Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Archiv der Kategorie »Turnen«

Wie ich versehentlich wieder in ein Handballtraining geriet und anschließend einen Bufdi brauchte

13. 08. 2015  •  24 Kommentare

Letztens wollte ich spazieren gehen, abends nach der Arbeit. Ein paar Kilometerchen, einmal um den See vielleicht. Ich frage die Nachbarin, Kreisläuferin a.D., ob das eine Perspektive für sie sei.

Wie blöd, meint sie, sie gehe heute zum Training von so einer Handballrentnerinnentruppe. Ein- bis Dreifachmütter, jünger und älter, eher älter, Versehrte und Halb-Invalide seien das, eine Kreisklasse-Spaßmannschaft. „30 Minuten joggen und dann ein bisschen Ballwerfen. Komm doch mit!“

Nun, denke ich ich mir, warum nicht. Besser als gar keine Bewegung. Es wird schon nicht so arg werden.

(Grinst hier schon jemand? Ich sehe das! Durch den Monitor!)

Schon als wir an der Halle ankommen, habe ich einen Verdacht. Denn die Mädels, die davor warten, sehen nicht aus wie Bindegewebsvorfälle mit kritischem HHD, Handballerinnenhaltbarkeitsdatum. Das ist auch nicht die gelenkschonende Koronarsportgruppe. Dort stehen acht von zwölf Monaten eines Sportlerinnen-Erotik-Kalenders, und mir schwant, dass das hier ein böses Ende nehmen könnte.

Aber nun bin ich einmal da.

Wir traben los. Ich nehme direkt die rote Laterne in die Hand und trotte hinterher – wenn man in 25 Jahren Handball eins einzuschätzen lernt, dann die eigenen Fähigkeiten. Nach ungefähr zehn Minuten bin ich mir das erste Mal sicher, dass spazierengehen die bessere Alternative gewesen wäre. Der Januar wird immer schneller, redet dabei aber unaufhörlich, locker-fluffig auf und ab hüpfend, und auf meinen Einwand, warum plötzlich diese Eile, es gebe doch gar keinen Anlass, heißt es nur, huch, gar nicht gemerkt, aber macht doch nichts, es gehe schließlich bergab. Bergab, soso, da ist wohl meine Trigonometrie kaputt.

In der Halle steht dann der Trainer, ein junger Herr, und meint: Nicht lange fackeln, Bälle nehmen, laufen, einpassen. Danach, ohne Umschweife: ab auf die Grundlinie, und in schnellem Tempo, Pass-Pass, vorwärts. Dann: Sprungwürfe, im Lauf natürlich. Im Anschluss: kurz was trinken, aber hopp-hopp; denn jetzt: Linienlaufen. Sechs Meter vor, rückwärts zurück, neun Meter vor, rückwärts zurück, Mittellinie vor, rückwärts zurück – in der anderen Hallenhälfte nochmal, zügig, zügig, auf 70 Prozent der Leistung.

Ich blicke die Kreisläuferin an. Sie zuckt hilflos mit den Schultern.

Nach zwei Durchgängen laufe ich vorwärts zurück, nicht rückwärts, meine Oberschenkel brennen auf Vorhöllentemperatur. Nach vier Durchgängen brüllt der Trainer: „Los! Gebt Gas! Das sind doch keine 70 Prozent!“ Nee, richtig. Das sind 100 Prozent. Ich bin am Ende.

Aber das hier ist noch nicht das Ende.

Es folgen weitere Übungen, Kräftigung, Liegestütz, Abwehr, Angriff, Kraft-Ausdauer. Ich mache zwischendurch eine Hals-Durchschneide-Geste zur Kreisläuferin, aber das bringt mich auch nicht aufs Sofa. Wenn man schon während des Trainings merkt, wo am nächsten Tag der Muskelkater einsetzt, wirds übel, richtig übel.

Nach drei Tagen kann ich wieder ohne Schmerzen Treppen steigen. Nach fünf Tagen klingen die letzten Wehwechen ab. Was mich aber doch ein bisschen stolz macht: Nicht ich bekomme in der 110. Minute den Wadenkrampf, sondern der 18-jährige März.

Sollte ich so etwas allerdings jemals wieder hobbymäßig betreiben, brauche ich einen Bufdi.

Liebes Tagebuch

23. 06. 2015  •  24 Kommentare

Damit keine Mücke durch meine geöffnete Balkontür fliegt und mich sticht, schlich ich vergangene Woche im Dunkeln durch meine Wohnung, und mein rechter, kleiner Zeh blieb krachend am Sofa hängen.

Ich blickte an mir hinab. Der Zeh stand ein bisschen komisch ab. Ich stellte meinen Fuß auf den Wohnzimmertisch, drückte vorsichtig, zog dann etwas, es knirschte – oder war es ein Knacken? -, und der Zeh schaute wieder normal nach vorne. Im weiteren Verlauf lief der Stumpen blau an, aber nur innen, dafür sehr schillernd. Es könnte also sein, dass ich mir den Zeh gebrochen habe. Hätte mich doch besser eine Mücke gestochen.

Ich humpele nun verwegen durch die Gegend. Wobei: Wenn ich keine Schuhe trage, geht es, dann schmerzt es kaum. Auch Sportschuhe kann ich gut tragen, weshalb ich gestern trotz meiner Versehrtheit im Fitnessstudio war, meine Beine auf dem Crosstrainer im Kreis bewegte, ein paar Übungen machte, mich aber eigentlich nur in der Sauna aufwärmen wollte, weil es draußen so kalt ist.

Ich war gerade fertig mit dem sportlichen Teil, als ein dunkelhaariger, gut Trainierter um die 50 mir zuzwinkerte. Ich bin seit einiger Zeit in einem Alter, in dem ich eine Aufforderung für Männer zwischen 45 und 60 darstelle. Das führt zu Begegnungen an Tankstellen und Supermarktkassen, die man wohl, ich kenne mich da nicht so aus, „Flirten“ nennt.

Der Trainierte stand an der Empfangstheke, war gerade gekommen und wollte seine Mitgliedskarte einchecken. Er deutete auf meinen Fuß und mein Gehumpel, ich zuckte mit den Schultern. Wir warfen einige Blicke hin und her. Er lächelte, ahmte meinen Gang nach, ich lächelte ebenfalls. Wir hatten pantomimischen Spaß.

Der Fitness-Manager hinter dem Tresen begann, ihm etwas zu erläutern. Der Trainierte zuckte mit den Schultern, antwortete auf Italienisch, er verstünde nicht, der Manager sagte auf Deutsch, er verstünde auch nicht, versuchte es auf Englisch, der Trainierte verstand nicht, der Manager sagte, dann brauche er jemanden zum Übersetzen – ob wer Italienisch spreche?

Ich bot meine Hilfe an. Der Trainierte wirkte entzückt, dass ich seine Sprache spreche. „Oh“, machte er und zwinkerte wieder. Der Manager sagte, Zwinkermann sei im Rückstand, 62 Euro müsse er zahlen, die Einzugsermächtigung funktioniere nicht mehr, er solle erst seine Schulden begleichen, dann könne er trainieren. Ich übersetzte. Sein Lächeln erlosch, als hätte jemand das Licht bei ihm ausgeknipst. Er schaute mich sehr grimmig an, seine Augen wurden zu Schlitzen, seine Lippen ein dünner Strich. Mit seinem Bartschatten wirkte er jetzt panzerknackeresk und, ja, sogar ein bisschen gefährlich. Ich sagte: „Scusa, ich kann nix dafür, ich übersetze nur.“ Er sagte, die Zähne zusammengekniffen, nicht heute, morgen komme er bezahlen. Oder übermorgen, irgendwann später halt – ich solle das ausrichten. Dann drehte er sich um und ging grußlos von dannen.

So endete mein Flirt. Und so endet dieser Eintrag, der nicht einmal eine Pointe hat.

Wie ich unfreiwillig in die Telegymnastik geriet

21. 05. 2015  •  31 Kommentare

Während ich heute morgen auf eine Lieferung Fertigbeton wartete, schaute ich Telegymnastik.

Genauer gesagt zappte ich durch Zoo-Dokus und blieb an einer Szene hängen, in der eine Frau mit wallender, blonder Mähne, bekleidet mit einem engen Top, ihre Brust in Wellen bewegte, und mich dazu aufforderte, es ihr nachzutun.

Das Ganze war in mehrerlei Hinsicht seltsam.

Zum Einen die offenen Haare. Es scheint ein Spleen von Regisseuren zu sein, Frauen im Fernsehen mit offenen Haaren turnen zu lassen. Dabei treibt keine einzige Frau, es sei denn, die Intention des Sports ist nicht Sport, sondern, um ein Beispiel zu nennen, prostitutionseinleitender Stangentanz, Sport mit offenen Haaren. Frauen, die mit offenen Haaren turnen, geben nur vor, Frauen zu sein, die turnen. Machen Sie mit dieser Information, liebe Männer, was Sie wollen.

Die zweite Sache ist eine erotische Komponente, die die Sendung „Telegym“ – man traut es ihr kaum zu – offenbar inne hat. Ich habe mich da mal näher informiert. Vielleicht ist das Ganze auch unfreiwillig sinnlich, wenn es darum geht, „weich und genussvoll zu schaukeln“. Machen Sie sich selbst ein Bild.

Die Reihe heißt übrigens „Wild & Weiblich“ und nein, ich denke mir das nicht aus. (Der humoristische Aspekt dieser Turnserie ist auch schon anderen aufgefallen.)

Ich habe im Anschluss tatsächlich probiert, mein Brustbein in Wellen zu bewegen. Ich habe mich auf den Teppich vor mein Sofa gelegt und mich auf der Kunstfaser gewunden. Das sollten Sie auch mal tun, das ist überraschenderweise nicht einfach, schon gar nicht mit offenem Haar. Ich habe mehrmals Strähnen eingeatmet und kam kaum zurecht.

Zum Glück klingelte, bevor ich mich völlig verfransen konnte, der Beton.

Eröffnung der Laufsaison

4. 05. 2015  •  10 Kommentare

Es gibt eine Sache, die mich derzeit mit großer Freude erfüllt: Vor einer Woche habe ich wieder mit dem Joggen begonnen und bin direkt sechseinhalb Kilometer durchgelaufen.

Über den Winter war ich viel krank. Fünf, sechs Erkältungen hatte ich, im September lag ich das erste Mal flach, dann im November, im Dezember, im Januar und im März. Zwischendurch immer mal allgemeines Kopfschmerzschniefleiden. Sehr unerfreulich, wohl das Ergebnis einer ungünstigen Gemengelage.

Seit ich Handball-Rentnerin bin und nicht mehr regelmäßig trainieren muss, kuriere ich Erkältungen immer aus. Das hat sich diesen Winter bewährt: Nach zwei, manchmal drei Wochen Sportlosigkeit konnte ich im Fitti direkt wieder an die Vor-Schnuppen-Leistung anknüpfen (beginne ich hingegen zu früh, zieht sich das länger hin, röchelnd über den Crosstrainer gebeugt).

Vergangene Woche war ich dann das erste Mal wieder draußen laufen. Seit meinem Umzug habe ich eine neue Haus-Lauf-Strecke. Leider gibt sie mir nur die Möglichkeit, entweder zwei Kilometer oder sechseinhalb zu laufen (oder zehn, aber das lassen wir zunächst außer Acht); vormals konnte ich zum und im Park mehrere Wege, Pfade und Schleifen kombinieren, so dass fast alles zwischen drei und neun Kilometern möglich war.

Nach der ersten 6,5-Kilometer-Runde hatte ich vergangene Woche Muskelkater aus der Hölle. Die Oberschenkel waren tagelang Pudding. Das kenne ich aber von Jogging-Einstiegen aus vorangegangenen Jahren. Einmal muss ich immer leiden.

Heute dann die zweite Runde (nach Yoga und Fitti zwischendurch). Ich war sogleich zwei Minuten schneller, und Schmerzen hatte ich auch keine – alles ganz geschmeidig. Es ist erstaunlich, wie gut der Körper sich an Belastungen erinnert, an die er mal gewöhnt war.

Das Irre: alles vor dem Frühstück. Ich wage kaum zu denken, was nach zwei Käsebrötchen möglich ist.

//*geht Supernessy-Cape bügeln

Die Sache mit dem BVB

29. 04. 2015  •  17 Kommentare

Es geht nicht anders.

Es ist völlig undenkbar, in Dortmund zu wohnen und nichts am BVB zu finden. Es ist einfach nicht möglich.

Schon allein, weil man ja niemals alleine wohnt. Irgendwo in der Nähe wohnen andere Leute, und die sind BVB-Fans. Die kommen dann und sagen: Hier, du, am Samstag ist Fußball bei uns. Kommste gucken, ne. Und dann kommste gucken. Weil: Is hier so.

Erst bist du nur wegen der Geselligkeit dabei, und weil’s Gegrilltes gibt. Dann gehst du das erste Mal ins Stadion, trittst durch den Aufgang auf diese Südtribüne, und dann bist du drin. Echt jetzt, dann ist es vorbei, dann geht’s nicht mehr anders, dann bist du drin in dieser BVB-Sache. Dann hast du plötzlich einen Schal und ein Trikot und ein Käppi, und die Leute fragen dich nicht mehr, ob du zum Fußballgucken kommst, sondern du sagst: Am Samstag wie immer, ne? Ich bring Bier mit.

https://twitter.com/dieliebenessy/status/593101352089292801

Wenn dann aber sowas kommt wie gestern, wie dieses Pokalhalbfinale, dann braucht es keine Wort mehr. Dann ist sowieso alles klar und abgemacht. Dann packst du um 20 Uhr dein Täschchen, steckst fünf Flaschen Bier rein und stapfst rüber. Darüber muss vorher niemand reden. Das ist blindes Verständnis.

Natürlich muss alles so sein wie beim letzten Sieg. Gleiche Leute, gleiche Kutte, gleiches Warmlaufen, gleiche Sitzordnung. Glückshaarspange und Glücks-BH. Und jeder seinen Stadionbecher.

Mats-Hummels-Becher mit Abnutzungserscheinungen
Mein Mats-Hummels-Becher ist nur noch wenig Mats Hummels. Aber es steckt noch alles in ihm! In Dortmund fightet selbst ein Becher bis zum Schluss.

Getanzte Liebe

26. 04. 2015  •  7 Kommentare

Es ist erstaunlich, was man mit Tanz alles tun kann.

Ich selbst hatte mit dieser Art von Bewegung immer wenig am Hut. Ein Grundkurs in der Tanzschule, als Teenager. Erst mit keinem, dann mit einem schwitzigen, jede Woche im selben Polyester gekleideten Tanzpartner. Das war nicht schön, für uns beide nicht. Man attestierte mir zudem, ich sei hüftsteif. Ein Urteil, das ich nicht so ganz annehmen kann und das ich irgendwann revidieren werde, dessen bin ich mir sicher. Mir fehlte bislang nur die Gelegenheit.

Ich habe mich seinerzeit zunächst anderen Sportarten verschrieben; Hobbys, in denen ich kurzfristig größere Erfolge erzielen konnte.  Seither bin ich, mit Tanz konfrontiert, immer wieder aufs Neue erstaunt, wie schön diese Form des Ausdrucks ist. Zum Beispiel in der aktuellen Inszenierung des Dortmunder Balletts: Drei Streifen Tanz.

Es heißt zwei „Drei Streifen“, aber es gibt nur zwei Teile, dafür im ersten Teil mit drei Pärchen, nacheinander. Jeweils Mann und Frau, und sie tanzen, sanft und zärtlich, bald innig und wild, wütend einander zugetan, abweisend und liebevoll vor einem ganz schlichten Bühnenbild, die einen nur zum Klavier, die anderen zu Rockmusik. Schön ist das, richtig schön und sehr intim.

Wenn ich mir so etwas anschaue, eine Vorführung oder auch einen Film, neige ich immer dazu, mich selbst dort zu sehen, in einer derartigen Situation, direkt oder im übertragenen Sinne. Das geht wirklich ans Herz.

Der zweite Teil ist anders. Dort wird ein Film nachgetanzt: das Piano. Ich bin dahingehend nicht so bewandert, ich dachte zunächst: Hä? Was spielen die im Wald Klavier?, aber dann habe ich es verstanden. Das war auch sehr schön, eine Erzählung, und verwunderlich ist, wie man eine ganze Handlung, einschließlich aller Gefühle, nur durch den Körper vermitteln kann. Das hat mir gut gefallen.

Im Grunde tanzt man ja auch viel zu wenig im Leben.

Teilzeitrentner, die mit Vollzeitrentnern turnen

22. 04. 2015  •  11 Kommentare

Montagsmorgens habe ich nun immer einen Termin: Ich gehe turnen. Im Fitti, mit einer Begleitung.

Meine Begleitung, nennen wir sie Richard, steht ebenso wie ich zwischen zwei Jobs. Im Gegensatz zu mir ist er bis zum Stellenwechsel kein Teilzeit-, sondern Vollzeitrentner – und hat deshalb Bedarf an regelmäßigen Vormittagsterminen, damit er weiß, wo ihm der Kopf steht. Vor lauter Freizeit.

Als Inhaberin eines Serviceblogs bin ich gerne bereit, ihm unter die Arme zu greifen. Wir treffen uns also immer Montagsmorgens, um aktiv und dynamisch in die Woche zu starten.

Unsere Dynamik wird von den zahlreich anwesenden, tatsächlichen Rentnern beflügelt. Um 10 Uhr morgens reißen wir den Altersschnitt im Fitti rasant nach unten, 70 Prozent der Anwesenden sind über 70. Das Generationenturnen ist prima:

Die Rentner bekommen etwas zu gucken und zu bereden, denn die älteren Damen freuen sich über Richard, die älteren Herren über mich, rein optisch zunächst, das ist ganz offensichtlich, aber auch inhaltlich. Sie beziehen uns gerne in ihre Gespräche ein. Es geht um Erfahrungsaustausch zwischen den Generation und darum, was man noch alles kann und was man damals konnte, wie ich das in meinem Alter mit dem Fahrradfahren halte, ob ich schon durch die Ardennen geradelt sei – nein? „Das solltest du tun, ich habe das damals gemacht, aber pass auf deinen Hintern auf, meiner brannte wie Feuer“, sagt er, wohingegen sie erwidert, ich solle besser wandern, aber nicht mit dem Partner, das gebe nur Knatsch, „mein Mann lief mir immer einen Kilometer voraus, jetzt ist er tot, damals hat die Wanderei fast zur Scheidung geführt, lass dir sich das einen Rat sein.“

Im Gegensatz zu den Feierabendsportlern, die allabendlich verbissen ihr Pensum abstrampeln, sehen die Rentner das Fitti eher als Begegnungszentrum. Ihre Muße überträgt sich auf mich, auf Richard und auf alle Anwesenden. Selbst Vormittags-Pumper, die vereinzelt im Hantelbereich stöhnen, beteiligen sich an Themen, die ich ihnen nie zugetraut hätte. Zuletzt tauschten sich zwei Maximalbemuskelte mit zwei Rentnerinnen zum Thema „Badeperlen“ aus, welche duftiger und welche schaumiger sind, für Erwachsene und für Kinder und für samtene Haut.

Wir stärken die Bauchmuskeln und reden dabei weiter – über Zaunaufbau, Bauarbeiten („Mein Sohn baut sich ein Dach über die Veranda“), und über den Kita-Streik, der die Rentner ebenso hart trifft wie Eltern, weil sie seit Wochen ständig auf ihre Enkel aufpassen müssen – was sie natürlich gerne tun, aber anstrengend ist es schon. Um die Aufpasserei in Zukunft durchzustehen und damit sie sich auch in einem Jahr noch in einen Sandkasten hocken können, halten sie sich im Studio fit – und müssen nun in die Beinpresse.

Ich verabschiede mich nach Hause, in den Garten. Das Gespräch setzen wir kommende Woche fort, morgens um 10. Denn das Leben braucht Struktur und einen dynamischen Wochenstart.

Der Hund, die Kobra und ich

16. 04. 2015  •  26 Kommentare

Eine Freundin macht eine Ausbildung zur Yogalehrerin.

„Ich brauche Opfer“, meint sie irgendwann. „Zum Üben. Hast du Lust?“

Yoga, denke ich, na klar. Ein bisschen turnen, ein bisschen atmen – warum nicht. Für Entspannung bin ich immer zu haben.

„Du musst auch nichts können“, schiebt sie hinterher und guckt ermunternd.

Das Ganze lässt sich gut an: Wir sitzen auf einem Kissen und atmen. Doch es dauert nicht lange, und ich hänge im Herabschauenden Hund. Wobei „hängen“ das falsche Wort ist: Ich stehe in meinen Armen, das zwiebelt ganz schön, entspannt ist dabei nichts, im Gegenteil, das ist anstrengend, und ich schaue auch nicht lässig hinab, auch wenn die Yogalehrerin mir liebevoll über den Rücken streicht und meinen Hintern richtet.

Vom Herabschauenden Hund geht es geradeaus in die Liegestütz, „wir werden ein Brett“, das kenne ich aus dem Bootcamp, dort sind wir alle immer Bretter; Bretter, die bisweilen etwas ausbeulen, aber innerlich sind wir hammamäßige Bretter.

Sie korrigiert ein wenig an mir herum, dann noch an meinen Nebenleuten; es haben sich insgesamt vier Opfer gefunden. Mein Nebenmann hängt etwas durch, die Freundin arbeitet an ihm, und arbeitet; immerhin, denke ich, hat meine jahrelange Saisonvorbereitung etwas gebracht, Körperspannung, ich bin ein bisschen stolz auf mich. Der erste Schweißtropfen rinnt meine Stirn hinab und perlt auf die Matte, der Nebenmann wird noch weiter situiert, und mir schwant langsam, dass das hier mehr wird als ein bisschen atmen. Das Brett in mir wird jetzt morsch, sehr morsch, immer morscher, meine Schultern rufen den Notstand aus, es wird schwer, wirklich SCHWER, du lieber Himmel, können wir jetzt mal langsam –

Gott sei Dank geht es im letztmöglichen Moment hinab in die Kobra, endlich hinlegen, denke ich, sapperlott.

„Wir öffnen das Herz“, sagt die Yogalehrerin, „und atmen langsam und bewusst ein und aus.“ Langsam! Haha! An langsam ist nicht zu denken, meine Muskeln brüllen: „SAUERSTOFF!“, und bewusst ist mir, dass sich das alles hier in die falsche Richtung entwickelt.

„Wir fühlen jetzt in unseren Körper hinein“, sagt die Lehrerin, aber ganz ehrlich: Ich brauche da nicht reinfühlen. Der kommt zu mir raus.

In dem Moment zieht die Freundin meine Schultern nach hinten. Und plötzlich: Oh! Was ist das? Wundersamerweise öffnet sich tatsächlich etwas, es ist der Brustkorb, ich atme ein, tief ein, eine ziemlich coole Sache.

Es geht weiter, über die Fersen wieder in den Herabschauenden Hund. „In diese Stellung kehren wir immer zurück.“ Ist das eine Drohung? Warum nicht die Kobra? Die war doch so schön.

In verschiedenen Variationen wiederholen wir die Sache, stehen zwischendurch, strecken uns,  dann geht es zurück in Hund und Kobra, es wird leichter mit der Zeit, und irgendwann, schwupps, sind wir Krieger.

Der vordere Oberschenkel gebeugt, das hintere Bein lang, und die Hüfte – die Freundin korrigiert – oh-a, jetzt zwiebelt’s richtig. Lassen Sie sich von den Links und den Bildern nicht täuschen, dort sieht das alles ganz flockig aus; die Wahrheit ist aber: Das brennt Ihnen die Oberschenkel weg, und wenn Sie dann noch die Arme heben, also dieselben Arme, die Ihren Körper bis anhin achtmal, neunmal, ach, was sag ich: hundertmal in den Hund gestemmt haben, dann wissen Sie, dass Sie leben.

Heute, was soll ich Ihnen sagen? Es ist wunderbar. Der Körper ist überall angestrengt. Der Rücken ist gerade. Ich stolziere aufrecht und mein Herz, das ist ganz weit und offen.

Ich bin jetzt öfter Opfer.

Sergej Polunin tanzt

25. 02. 2015  •  10 Kommentare

Schon allein für den ersten Sprung bei 0:32 lohnt es sich, das Video anzusehen.

Natürlich auch wegen der anderen Dinge, die Sergej Polunin da tanzt. Man kann sich zwischendurch spaßeshalber vorstellen, man wolle es nachmachen. Ich habe dadurch schnell bemerkt, wie großartig das ist, was da stattfindet.

https://vimeo.com/118946875

Ich bin ja nicht erst an Ballett interessiert, seit das große Patenkind tanzt. Es begann Anfang der 1990er Jahre, beim Schüleraustausch mit Moskau. Damals wurden wir ins Bolschoi Theater ausgeführt – natürlich, das war obligatorisch. Es wurde Ballett gegeben, und entgegen meiner pubertierenden Vorurteile war es eine ziemlich beeindruckende Sache. Das Gebäude, die Atmosphäre und selbstverständlich: der Tanz.

Seither schaue ich mir das ganz gerne an. Nicht allzu oft freilich. Aber immer mal wieder. Zuletzt in Dortmund: Der Traum der roten Kammer. Und im April bald: Drei Streifen Tanz. Ich mag diese Kombination aus Musik und Aktion, aus akustischem und optischen Geschehen, aus Sport und Choreographie.

Außerdem hat Ballett mit meinem sonstigen Leben und meinem eigenen Können so gar nichts zu tun. Das ist auch immer ganz erfrischend.



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