat dementsprechend sehr wenig Zeit für seine Familie. Der Kurs trägt tatsächlich Früchte und Björn kann das Gelernte sogar in seinen Job integrieren, allerdings nicht ganz auf die erwartete Weise. Denn als sein Mandant, ein brutaler und mehr als schuldiger Großkrimineller, beginnt, ihm ernstliche Probleme zu bereiten, bringt er ihn einfach um — und zwar nach allen Regeln der Achtsamkeit.

Heyne Verlag

Die Idee ist ganz wundervoll und unterhält zu Beginn auch sehr gut. Über die gesamten 416 Seiten ist das Thema aber ein bisschen dünn, die Geschichte hat Längen, die Charaktere zu sehr von der Stange. Ein zweiter Handlungsstrand wäre hilfreich. Den gibt’s aber nicht. Okay als Strandroman zum Nichtnachdenken.

Tag 25 auf La Gomera: Adiós

28. 01. 2020  •  10 Kommentare

Abreise | Abschied von M, vom Eremitenhäuschen, von der Stille. Fahrt nach San Sebastián. Den Mietwagen abgegeben. Zeit bis zur Abfahrt der Fähre. Ich lief durch die Stadt, aß ein Bocadillo, kostete einen Barraquito – wie man hört, eine Spezialität auf den Kanaren: Kaffee, Kondensmilch, Likör. Vier von zehn Punkten.

Ich setze mich auf eine Bank am Strand. Dann lege ich mich auf eine Bank am Strand.

Am Wasser versucht sich ein Mann am Handstand. Er hockt sich hin wie in den Startblock, lange, sehr lange, er sammelt sich, dann wirft er die Beine hoch, vergebens. Wieder vergebens. Neuer Anlauf. Hinstellen, Startblock, Beine hochwerfen. Er hält den Handstand. Einundzwanzig. Zweiundzwanzig. Er fällt um. Stellt sich wieder hin. Wischt seine Hände an seinen Shorts ab. Hockt sich wieder in den Startblock. Er tut dies eine Stunde lang. Es ist meditativ.

Am späten Nachmittag gehe ich zum Fährterminal. Das Gepäck kommt in Schließfächer. Ein Wägelchen fährt es aufs Schiff.

Im Fährterminal sitzt ein Pärchen. Die Beiden fallen mir auf, weil er ein T-Shirt mit einem Aufdruck trägt. 

Sie ist dick, sehr dick, die Füße quillen aus den Schuhen, von ihre Armen hängt das Fleisch hinab. Er ist hager mit Hörgeräten, die Haare ein Kranz, die Füße in Turnschuhen. Sie sind beide jenseits der 70. Auf seinem T-Shirt steht: „Old Guys‘ Club.“

Sie telefoniert mit irgendwem, Britisch. Er pellt derweil eine Mandarine, sehr sorgfältig macht er das, zieht jedes weiße Fädchen ab, legt es in die Mandarinenschale, reiht dann die freigepulten Stücke auf seinem Oberschenkel auf. Dann lehnt er sich zurück und beginnt zu essen, vorwärts vom Schritt bis zum Knie, eine Spalte, dann die zweite. Bei jeder Mandarinenspalte schließt er kurz die Augen.

Sie beendet ihr Telefonat. Er hält ihr stumm eine weitere Mandarine hin. Sie sagt etwas, nimmt sie und pellt sie. Dann gibt sie ihm die gepellte Frucht und er macht die Feinarbeit, zieht die weißen Fäden ab, legt sie in die Schalen, reiht die Stückchen auf ihrem Oberschenkel auf.

Dann essen sie gemeinsam die Mandarinen, von vorne nach hinten, und mittendrin, sie sind beide noch nicht am Knie, schauen sie sich an, lächeln und küssen sich.


Tschüss, bis dann | Adiós, La Gomera.

Insel vom Schiff aus, davor ein Segelboot

Overflow | Auf Teneriffa, in Los Christianos, Sinnesoverflow. Überall Blinki-Blinki, Musik, Menschen, die Sirenen der Ambulanz unter dem Balkon.

Geschnitztes Balkongeländer, darunter Straße, Lichter, Autos, drumherum Hochhäuser

Tag 24 auf La Gomera: Rückwärts runter, Wolkenkino und ein Felsrutsch

27. 01. 2020  •  4 Kommentare

Sonnenaufgang | Mein Tag begann in Technicolor.

Blumen, im Hintergrund das Tal, alles in zartrosa bei Sonnenaufgang

Kraxelei | Heute war der letzte Tag auf La Gomera, morgen reise ich ab. Deshalb ging ich nochmal wandern, eine kleine, stressfrei Tour sollte es sein, nachdem ich ja vorgestern, als ich nur ins Nachbardorf wollte, doch nicht nur ins Nachbardorf ging.

Es ließ sich auch geschmeidig an.

Forststraße, in der Weite Bäume.

Der Weg machte ein paar Schleifen, steuerte auf eine Schlucht zu und lief zunächst hoch über dem Tal weiter.

Rechts ein Weg, links und in der Ferne das Tal und eine Schlucht

Danach ging es bergab. Steil bergab. Im Wanderführer heißt das „felsiger Talschuss“.

Über eine Felsnase stieg ich runter, im Hintergrund das Dorf Imada und die Südspitze La Gomeras.

Voraus Felden und Grün, dahinter ein Tal bis zum Meer.

Ja, richtig: Das geradeaus ist der Weg. Über die Felsen ging es drüber und dann rechts hinab. Dort der weitere Abstieg:

Felsen

Ich bin mir nicht sicher, ob man es sieht: Es ist steil. Ich bugsierte mich rückwärts, mit Festhalten, über die Felsen. Auch das, was danach kam, war wenig anheimelnd: eine fast ebene Fläche den Berg hinab. Ich erwog, mich einfach auf den Hintern zu setzen und runterzurutschen. Es ging dann aber doch irgendwie aufrecht und seitwärts.

Im Folgenden, das kennen Sie von anderen Wanderungen, sah es dann so aus, links der Weg:

Links Felsabstieg, geradaus das Tal

Über Felsen und Schleifen stieg ich ins Tal.

Bei solchen Abstiegen gilt ja die goldene Regel: Nicht an Kakteen festhalten. (Nicht lachen! Passiert total schnell.) Während ich hinabkraxelte, dachte ich: Das ist gleichzeitig eine Weisheit fürs Leben, ein schönes Bild, im übertragenen Sinne.

Das Zauberhafte am Runterlaufen ist, dass es postwendend wieder hinauf geht. Ich erspare Ihnen immergleiche Fotos der folgenden Aufstiegsstunde. Beispielhaft:

Felsige Trittstufen nach oben.

Während ich hinaufschnaufte, zogen Wolken das Tal hoch. Jeder Versuch zu eilen schlug allerdings fehl: Schneller hinaufsteigen war nicht drin.

Eine Stunde später verflachte sich der Weg, stieg aber weiter stetig an.

Weg über eine Hochfläche

Auf der Hochfläche wuchsen nur Sträucher und Heidekräter und sehr große Disteln. Ich ging an einer einsamen Kate mit einzelnen Terrassenfeldern vorbei. Dort waren riesige Kakteen.

Kakteen an einer Steinwand, dahinter Bergkette mit Bäumen, Wolkenfetzen

Schließlich erreichte ich Igualero, das höchste Dorf der Insel. Dort war ich schon bei der ersten Wanderung auf den Garajonay.

Dorf in den Berg, teilweise verschleiert von Wolken

Am Bushäuschen genehmigte ich mir eine Pause. Ich brauchte ein bisschen Sprit im Tank, aß eine Banane und zwei Kekse, beobachtete Hühner und beäugte den Schädel.

Das letzte Stück auf den Garajonay war identisch mit der ersten Tour. Allzu viele Wege führen eben nicht nach oben.

Nach dreieinhalb Stunden Wandern erreichte ich das Gipfelplateau.

Vor mehr als zwei Wochen stand ich vollständig in Wolken. Diesmal war es wärmer, die Wolken waren deutlich weniger – aber dennoch: Sie waren da. Die Nachbarinseln sah ich nicht.

Gipselplateau in der Panoramaaufnahme

Es waren einige andere Wanderer dort oben; es schwäbelte vernehmlich. Überhaupt schwäbelt es hier an allen Ecken und Enden. Vielleicht ist es manchmal auch Badisch – was weiß ich als Dortmunderin schon. Im Januar scheint La Gomera jedenfalls eine Rentnerwanderinsel für rüstige baden-württembergische Frühsenioren zu sein.

Beim Abstieg saß ein Turmfalke auf dem Wegweiser.

Turmfalke auf Wegweiser

Das Schild sagte, es seien 3,7 Kilometer bis zu meinem Parkplatz „Pajarito“. In weiten Schleifen sollte der Weg den Berg hinabführen. Gerade das Richtige, um die Beine auszulaufen.

Ich stapfte also frohen Mutes über die Forststraße hinab, oberhalb des Dorfes Igualero. Dort gab es eine tolle Wolkenshow.

Wolkenberge ziehen in Igualero ein

Als ich weiterlief, war jedoch plötzlich Schluss: Felssturz! Der halbe Hang war runtergekommen, riesige Felsen überall – kein Durchkommen. Hierher kam ich nicht nach Hause.

Zweihundert Meter vor dem Felssturz hatte ich einen Weg den Berg hinauf gesehen. Vielleicht führte er drumherum? Ich ging hinauf, es sah zunächst gut aus, aber dann endete der Weg in immer dichter werdender Baumheide. Sehr naturnah, besonders für meine nackten Beine.

Ich kehrte um, blätterte im Wanderführer, schaute auf meine Offline-Karten. Es gab keine Alternative: Ich musste zum Garajonay-Sattel zurücklaufen, wieder zwei Kilometer hoch, um dann über die andere Seite steil abzusteigen.

Sonne und Wolken schenkten mir dabei doch noch einen Blick nach Teneriffa.

Wald, in der Ferne Teneriffa mit dem Teide, rechts unten ein grauer Fleck

Rechts unten der Parkplatz.

Infos zur Tour: Rother Wanderführer Nr. 11: Von Pajarito über Imada auf den Garajonay / 10 Kilometer / 650 Höhenmeter

Für mich waren es 14 Kilometer und um die 850 Höhenmeter.

Zurück am Auto war ich feddich wie’n Brötchen. Auf der Heimfahrt ins Eremitenhäuschen musste ich einen Nothalt einlegen und ein Stützeis kaufen.


Letzter Abend | Das Tal gab nochmal alles, um mir den Abschied schwer zu machen.

Sonnenuntergang auf der Terrasse

Tag 23 auf La Gomera: Gammelsonntag

26. 01. 2020  •  Keine Kommentare

Tagwerk | Morgens in der Hängematte geschaukelt, Podcasts und ZEIT Audio gehört. Wäsche gewaschen. Mittags Gazpacho. Nachmittags geschrieben. Himmel bedeckt, das Wetter machte auch Sonntag.

Laptop auf den Knien, im Hintergrund das Tal, wolkiger Himmel, Wäsche auf der Leine

Die aufregendsten Ereignisse heute (in genannter Reihenfolge):

  • Ein Rettungshubschrauber flog übers Tal.
  • Zwei schwarze Katzen stritten sich und jagten sich ums Haus.
  • Zwei Wanderer gingen am Haus vorbei die Straße runter.

Home, sweet (grey and cold) home | Die Gedanken sind schon bei der Abreise. Ich plane die ersten Tage zuhause, den Kochstammtisch, Einkaufslisten, Verabredungen.


Entdeckung gemacht | Als ich gestern den Ofen anfeuerte, dachte ich: Der riecht wie mein gomerischer Käse. Erkannt: Ich verbrenne Baumheide. Recherchiert: Der gomerische Käse wird mit Baumheide geräuchert.


Gelesen | Smilla Dankert zu Besuch bei Herrn W.: Leicht war das nicht …

Gehört | Mein Sohn, der Nazi – Szenen eine Familie aus Niederbayern. Eine Radio-Reportage. Sehr nah dran. Heftig.

Gelesen | Der Tagesspiegel schaut aufs Dortmunder Konzerthaus: Moll und Dur an der Ruhr. Dortnund sei der „hidden champion unter den bundesrepublikanischen Klassik-Institutionen“.

Sicher, Dortmunds Innenstadt wurde im Zweiten Weltkrieg zu 98 Prozent zerstört, doch was dann entstand, sieht aus, als hätten sich die schlechtesten Architekten der Republik zusammengetan, um den Prototyp der gesichtslosen modernen Großstadt zu schaffen.

Das Dortmunder Konzerthaus wurde in die schlechte Gegend der Innenstadt gebaut, auf die Brückstraße, zwischen Imbissläden und türkischen Klamottenglitzer. Es gibt eine Reihe, die „Die jungen Wilden“ heißt, und es gibt Blackbox-Konzerte, bei denen die Leute erst, wenn sie da sind, erfahren, was gespielt wird. Die Akustik ist großartig. Und es ist super, wenn die schnieken Konzerthausbesucher vor der Veranstaltung durchs Problemviertel ziehen – oder sich danach einen Döner holen. Schön, dass da jemand hingeschaut hat.

Tag 22 auf La Gomera: Wie ich einen Buddha traf, zu einem Strand ging und Schätze fand

25. 01. 2020  •  Keine Kommentare

Playa de Arguamul | Eigentlich wollte ich heute nur einen kleine Runde runde drehen, einmal den Nachbarort auschecken und wieder zurück. Ich hatte noch schwere Beine von der Roque-Blanco-Tour. Doch es trieb mich eine ganze Strecke bis hinab zum Strand.

Der Nachbarort von Tazo ist Arguamul, der nördlichste Ort La Gomeras. Vor Jahrzehnten war es eines der landwirtschaftlichen Zentren der Insel, grüne Hänge, Terrassenfelder, Weinreben, Fischfang. Heute ist es das ursprünglichste Nest der Insel, weitab von allem, erreichbar über eine gewundene Straße.

Von rechts nach links abfallende Terrassenfelder, darin Häuser. Hinten das Meer.

Arguamul liegt hinter den Cumbres de Chijeré und dem Gebirge Bejira und ist einer der am stärksten isolierten Orte der Insel. Einige Häuser sind nicht mehr durchgängig bewohnt. Sie dienen als Wochenend- oder Ferienhäuser der Familien, die hier früher lebten. Andere Bewohner betreiben zwar noch Landwirtschaft, aber hauptsächlich für den Eigenbedarf.

Unterhalb von Arguamul liegt ein wilder und oft windumtoster Steinstrand.

Um dort hinzukommen, bin ich von Arguamul erstmal ins Unterdorf nach Guillama gegangen. Der Weg führt über einen Camino.

Camino in Richtung Meer, eine umgefallene Laterne liegt im Weg.

Man sieht, dass der Camino keiner der bekannten Wanderwege ist, obwohl er markiert ist. Der Weg ist hier und da überwuchert – aber nur mit Gras und freundlichen Pflanzen, nichts mit Dornen.

In Guillama muss man den Hof von Pablo überqueren. Das ist hier oft so: Man geht zwischen den Häusern hindurch, über die Höfe und Terrassen.

Hof aus mehreren sich zusammenduckenden Steinhäusern an der Kante zum Meer

Hinter dem Hof zeigt ein Schild in Richtung Strand.

Am Rand des Plateaus geht ein steiniger Weg nach unten, immer in Spitzkehren bis in einen Barracanco, der zum Strand führt.

Blick auf einen ausladenden Steinstrand, eingefasst von Felsen

Der Playa de Arguamul ist einen halben Kilometer lang und zum Schwimmen nicht geeignet – wie die meisten Strände auf La Gomera. Überall dicke Steine, außerdem gibt es heftige Unterströmungen.

Panoramaaufnahme: Steinstrand in siner ganzen Breite

Über dem Strand finden sich auch in hoher Höhe noch Muschel- und Schneckenschalen, auch noch in Höhe von Guillama, mehrere hundert Höhenmeter über dem Wasser. Die Schnecken sind klein, manchmal winzig, manchmal auch größer, und sehr filigran.

Hand mit zwei kleinen Schneckenschalen, dahinter das Meer

Ich nahm einige mit, ebenso Muschelschalen. Sie sind sehr hübsch.

Unten am Strand gibt es einen kleinen Steinbau, davor eine Feuerstelle. Davor liegt eine Pfeife. Neben der Tür eine stehengebliebene Uhr.

Im Häuschen selbst ist nur Müll.

Ich lasse alles, wie es ist, bleibe eine Weile am Strand, dann gehe ich auf demselben Weg wieder zurück nach Arguamul. Der Aufstieg über den Pfad ist steil, aber erstaunlich einfach. A piece of cake, würde M sagen.

Links ein gestufter Weg, links, hinter einem Felsen, ist noch das Meer zu sehen.
Links ein Weg, rechts das Meer aus der Höhe

Der Buddha | In Arguamul steht ein Buddha an der Straße. Er steht da in einer Kurve unter Palmen.

Dicht bewachsenes, Palmenbestandener Ort mit einer gewundenen Straße, an der ein Buddha steht

Ein Anwohner, ein Zugezogener, der ein Haus in der Gegend gekauft hatte, verliebte sich in Asien in ihn und ließ ihn herbringen, per Schiff über Singapur nach La Gomera. Alles ging glatt, nur auf dem letzten Stück Weg kam der Lkw mit dem zwei Tonnen schweren Marmorbuddha nicht weiter, die Straße ist eng und nicht asphaltiert, der schwere Transport steckte fest.

Dann passierte das, was wir alle von unseren Paketdiensten kennen: Der Lieferant dachte sich, was soll der Mist, welcher Idiot bestellt einen beknackten, zweitausend Kilo schweren Buddha, ich habe die Schnauze voll – setzte den Koloss an Ort und Stelle ab, Lieferung bis Bordsteinkante, und dokumentierte das Teil als ausgeliefert.

Alle Versuche, ihn dort wegzuschaffen, schlugen fehl. Die Leute haben sogar überlegt, ihn zu zersägen und wieder zusammenzusetzen. Am Ende blieb er, wo er war. Da steht er nun, noch auf Palette.

Besucher, die vorbeikommen, legen dem Buddha oft Münzen in die Hand, das soll Glück bringen. Das Geld bekommt die örtliche Kirchengemeinde.

Ich ließ das Meer hinter mir und ging zurück nach Hause. Bis Tazo waren es dreieinhalb Kilometer.

Zuhause schaukelte ich den Tag aus.


Freestyle-Tour: Tazo – Guillama – Playa de Arguamul – Guillama – Arguamul – Tazo / 15 Kilometer / geschätzte 700 Höhenmeter / Gehzeit dreieinhalb bis vier Stunden

Tag 21 auf La Gomera: Buch gelesen

24. 01. 2020  •  3 Kommentare

Guten Morgen | Der Moment, in dem die Sonne über den Berg kommt und der Tag beginnt:


Buch gelesen | Heute habe ich „Machandel“ von Regina Scheer fertig gelesen. Klappentext:

Regina Scheer spannt in ihrem beeindruckenden Debütroman den Bogen von den 30er Jahren über den Zweiten Weltkrieg bis zum Fall der Mauer und in die Gegenwart. Sie erzählt von den Anfängen der DDR, als die von Faschismus und Stalinismus geschwächten linken Kräfte hier das bessere Deutschland schaffen wollten, von Erstarrung und Enttäuschung, von dem hoffnungsvollen Aufbruch Ende der 80er Jahre und von zerplatzten Lebensträumen.

Machandel ist der Name eines fiktiven Mecklenburger Dorfes. Der Roman verbindet das Nachkriegsschweigen mit dem Leben in der DDR, es beschreibt kleinkariertes Dorfleben, Flüchtlingsgeschichten und seziert das Wendedeutschland: die Sehnsucht nach dem Westen, dem der Wunsch nach einem anderen Osten gegenüberstand. Erzählt werden mehrere Geschichten – vielleicht auch nur eine Geschichte, die des Dorfes – aus Sicht von fünf Figuren: dem Hauptcharakter Clara, ihrem Vater, dem SED-Funktionär, der ehemaligen Zwangsarbeiterin Natalja, dem Oppositionellen Herbert und der Hamburgerin Emma, die es im Krieg nach Mecklenburg verschlägt. Keine leichte Kost, prima für die ruhige Hängematte. Ich mochte die präzisen Charaktere und die schnörkellose Sprache. Vier von fünf Sterne.

Ausführliche Besprechung beim Deutschlandfunk


Schöne Vokabel | „Iktsuarpok“ ist ein Wort der Inuit. Es beschreibt die Vorfreude, mit der man immer wieder zum Fenster geht, um zu gucken, ob der Besuch endlich kommt (via SZ Magazin).


Gelesen | Kommunalpolitik: Monheim first

Gelesen | Sigmar Gabriel wird Aufsichtsrat der Deutschen Bank. Nach langer politischer Karriere den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Oder ein Blumengeschäft in Freienohl eröffnen. Einfach irgendwas tun, mit dem man sich und andere nicht diskreditiert. Das wäre doch mal was. Nachdem ich Bundespräsidentin war, werde ich höchstens noch ein Waffelcafé eröffnen, Mittwochs Ruhetag, und im Eingang liegt ein Mops.

Gehört | in der ZEIT-Audio-App: Richard Gutjahr – Hat der Bayerische Rundfunk diesen Mann genug geschützt? Der Versuch einer objektiven Betrachtung des Falles. Ich habe immer noch keine Meinung dazu, fühle mich aber schlauer.

Gelesen | Standesamt 2019: Die kuriosesten Kindernamen Berlins. Meine Favoriten: Hotte, Sweedy, Porsche-Cheyenne, Dörte-Danielle und Tommy-Herbert.

Tag 20 auf La Gomera: Mit einem treuen Freund hinauf zum Roque Blanco

23. 01. 2020  •  13 Kommentare

Auf den weißen Felsen | Heute machte ich die Wanderung, die ich am Sonntag nicht machte, als meine Schuhe starben. Eine super Tour – auf den ganzen vierzehneinhalb Kilometern hatte ich einen tollen Ausblick ins Tal von Vallehermoso und in die Seitentäler.

Außerdem hatte ich Begleitung: Während des Aufstieg begleitete mich ein Hund. Ich war sicher, er gehört zur Wandergruppe hinter mir, findet mich aber irgendwie netter als seine Leute. Die wirkliche Geschichte war anders – und besser. Mehr dazu später.

Ich stieg aus dem Ort heraus zunächst über einen Camino auf, der steil bergan führte und auf einem Bergkamm endete. Dort hatte ich einen zauberhaften Ausblick ins Tal mit dem Staudamm Embalse de la Encantadora.

Der Hund fand’s auch hübsch.

Danach stieg ich zunächst wieder hinunter, hinab zum Staudamm. Von oben sieht er ziemlich voll aus, tatsächlich ist er das aber nicht. Der Blick von hinten auf die Staumauer zeigt, dass noch gut ein dreistöckiges Haus zwischen Wasseroberfläche und Abflusskante passt. Am Ufer ist noch ausreichend Platz für Wasser.

Die Leute in meinem Dorf sagen, es gebe zu wenig Regen. Seit einigen Jahren falle gerade im Winter viel zu wenig. Früher habe es sich zwischen Oktober und April gegen Abend oft zugezogen und es habe über Nacht geregnet. Das passiere nun viel seltener, die Palmen beginnen schon zu vertrocknen.

Nach dem Staudamm ging es wieder hinauf, erst eine Straße, dann einen Camino. Der Hund begleitete mich, lief vor, wartete an den Wegwindungen auf mich, und wenn ich kam, ging er weiter.

Zwichendurch schloss die Wandergruppe auf.

„Gehört dir der Hund?“, fragten sie. Ich: „Ich dachte, der gehört zu Euch.“ – „Nee, zu uns gehört der nicht.“

Nach zweieinhalb Stunden kam ich auf dem Roque Blanco an. Dort gibt es ein Restaurant, das Cola verkauft. Mit Eis! Ich war glücklich.

Als ich meine Brotzeit aß, kam ein Mann aus dem Restaurant, sah den Hund und fragte: „Deiner?“ Ich: „Nee.“ Daraufhin bekam der Hund ein Riesendonnerwetter auf Spanisch zu hören – und eine Leine.

Er gehört nämlich der Kellnerin des Restaurants. Sie wohnt in Vallehermoso, und er vermisst sie tagsüber so doll, dass er öfter mal ausbüxt, sich Wanderern anschließt, so tut, als gehöre er dazu, und mit zum Restaurant aufsteigt.

Danach stieg ich nach Vallehermoso ab.

Der Weg führt auf den Roque Cano zu. Mit 650 Metern überragt er das Tal – ein Vulkanschlot, den die Zeit und Erosion freigelegt haben.

Auf einem Bergkamm lief ich auf den Felsen zu und konnte sowohl links als auch rechts in ein Tal schauen. Ich liebe Bergkämme.

In Schleifen ging es dann hinunter nach Vallehermoso, sehr bequem und sehr angenehm.

Infos zur Tour: Rother Wanderführer Nr.56: Von Vallehermoso nach El Tión / gut 750 Höhenmeter / 14,5 Kilometer / 4,5 Stunden reine Gehzeit


Playa de Vallehermoso | Danach kaufte ich ein und fuhr noch zum Strand von Vallehermoso. Meeresrauschen und tolle Atlantikwellen.

Zuhause stand noch halbe Stunde die Sonne auf der Hängematte, und ich schaukelte den Tag aus.

Tag 19 auf La Gomera: Flow

22. 01. 2020  •  Keine Kommentare

Flow | Gestern Abend habe ich einen Schreibflow gehabt, endlich mal. Ich habe Gutes zu Papier beziehungsweise in den Laptop gebracht und einen Erzählknoten aufgelöst. Zufrieden eingeschlafen und wunderbar erholt um 8 Uhr aufgewacht.

Heute Morgen habe ich die Hängematte wieder aufgehängt, Regen war nicht in Sicht. In ihr schaukelte ich den Tag ein. Gebe ich mich kreativer Arbeit hin, braucht es einen langsam Start, ein Eingrooven. Die gute Phase kommt ohnehin erst am Abend. Hektik hilft hier nicht.

Es gibt sonst nichts weiter zu berichten, keine Vorkommnisse, keine Ereignisse. Deshalb zeige ich Ihnen jetzt ein Bild von einem Käse:

Halber, sehr heller Käselaib, angeschnitten auf einem Teller

Gestern kochte ich Kohl und Zucchini. Ich schmeiße hier jeden Abend Gemüse in die Pfanne, immer mal anderes, dazu Knoblauch und Olivenöl, das macht mich glücklich. Gestern öffnete ich den jüngst erworbenen gomerischen Ziegenkäse (Bild), ein kleiner, halber Laib. Der Käse hat ein rauchiges Aroma, es erinnert sehr an Barbecue-Soße, das ist erstaunlich. Ich gab einige Stücke ins Gemüse. Das sorgte für eine gute Würze, ich rollte alles in ein Wrap-Dingens. Perfekt.

Möchten Sie nach dem Käsefoto noch ein Keksbild sehen? Ja? Bitteschön:

Handgeformter, flacher Keks mit Streuseln drauf

Das ist ein Gofiokeks. Ich aß ihn nach dem Mittag, nach dem Gazpacho.


Aufgeschrieben | In meiner kleinen Doktorarbeit habe ich seinerzeit eine Methodik verwendet, mithilfe derer ich die Arbeit in zwei Redaktionen entwickelt habe. Die Methodik basiert auf der Interaktiven Inonvationsforschung.

Im vergangenen Jahr ergab es sich, dass ich diese Methodik bei Kunden anwendete. Sie hilft, im Tagesgeschäft Neues auszuprobieren und beteiligt diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Lösung, die das Problem haben. Ich habe dazu etwas zusammengeschrieben: Interaktive Innovation – Das Labor im Tagesgeschäft.

Tag 18 auf La Gomera: Die Weisen des Dorfes Tazo

21. 01. 2020  •  2 Kommentare

Wetterorakel | Vor fünf Tagen, am vergangenen Donnerstag, sagten die Weisen des Dorfes Tazo: „Am Dienstag wird es stark regnen.“

Heute ist Dienstag, und es regnete stark. Ich verneige mich vor ihnen.


Palmenoffice | Den Tag verbrachte ich zunächst draußen, dann, als der Wind auffrischte und der Regen begann, auch drinnen, bei Ofenfeuer und Milchkaffee.

Das Gute: Ich habe wirklich etwas geschafft. Wenn sich morgen früh nochmal so ein Flow andeutet, werde ich morgen auch nochmal zu Hause bleiben.

Am Abend war das Wetter dann kurzzeitig hübsch. Ich habe mit meinen neuen Schuhen eine Abendrunde durch den Kiez gedreht.

Das Kirchlein ist die Ermita di Santa Lucía. Es ist die mutmaßlich älteste Kapelle auf der Insel. Schon im Jahr 1424 wurde sie, wenn die Deutung stimmt, in Erzählungen erwähnt. Neben der Kirche gibt es eine Heilquelle, an der man Wasser zapfen kann. Die Leute fahren hier nicht in den Supermarkt oder trinken Wasser aus dem Hahn, sondern holen sich dort ihr Trinkwasser – in Acht- und Fünf-Liter-Kanistern. Ich trinke auch die ganze Zeit Heilwasser. Besonderes Wohlbefinden oder gar Erleuchtung kann ich allerdings nicht feststellen. Vielleicht hat der Trunk eine Inkubationszeit.


Gute Reise | Es gelang mir, die Wanderschuhe ihrem Schicksal zu übergeben.


Freelancermonat | Eine Sache habe ich vergessen zu erzählen: Ich nahm Tramper mit nach Valle Gran Rey. Sie standen oberhalb von Arure, dort wo es morgens kalt ist, frierend an der Straße.

Sie erwiesen sich als Ungarn. Sie seien Freiberufler, sagten sie, Übersetzer und sie verbrächten einige Woche auf La Gomera. Im Januar sei weniger zu tun als in anderen Monaten, da seien die Firmen mit sich selbst, mit dem Abschluss des alten und der Planung des neuen Jahres beschäftigt und Übersetzer würden nicht so sehr gebraucht. Der Januar sei eine ideale Zeit, um sich eine Auszeit zu nehmen.

Bruder und Schwester im Geiste.


Neue Perspektiven | Seit ich aus La Gomera blogge, habe ich 50 Prozent mehr Zugriffe aufs Kännchencafé. Vielleicht sollte ich einfach nur herumreisen und wandern, als Lebenskonzept. Im Nebenerwerb stelle ich Kekse und Sonnencremeprodukte vor und empfehle Rezepte mit Palmhonig.


Gelesen | Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hat einen Aufsatz über die Euro-Zinspolitik verfasst. Die Zeitschrift Brand Eins hat Teile daraus in Leichte Sprache übersetzt.

Wie wird es weitergehen?
Das wissen wir nicht.
Wer bestimmt wie es weitergeht?
Das bestimmt vor allem die Wirtschaft.
In Europa und in der Welt.
Was wissen wir sicher?
Irgendwann geht es der Wirtschaft schlechter als zuvor.
Das war immer so.

Dann wird aus der Belohnung eine Strafe.

Gelesen | Schule machen. Die Alemannenschule Wutöschingen kennt keine Klassen, keine Klassenlehrer, keine Klassenzimmer.

Gelesen | Der sexbessessene Kühlschrankfachverkäufer

Angeschaut | Ich schaute die Reportage „Anders leben – gemeinsam wohnen im Feriendorf“ und las heute in ihrem Facebook-Account, dass es der erste Langfilm einer ehemaligen Studentin ist. Hach.

Tage 16 und 17 auf La Gomera: Adieu, Wanderschuhe, farewell!

20. 01. 2020  •  9 Kommentare

Tschüss, macht’s gut | Gestern starben meine Wanderschuhe.

Schuh, Sohle ist ab

Ihr Tod hatte sich angekündigt. Die Sohle löste sich schon länger an einer Stelle. Vor jeder Wanderung kontrollierte ich, ob sie noch hält. Gestern fiel sie beim Test durch.

Via Instagram erreichten mich zahlreiche Nachrichten und Beileidsbekundungen – und Tipps zum Kleben. Danke dafür! Doch es wäre nur eine palliative Behandlung. Die Schuhe sind 16 Jahre alt, nach der Sohle werden sich als nächstes Nähte lösen. Meine Füße haben sich auch verändert. Es wird Zeit für ein neues Paar.

Aber gedenken wir ihrer noch etwas. Denn eine Ära geht zu Ende.

Ich kaufte sie 2004 in Hamburg-Barmbek, während einer beruflichen Episode bei der dpa infocom. Gemeinsam waren wir in den Alpen, manchmal hätten wir dort Gamaschen gebraucht. Genauso wie im Appenin. Wir liefen in den Abbruzzen und in den italienischen Marken. Wir waren in New York: Es war Februar, wir durchwanderten die Stadt und sie hielten meine Füße warm und trocken. Wir waren gemeinsam auf Gran Canaria und Teneriffa, auf La Palma und La Gomera. In Andalusien wanderten wir über Berge und durch Gestrüpp. An einem Novembertag lief ich mit ihnen zum Ende Norderneys – und musste doch barfuß gehen. Wir waren in Skandinavien, in Schweden, Finnland und Norwegen; ich stand mit ihnen am Nordkap und fror im Nebel. Wir waren in Polen und stiefelten durch die Kaschubei. Wir standen bei Minusgraden an der Ostsee, am Strand der Frischen Nehrung. Ich liefen mit ihnen über die chinesische Mauer und im Jangtse-Tal.

Sie starben am Ort ihrer ersten Kanarenwanderung, nach ihrer letzten Kanarenwanderung. Es ist angemessen, sie hierzulassen. Adieu, liebe Wanderschuhe. Danke, dass ihr mich so weit um die Welt getragen habt. Es war sehr, sehr schön mit Euch.

(Ich bin wirklich ein bisschen ergriffen. M meinte: „Am Mittwoch kommt die Müllabfuhr. Und auch danach den Mittwoch. Wenn du sie nicht gehen lassen kannst, lass sie hier. Ich schmeiße sie dann für dich weg.“)

Mögen sich eure Nachfolger als ebenso treue und freundliche, beständige, abenteuerlustige und bequeme Kameraden erweisen.

Braune Wanderschuhe von Boreal

Ich kaufte sie heute in Valle Gran Rey nach kurzer Beratung. Es waren die ersten Schuhe, die ich anprobierte. Sie passten, ich nahm sie. Danach führte ich sie ein wenig in Valle Gran Rey spazieren. Einmal vom Wanderladen bis zur Playa del Ingles und zurück.

Die Statue am Strand ist der Rebell Hautacuperche.

Serviceblog #1: Der Wandermann zeigte mir eine gute Schnürung. Sie ist auf dem Bild zu sehen. Bevor es hoch in die Haken geht, die Schnürsenkel zweimal umeinander drehen und dann von oben nach unten einhaken. Das hält den Fuß beim Bergabgehen weiter hinten. Ich hab’s ausprobiert, mit der normalen Schnürung am anderen Fuß als Vergleich: stimmt.

Serviceblog #2: Einen Tipp, den ich zum Thema „Schuhkleber“ erhielt, gebe ich hier weiter. Das Produkt „Aqua Sure“ soll wahre Wunder wirken. Danah überstehen Schuhe wohl Monsterwanderungen und Atomkriege. Ich werde es mir daheim zulegen. Denn ich habe immer wieder Schuhe, bei denen sich mal die Sohle löst – und die im Gegensatz zu meinen Wanderschuhen nicht multimorbid sind, sondern gut noch ein bisschen Zeit ableisten können.


Schlappenspaziergang | Weil ich nicht wandern konnte, machte ich einen Spaziergang in Schlappen durch Vallehermoso: einmal das Tal rauf bis ins Dorf Macayo und wieder zurück.

Dicht grün bewachsene Berge und ein Taleinschnitt mit bunten Häusern, Palmen.

Trägt man Schlappen mit Zehentrennern, sind die getrennen Zehen nach dem Bergablaufen doppelt so lang.


Serviceoase | Nach dem Spaziergang ging ich in den Supermarkt. Ich musste mich mit Lebensmitteln eindecken. Die weisen Menschen des Dorfes Tazo haben schlechtes Wetter, womöglich Regen vorausgesagt. Regen bedeutet: Es führt kein Weg für mich aus dem Tal hinaus; es empfiehlt sich, Vorräte anzulegen.

Die Verkäuferin erkannte mich wieder und fragte mich, ob ich denn diesmal eine Box wolle. Bei meinem letzten Einkauf hatte ich alles in meinen Rucksack und zwei Leinentaschen gepackt – unter ihren skeptischen Blicken. Zu ihrer Freude und Erleichterung sagte ich Ja, und sie pfiff einen jungen Burschen herbei, der mir die Box ins Auto trug.


Wetterorakel | Schon am Donnerstag haben die Dorfälteren aus Tazo gesagt: Am Dienstag wird es regnen. Gestern zeigte der Blick auf La Palma beginnende Schleierbewölkung.

Insel mit zwei Erhebungen in der Ferne, wolkenverhangen. Im Himmel Schleierbewölkung.

Am Abend flossen die Wolken den Berg hinab in mein kleines Tal, und es zog sich zu.

In der Ferne Berge, darüber liegen Wolken, die sich wie ein Wasserfall die Hänge hinabgießen.

M legte mir Holz für den Ofen vor die Tür. Mit der Pappbox aus dem Supermarkt kann ich prima das Feuer anfachen.


Ziegen | Hier im Tal wohnen Ziegen. Sie gucken immer, wenn ich vorbeifahre.

Eine schwarz-weiße und eine schwarze Ziege gucken neugierig hinter Palmen hervor.

Würden sie in einer Etagenwohnung in Dortmund wohnen – ich würde beim Vorbeigehen immer vorsichtshalber in Richtung Spion grüßen.



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