Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Archiv der Kategorie »Lebenslage«

Viele Farben: Blau

5. 12. 2013  •  56 Kommentare

Ich trage fast nur Blau.

Das liegt daran, dass ich zwar versuche, Kleidung in einer anderen Farbe zu kaufen, aber regelmäßig scheitere.

Ich gehe zum Beispiel in ein Geschäft, mit dem festen Vorsatz, einen neuen Pullover zu kaufen, der alles sein darf – nur nicht blau. Bevor ich weiterspreche, müssen Sie wissen, dass ich bei Kleidung nicht so die supergeduldige Einkäuferin bin. Ich bin nämlich keine ausdauernde Anprobiererin: gucken, Kabine – passt oder passt nicht. Wenn’s passt: kaufen. Wenn’s nicht passt: keinen Bock mehr, nach Hause.

Ich möchte also einen Pullover kaufen, der nicht blau ist. Ich betrete das Geschäft und sehe gleich drei Pullover, die nicht blau sind. Zwei hänge ich mir übern Arm, beim dritten sehe ich: Oh, den gibt’s auch in blau! Schadet ja nicht, ihn zum Vergleich mitzunehmen.

Ich ziehe Pullover 1 an: Jo. Ganz gut.

Ich ziehe Pullover 2 an: Huch. Nee.

Ich ziehe Pullover 3 an, in nicht-blau: Och, ganz hübsch.

Nun in blau: Wow! Super!

Gelb zum Beispiel steht mir gar nicht. In Gelb sehe ich aus wie ein adipöser Kanarienvogel. Grün geht auch nicht, ich bin schließlich kein Tannenbaum. Grau ist wie gelb, nur dass der Vogel tot ist. Braun ist okay, aber schon auch etwas trist. Rosa geht nur bei Blüschen, in rosa Wolle sehe ich aus wie ein Mastschwein. Das Gleiche gilt für Türkis (totes Mastschwein). Lila ging Anfang der 90er mal, als ich Joy-Gläser sammelte, aber seither nicht mehr. Ich habe einen roten Pullovern, den ich mal in einem Anfall von Übermut kaufte. Ich hatte ihn auch mehrmals an, morgens nach dem Duschen, aber immer stand ich vor dem Spiegel und dachte mir: „Joooaaa, ganz gut, aber nicht heute.“ Denn für die Arbeit ist rot grundsätzlich zu gewagt, und am Wochenende  passt Blau sowieso viel besser.

Am Ende kaufe ich also den Pullover in Blau, denn er kostet immerhin eine Stange Geld, und wenn ich schon eine Stange Geld ausgebe, sollte der Pullover auch eine Farbe haben, die mir nicht nur ein bisschen gefällt, sondern richtig gut.

Können Sie nachvollziehen, was ich meine?

Ganzheitlicher Muskelaufbau dank Strukturputz

28. 10. 2013  •  23 Kommentare

Mein Renovier-Bootcamp ist in vielerlei Hinsicht lehrreich:

Nicht nur kann ich nach Ende der Arbeiten eine Handwerkerfirma eröffnen („Malern, spachteln, bohren: Frau Nessy – Handwerkerarbeiten aller Art“), sondern ich habe auch neue, innovative Ansätze für das Training der Handballhühner gefunden.

Folgendes, am Wochenende von mir entdeckte Workout trägt den Namen: „Ganzheitlicher Muskelaufbau dank Strukturputz“. Es eignet sich für alle Altersgruppen. Notwendig sind lediglich eine gewisse Grundkondition und ein Mindestmaß an Beweglichkeit. Die Übungen trainieren den gesamten Körper vom Rumpf bis in die Zehen. Sie beugen Rückenproblemen vor, kräftigen die Schultermuskulatur und machen straffe Beine. Überdies sorgen sie durch ihren meditativen Charakter für seelische Ausgeglichenheit.

Die Übungen sind im Einzelnen:

Lässiges Armschwingen
Stellen Sie sich einen Eimer Tiefgrund bereit, nehmen Sie einen Quast und beugen Sie sich locker hinab. Tauchen Sie den Quast in den Tiefgrund und streichen Sie nun in lässigen Armschwüngen die Wand entlang. Wird der Quast trocken, benetzen Sie ihn erneut, bis die ganze Wandfläche mit Tiefgrund bestrichen ist. Mindestens 300 Wiederholungen (Latissimus, Deltamuskel, Trapezmuskel, Trizeps).

Lassen Sie den Tiefgrund danach vier Stunden trocknen. Nutzen Sie die Zeit zur aktiven Erholung: Ziehen Sie ein paar Acrylnähte (siehe unten) oder fahren Sie in den Sportfachhandel Baumarkt.

Beidseitiges Armheben
Der Tiefgrund ist trocken? Dann öffnen Sie einen Eimer Haftgrund und quirlen Sie gut durch. Wählen Sie eine plüschige Malerrolle und rollen Sie die Wände mit beidseitigem Armheben großzügig mit Grundierung ein. Achten Sie darauf, ausreichend Druck auf die Rolle auszüben – nur so erzielen Sie physisch und handwerklich ein optimales Ergebnis. Mindestens 500 Wiederholungen. Ist der Haftputz angetrocknet, tragen Sie eine zweite Lage auf. Wieder mindestens 500 Wiederholungen (Latissimus, Deltamuskel, Trapezmuskel, Trizeps).

Die tiefe Kniebeuge
Sie werden nicht umhin kommen, sowohl das lässige Armschwingen als auch das beidseitige Armheben mit Kniebeugen zu verbinden. Führen Sie die Bewegung jedesmal sauber aus, gehen Sie tief hinunter und halten Sie kurz die Anspannung. Um Abwechslung in die Übung zu bringen, steigen Sie zwischendurch auch einmal auf eine Leiter: Die Step Aerobic stärkt in Kombination mit den Kniebeugen Ihre Beweglichkeit und sorgt für eine Belastung auch der unteren Extremitäten. Mindestens 100 Wiederholungen binnen 24 Stunden (Bizeps, Quadrizeps, Gluteus maximus, Adduktoren, Abduktoren und Wadenmuskulatur).

Lassen Sie den Haftgrund danach zwölf Stunden trocknen. Nutzen Sie die Zeit zur Lockerung. Führen Sie leichte Dehnübungen aus. Nehmen Sie bei Bedarf einen Eiweißshake zu sich.

Überkopf-Challenge
Während der Haftgrund trocknet, können Fortgeschrittene eine gezielte Übung für die Schultermuskulatur durchführen: das Über-Kopf-Arbeiten. Nehmen Sie sich dazu eine neue Farbrolle und einen Eimer Polarweiß, tauchen Sie die Rolle tief in die Farbe und streichen Sie die Decke. Achten Sie auch hier auf einen ausreichenden Druck auf die Farbrolle. Mindestens 50 Quadratmeter (Latissimus, Deltamuskel).

Ist die Grundierung trocken, wiederholen Sie am nächsten Tag das beidseitige Armheben – diesmal mit Strukturputz. Tragen Sie ihn gleichmäßig auf die grundierte Wand auf. Die Wiederholung der Übung direkt am Folgetag erhöht ihre Intensität und trainiert überdies die mentale Stärke des Athleten (Latissimus, Deltamuskel, Trapezmuskel, Trizeps).

Acryl-Entspannung
Wann immer Sie eine offene Naht sehen, greifen Sie zum Acryl. Acrylnähte ziehen entspannt und fördert die Feinmotorik.

Eine komplette Trainingseinheit „Strukturputz“ dauert zwei Tage. Geübte können vorher zusätzlich die Wände abschleifen und danach zweimal drüberstreichen. Das verlängert das Workout um zwei weitere, wunderbare Tage.

Viel Spaß!

20 Dinge

16. 10. 2013  •  41 Kommentare

20 Dinge über mich:

  1. Viel interessanter, als dass ich 20 Dinge zu mir aufzähle, wäre es, wenn jeweils 20 Leute einen Punkt nennen würden, der ihnen zu mir einfällt. Sich selbst einzuschätzen, ist wenig zielführend, schließlich denke ich stets nur das Beste von mir, sonst könnte ich es ja gar nicht mit mir aushalten.
  2. Ich bin ein langweiliger Mensch. Ich verbringe Samstagabende gerne auf dem Sofa. Ich war seit Jahr und Tag nicht mehr in der Disko, Menschenansammlungen sind schwierig und wehe, es ist zu laut. Am liebsten sitze ich mit Freunden zusammen um einen Tisch, es gibt gutes Essen, hübsche Getränke und wir unterhalten uns bis nachts um drei.
  3. Wenn ich bis nachts um drei wach bin, kann ich locker bis mittags um 12 schlafen. Wohlmeinende Dritte haben mir früher™ immer prophezeit, meine Freude am Schlafen werde sich mit zunehmendem Alter geben. Ich kann das bislang nicht feststellen, im Gegenteil: Es wird immer gemütlicher.
  4. Inzwischen kann ich sogar im Mittelsitz von Air Berlin schlafen, obwohl der Sitzabstand, die Körperhaltung und überhaupt alles dagegen spricht. Verkehrsmittel wirken ohnehin  einschläfernd auf mich. Ich bin außerdem schon im Büro auf dem Klo eingeschlafen. Ich hatte fürchterliche Kopfschmerzen und habe gedacht: „Entweder pennst du jetzt ’ne Viertelstunde oder du musst nach Hause gehen.“ Ich habe mich dann im Klo eingeschlossen, mich auf den Deckel gesetzt und 15 Minuten gepennt, bis hereinspazierende Stöckelschuhe mich aufweckten. Auf dem Männerklo hätte ich wahrscheinlich bis abends geschlafen. Danach war ich wieder frisch und konnte weiterschaffen.
  5. Ich bin einerseits ein sehr planvoller, andererseits ein ungeplanter Mensch. Planvoll, wenn es um wichtige Projekte geht – im Beruf oder bei meiner neuen Küche. Ungeplant, wenn es um Urlaub und Freizeit geht. Irgendwohin fahren und schon drei Monate vorher wissen, was ich dort wann genau mache? Schrecklich. Ich muss das auch drei Tage vorher nicht wissen.
  6. Ich bin nicht nachtragend. Ich finde es im Gegenteil viel zu anstrengend, nachtragend zu sein. Immer diese Überlegungen, wem ich jetzt noch böse sein müsste und wer mir noch was schuldet! Dann doch lieber ein beherztes: „Ach, Schwamm drüber!“
  7. Damit hängt zusammen, dass ich mir über ziemlich viele Dinge ziemlich wenig Gedanken mache – dazu habe ich mich mal entschlossen und seither lasse ich das. Ich denke zum Beispiel  nicht darüber nach, warum mich Y nicht zu ihrem Geburtstag eingeladen hat, obwohl X dort hingeht – ob sie mich wohl nicht leiden kann? Mach ich nicht. Ich lese auch nicht zwischen den Zeilen, weshalb mir Doppeldeutigkeiten öfter mal entgehen. Es gibt fürchterlich viele – ja, so ist es – Frauen, die mit mir ausdiskutieren wollen, was Y jetzt damit gemeint hat, wenn er X gesagt hat, ob er vielleicht doch Z meint. Ich antworte dann immer: Keine Ahnung. Frag ihn.
  8. Ich mag Programmierer und Juristen, weil sie von Berufs wegen sachlich und logisch sind.
  9. Meine Lieblingsmaler sind Edward Hopper und Anton Werner.
  10. Ich kann gut schwimmen. Ich habe auch keine Angst vor tiefem Wasser, schwimme im Meer weit raus und kann in keinen Pool gehen, ohne mit dem Kopf unterzutauchen und unter Wasser herumzueumeln. Unter Wasser kann ich nämlich schweben, und es ist wunderbar ruhig.
  11. Ich sehe keinen Sinn darin, zu mehreren Frauen zum Klo zu gehen. Ich möchte das auch nicht.
  12. Ich finde Rauchen ekelerregend.
  13. Ich hatte jahrelang, von Jugend an bis zur Damenmannschaft, die Trikotnummer 13 – bis ich wegen meines Studiums den Verein wechselte und beim bereits vorhandenen Trikotsatz die Nummer 13 ein Trikot in Größe S war. Seither habe ich verschiedene Nummern, werde aber nie wieder die Nummer 10 tragen. Denn als ich einmal die Nummer 10 trug, habe ich mir einen Innenbandriss im Knie geholt.
  14. Ich mag das Meer. Einmal im Jahr muss ich ans Meer. Ich kann gar nicht sagen, was so toll daran ist, aber es ist immer wieder ein erhabener und befreiender Moment, wenn ich das erste Mal am Strand stehe, das Wasser rieche und die Wellen höre.
  15. Genauso mag ich die Berge. Ich wandere unheimlich gern, weil dabei so wenig passiert, weil ich mich vollkommen auf die körperliche Anstrengung konzentriere. Deshalb wandere ich gerne Touren, bei denen ich hoch hinaufsteige, 1000 Höhenmeter können das schonmal sein. Wenn ich dann auf dem Gipfel stehe, runterschaue und sehe, wie großartig die Welt ist, macht mich das glücklich. Pause mache ich allerdings nicht ganz oben, sondern am liebsten, wenn ich schon wieder ein Stück runtergegangen bin.
  16. Ich habe meine Dissertation im Fach Journalistik geschrieben und dabei eine Lokalredaktion durch Veränderungsprozesse begleitet.
  17. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Wenn er kommt, dann kommt er.
  18. Ich liebe es zu lesen. Kein anderes Medium schafft es, mir so nah zu sein, nicht Musik, nicht Film. Vielleicht, weil man als Leser ein Buch auch immer neu schreibt. Ich lese Bücher deshalb nicht nur im Bett und in der Bahn, sondern bisweilen auch im Gehen.
  19. Ich bin einerseits ungeduldig, andererseits ein ausgeglichener Mensch. Ungeduldig bin ich beim Möbelzusammenbauen und überhaupt allen Sachen, die Geschick erfordern und die ich nicht auf Anhieb hinkriege. Ich beneide niemanden, der mit mir Schränke zusammenbaut; ich werde dann voreilig und unleidlich. Außerdem lese ich niemals Anleitungen. Andererseits bin ich recht ausgeglichen, wenn es um Dinge geht, die ich nicht ändern kann, zum Beispiel Zugverspätungen oder Ähnliches. Aus diesem Grund halte ich mich für eine gute Reisegefährtin, denn ich nehme die Dinge, wie sie kommen und mache dann das Beste aus ihnen (vgl. Punkt 5).
  20. Rosen sind völlig überschätzte Blumen. Tulpen und Gänseblümchen sind viel toller.

Auf Bitte von Herrn Opa.

Dienstags auf dem Marktplatz

1. 10. 2013  •  31 Kommentare

Heute, auf einem Marktplatz im Sauerland, habe ich meinen Lebensplan geändert.

Marktplatz mit KirchturmEin Ausflug trug mich ins Sauerland, in die Heimat, auf den Marktplatz, an einem Dienstag. An einem Dienstag stellen die Menschen hier nicht nur ihre Mülltonnen an die Straße, an einem Dienstag ist hier auch Wochenmarkt, direkt unter dem Kirchturm. Zehn, zwölf Wagen parken dann dort, mit Fisch, Käse und Gemüse, mit Pflanzenzwiebeln und Reibeplätzchen.

Unter dem Kirchturm befindet sich ein Café, ein Eiscafé mit Draußensitz. Gegen 11 Uhr kommt die Sonne herum, scheint durch die nahe Gasse auf die Tische und Stühle. Die Kundschaft sitzt dann nicht nur mit besten Blick auf den Marktplatz, sie sitzt an einem Tag wie diesem, einem wunderbaren Alterweibersommertag, auch hell und warm.

Ich gehe nur fünf Schritte über den Markt, schon ruft es mir aus dem Eiscafé zu. So ist das hier an einem Dienstag, da sind alle auf dem Markt, da trifft man jeden, der sich irgendwie erübrigen kann: Rentner, Spätschichtler, Mütter in Elternzeit, hungrige Angestellte auf dem Weg zum Reibeplätzchenwagen. Wer hier geboren ist, trifft hier dienstags nicht nur jemanden, er trifft meist sogar alle.

Er sitzt an einem der Tische in der Sonne, und ich setze mich zu ihm. Er ist nun Rentner, ein Freund der Familie. Wir plauschen ein wenig. Kaum habe ich meine Latte M bestellt, schlendert der Nächste vorbei, auch Rentner, auch bekannt, der Erste ruft, der Zweite tritt zu uns an den Tisch:

„Wo kommste weg?“ Der Erste.
„Vom Arzt. Wegen meinen Venen.“ Der Zweite.
„Die beste Krankheit taugt nix.“
„Wem sagste das.“
„Setz dich.“
„Aber nur fünf Minuten.“

Er rückt sich einen Stuhl in die Sonne und setzt sich zu uns. Sogleich kommt meine Latte von rechts – und mit ihr der dritte Rentner von links.

„Moin Jupp! Setz dich bei!“
„Keine Zeit!“
„Erzähl keinen Quatsch!“
„Na gut, überredet!“

Nun sind wir schon zu Viert. Bald stoßen Rentner Vier und Fünf hinzu, kurz danach auch Sechs und Sieben, binnen 30 Minuten sitzen wir zu Neunt am Tisch. Nur Nummer Zehn lehnt den Kaffee ab:

„Hab’n nervösen Magen! Vertrage nur Getränke mit Schaum.“ Er meint nicht den Milchschaum und strebt in Richtung Fischbude davon.

Die Runde ist nun gesellig. Es geht um Krankheiten und Urlaube. Der Eine muss in die Röhre, der Andere war an der See, auf Tour mit dem Elektrofahrrad. Der Dritte fuhr am Wochenende mit dem Kegelclub nach Willingen – für Weib, Bier und Tanz.

„Da sagte der Türsteher zu mir, sein Etablismeng, das wär nix für mich, aber da vorne, da gäb’s auch was für die gehobene Kundschaft.“
„Gehoben im Stil?“
„Nee, gehoben im Alter.“

So sitzen sie da, trinken Cappuccino mit Sahne und noch einen Capuccino mit Sahne, so geht die Zeit dahin. Die Sonne wärmt uns den Rücken, ich blicke über den Marktplatz, grüße hier, grüße da, lausche dem Plausch und verwerfe meinen Plan, später einmal Fensterrentner zu werden. Nein, ich werde nicht Fensterrentner. Ich werde Eisdielenrentner.

Auf Knien

9. 09. 2013  •  19 Kommentare

Ich habe das Wochenende auf Knien verbracht.

Nicht, um Buße zu tun. Sondern um  Teppichkleber abzuschaben. Denn in dem Teppich, der sich in meinem neuen Wohnzimmer befand, hat Heinz Sielmann schon drei Dokumentationen über Gliederfüßer gedreht. Ein spontan einbestellter Paläontologe konnte Arten vergangener Erdzeitalter sicherstellen.

Teppichkleber schaben: eine herausragende Tätigkeit für alle, die ihren Gleichmut, ihre Ausdauer und ihre Frustrationstoleranz ausbilden möchten. Neue Business-Idee deshalb: Ich werde meine Wohnung an straffällige Pubertanden und ihre Bewährungshelfer vermitteln – zur erzieherischen Intervention durch Kräftigung der mentalen Leidensfähigkeit. Eine Win-Win-Situation für mich und die kleinen Racker. Und für den Steuerzahler! Denn so werden teure Resozialisierungsreisen in mediterrane Landstriche überflüssig. Und auch die strengsten Eltern der Welt haben wieder ihre Ruhe.

Die Verputz-Fee

2. 09. 2013  •  36 Kommentare

Was das Renovieren angeht, kenne ich es so: Frauen reißen Tapete ab, Männer mauern, tapezieren, verputzen, streichen, legen Leitungen, Laminat und Parkett, bohren und schrauben. Die Frauen schmieren währenddessen Schnittchen. Am Ende machen sie den Dreck weg.

Mein Vater hat mich immer dazu erzogen, selbstständig zu sein. Das fing an, indem er mich ermutigte, hoch zu schaukeln, tief zu tauchen, über Baumstämme zu balancieren und überhaupt alles zu tun, wovor ich Angst hatte.

Kaum hatte ich den Führerschein, zeigte er mir am rechten Hinterrad unseres Autos, wie man einen Reifen wechselt. An den drei übrigen Reifen des Autos musste ich ihm anschließend vorführen, ob ich es verstanden hatte. Das war eine gute Idee, denn ich habe seither schon fünfmal einen kaputten Reifen wechseln müssen, meist irgendwo in der Pampa.

Er hat mir außerdem gezeigt, wie man einen Lkw lenkt. Deshalb bekam ich einen Sommer später einen Ferienjob im Messebau, bei dem ich mit einem 7,5-Tonner durch die Gegend fuhr. Seither kann ich Messestände aufbauen, mit Hubwagen und Ameisen herumfahren, ladungssicher beladen und alle Fahrzeuggrößen einparken.

Mein Vater hat mir nie etwas abgenommen, sondern mir stattdessen gezeigt, wie es geht. Ich komme daher gut im Alltag zurecht. Ich kann anstreichen, tapezieren, Lampen, Steckdosen und Klodeckel anbringen – und vor allem: Wenn ich etwas nicht kann, lerne ich es einfach. Ich denke mir nämlich: Die ganzen Typen um mich herum, die haben in der Regel ja auch keine dreijährige Lehre gemacht, bevor sie irgendein Werkzeug in die Hand nehmen. Die machen das einfach. Also mache ich es auch. Papa sei Dank. (Im Zweifel gibt’s bei Youtube ein Video dazu.)

Putz im Eimer

Kein Muffinteig, aber so ähnlich.

Am Wochenende habe ich deshalb das erste Mal in meinem Leben verputzt. Das ist nicht so schwierig, wie es sich zunächst anhört. Genaugenommen ist es überhaupt nicht schwierig. Nach einer halben Stunde, noch bevor der erste Putz im Eimer wieder trocken wurde, hatte ich einigermaßen raus, wie es geht.

Verputzte Kante

Argh! Zwei Putznasen!

Nach einem Tag war die ganze Sache dann leider auch schon wieder vorbei und das Zimmer war fertig. Schade.

P.S.: Auf das anschließende Abschleifen kann ich dann aber auch gerne verzichten.
P.P.S.: Ein Wochenende Hochleistungshandwerkern ist wie zwei Tage Bootcamp.

Ein Paket! Ein Paket!

19. 08. 2013  •  7 Kommentare

Es klingelt. Ein DHL-Mann kommtdie Treppe herauf. „Post!“, ruft er. „Wieso Post?“, denke ich. Schon seit einigen Wochen habe ich nichts mehr bestellt, und Unsaomma ist schon lange aus dem Alter heraus, in dem sie noch Pakete schickt.

Ich packe aus und entdecke das:

Ein Paket von Familie Gminggmangg

In dem Karton: ein Gruß aus dem Garten (damit ich mich schonmal an die eigene Ernte gewöhnen kann), eine zauberhafte, bislang nicht abgeschickte, königliche Urlaubspostkarte und Bärner Schoggi:

Ein Paket von Familie Gminggmangg

Ich bin ganz gerührt angesichts dieser tollen Überraschung! Herzlichen Dank an Familie Gminggmangg!

Innerlich zerrissen

13. 07. 2013  •  26 Kommentare

In der S4 zwischen Unna und Lütgendortmund. Zwei Typen:

„… weißtu, wenn ich sie verlasse, dann ist sie frei, dann kann sie auch mit anderen Männern schlafen, weißtu, und das will ich nicht. Aber ich will auch nicht mit ihr zusammen sein, also, nicht immer, weil, sie geht voll ab, wenn ich saufe. Nicht sexuell gesehen meine ich, sondern so mit Wut. Sie wird voll sauer. Aber wenn ich sie verlasse, bin ich nicht mehr mit ihr zusammen.“

Er lässt seine Worte ein wenig im Raum stehen, damit sein Gegenüber diese bestechende Logik sacken lassen kann. Der Kumpel rollt eine halbvolle Bierflasche zwischen seinen Handinnenflächen und sagt schließlich: „Das ist voll der  Konflikt.“

„Ja! Ich sag dir, so in mir drin. Ich mein, ich wohn ja auch fast bei ihr. Jedenfalls, ich mein, ich hab zwar noch meine eigene Bude, weißtu, aber so – … Ich hab auch schon überlegt, mit ihr zusammenzuziehen.“

„Was zahlste denn warm?“

„Vierhundert. Ich mein, weißtu, sie zahlt auch vierhundert, und wenn wir dann zusammenziehen, dann sind es nur vierhundert für beide. Das ist mehr als die Hälfte gespart.“

Sein Kumpel kippt sich den Rest aus der Bierflasche in den Hals, leckt sich die Lippen und geht im Kopf nochmal die Rechnung durch. „Da sparste sogar mehr. Sie kocht ja bestimmt auch für dich.“

„Jedenfalls, weißtu, ich mein, ich würde gerne mit ihr zusammenziehen, aber eher wie WG. Dass ich mit ihr zusammen bin, aber sie mir nichts sagen kann, weißtu.“

„Hast du ihr das schonmal vorgeschlagen?“

„Wenn ich das sage, macht sie Schluss.“

„Aber das ist doch gar nicht schlecht, Alta. Dann macht sie Schluss, du bist nicht Schuld und kannst sagen, dass ihr das ja jetzt machen könnt mit WG, weil: Ihr seid ja eh nicht mehr zusammen. Wenn sie vierhundert spart, das ist doch voll das krasse Argument. Dann sagst du noch, dass du ja nicht Schluss machen wolltest, aber dass du auch nicht willst, dass es ihr schlecht geht.“

„Du bist voll der krasse Wichser, Alta. Voll der krasse Pläneschmied.“

Primiz

3. 07. 2013  •  22 Kommentare

Vor Wochen erreichte mich eine Einladung.

Zur Heimatprimiz solle ich kommen. Ein ehemaliger Mitschüler schrieb mir, er werde zum Priester geweiht, und er freue sich, wenn ich bei seiner ersten Messe dabei sei. Ich fiel fast vom Stuhl – und freute mich wie ein Keks. Ich sagte zu.

Heimatprimiz

Jetzt ist so eine Primiz nicht gerade ein alltäglicher Anlass. Und die Tatsache, dass wir zwar losen Kontakt gehalten, uns aber nunmehr sechzehn Jahre lang nicht gesehen hatte, warf bei mir nicht nur die Frage auf, was man zu solch einem Ereignis anzieht (züchtig!), sondern auch, was ich schenken sollte. Ich schrieb einem Freund. Der Freund war eine zeitlang Mönch, ehe er seine Nächstenliebe zu sehr einer Frau zuteil werden ließ.

„Ich brauche deinen katholischen Rat“, schrieb ich, was den ehemaligen Mönch ganz aus dem Häuschen brachte, dachte er doch zunächst, er habe mich nun endlich bekehrt. Von den gängigen, im Fachhandel erhältlichen Devotionalien (Rauchgefäß „Jerusalem“, Mousepad „Kinder Gottes“) riet er ab, sagte aber, ich solle mir unbedingt den Primizsegen spenden lasse, er bringe besonderes Glück.

Am Tag der Primiz war ich zeitig in der Kirche und suchte mir eine hübsche Bank aus. Ich traf Schulfreunde, dann öffnete sich die hintere Kirchentür, die Orgel spielte, und ein Tross kam herein, getragen und feierlich, Männer in langen Gewändern, Priester, Diakone, Messdiener,  ein Fahnenträger. Ich zählte mit: Mehr als 35 Menschen waren es, die den Primizianten begleiteten, der, mit vor Aufregung geröteten Wangen, an mir vorüberschritt.

Als er dann vorne stand, als er uns mit zittriger Stimme begrüßte, als sie ihm sein Priestergewand überstreiften, ein Gewand, das sie in der Heimatgemeinde für ihn genäht hatten, als Chorgesang einsetzte und das Kirchenschiff mit einem Lied erfüllte, als der Schulfreund tief einatmete, als er lächelte, als er sich von Herzen bedankte, atmete auch ich tief durch – und spürte tiefe Dankbarkeit, dabeisein zu dürfen.

Am Abend saßen wir im Garten der Familie, auf einer Terrasse inmitten von Blumen, an genau jenem Ort, an dem wir uns sechszehn Jahre zuvor das letzte Mal getroffen hatten, zu einer ausschweifenden Party. Damals war das Wetter fantastisch, ein warmer Sommerabend, alle tanzten wie die Irren, es wurde dunkel, ich verliebte mich Hals über Kopf, die Nachbarn beschwerten sich über den Lärm, wir tanzten weiter, tranken Bowle, bestimmt habe ich auch geknutscht, ich weiß es nicht mehr, einer der Jungs improvisierte Rocksongs auf dem Klavier, am Morgen trug ich, müde und fröstelnd, den Pullover meines Lieblings und nahm ihn mit nach Hause. Den Pullover nur, leider.

Auf der Terrasse dieses rauschenden Festes sitze ich nun, während der Primiziant im Wohnzimmer Glückwünsche entgegennimmt, spüre noch die Hände seines Primizsegens auf meinem Haar, ein Segen, der, auch wenn ich nicht gläubig bin, mir dennoch eine Ehre ist, nicht um des Segens willen, sondern um des Segnenden. Als der erste Andrang sich gelegt hat, gratuliere auch ich ihm und, es geht nicht anders, drücke ihn, vor Freude für ihn und vor Freude, ihn wiederzusehen, fest an mein Herz.

(Geschenk, übrigens: „Das große Los“ von Meike Winnemuth.)

Ein Rant über die Servicewüste

25. 06. 2013  •  65 Kommentare

Vielleicht ist es nur eine unschöne Häufung.

Zufall, dass das alles innerhalb einer Woche passiert. Jedenfalls: Was ich zurzeit mit Dienstleistern und im Einzelhandel erlebe, nervt gewaltig.

Der Schuster

Beginnen wir beim Schuster. Ich bringe Schuhe hin. Die Sohle ist abgelaufen.

Schuster: „Und was meinen Sie, soll ich damit machen?“
„Einen neuen Absatz.“
„Die Schuhe sind ja ganz nass.“
„Es regnet. Es sind ein paar Tropfen in den Beutel gefallen.“
„Das sagen Sie! Die haben Sie bestimmt grad noch getragen!“
„Äh – nein.“
„Bis wann sollen sie denn fertig sein?“
„Bis wann schaffen Sie es denn?“
„Vor dem Wochenende wird das nichts mehr. Die Schuhe müssen ja nun auch erstmal trocknen.“
„Dann hole ich sie gerne Montag ab.“
„Mittwoch. Ich habe auch noch andere Sachen zu tun. Und das nächste Mal bringen Sie die Schuhe, wenn sie trocken sind.“

In dem Moment habe ich mir die Schuhe genommen und habe den Laden verlassen.

Das Hotel

Vor einem Monat war ich dienstlich unterwegs. Auf der Hotelrechnung steht das falsche Datum. Darum kann ich meine Reisekosten nicht abrechnen. Seit drei Wochen versuche ich nun, eine korrigierte Rechnung zu erhalten. Ich erkläre es Mitarbeiter A. Der versteht das Problem nicht, es sei doch eine Rechnungstellung erfolgt. Ich sage: Ja, aber falsches Datum. Er sagt: Na und? Wo ist das Problem? Ich sage: Die Finanzbuchhaltung ist das Problem. Irgendwann versteht er es. Aber es passiert nichts. Nach einer Woche melde ich mich wieder. Der Vorgang ist gänzlich unbekannt. Ich schicke den alten Schriftverkehr zu. Mitarbeiter B versteht das Problem nicht, es sei doch eine Rechnungstellung erfolgt. Ich rufe an und erkläre es. Gut, sagt der Mitarbeiter – er werde eine korrigierte Rechnung ausstellen. Es passiert: nichts. Wir stehen weiter in Kontakt. Mir fehlen mehrere hundert Euro auf dem Konto.

Die Haushaltshilfe

Schon länger nutze ich die Dienste von Haushaltshilfen. Ich beschäftige sie legal, über Unternehmen, die entsprechende Dienstleistungen für Privathaushalte anbieten. Seit jeher gibt es Schwierigkeiten. Mal kommt die Haushaltshilfe, wann sie möchte. Zwar ist Donnerstag ausgemacht, aber wenn ich abends nach Hause komme, war sie nicht da. Stattdessen kommt sie am Montag drauf, ohne Ankündigung. Oder am Freitag. Einmal laufe ich grad nackig in der Wohnung herum. Upps! Ich sage ihr, dass ich Zuverlässigkeit schätze. Keine Chance. Also nächstes Unternehmen. Die ersten Male ist immer alles schön. Dann bemerke ich, dass die Reinigungskraft sich offenbar nicht gerne bückt. Und deshalb nicht wischt. Ich spreche es an: Es klappt zwei Wochen. Aber sie putzt nun nicht mehr über Augenhöhe. Deshalb: dicker Staub auf Regalen. Ich spreche es an: Es klappt zwei Wochen. Als ich einmal eher heim komme, bemerke ich, dass sie drei Stunden abrechnet, aber nur zwei Stunden da ist. Darauf angesprochen: Ausflüchte. Also nächstes Unternehmen. So geht es immer weiter. Ich bin genervt.

Der Einzelhandel

Es ist 19.45 Uhr abends, ein Bekleidungsgeschäft. Ich möchte die Kleidung bis zum nächsten Morgen zurücklegen lassen. Ich verspreche, dass ich die Sachen direkt zur Ladenöffnung abhole. Falls nicht, können sie direkt zurück in den Verkauf.

Ich stehe am Servicepoint. Als erstes werde ich zurechtgewiesen, dass ich für diese Angelegenheit hier gänzlich falsch sei – was ich an einem ServicePoint durchaus überraschend finde. Überdies werde ich informiert, dass man nur in äußerst seltenen Fällen etwas zurücklege, es gebe schließlich auch andere Kunden, die die Ware kaufen wollten. Es ist inzwischen 19.50 Uhr, zehn Minuten vor Ladenschluss. Ich möchte für 210 Euro einkaufen. Ich entgegne, dass es ja doch eher unwahrscheinlich sei, dass in den nächsten zehn Minuten jemand komme, der genau diese fünf Teile in genau meiner Größe kaufen wolle. Die Verkäuferin antwortet pampig: „Ich meine ja nur. Eigentlich machen wir sowas nicht.“ Sie wolle nun in meinem Fall mal eine Ausnahme machen. Aber wirklich nur ausnahmsweise, denn, wie gesagt, der Servicepoint sei dafür gar nicht zuständig und normalerweise lege man auch nichts zurück. Ich habe das Gefühl, hier ist eine Schallplatte gesprungen oder ich habe Eier in den Ohren, bedanke mich aber höflich für das Entgegenkommen.

Nächster Tag, 10 Uhr. Ich stehe wie verabredet am Servicepoint in der Abteilung.

„Guten Morgen, Nessy mein Name. Ihre Kollegin hat gestern Abend ausnahmsweise einen Rock, ein Kleid und drei Oberteile für mich zurückgelegt.“
„Sowas machen wir hier nicht.“
„Ich weiß, aber gestern Abend hat die Kollegin eine Ausnahme gemacht.“
„Das ist aber nicht üblich.“
„Könnten Sie trotzdem mal schauen, ob die Sachen hier irgendwo sind?“

Es geht noch eine Weile so weiter. Am Ende darf ich die Kleidung dann kaufen und bin sehr dankbar.

Die Postfiliale

Zu guter Letzt hat die Postfiliale im Stadtteil ihre Öffnungszeiten von 18.30 Uhr auf 18 Uhr verkürzt. Was heißt, dass ich abends keine Pakete mehr abholen kann, ohne eine Stunde eher Feierabend zu machen. Stattdessen muss ich sie morgens vor der Arbeit abholen und darf sie dann den ganzen Tag rumschleppen. Was bei aktuell vier Paketen total super ist. Und jetzt sagen Sie nicht: Dann nutzen Sie doch eine Packstation! Tue ich ja schon. Aber nicht alle Absender tun das. Omma geht das schonmal durch. Oder die Sendung mit den Dokumenten ist minimal zu groß für den Briefkasten. Konnte der Kollege nicht ahnen.

Ich bin genervt. Wahnsinnig genervt. Wenn aktuell nur ein Unternehmen kommt, das kompetenten Service bietet, liege ich ihm zu Füßen.

(So, jetzt habe ich mich abreagiert. Vielen Dank fürs Zuhören.)



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