Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

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Tag 15 auf La Gomera: Ich ging im Wald spazieren, traf einen Rentner und aß einen seltsamen Knödel

18. 01. 2020  •  12 Kommentare

Inselverwechslung | Ich muss mich berichtigen: Was ich von meiner Terrasse aus sehe, ist nicht La Palma, sondern El Hierro. La Palma hat zwei Erhebungen und sieht so aus:

Im Vordergrund der Außenspiegel des Autos, Erdstraße und Bergrücken, in der Ferne eine Insel mit zwei Erhebungen

La Palma sehe ich erst, wenn ich so lange den Rumpelweg hochfahre, bis ich über den Bergkamm gucken kann.

Auf der heutigen Wanderung sah ich übrigens auch Teneriffa mit dem Teide:

Blick über eine Bergkette, in der Ferne Teneriffa mit dem Vulkankegel des Teide in der Mitte

Durch den Wald | Die heutige Tour hatte den Untertitel „Großzügige Runde durch den Nebelwald“.

Ich startete direkt über meinem Eremitenhäuschen in Epina: Sechs Kilometer die Piste hoch, und ich war am Ausgangspunkt.

Der Nebelwald, das ist La Gomeras Herzstück. Er ist UNESCO-Welterbe und seit 2012 auch UNESCO-Biosphärenreservat.

Oft steigen feuchte Passatwinde die Berge Gomeras hinauf. Dabei kühlen sie ab, und es bilden sich dichte Wolken – wie an dem Tag, als ich auf den Garajonay stieg. Die Feuchtigkeit kondensiert an den Bäumen und Sträuchern. Deshalb gibt es sehr viele Moose, Farne und Baumflechten im Wald. Es entsteht dann sowas wie horizontaler Regen. Der Boden nimmt das Wasser auf, und es tritt aus Quellen wieder an die Oberfläche. Die Bauern fangen es in großen Wasserbecken auf.

Als ich eines der Fotos machte, kam von hinten ein Mann. „¡Hola! Buen dia“, sagte er. Wo ich hinwolle, fragte er. Ich sagte ihm, dass ich zum Raso de la Bruma gehe und dann nach Epina.

Er, sagt er, wolle nach Chipude.

Das ist das Dorf, von dem aus ich auf den Garajonay gestartet bin. „Chipude ist aber doch sehr hoch, oder?“, fragte ich, aber er verneinte und sagte: „Ich bin Rentner, ich gehe nicht mehr viel hoch.“ Der Weg sei flach, abgesehen von zwei Barancos, die er durchqueren müsse.

Er erzählte mir, dass er Gomero sei, auf der Insel geboren. „Hast du denn eine Wanderkarte?“ Dieser Weg hier sei ja ohne Schilder – nicht, dass ich mich verlaufe.

Ich zeigte ihm meinen Wanderführer. Er blätterte interessiert darin, und meinte, dass das ein ganz hervorragender Wanderführer sei, ob er ein Foto davon machen dürfe. Dann machte er mit einer kleinen Kompaktkamera ein Foto von meinem Wanderführer.

Wir gingen eine Weile zusammen. Er trug einen Pullover, eine Jacke, eine Mütze und Wollhandschuhe, ich ein T-Shirt und eine kurze Hose. Für ihn sei es Winter, sagte er, bitterkalt. Wir machten Scherze darüber. Er komme, sagt er, als Vallehermoso, dort wohne er. Er gehe öfter durch den Wald, er liebe den Wald. Ob ich ein Foto von ihm im Wald machen könne? Ich tat es.

Kurz hinter dem Picknickplatz Raso de la Bruma verabschiedeten wir uns. Er ging weiter in Richtung Chipude, ich wählte den Weg nach Vallehermoso.

Je weiter ich wieder hinabstieg, desto mehr öffnete sich die Landschaft, bis ich in die Sonne hinaustrat und auf die baumbestandenen Hänge des Nationalparks blicken konnte.

Blick über bewaldete Hänge. Die Sonne scheint.

In weiten Schleifen führte der Weg sechs Kilometer nach Epina zurück.

Dort kehrte ich im Wirtshaus ein und gönnte mir etwas Herbes zu trinken. Der Wirt pries mir ein knödeliges Gebäck an. Käse sei darin, sagte er, man esse es mit Palmhonig. Ich nahm eins.

Knödelartiges, in Scheiben geschnittenes Gebäck mit brauner Flüssigkeit darüber

Ich sag’s mal so: lieb gemeinte sechs von zehn Punkten. Aber nur, weil ich Hunger hatte.

Infos zur Tour: Rother Wanderführer Tour 51: Von Epina zum Raso de la Bruma / 12,5 Kilometer / 500 Höhenmeter / 4 Stunden Gehzeit


Heja BVB & VPN | Gerade wieder daheim, erhielt ich einen Liveticker aus der Dortmunder Kneipe. Vatta gab mir jedes Tor durch, und im Laufe des Spiels wurde es immer offensichtlicher, dass ich heute Abend unbedingt sportstudio gucken muss.

Jawl war nach meiner Jammerei übers Geoblocking hilfreich und empfahl mir Hide me als VPN. Ich lud mir die App aufs iPad, wählte als Land „Deutschland“ aus und zack! – für die Öffentlich-Rechtlichen bin ich nun in Deutschland.

An eventuellen Regentagen kann ich nun die Mediatheken leer gucken und auch die empfohlene arte-Serie „Jordskott“ sehen.


Pandahummel | Gestern erzählte ich von den riesigen Hummeln, die mich hier täglich anbouncen. Am Abend konnte ich eine fotografieren.

Dicke Hummel in Nahaufnahme

Ich glaube ja, dass es fliegende Pandabären sind.

Tage 13 und 14 auf La Gomera: Tazo-Tage

17. 01. 2020  •  8 Kommentare

La Palma | Heute Morgen erwachte ich schon um kurz vor Sieben. Ich sah die Morgenröte und erstmals in der Ferne La Palma.


Tazo-Tage | Gestern war Faulenzertag. Nichts getan, nichts erledigt, nichts erreicht. Nur die Hängematte beschaukelt.

Heute Palmen-Office. Zwei Aufträge aus Berlin bekommen. Große Freude! In den letzten beiden Märzwochen bin ich jeweils für ein paar Tage dort.


Fauna | Hier am Eremitenhäuschen gibt es eine mindestens zweistellige Anzahl Geckos. Außerdem leben hier Buchfinken, so eine Art Spatzen und so kleine, knubbelige Vögel, die etwas Meisenartiges haben, außerdem Tauben. Es gibt hier eine Taubenart, die „Bolles Lorbeertaube“ heißt; das wäre auch ein prima Kneipenname. Ums Eck im Baranco leben andere Tauben, ich glaube, es sind Türkentauben, die sich, wenn sie losfliegen, anhören wie ein wieherndes Pferd.

Gestern kamen zwei Katzen aus der Nachbarschaft rum. Es gibt auch eine riesige Libelle, die hubschrauberartig ihre Kreise zieht; es ist immer dieselbe, sie hat sich mir vorgestellt. Über Tag kommen immer mal Hummeln von der Größe eines Tischtennisballs. Die Hummeln halten mich für eine Blume, bouncen mich an und entschuldigen sich dann vielmals, regelmäßig; jeden Morgen beim Milchkaffee das gleiche Spiel.

Morgens ist immer Bienenparty im Natternkopf. Die Bienen haben offenbar eine Teilzeitvereinbarung. Am späten Vormittag machen sie Feierabend.

Die Ameisen hingegen haben niemals Feierabend. Sie sind sehr klein und sehr dünn und leben rund ums Haus. Damit sie nicht im Haus leben, braucht es ein konsequentes Ameisenmanagement: keine Krümel liegenlassen, regelmäßig fegen, Arbeitsplatte in der Küche sauber halten, Joghurtbecher ausspülen vorm In-den-Müll-Werfen. Dann finden die Ameisen es drinnen unattraktiv und bleiben draußen.

Jeden Abend kommen zwei bis fünf Mücken zu Besuch. Sie hocken dann außen an meinem Moskitonetz und schmachten mich an. Einmal so viel Attraktivität beim Dating ausstrahlen wie abends auf meinem Gomerabett!


Geoblocking | Was mir wirklich auf den Zeiger geht, ist das Geoblocking in den Mediatheken. Ich kann gefühlt fünf Sechstel des Angebots der ARD- und ZDF-Mediathek nicht ansehen, und auch bei Arte sind die Videos, die ich sehen möchte, geoblockiert. Sogar die heute-Nachrichten sind im Livestream geblockiert.

Nutzungsrechte hin oder her – ich frage mich, ob das zeitgemäß für das Jahr 2020 ist, zumal ich mich in einem anderen europäischen Land befinde und nicht in Südpanama oder kurz vor Wolgograd. Meinetwegen registriere ich mich auch unter Angabe meiner Gebührenzahlernummer.

Um die Handball-EM zu sehen, schaute ich also ehf-TV, den Stream der European Handball Federation. Das ist dasselbe Bild, das ARD und ZDF bekommen und zum Publikum durchreichen; ARD und ZDF selbst darf ich aber nicht sehen. Das soll jemand verstehen.

Es kamen übrigens jedesmal zarte Star-Wars-Gefühle auf, wenn der englische Kommentator Jannik Kohlbacher nannte („Kewbacca! Kewbacca! Awesome shot from Kewbacca!““).


Gelesen | Herne plant auf dem Zechengelände „General Blumenthal“ eine Technologiewelt für Firmen und Forschungsinstitute. Aus dem Ruhrgebiet wird noch was, Leute, wartet’s nur ab. Dann wollt Ihr alle herkommen, ich bin schon da und empfange Euch mit meiner Waffelería.

Gehört | Schauspielerin Muriel Baumeister zu Gast bei Bärbel Schäfer, im Gespräch über ihre Alkoholsucht.

Gelesen | Die Leute bekommen weniger Kinder, vor allem in wirtschaftlich starken Ländern. Dabei wünschen sich viele Menschen Kinder: Befragte aus 28 hochentwickelten Ländern möchten durchschnittlich gerne 2,3 Kinder – bekommen jedoch nicht einmal zwei. Anna Louie Sussman von der New York Times geht den Gründen nach. Ein ausgewogener Artikel, der mal nicht die Schuld im Individualismus und Egoismus von Frauen sucht, sondern vielfache Einflüsse abwägt.

Gehört | Zeit Verbrechen: In der Lebensversickerungsanstalt – mit Einsichten, welche Funktion der Maßregelvollzug und die forensische Psychiatrie haben, wie man hinein und (nicht) wieder hinaus kommt.

Gelesen | Sohn Buddenbohm und das Konzept der Regionalzeitung. Aus derselben Feder: Wandel im Vokabular des Französisch-Schulbuchs

Tag Zwölf auf La Gomera: Ich kraxelte eine Wand hinauf und schaute hinunter

16. 01. 2020  •  16 Kommentare

Steilwandkraxelei | Die Wanderung hatte im Wanderführer den Untertitel „Durch die Steilwand von Agulo“, und das Wort „Steilwand“ hätte mich nachdenklich machen müssen. Hat es aber nicht, und so stand ich am Vormittag vor der Wand:

Steilwand, davor einige Häuser

Wandern hat ja durchaus etwas lebenspraktisch Philophisches. Denn wenn man vor so einer Steilwand steht, denkt man zunächst: Das geht nicht. Wie soll ich da hochlaufen? Das kann nicht funktionieren. Und wo soll ich überhaupt anfangen?

Dann geht man los, und man sieht plötzlich einen Weg, der die Wand hinaufführt. Man fängt an, den Weg hinaufzugehen, und stellt fest: Geht doch.

Steinweg, Blick hinunter aufs Dorf Agulo

So wie man sich auf den Weg begibt, sieht die Welt plötzlich anders aus. Das, was vorher groß war, ist nun klein, und das, was vorher unerreichbar war, ist nurmehr eine Frage des Durchhaltens. Man sieht Muster und Strukturen, die vorher nicht da waren, die Farben und die Zusammenhänge verändern sich.

Dann geht man höher hinauf, es wird steiler und anstrengender, aber weil man bereits auf dem Weg ist, weiß man: Irgendwie geht’s weiter, bis hierhin habe ich es schließlich auch geschafft.

Steinweg den Berg hinauf

So kraxelte ich die Steilwand hinauf. Mal war der Weg rechts.

Panoramabild, Weg rechts, Blick ins Tal

Mal war der Weg links.

Panoramabild, Weg links, Blick ins Tal

Dann war er wieder rechts.

Panoramabild, Weg rechts, Blick ins Tal

Mal waren Steine aufgestapelt, mal waren es die Felsen, die einen Weg formten, mal waren es kleine Stufen, mal waren es große Schritte, die es brauchte, um hinauf zu kommen.

Zwischendurch begegnete ich Aoenium. Aoenium wächst ab 500 Metern. Da wusste ich: 300 Meter bin ich schon hinaufgekraxelt.

Die Perspektive blieb immer die gleiche. Ich kletterte die Wand hinauf wie auf einer Leiter. Nie war ich weiter links oder weiter rechts vorm Dorf. Immer war ich genau darüber.

So ging das knapp zwei Stunden lang. Dann war ich oben.

Auf der Steilwand, Blick hinab aufs Dorf und aufs Meer

Es ist schon ziemlich cool, nach so einem Aufstieg oben auf der Wand zu stehen. Ich kann das nur jedem empfehlen. Der Wanderführer sagt, man brauche für dieses Erlebnis „Trittsicherheit und Schwindelfreiheit“. Das kann so formulieren; Höhenangst ist bei dieser Tour nicht hilfreich. Ansonsten kann man es einfach machen.

Kurz nach dem Gipfel der Wand erreichte ich den Mirador de Abrante. Das ist ein Skywalk, eine Aussichtsplattform über dem Abgrund.

Skywalk, der über den Abgrund hinaus ragt

Auf dem ersten Bild dieses Beitrags, dem Bild der Wand, sehen Sie den Skywalk in der linken oberen Bildhälfte klein ins Blau hineinragen.

Man kann einfach hineingehen. Die Plattform ist an ein Restaurant angegliedert. Mittags ist dort noch nicht viel los. Auch der Boden des Skywalks ist aus Glas. Das macht es spannend.

Blick durch das Bodenglas des Skywalk in den Abgrund

Ich fand den Weg die Wand hinauf und auch die Aussicht aus der Wand allerdings spannender. Mag auch an meinem persönlichen Einsatz gelegen haben.

Das Angenehme an Touren dieser Art ist, dass ich keine überflüssigen Kapazitäten für Irgendwas habe. Mein Hirn hat schlichtweg nicht genug Sauerstoff, um sich mit Arbeit, Problemen oder Kummer zu beschäftigen. Es produziert nur Gedanken wie „Uff!“, „Oha!“, „Heidenei!“ oder „Ach Gottchen“, und ist ansonsten auf seine Grundfunktionen reduziert.

Nach dem Mirador de Abrante ging ich weiter. Ziel war das Besucherzentrum des Nationalparks. Auch der weitere Weg führte bergan; bei dieser Tour ging es nur hinauf oder hinab, niemals gerade. Die Landschaft änderte sich zu einem roten Erosionsfeld.

Panoramabild: Rote, zerfurchte Erde mit vereinzelten Büschen, ein Weg führt hinauf

Nach dem Erosionsfeld folgte ein Taleinschnitt mit Terassenfeldern, außerdem etwas Wald.

Terassenfelder, daneben ein roter Weg

Dann war ich am Juego de Bolas, dem Zentrum des Nationalparks.

Dort gab es einen Kiosk, in dem eine Frau Getränke und Gofiokekse verkaufte. Gofio ist ein pflanzliches Nahrungsmittel der Altkanarier, wird aus geröstetem Getreide, meist Gerste, gemahlen und mit Ziegenmilch vermischt. Ich kaufte mir einen Keks und eine Cola, und zusammen mit meiner Butterstulle belebte mich beides.

Danach ging es wieder bergab, zurück ins Dorf Agulo.

Blick auf einen flachen, aber hohen Bergrücken

Wenn man eine Wand hinaufkraxelt, freut man sich ja immer schon darauf, dass es hinterher wieder hinuntergeht. Aber runter ist nicht besser. Denn es geht natürlich genauso steil und genauso viel runter wie rauf – und auch genauso lange. Knie und die Beimmuskulatur gründen während des Abstiegs einen Betriebsrat und denken über Warnstreiks nach.

In Schleifen ging es einen Camino hinunter, zum Glück nicht kraxelig. Über dieses kleine Geschenk war ich glücklich. Irgendwann erreichte ich das Meer und das Dorf.

Camino den Hang hinab, rechts eine Steilwand, links das Meer, geradeaus das Dorf

Ich lief über den Friedhof nach Agulo hinein. Das sieht so aus:

Friedhof: Kolumbarien mit Blumengestecken und Namen, im Hintergrund das Dorf

Auf dem Rückweg von Agulo zum Eremitenhäuschen hielt ich mit dem Auto in Vallehermoso, kaufte ein und genehmigte mir das erste Eis des Urlaubs.

Infos zur Tour: Rother Wanderführer Tour 59 oder Wanderführer „Kanarische Inseln – Botanische Wanderungen“ Tour 16 / 9 Kilometer netto, 12,5 Kilometer mit allem Drum und Dran / 700 Höhenmeter / 4 Stunden reine Gehzeit; 5,5 Stunden insgesamt mit Pausen


Inselprofil | Im Besucherzentrum gab es ein Modell der Insel. Ich habe einen schwarzen Punkt gemalt, wo das Eremitenhäuschen ist, in dem ich wohne.

Profilmodell der Insel

Tag Elf auf La Gomera: Hängemattenoffice

14. 01. 2020  •  1 Kommentar

Holiday Business | Ich trödelte mich heute durch den Tag und machte Hängemattenoffice. Ein bisschen Korrespondenz, ansonsten schreiben.

Laptop in Hängematte, dahinter ein Fuß

Das Laptoparbeiten funktioniert in der Hängematte tatsächlich gut. Es gibt Tagesstunden, an denen ist sie der beste Ort zum Arbeiten. Man sitzt gemütlich, und der Stoff schützt vor Sonneneinstrahlung: Ich kann auf dem Monitor etwas sehen.

M fuhr in die große Stadt und erbot sich, mir mitzubringen, was ich brauchte. Am Nachmittag kam sie mit einem Korb voller leckerer Dinge zurück.

Ein Korb mit Zucchini, Orangen, Brot, einer Packung Milch, Bananen, Streichkäse

Ich koche hier immer dasselbe: Nudeln mit Gemüse, Kartoffeln mit Gemüse oder Reis mit Gemüse, immer mit viel Knoblauch, manchmal mit Zwiebeln. Bis auf einigen Scheiben Jamón oder Chorizo, die ich mir morgens aufs Brot lege, lebe ich hier vegetarisch. Alkohol trinke ich auch keinen. Nach den Feiertagsexzessen im Dezember fehlt er mir auch nicht.


Gelesen | Im Nachtzug von Köln nach Barcelona oder von Warschau nach München? Im Schnellzug von Frankfurt nach Madrid? Europa fehlt es an guten, schnellen Fernverkehrsstrecken auf der Schiene. In den vergangenen Jahren ist das Zugfahren sogar noch umständlicher geworden.

Gelesen | Männer, die eine Tochter bekommen, setzen sich plötzlich für Frauenrechte ein. Das ist erfreulich, aber auch befremdlich, findet Margarete Stokowski.

Es ist beachtlich, wenn Männer für den Erleuchtungsschritt, dass gerechtigkeitsmäßig noch nicht alles in Ordnung ist, erst Töchter bekommen müssen. Wie haben sie diese Kinder bekommen, per Lieferung unter den Stein, unter dem sie vorher ein paar Jahrzehnte gelebt haben? Oder mit einer Partnerin? Haben diese Männer vorher nie mit einer Frau geredet? Oder beziehungsweise, man muss das vielleicht dazusagen: einer Frau mal zugehört? 

Verdächtig viele Helden

Die Krux: Mädchen und Frauen werden mit dieser Haltung erst durch die persönliche Beziehung zu etwas aufgewertet, für das sich ein Mann einsetzen sollte.

Wenn es etwa um Gewalt gegen Frauen oder Mädchen geht, hört man oft den Motivationsspruch an Männer: „Tu was, sie könnte deine Tochter/Schwester/Nichte/… sein“. Oder anders gesagt: Kümmere dich um genau diejenigen weiblichen Personen, zu denen du eine Bindung hast – oder haben könntest -, sie sind durch die Beziehung zu dir aufgewertet und nicht irgendwelche mysteriösen Bitches. Wenn es deine ist, pass auf. Beschütze sie, du Tiger im Körper eines Mannes.

Verdächtig viele Helden

Gelesen | Anastasia Umrik ist 24/7 auf eine Assistenz angewiesen, weil sie eine Behinderung hat. Jetzt geht sie in die Reha, doch für ihre Assistenz ist kein eigenes Zimmer vorgesehen – das ist sowohl für Anastasia als auch für ihre Angestellte belastend. Anastasia sagt:

Wenn ich die Reha absage, werde ich nie wieder eine genehmigt bekommen („Dann geht’s dir wohl nicht schlecht genug!“), aber wenn ich hinfahre, bin ich im Anschluss psychisch müder als vorher – weil ich mich nicht erholen kann, bin ja nie allein.

Twitter-Thread

Tag Zehn auf La Gomera: Wie ich Brot kaufen ging und einen einsamen Strand fand

13. 01. 2020  •  1 Kommentar

Innere Uhr | Heute Morgen erwachte ich mit dem Sonnenaufgang. Das ist eine spannende Sache, die ich aus meinem geschenkten Monat in Italien kenne.

Dort war es nämlich so: In Phase Eins ging ich um 22 Uhr ins Bett, schlief bis morgens 9 Uhr, war aber immer noch müde. In Phase Zwei ging ich um 22 Uhr ins Bett, schlief bis morgens 9 Uhr und war nicht mehr müde. In Phase Drei geschah das Wunderliche: Ich fühlte mich müde, wenn das Licht verschwand und ging zwischen 21 und 21:30 Uhr ins Bett. Ich erwachte mit dem Sonnenaufgang und fühlte mich frisch.

Dasselbe passiert nun auch. Die Bettgehzeit verschiebt sich nach vorne. Die Aufwachzeit pendelt sich auf den Sonnenaufgang ein.

Als ich heute erwachte, lugte die Sonne über den Berg und es war windstill. Das erste Mal seit einer Woche. Das Wetter wurde entsprechend super.


Brot holen | Weil ich so früh wach war, schmiss ich zwei schnelle Maschinen Wäsche an. Danach machte ich mich auf dem Weg ins Tal. Durch den Baranco vor meiner Haustür ging ich hinab nach Alojera. Dort, das habe ich auf der digitalen Landkarte gesehen, gibt es einen Supermarkt. „Der hat bestimmt Brot“, dachte ich mir. Das hatte der Markt in Chipude nämlich vorgestern nicht mehr vorrätig.

Im Baranco war es wunderbar still. Sehr, sehr still.

Palmen, dahinter Berge, ein Mäuerchen

Alojera ist das Zentrum der Palmhoniggewinnung. Im Tal stehen tausend Palmen, heißt es. An jeder zweiten lehnt eine Leiter. Angezapft werden sie zwischen Februar und Juni, sagt mein Reiseführer.

Dorf in grünen Bergen

Als ich der Straße ins Dorf folgte, saß in einer Kurve ein Mann vor einem Haus. Er mag um die 60 gewesen sein, der Bauch rundlich, die Haare licht. Er sah mich und hob sogleich die Arme, als käme eine seit Jahrzehnten verschollene Bekannte die Straße hinunter.

„Hola!“, rief er. „Wo willst du hin? Wo kommst du her?“

Ich sagte ihm, dass ich nach Alojera wolle und dass ich aus Tazo komme.

„Tazo? Wohnst du bei der M?“

Ich bejahte, und er sagte: „Die M, die kenne ich. Alle hier kennen sie. Großartig! Woher bist du? Aus Deutschland? Ich habe Verwandte in Bremen, zwischen Bremen und Hamburg.“

Mein Spanisch war leider spontan zu schlecht, um ein größeres Gespräch zu beginnen. Dabei ist es erst 25 Jahre her, dass ich die Sprache gelernt habe! Hätte es ausgereicht, säße ich jetzt noch dort. So aber zog ich weiter.

Alojera hat einen Strand. Er liegt unterhalb des Dorfes. Man kann ihn von oben aus sehen. Der kleine Hafen diente einst zum Verschiffen von Tomaten. Denn im Tal und im Baranco wird viel Landwirtschaft betrieben.

Blick aus der Höhe auf eine Bucht: einige Häuser, dahinter rollt das Meer an

Ich ging nicht hinab, sondern zum Supermercado, der sich wieder, wer hätte es gedacht, neben der Dorfkneipe befand – diesmal mit eigenem Eingang, aber dennoch betrieben in Personalunion. Die Bar brummte vor Männerstimmen.

Der Supermarkt schließt um 13:30 Uhr und öffnet erst wieder um 17 Uhr. Ich überlegte, was ich neben Brot sonst noch brauchte – und was ich tatsächlich kaufen sollte. Denn ich musste alles fünf Kilometer wieder hinauf nach Tazo schleppen. Ich kaufte schlussendlich drei kleine Baguettebrote, vier Orangen und zwei Paprika.

Auf dem Rückweg saß der Mann immer noch in der Kurve. Wieder riss er die Arme hoch, als er mich sah. „Da bist du ja wieder! Das ging schnell.“

Ich erzählte ihm, dass ich eingekauft habe und nun wieder heim gehe.

„Zu Fuß hast du eingekauft? Aus Tazo? Aber warum? Das ist verrückt.“

Wir wechselten ein paar Worte, dann verabschiedete ich mich. Als ich mich noch einmal umdrehte, winkte er enthusiastisch.

Weiter den Berg hinauf fand ich einen Wegweiser. Er zeigte ins Geröll und war beschriftet mit „Playa del Trigo, 1,1 Kilometer“. So ein Playa, dachte ich mir, das wäre jetzt was.

Gemeinsam mit meinen drei Broten, vier Orangen und zwei Paprika stapfte ich durch die Steine und um das Haus herum.

Dahinter hörte ich bereits das Rollen des Meeres, und ein kleiner Pfad führte hinab zum Strand.

Steinmännchen, dahinter Meer

Ich stieg den Weg hinab. Dort: niemand.

Panoramaaufnahme: der Baranco mündet ins Meer

Ein menschenleerer Strand.

Doch hier sind öfter Leute. Überall Steinmännchen. Eine Feuerstelle. Steine waren zu runden Mäuerchen aufgestapelt.

Steinmännchen, dahinter das Meer

Ich setzte mich auf ein Holzbrett, aß eine Banane und eines der kleinen Baguettes und machte Siesta.

Holzbrett, darauf eine Trinkflasche, dahinter das Meer und Felsen, die ins Wasser abfallen

Das Meer war laut und kraftvoll. Eidechsen liefen über die Steine. In der Höhe kreiste ein Vogel. ging in den Baranco hinein und wieder hinaus, betrachtete das Meer und dachte an nichts.

Danach stieg ich den Pfad wieder hinauf und machte mich auf den Rückweg nach Tazo.

Geröllstraße den Berg hinauf, daneben das Palmental

Der Rückweg führt entweder durch den Baranco oder über die Geröllstraße. Der Weg durch den Baranco ist steil. Der Weg über die Straße ist länger, aber nicht steigt nicht ganz so steil an. Ich wählte diesmal die Straße und wechselte erst kurz vorm Ziel auf den Camino.

Steinweg den Berg hinaus, mit Gestrüpp durchwachsen

Infos zur Freestyle-Tour: Von Tazo nach Alojera, von dort an den Playa del Trigo und zurück nach Tazo / 13,5 Kilometer / ca. 500 Höhenmeter / Gehzeit 3 oder 4 Stunden, so genau kann ich das nicht sagen


Adieu, kleine Motte | Eben flog eine Motte vor meiner Fensterscheibe herum und suchte das Licht. Von unten kam ein Gecko das Glas hoch, fraß sie, hielt inne und guckte mich, die Motte noch im Maul, durch die Scheibe an. Ich bestaunte seine Saugnapffüße.

Tag Neun auf La Gomera: Gemächlichkeitssonntag

12. 01. 2020  •  2 Kommentare

Gemächlichkeit | Nix passiert heute. Nicht weg gewesen. Nichts erlebt. Stattdessen geschrieben, acht Seiten, fünf Abschnitte – und der Geschichte einen Fortgang gegeben. Nach meinem Aufenthalt hier möchte ich meiner Lektorin gerne etwas schicken, das die Bezeichnung „Fortschritt“ verdient.

Vermieterin M hat derweil Kürbis-Möhren-Süßkartoffel-Suppe gekocht. Sie brachte mir eine Schale rüber und ließ mich teilhaben. Lecker.


Heimelichkeit | Hier ist es ab dem Spätnachmittag so frisch, dass ich den Ofen anfeuere. Sehr heimelig.

Hohes Zimmer, darin ein Bett, über dem eine Lampe und ein Moskitonetz hängen, dahinter ein Ofen, dessen Rohr zum Dach hinaus geht.

Gelernt: Alte Obstkisten eignen sich gut als Brandbeschleuniger. Wie Zunder, die Dinger. Danach brennt auch der Rest. Und wenn die Zündhölzer allein nicht helfen: Die Zündholzschachtel tut’s.


DoBombe 2020| In Dortmund wurden heute 14.000 Menschen evakuiert. Eine der größten Evakuierungen in der Nachkriegsgeschichte – darunter auch zwei Krankenhäuser und drei Seniorenheime. Grund: In der Innenstadt mussten Weltkriegsbomben entschärft werden.

Das Ganze ist seit vielen Wochen geplant. Ich habe das Geschehen aus der Ferne verfolgt. Ein Zünder musste gesprengt werden. Alles stand still: der Hauptbahnhof, der Nahverkehr, der Fernverkehr, die Kernstadt.


Gelesen | Abenteuer Buchhandel: Wie ich meinen alten Beruf nochmal anprobierte. Wiebke Ladwig, die sonst Buchhandlungen und Bücherein zu Digitalkram berät, half vor Weihnachten im einer Buchhandlung aus.

Gelesen | Die Vier-Tage-Woche – Ihr erinnert Euch? Frank Glanert hat nochmal nachgelegt und aufgeschrieben: Wie geht man’s denn nun an?

Ich finde es spannend, was in Deutschland für ein Bohei um eine Vier-Tage-Woche gemacht wird. Meine Meinung in Bezug auf Wissensarbeit: Was jemand in vier Tagen nicht erledigt kriegt, kriegt er auch in fünf Tagen nicht geschafft.

Gelesen | Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach über ein Jahr vollelektrisches Fahren mit dem Tesla Model 3 – und mit einem Wohnsitz weit draußen auf dem Land.

Tag Acht auf La Gomera: Wanderung in Wolken

11. 01. 2020  •  5 Kommentare

Von Chipude auf den Garajonay | Heute fuhr ich mit dem Auto den Berg hinauf. Zunächst eierte ich meine Piste hoch. Das ging im Gegensatz zu gestern gut. Dann fuhr ich nach Chipude. Das liegt auf 1.000 Metern Höhe. Es war sackkalt dort oben.

Aber hilft ja nichts. Ich packte diverse Klamotten in den Rucksack und wanderte auf den Garajonay, den höchsten Berg La Gomeras (1487 Meter).

Zuerst ging es Richtung Fortaleza. Das ist ein sattelförmiger Berg direkt beim Dorf Chipude.

Sattelförmiger Felsen, darunter ein kleines Haus

Danach marschierte ich am Hang stetig bergan, bis ich auf den Höhenweg nach Igulaero kam. Zu meinen Füßen war der Baranco de Erque.

Panoramabild: Blick auf die Fortaleza, davor das tief eingeschnittene Tal. Am rechten Rand der Höhenweg.

Igualero ist das höchste Dorf der Insel. Dort war es auch kalt.

Die ganze Gegend hier ist Waldbrandgegend: 2012 sind bei Waldbränden 20 Prozent des Nationalparks abgebrannt. Die Natur erholt sich immer noch. Das Unterholz ist schon wieder dicht. Bei den Bäumen treiben die Kiefern an den verkohlten Stämmen aus. An vielen Stellen stehen aber noch Gerippe.

Je höher ich kam, desto mehr lief ich in Bewölkung hinein. Der Wind blies ordentlich und trieb die Wolken in dicken, nassen Fetzen um den Berg.

Auf dem Gipfel des Garajonay gab es dann nichts zu sehen außer Weiß. Eine Aussicht war nicht im Angebot.

Der Weg nach oben war trotzdem schön. Überall roch es gut, und ich fühlte mich sehr lebendig.

Ich blieb allerdings nicht lange oben. Selbst mit Jacke und Mütze war’s zu schattig auf knapp 1.500 Metern, ich hatte beim Aufstieg auch ordentlich geschwitzt, und ein windgeschütztes Plätzchen für eine Pause gab es nicht.

In etwa eineinhalb Stunden stiefelte ich zurück nach Chipude, durch ehemaligen Kiefernwald, Terrassenfelder und durch das Dorf Los Manantiales.

Infos zur Tour: Rother Wanderführer, Tour 23 / 12,5 Kilometer / 550 Höhenmeter / 4 Stunden reine Gehzeit (passte auch)

Ich wundere mich, dass ich mit der Gehzeit hingekommen bin. Ich fühlte mich wahnsinnig langsam. Was die Kondition angeht, war beim Bergauflaufen deutlich Luft nach oben (Haha, Wortspiel!). Andererseits: Zwischendurch wars auch nicht schlecht steil.


Hinterzimmermarkt | In Chipude gibt es einen kleinen Supermarkt. Mit „klein“ meine ich: wirklich klein. Ein Raum, kleiner als mein Wohnzimmer. Er ist räumlich mit der Kneipe des Ortes verbunden: Man kann ihn nur durch den Schankraum betreten. Die Kneipe selbst ist deutlich größer ist als der Supermercado.

Wenn ich mich jemals über die Sortierung in meinem Rewe echauffiert habe, nehme ich hier und jetzt alles zurück: Es gibt im Hinterzimmermarkt von Chipude zwar eine grobe Sortierung nach Genre (Lebensmittel oder Putzmittel / muss gekühlt werden oder nicht), gleichzeitig scheint es mir auch, dass man die Ware dorthin legt, wo grad was frei ist.

Am Ende gab’s alles, was ich brauchte – und das war gar nicht mal so wenig. Faszinierend.


Gewohnheiten | Daheim: Chillout in der Hängematte. Das wird mir zur lieben Gewohnheit: Am Abend, wenn die Sonne über dem Meer steht, nochmal in die Hängematte und den Tag ausschaukeln.

Füße in einer Hängematte, dahinter das Tal und die tief stehende Sonne mit Wolken

Guayaba | Dank eines Blogkommentars habe ich gelernt, dass die Frucht, die ich gestern geschenkt bekam, eine Guave ist. Die Schale kann man mitessen, habe ich ausprobiert. Auch zwei hintereinander richten keinen Schaden an.


Vollmond | Gestern Nacht war krass Vollmond. Hier im Nirgendwo war es so hell, dass ich die ganzen fünf Kilometer bis zum Meer gucken konnte.

Vollmond am Himmel mit Wolken
22:30 Uhr

Gelesen | Ein Apotheker hat ein paar Infos über Ibuprofen aufgeschrieben.

Entdeckt | DeepL Translator. Alternative zum Google-Übersetzer (via Herr Paul).

Tage Sechs und Sieben auf La Gomera: Palmen-Office und das Tal von Alojera

10. 01. 2020  •  3 Kommentare

Palmen-Office | Gestern Palmen-Office, freiwillig. Bei Sonne, Wind und Schäfchenwolken beantwortete ich Mails, delegierte ein bis zwei Aufgaben weg und arbeitete mich in mein Buchprojekt zurück.

Laptop und Notizbücher auf Holztisch, im Hintergrund Palmen und Himmel mit Schäfchenwolken, Blick ins Tal

No way out | Heute Palmen-Office, unfreiwillig. Am frühen Vormittag hatte es zu regnen begonnen. Ich setzte mich trotzdem ins Auto, um zu schauen, was auf der anderen Bergseite so geht. Ich kam aber ohne Allrad mein Tal nicht hinauf. Die erste Etappe schon, dort ist der Weg steinig, dort griffen die Räder. Auf der zweiten Etappe, dem Erdweg, nicht. Dort oben auf 600 Metern, im Nebel der Wolke, war Matsch, und ich schlingerte so sehr, dass ich keine Chance sah, die Steigung hochzukommen. Ich drehte an der nächsten Einbuchtung und rollte wieder heimwärts.

Ich baute unterm Dach der Terrasse mein Arbeitslager auf und setzte die Arbeit vom Vortrag fort. Es regnete dann auch bis in den Nachmittag hinein.

Blick ins Tal: Regen, tief hängende Wolken, Palmen im Wind.

Vermieterin M meinte: „When it’s raining, you can do things at home.“ So einfach ist das.

Dabei gibt es durchaus noch eine zweite Möglichkeit, aus dem Tal rauskommen: Man kann ganz runter zum Meer holpern und dann über Alojera wieder hochfahren. Ich hielt es allerdings mit M. Man kann sich auch einfach mal den Gegebenheiten hingeben.


Talspaziergang | Mitte des Nachmittags klarte es auf, ich schnürte meine Wanderstiefel, ging einige Kilometer hinunter in Richtung Alojera und bestaunte das Tal.

Panoramaaufnahme des Tals: Berge mit Licht und Schatten und Terrassenfeldern

Es gibt einen Weg, der durch den Barranco führt, also durch die Schlucht. Den entdeckte ich aber erst auf dem Rückweg. Der Weg durch die Schlucht ist natürlich kürzer als entlang des Fahrwegs, der in Schleifen den Hang entlang führt – dafür auch steiler.

Tal mit Terrassenfeldern. Blick in Richtung Meer.

Irgendwann werde ich mal ganz runtergehen – bis nach Alojera. Ich muss schließlich recherchieren, ob es dort Eis gibt. Dafür war es heute aber zu spät. Ich wollte in jedem Fall vermeiden, dass es dunkel wird, während ich noch unterwegs bin. Denn dann ist es im Tal stockfinster, und es wird schwierig, nach Hause zu finden. Straßenbeleuchtung gibt’s ja nicht.


Geschenk | Als ich heimkam, kam auch M von einem Ausflug heim – und brachte mir von einer Freundin Eier und Früchte mit.

Eier und runde, gelbe Früchte in einer Schale

Deshalb gab es am Abend Nudeln mit Gemüse und Ei. Die Früchte habe ich auch probiert – und gegoogelt, was es sein könnte. Ich tippe auf Passionsfrucht. Schmeckt jedenfalls lecker.


Zeitloch | Es ist erstaunlich, wie schnell die Zeit hier rumgeht. Tagsüber, meine ich. Besonders an Tagen im Eremitenhäuschen. Kaum bin ich aufgestanden, habe gefrühstückt und ein bisschen auf den Liegemöglichkeiten rumgelümmelt: zack, 14 Uhr. Das muss irgendwas Physikalisches sein.

Falls Sie hier übrigens große philosophische Ergüsse von mir erwarten, weil Sie denken, es ereilten mich in der Abgeschiedenheit, beim sinnierenden Blick ins Tal ungeahnte Ideen: Nope. Ich denke im Wesentlichen nichts. Auch mal schön.


Politnavi | Bei Herrn Paul habe ich das Politnavi gefunden und die 40 Fragen zur politischen Einstellung beantwortet und was soll ich sagen? Pazifistisch, weltoffen, umweltbewusst, laizistisch und maximal weit von der AFD entfernt.


Angeguckt | Oder mehr angehört wegen schlechten Internets: Unser Kind. Katharina und Ellen sind verheiratet und haben ein Kind miteinander, Ellen hat aber (noch) kein Sorgerecht. Als Katharina stirbt, entwickelt sich zwischen dem biologischen Vater und Samenspender Wolfgang, Katharinas Eltern (den biologischen Großeltern des Kindes) und Ellen ein persönlicher und menschlicher Kampf um das Kind.

Gelesen | Ulli Eicke: Lena Stern – Thanatos. Ein Dortmund-Krimi um eine Ermittlerin, erschienen im Selbstverlag (Vermutung) – jedenfalls enthält das Buch einige Rechtschreibfehler. Alles in allem ein solider Krimi, allerdings mit holzschnittartigen Charakteren. Auch die Stadt Dortmund kommt eher stereotyp weg. Teil Zwei werde ich mir wohl noch geben. Ob ich die ganze Serie vertrage, bezweifle ich.

Gelesen | Frank Glanert hat nochmal nachgelegt und seinen Artikel zur Vier-Tage-Woche ergänzt: Vier Gründe, die dagegen sprechen

Gelesen | Das Designtagebuch analysiert und kommentiert den Relaunch von spiegel.de.

Tag Fünf auf La Gomera: Kältestarre

8. 01. 2020  •  5 Kommentare

Nichts gemacht | Am Vormittag war es kalt. Ich habe nichts gemacht. Ich war in einer Kältestarre.

Am Nachmittag kam ein bisschen die Sonne raus. Ich ging hinaus und wippte mit den Zehen. Dazu aß ich ein Brötchen. Krümel fielen auf den Boden. Ameisen transportierten sie ab. Das war interessant. Drei Ameisen trugen den Krümel. Eine lief drumherum und korrigierte die Richtung.

Danach legte mich in die Hängematte. Weil man auch mal die Perspektive wechseln soll, legte ich mich anders herum als an den ersten vier Tagen – mit den Füßen nach Osten, nicht nach Westen.

Ein Teil der Hängematte, dahinter grüne Berge, davor Palmen. Am Himmel Wolken.

So schaute ich nicht auf die Küste, sondern in die Berge. Brachte aber keine neuen Erkenntnisse.

Dann ging die Sonne unter.

Panoramabild vom Sonnenuntergang mit Wolken, die vom Berg zur Küste ziehen.

Angeguckt | Spiegel Online ist jetzt Der Spiegel, mit neuem Layout und neuem Redaktionssystem im Hintergrund. Erscheint mir auf den ersten Blick gelungen.

Angeguckt | Australian fires: A visual guides to the bushfire crisis. Gute Aufbereitung von der BBC.

Gelesen | „Daten von Schwangeren zählen zu den wertvollsten überhaupt.“ Ein Interview zu Zyklus-Apps und warum sie ein einträgliches Geschäft sind.

Tag Vier auf La Gomera: Alt-Hippietum, die Freizeit Revue und Bilder von der Piste

7. 01. 2020  •  4 Kommentare

Winter | Heute war es bitterkalt. Also, für gomerische Verhältnisse. In der Nacht hat es ausufernd gewindet. Ich bin mehrmals aufgestanden, um zu schauen, ob alles noch an Ort und Stelle ist, um die Hängematte abzunehmen (damit sie nicht nassregnet), um Fenster und Türen zu schließen und wieder zu öffnen. Denn zu ist nicht unbedingt gut, dann zieht’s durch die Ritzen, und alles klappert. Auf ist natürlich auch nicht gut, denn dann windet es durch die ganze, kleine Bude. Wie man’s macht!


Der Weg zur schönen Aussicht | Am späten Vormittag fuhr ich nach Valle Gran Rey. Das liegt im Westen der Insel. Ich wollte etwas einkaufen und tanken. Mich macht es nervös, wenn sich Dinge dem Ende zuneigen. Ich könnte schließlich unverschuldet von der Welt abgeschnitten werden – und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wenn ich nur noch eine halbe Packung von dieser köstlichen Käsecreme und eine kleine Banane im Hause habe. Nicht gut.

Außerdem wollte ich nach meinem gestrigen Wandertag etwas nicht allzu Anstrengendes unternehmen, aber trotzdem raus, also: ganz raus. Gestern bin ich ja nur einen Teil des holprigen Weges hinauf gefahren, habe drei Kilometer oberhalb meiner Unterkunft geparkt und bin von dort aus weitergelaufen. Heute fuhr ich den holprigen Weg bis zur Straße zurück – und, wie gesagt, weiter nach Valle Gran Rey.

Damit Sie einen Eindruck haben, wie die Fahrt zu meinem Eremitenhäuschen aussieht, habe ich auf dem Heimweg Bilder für Sie gemacht. Abgeschiedenheit und schöne Aussicht gibt’s hier nicht für umme: Man muss Einsatz zeigen.

Die sechs Kilometer lange Fahrt über die Piste dauert etwa 25 Minuten. Zwischendurch kommt auch eine Strecke, die zum Teil ashpaltiert ist. Da geht’s für einen Moment schneller voran. Alles in allem braucht’s aber Beherztheit, Schwindelfreiheit und in bisschen Gefühl im Gasfuß, besonders bergauf in den steilen, erdigen Kurven.


Im Tal des Großen Königs | Auf dem Weg zum Valle Gran Rey hielt ich am Mirador und schaute hinunter ins Tal.

Blick ins lang gezogene, terrassierte Tal

Im Tal parkte ich an der nächsten Straßenecke und marschierte zu Fuß weiter, ging die Küste entlang, stromerte durch die Gassen und trank einen Kaffee. Dazu gab’s eine Waffel, die ich nicht fotografieren konnte, die Gründe erzähle ich gleich.

Die Waffel war mit Mangosorbet und Sesampaste dekoriert. Beides war köstlich. Die Waffel selbst war allerdings aufgetaut und bekommt deshalb nur lieb gemeinte fünf von zehn Punkten, wenngleich Farbe und Geschmack grundsätzlich stimmten.

Dass ich kein Foto von der Waffel habe, liegt an meinem Sitznachbarn. Der Herr gesellte sich zu mir und einer mir unbekannten Dame an den Tisch. Die Dame war etwa in meinem Alter, sie las ein Buch, ich fragte, ob ich mich dazusetzen dürfe, sie nickte, und fortan ignorierten wir uns höflich.

Dann kam der Herr, ein Mann im frühen Renten-, vielleicht auch späten Erwerbsalter. Er fragte ebenfalls, ob er sitzen dürfe, wir nickten, und fortan begann er der lesenden Dame zu dozieren.

Warum er mir nicht dozierte, kann ich nicht sagen. Die Lesende erfuhr, dass er seit zwei Wochen auf der Insel wohnt, wie hoch die Wellen üblicherweise sind, was er zum Frühstück isst (Joghurt-Smoothie) und warum (Verdauung), dass es heute besonders kalt ist (ach was), dass das im Januar aber vorkommen kann (sapperlot) und warum (Wetter), dass Wellen mit Wind höher sind als ohne (na sowas) und allerlei anderes Insider-Wissen.

Um seine Aufmerksamkeit nicht auf mich zu ziehen, sah ich davon ab, mein Essen zu fotografieren. Einen Vortrag über Handysucht und den Fluch sozialer Medien wollte ich unbedingt vermeiden.


Too many Germans | Nach der Waffel kaufte ich ein, tankte und fuhr heim. Wieder in Tazo, traf ich auf meine Vermieterin M.

„How was Valle Gran Rey?“
„Nice Landscape but too many Germans.“
„Right.“

Denn allerorten schwäbelte es heute, hier Yoga, dort Schwangerschaftsmassage, Meditation, Trommelerfahrungen, irgendwas für die Chakren und sogar ein Reformhaus gibt’s im Valle, eine deutsche Metzgerei, eine deutsche Bäckerei (Vollkorn, auch glutenfrei) und überall Menschen in Strickstulpen und weiten Baumwollhosen, die sehr achtsam Dinge tun.

In dem Zusammenhang gelernt: Alt-Hippietum und die Freizeit Revue schließen sich nicht aus.

Zeitschriftenständer mit deutscher Yellow Press

Gehört | Der Moskau-Nizza-Express. Eine Reportage des Deutschlandfunks über einen russischen Nachtzug, der 3300 Kilometer durch sieben Lämder fährt, 49 Stunden lang, jeden Donnerstag: von Moskau nach Nizza.

Gehört | „Was ist Deine Wahrheit?“ Kriminalbiologe Mark Benecke zu Gast im Hotel Matze.

Gelesen | Ingenieur Frank Glanert hat seine Arbeitszeit reduziert. Er arbeitet nur noch vier Tage pro Woche. Warum er das tat und wie es ihm damit geht, erzählt er.



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