Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Archiv der Kategorie »Expeditionen«

Dienstag, 23. Juli

24. 07. 2019  •  2 Kommentare

Heute wenig Recreation, mehr Work. Ich schloss mich der „Neigungsgruppe Arbeit“ an, wir setzten uns in einen der Coworking-Räume, und ich tat Dinge.

Coworking-Space im Gutshaus: Holztisch, , darauf Laptop und iPad, im Hintergrund große Fenster

Ich schrieb Mails und dachte schonmal einen Kundenworkshop vor, der Anfang August, direkt nach meinem Urlaub stattfindet. Außerdem beschäftigte ich mich mit allerlei Kleinkram, Buchhaltung, einem Auftrag an meine Grafikerin, und ich buchte eine Unterkunft fürs Agile-Barcamp in Leipzig.

Außerdem stellte ich das Newsletterthema aus dem Juni online. Ich schrieb darüber, warum Bonuszahlungen und leistungsabhängige Vergütung mehr schaden, als sie nützen.

Hinter den dicken Mauern des Gutshauses war es angenehm kühl. Es ließ sich gut arbeiten.

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Einladung | Fette Einladung zu meinem Vortrag auf der Digitalen Woche Dortmund! Kommt alle!

Logo der Digitalen Woche Dortmund. Untertitel: "Didigitalisierung, Innovationen, Chancen.  04. - 08.11.2019"

Kultur frisst Strategie – Digitalisierung ist mehr als Technik

5. November 2019, 18 Uhr.

Digitale Werkbank, Hoher Wall 15, Dortmund

Ich werde darüber sprechen, was Digitalisierung dem Menschen abfordert, welche Rolle Unternehmenskultur spielt, wie man sie entwickelt und warum es normal ist, wenn es mal drunter und drüber geht. Alle Infos zum Vortrag und Anmeldung.

Ich freue mich auf Euch! Bitte formlos anmelden, damit ich ausreichend Getränke ordern kann.

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Co-Workerin | Mir gegenüber saß Britta. Sie schreibt auf der Seite „Leben mit Reizdarm“ über die Erkrankung.

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Obst | Am späten Nachmittag und am Abend jeweils ein Spaziergang um den Quadranten. Der erste führte mich an Mirabellen vorbei.

Ein Busch mit Mirabellen und ein staubiger Weg mit einer Pfütze

Hier wachsen überall wilde Pflaumen und Mirabellen. Die Mirabellen sind reif und süß und lecker und wollen gegessen werden.

(„Die Wilden Mirabellen“ wäre ein guter Band-Name.)

Über den Feldern ging ein leichter Wind, und selbst in der Sonne war es nicht zu heiß. Das war sehr angenehm und gut auszuhalten.

Abends Abendsonne.

Abendsonner, die über Bäume hinwegscheint. Davor ein Feld mit wilden Pflanzen.

Und ein großer Mähdrescher bei der Arbeit.

Mähdrescher in der Abendsonne

Nebenan wohnt ein tauber Schäferhund mit Schlaganfall, der sich erst vor dem Mähdrescher verkroch und sich dann enthusiastisch, sein rechtes Bein hinter sich herschleppend, auf das gemähte Feld warf und sich ausführlich auf dem stachligen Korn wälzte.

Montag, 22. Juli

22. 07. 2019  •  7 Kommentare

Beelitzer Heilstätten | Heute lief ich durch Baumwipfel, an den Dächern von Ruinen entlang. Ich besichtigte einen OP-Saal und flanierte durch ein Sanatorium.

Das Alpenhaus der Beelitzer Heilstätten: Backsteinbau, verfallen, ohne Glas in den Fenster. Aus dem Dach wachsen Bäume

Die Beelitzer Heilstätten liegen südlich von Berlin. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren sie die weltweit modernsten Einrichtungen zur Heilung von Tuberkulose. Sie gehörten der Landesversicherungsanstalt Berlin. Berliner Arbeiter und Arbeiterinnen waren damals bereits über die Landesversicherungsanstalt versichert und wurden kostenlos dort behandelt.

Ab 1945 behebergten die Gebäude das größte sowjetische Militärhospital außerhalb der UDSSR.

Die Gebäude sind heute verfallen und geplündert, können aber besichtigt werden. Ein Baumkronenpfad führt durch die Wipfel und um das so genannte Alpenhaus herum.

Baumkronenpfad aus der Höhe

Von der 40 Meter hohen Aussichtsplattform kann man auf den Pfad und über die Brandenburger Wälder sehen.

Das Sanatorium wurde inmitten der Natur errichtet. Es bestand aus 60 Gebäuden. Das Gelände ist 200 Hektar groß, also zwei Quadratkilometer.

Panoramablick über den Wald. Klein darin: zwei Backsteingebäude

Die Heilstätten versorgten sich selbst. Hier gab es eines der ersten Heizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung. Außerdem gab es auf dem Alpenhaus einen Wassertank, durch den ein Schornstein führte, der ihn beheizte.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter waren von Ost nach West strikt nach Geschlechter getrennt untergebracht. Außerdem wurde von Nord nach Süd danach unterschieden, ob Patienten ansteckend waren oder nicht. Es gab Betten für 1.200 Menschen.

Blick vom Baumkronenpfas eine Hauswand hinunter

Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gab es noch keine Medikamente gegen Tuberkulose – auf das bereits erfundene Penicillin spricht die Krankheit nicht an. Die Patienten wurden deshalb nur mit „gutem Leben“ kuriert: Alle Zimmer auf dem gesamten Gelände waren nach Süden ausgerichtet. Sie machten dreimal täglich Luftbäder. Es gab gute Speisen zu essen.

Flügeltür im Foyer der Chirurgie mit Blick in den Gang

Alle Gebäude sind mit einer Stahlskelettbauweise errichtet. Keine Wand ist tragend; die Backsteine haben nur schmückenden Charakter und sollten dem Auge wohltun – ebenso wie die farbigen Kacheln im Innern. Nichts sollte an eine Krankenanstalt erinnern.

Die Ecken in den Zimmern waren abgerundet: an den Wänden, in den den Zimmerecken wie auch unter der Decke. Das sollte verhindern, dass sich Turberkelbakterien festsetzten.

Gang in den Beelitzer Heilstätten: blaue Kacheln bis auf Brusthöhe, danach weiße Farbe. Fenster links, rechts die Zimmer

Zudem waren die Beelitzer Heilstätten der erste Ort, an dem man mit einem Knopfdruck nach dem Pflegepersonal klingeln konnte. Dann leuchtete über der Gangtür ein Licht auf.

Bogen über der Tür mit farbigem Glas

Die Fahrstühle waren verglast, so dass Licht in die Gebäude hineinfiel. Licht und frische Luft wurden als wichtigstes Mittel zur Überwindung der Krankheit gesehen.

Fahrstuhl im Foyer: grüne Fahrstuhltüren im lichtdurchfluteten Treppenhaus
Blick nach oben in den Fahrstuhlschacht und das Treppenhaus. Alles sehr hell.

Die Heilanstalten waren außerdem vorbildlich, was Hygiene anging. Jeder Patient und jede Patientin, ob im Einzel- oder im Zweibettzimmer (eine andere Belegung gab es nicht), hatte sein eigenes Waschbecken, damit er sich nicht erneut infizierte. Das ist mehr, als jetzt in den Krankenhäusern Standard ist.

In den 1920er Jahren wurde auf dem Gelände eine Chirurgie errichtet.

Chirurgiegebäude von außen: Balkone mit geschwungenen Geländern. Bäume wachsen darauf.

Erst zu diesem Zeitpunkt waren die medizinischen Mittel und das Wissen vorhanden, derartige Operationen vorzunehmen. Dennoch überlebte einer von sechs Patienten einen Eingriff nicht.

Der OP-Saal bietet heute einen Blick ins Freie.

OP-Saal

Seinerzeit gab es eine septische und eine aseptische Abteilung. Die aseptische, also keimfreie Abteilung, in der sich auch die OP-Säle befanden, arbeiteten mit Dampfsterilisation; kein chirurgisches Werkzeug wurde zweimal verwendet. Durch eine Öffnung konnte der Chirurg es nach Benutzung direkt in den Keller befördern, wo es gereinigt wurde.

OP-Saal: Desinfektionsanlage

Für die Menschen war der Aufenthalt eine Wohltat im Vergleich zum eigenen Zuhause. Dort wohnten die Arbeiterfamilien mit all ihren Mitgliedern auf nur 25 Quadratmetern. Betten wurden geteilt. Tagsüber kamen oft noch Schlafgänger ins Haus, an die man sein Bett für einige Stunden vermietete.

Im Hof gab es das „Scheißhaus“ mit dem „goldenen Eimer“. Viele Familie sollten jedes halbe Jahr um, weil die Wohungen feucht waren; der 1. April und der 1. Oktober waren „Ziehtage“, offiziell von der Stadt Berlin erlaubte Umzugstage.

Die hygienischen Umstände waren sehr schwierig. Deshalb breiteten sich Krankheiten wie die Tuberkulose rasch aus. Heilung war unter diesen Umständen schwierig bis unmöglich. Die Industrialisierung brauchte aber kräftiges Arbeitsvolk – weshalb die Versicherungsanstalt keine Mühen scheute, es zu kurieren.

Bewachsenes Haus auf dem Gelände

Baumkronenpfad und Beelitzer Heilstätten

Es gibt täglich unterschiedliche Führungen durch die verschiedenen Gebäude. Nur mit einer Führung kann man hinein und Fotos machen. Ich war in der Chirurgie. Öffnungszeiten: 10 bis 19 Uhr. Alle Infos auf der Website.

Sonntag, 30. Juni

30. 06. 2019  •  Keine Kommentare

Fest | Dieses Wochenende war ich im Odenwald. Anlass war ein Fest. Ich besuchte jenen Ort, in dem einst der Postbote verschwand.

Wieder sind wir tief im Wald. Die Hinfahrt ist rasant. Die Straße windet sich am Fuß der Hügel entlang, die Bäume stehen dicht an dicht, Linkskurve, Rechtskurve, Linkskurve. Mutige Fahrer ziehen über die Fahrbahn und schneiden die Kurven. Weniger mutige nehmen jede Biegung mit. Wer hinten sitzt, spürt leichte Übelkeit. Als wir später, viel später, in der Nacht zurückfahren, treffen wir Füchse und Rehe. Wildschweine leben im Dickicht.

Eines der Schweine gibt es zu essen, am Spieß. Der Gastgeber hat es selbst geschossen. Wie Ötzis Mumie dreht es sich im Kreis, Füße unten, Füße oben, Füße unten, die Zähne spitz im Maul, die Haut ledern.

Als wir beginnen, steht noch die Sonne auf den Hügeln. Im Talabschnitt, in dessen Schützenheim wir feiern, ist es jedoch schattig. Hier hat sich der Tag bereits abgekühlt.

Wald und Hügel

Die Gäste sind erleichtert. Endlich ist sie fort, die Hitze des Tages, die die Beine schwer und den Körper klebrig machte, deretwegen wir uns am Nachmittag noch einmal hinlegten, um nun wach und geduscht an Bierbänken zu sitzen. Wir trinken und reden. Die ersten Gläser sind schnell leer und schnell wieder voll.

Für die Kinder gibt es Wasser und Stroh und Malkreide. Sie jagen sich um das Schützenheim.

Eine alte Mauer, dahinter ein großes Kreuz. Davor ein Planschbecken und Strohballen.

Ich treffe Vatta wieder. Nicht meinen Vatta, sondern den Vatta der Gastgeberin, den Geflügel-Landwirt aus Ostwestfalen, mit dem ich fünf Jahre zuvor eine Wohnung renovierte. Es war ein eindrückliches Erlebnis; ich bloggte einst darüber.

Vatta stellt sich mir als Willi vor und steigt direkt in medias res ein: „Das Putenmobil ist tot.“

Er meint damit den kleinen Transporter, der ihn und seine Ware viele Jahre lang zu Wochenmärkten brachte und auf dessen Heck eine gezeichnete Pute prangte, die in einer Sprechblase sagte: „Puten Tag!“ Auf den Seiten stand der Text: „Alles Gute von der Pute.“

Willi kennt meinen Blogtext zu unserer Renovierungsaktion. Seine Tochter hat ihn ihm nach Entstehen vorgelesen, woraufhin Willi minutenlang lachte und ihn ein weiteres Mal vorgelesen haben wollte. Der Text hängt seither gerahmt auf seinem Putenhof.

Wir reden also über das Putenmobil, das es nicht geschafft hat und unversehens verstarb. Willi ist gesprächig heute. Er ist alleine unterwegs, seine Frau konnte nicht mitkommen, und er sagt schon in den ersten fünf Minuten mehr als während des ganzen Renovierungstages.

Es ist ein guter Ort für eine Party, hier in diesem Häuschen oberhalb des Ortes. Die Nachbarn hinter der Mauer sind aus der Phase raus, in der sie sich beschweren.

Firedhof im Wald.

Die Nacht senkt sich über das Fest. Die Mücken kommen. Die Gesellschaft beginnt, sich zu besprühen. Überall riecht es nach ätherischen Ölen.

Die Kinder strolchen weiter umher. Es ist nicht nur ein Abend der Erwachsenen, auch ein Abend der Kinder, an dem sie tun und lassen können, was sie wollen.

Bierbänke, ein großer Sonnenschirm, dahinter eine Feuerschale

Kurz vor Mitternacht wird die Feuerschale entzündet, und wir setzen uns drumherum. Es sind weitere Leute hinzugekommen, niemand kennt sie. Sie gehören ins Dorf, Einem gehört der Grill, auf dem sich das Schwein dreht. Von dem Anderen weiß man nichts Genaues, man kann ihn aber auch nicht wegschicken, sonst heißt es im Dorf: „Der Fischer Andi, der ist so geizig, da kriegst du nicht mal ein Bier, nicht einen Tropfen hatte er übrig, und sein Madl, diese Zugezogene, die hat uns vom Hof gejagt wie Landstreicher.“ Wenn du das nächste Mal etwas von den Leuten willst, eine Leiter oder einen Grill für dein Schwein oder weil du mit deinem Auto im Graben liegst, dann kannst du dir das anhören; bis an dein Lebensende kannst du dir das anhören. Also lässt du sie dasitzen, und sie sind ja auch nett, wenngleich sehr betrunken.

Wunderkerze

Als wir am heutigen Sonntag noch einmal hinfahren, um Tschüss zu sagen, ist das Schützenheim bereits geputzt. Leute aus dem Dorf kamen früh herbei, einfach so, und packten mit an. In Nullkommanix war aufgeräumt.

Wir trinken noch eine Cola. Willi ist auch da. Wir reden noch etwas. Dann fahren wir heim. Es ist heiß heute. Ich bringe C mit dem Auto nach Frankfurt; von dort fährt er mit dem Zug nach Hannover. Vor dem Bahnof sind es 39 Grad. Unsere Umarmung fällt weniger innig aus als sonst. Über dem Asphalt flirrt die Luft.

Willi bleibt noch einen Tag im Wald bei seiner Tochter.

Drittes langes Juniwochenende

24. 06. 2019  •  13 Kommentare

Ausflug zum Schatöchen | Das lange Wochenende verbrachte ich auf einem französischen Landschloss.

Sie erinnern sich vielleicht an meinen letztjährigen Ausflug, als Freunde dort ihre Hochzeit feierten. Noch vor Ort hatten wir uns angeguckt und gesagt: Das müsste man eigentlich jedes Jahr machen. Also haben wir es dieses Jahr wieder gemacht.

Mit Sack und Pack, Kindern und Kisten voller Wein reisten wir in die Champagne und verbrachten dreieinhalb Tage auf unserem Schatöchen, dem Château de Pleurs.

Schloss, umrahmt von Tannengrün

Was wir dort taten, ist schnell berichtet: Wir taten nichts.

C sagte am dritten Tag zu mir: „Sehe ich das richtig, dass wir hier nur schlafen und essen? Entweder gibt’s Frühstück oder wir kaufen Zeug ein, das wir dann kochen und essen, oder wir trinken oder wir machen ein Nickerchen.“

Hier exemplarisch drei Bilddokumente, einmal mit Grill, einmal mit Gratin im Ofen und einmal mit Pastetchen:

Blick von oben vor das Schloss, wo ein Tisch aufgebaut ist und Leute essen. Dahinter Wasserbecken.
Küche des Schatöchens: Mosaikfliesen, ein altes Buffet, ein Herd mit Backofen, der erleuchtet ist.
Frühstückstisch mit Tellern, Brotkörben und Pastete. Eine lange Tafel, geschnitzte Stühle.

Dass wir nur schliefen und aßen, ist allerdings nicht ganz richtig. Wir ließen uns auch im Pool zu Wasser, spielten Billard und lasen. Manche von uns unterhielten sich auch – bis der Gesprächspartner wegnickte.

Blick aus einem Zimmerfenster auf Rasen und Wege, darin ein Pool.

Nur einmal packte es uns. Da sagten wir uns: „Wir müssen mal runter von der Scholle, etwas erleben.“ Plötzlich fühlten wir starken Tatendrang.

Wir fragten den Schlossherrn, was er empfehlen könne. Er empfahl ein Champagnergut. So fuhren wir nach Broyes.

Aussicht von einem Hügel in die Ebene der Champagne: Felder und Weinreben.

Auf dem Champagnergut wohnte ein großer Hund, der erst so tat, als ob er sehr gefährlich sei. Später leckte er uns die Kniekehlen; er hatte einen großen Faible für Kniekehlen.

Auf dem Champagnergut tranken wir und kauften Lebensmittel ein.

Der Hof des Champagnerguts

Außerdem lernten wir etwas. Nämlich, wie man Champagner macht. Das geht so: Man erntet die Trauben mit der Hand. Dann tut man sie in eine Maschine. Die Maschine presst den Saft aus den Trauben. Der Saft kommt in ein Fass. Dort bleibt er von September bis März. Von dort kommt er in Flaschen. Auf die Flaschen kommt ein Kronkorken. Danach kommen sie für drei Jahre in den Keller. Dort werden sie nicht bewegt.

Danach wandern sie eine Etage höher. Dort hängen sie herum.

Ein mit Kreide beschriftete Schild, dahinter Ständer mit Flaschen.

Außerdem werden von einer Maschine vorsichtig gedreht. Dadurch sinkt die Hefe in den Flaschenhals.

Flaschenhals über Kopf. Die Hefe ist zum Korken gesunken.

Wenn alle Hefe dort ist, wird die Flasche geöffnet. Die Hefe kommt raus. Dann kommt ein Korken auf die Flasche, und der Champagner liegt nochmal drei Monate herum.

Flaschen mit Korken

Dann wird er verkauft.

Als wir vom Champagnergut zurückkamen, waren wir müde und mussten uns hinlegen.

Danach mussten wir etwas essen.

Wenn Sie auch mal ein Château-Wochenende haben möchten: Das Preismodell des Schatöchens ist einfach. Man bezahlt immer das Gleiche, egal ob man mit zwei Leuten oder mit 20 Leuten auf dem Schloss wohnt. Der Betrag teilt sich dann durch die Anzahl der Leute. Wenn man – wie wir – ein paar Leute zusammenkriegt, sind drei Tage Schloss preiswerter als drei Tage im Harz.

***

Macht | Ich las über Macht, genauer über „Die helle Seite der Macht“, ein Dossier der Zeit.

Macht hat, wer Andere begeistert. Macht hat, wer Wissen hat, das Andere benötigen. Macht hat, wer belohnen kann – materiell oder mit Lob und Aufmerksamkeit. Macht hat, wem Menschen folgen: physisch oder ideell, ob intendiert oder ungewollt.

Ich halte Macht für nichts Schlechtes. Ich glaube vielmehr, dass Menschen sich ihrer Macht zu wenig bewusst sind. Sie warten deshalb, dass Andere etwas für sie tun. Tun die Anderen aber nicht. Deshalb kommt es zu Komplikationen, Stillständen, unausgesprochenen Erwartungen, Konflikten.

Auch in einer Paarbeziehung gibt es immer ein Machtgefälle: der Bedürfnisärmere hat Macht über den Bedürfnisreicheren. Wenn A gerne dreimal in der Woche Sex hätte und B dreimal im Monat, dann hat das Paar dreimal im Monat Sex.

Zehn Bemerknisse zu einer Hochzeit auf einem französischen Landsitz

30. 07. 2018  •  19 Kommentare

Es muss Dezember oder Januar gewesen sein, jedenfalls wurde ein Geburtstag in Essen gefeiert, als das Brautpaar, das zu diesem Zeitpunkt noch kein Brautpaar war, dem Freundeskreis mitteilte, das es eins werden wolle. Später verkündete das Brautpaar dann, dass es die Hochzeit etwas unkonventioneller als üblich gestalten wolle, weniger Kirche, mehr Schloss, weniger Zeremoniell, mehr Feier und Cocktails.

So begab es sich, dass 35 Menschen sich auf den Weg nach Pleurs in der Champagne machten, um drei Tage lang auf einem französischen Landschloss zu residieren und dem Brautpaar mit Wein, Gin und kleinen Mahlzeiten zu huldigen. Und mit einem Gummieinhorn.

Pleurs: Blick auf die Tafel in den Schlosshof

Ich möchte es nicht beschönigen: Die Szenerie war wie gemalt, das Wetter fantastisch, die Gesellschaft illuster, die Getränke eiskalt und der Pool erfrischend kühl. Zehn weitere Bemerknisse:

EINS | Es ist erstaunlich, wie schnell man sich an ein Leben auf einem Schloss gewöhnt. Schon am zweiten Morgen war es, als habe ich niemals woanders gewohnt. Die Erhabenheit des Ortes legt sich wie selbstverständlich aufs Gemüt, der Gang wird aufrechter, der Blick fester, und die Schultern spannen sich, während man morgens ans Fensters des Gemachs tritt und durchs Sonnenlicht auf die Ländereien hinabblinzelt, von der Küche steigt der Duft frischen Kaffees auf.

Pleurs: Zimmer

ZWEI | Des Weiteren lebt so ein Schlossleben vom Stilbruch: Die Star-Wars-Matratze neben dem Himmelbett, mit Badelatschen durch die Halle schlappen, das Schwimm-Einhorn neben der Marmorstatue – es waren die kleinen Dinge, die der Sache Pfiff gaben.


DREI | Der Westfale bleibt Westfale, auch auf dem Schloss: Am Freitag haben wir für 35 Leute Gemüse geschnibbelt und auf dem großen Gasherd Suppe gekocht. Bei uns wird noch selbst angepackt, egal wie royal die Umstände sind.

Porree schneiden in royaler Kulisse
Pleurs: Küche

VIER | Der französische Supermarkt war für mich, was Lavendel für Insekten ist: Mit der Aufmerksamkeitsspanne eines umhertrudelnden Schmetterlings stolperte ich von der Mango-Vinaigrette, vorbei an den Rosenblütenkeksen, zum Panaché und der Maronencreme, weiter zu den Waffeln zum Auftoasten, hin zum Petit-Marseillais-Regal, vor Ergriffenheit leise weinend.


FÜNF | Der Abend der Feier: Der Regisseur des ZDF-Herzkinos hätte sich mit einem weißen Tüchlein Tränen des Entzückens aus dem Augenwinkel getupft. Die lange Tafel im Schlosshof, gesäumt von zwei Brunnen, der knirschende Kies, die untergehende Sonne, die weißen, im Wind wehenden Tischdecken, die Champagnerkühler und das Brautpaar, das die Treppe in die Halle hinabschritt – pilcheresker ging es nicht.

Pleurs: Halle

SECHS | Das die Treppe hinabschreitende Brautpaar gab es auf Antrag von Little R, vier Jahre alt, die mit Harry- und-Meghan-haften Vorstellungen nach Frankreich gereist war und bereits vor Wochen ein Schreiten mit anschließendem Kuss am Fuß der Treppe eingefordert hatte, was auch so vonstatten ging. Die Herzkino-Redakteurin hätte die Szene herausgestrichen – „zu dick aufgetragen“, „wir werden unglaubwürdig“, „wir müssen die Leute mehr in der Lebensrealität abholen“. Doch wir haben die Schlosssache komplett durchgespielt, weil: wenn schon, denn schon.


SIEBEN | Komplett durchgespielt haben die Jungs auch die Klamottenfrage: Der Bräutigam hatte um festliche Kleidung gebeten und selbst viel Zeit auf seinen Smoking verwendet – von den Schuhen über die Jacke bis hin zu den geknöpften Seidenhosenträgern, und es war fürs Frauenauge ausgesprochen erfreulich, dass alle anwesenden Herren es ihm nachgetan hatten. Es war meine erste Hocheitsfeier, auf der die Männer herausgeputzter waren als die Frauen. Sehr adrett.

Pleurs: Tafel

ACHT | Die Braut hatte, um den Wein- und Nahrungskonsum abzuschätzen, vier Listen angefertigt: die Liste der Vieltrinker, die Liste der Vielesser, die Liste der Wenigesser und die Liste der Wenigtrinker. Zwei Listen waren ziemlich leer. Sie dürfen raten, welche.

Frühstück

NEUN | Was auf den Bildern nicht zu sehen ist, sind die Bremsen und Mücken, die das Schloss, das von Wasserläufen umgeben ist, bebrummten – und mit dem Schloss die Gäste. Über der Feier lag eine Glocke Antibrumm forte, wir nannten es auch Eau de Pleurs – ein Duft, der entfernt an alte, in der Sonne liegende Bahnschwellen erinnert.

Pleurs: Wasser am Schloss
Pleurs: Schloss mit Hibiskus im Vordergrund

ZEHN | Vier Tage auf einem französischen Landschloss sind wie zwei Wochen Urlaub: Ich habe in der Zeit nichts mitgekriegt und mich auf der Rückfahrt gefragt, ob wir noch eine Regierung haben und was es mit Mesut Özil auf sich hat, habe mich aber entschlossen, dem nicht weiter nachzugehen. Die Rückkehr ins Vorstadtleben erforderte denn auch einen Tag der Akklimatisierung, an dem ich im Garten saß, Suze trank und versonnen Dompfaffen beobachtete. Weil das in Dortmund nicht so schön ist, hier die Schwesterszene aus Pleurs:

Pleurs: Poolszene im Panorama

Wochenende, 28. und 29. April

30. 04. 2018  •  5 Kommentare

Nach Lüneburg gereist. Mich dort schick angezogen. Getanzt. Leute aus ganz Deutschland getroffen. Stadtführung gemacht. Etwas über Haken und Ösen gelernt. Und woher das Wort „vermöbeln“ kommt. Am Hafen gesessen und Pfannkuchen gegessen. Gin getrunken. Wieder nach Hause gefahren. Zu brückentagsmüde, um mehr zu schreiben.

In Bildern:

Lüneburg

Lüneburg

Lüneburg

Lüneburg

Lüneburg

Lüneburg

Mittwoch, 28. März

28. 03. 2018  •  4 Kommentare

300 Kilometer geradeaus gefahren – von Langenthal nach Heidelberg zur Turnschwester.

Ich war gerade hinter der deutsch-schweizerischen Grenze, als sie anrief: „Bevor du ankommst, rufste nochmal durch, ja? So ’ne halbe Stunde vorher.“
„Willst du Rosenblätter streuen und Badewasser einlassen?“
„… und nichts essen auf der Fahrt.“

Ich meldete mich an und war gerade unten am Berg, als das Telefon erneut klingelte.
„Wo biste denn?“
„Unten am Berg.“
„An unserem Berg?“
„Jo.“
„Gut, gut. Dann bis glei-heich!“

Torte mit 10 Kerzen und einer 40

Tortenstück mit Kaffeetasse und Sektglas

Eine Überraschungsnachfeier! Hach! Der Rest des Nachmittags war Sekt, Torte, Klönschnack.

*

Zwischen Basel und Heidelberg bin ich kurz hintereinander an zwei schweren Unfällen vorbeigefahren, die gerade erst passiert waren; noch keine professionellen Helfer vor Ort. Der erste Unfall war auf einer Landstraße, während ich einen (unfallbedingten) Stau auf der A5 umfuhr: Eine Frau war mit ihrem Wagen auf einen Lkw aufgefahren. Motorhaube total weg, die Ersthelfer lagerten sie am Fahrbahnrand, der Krankenwagen fuhr gerade heran.

Der zweite Unfall nur wenige Kilometer weiter, nachdem ich gerade auf die A5 aufgefahren war. Ein Pkw hatte die Leitplanke durchbrochen, sich auf dem Feld überschlagen. Überall Trümmerteile. Ersthelfer hatten den/die Verletzte gerade aus dem Fahrzeug geborgen und telefonierten Retter herbei. Das einzig Gute: Es hatten jeweils viele Leute angehalten und halfen bereits. Niemand gaffte.

Ich war danach wirklich schockiert.

*

Wenn man mehrere Wochen in einem Land mit Tempolimit auf Autobahnen gefahren ist, wird klar: Ein generelles Tempolimit macht sehr viel Sinn. Alle fahren ungefähr gleich schnell, es gibt keine großen Geschwindigkeitunterschiede, keine Bremsmanöver, keine Staus – auch nicht dort, wo wirklich viel los war. Es fließt, und es fließt sehr sicher. Man kann den Tempomat reinmachen und fahren, fahren, fahren.

Kaum war ich hinter der deutschen Grenze: Fahren mit Tempomat kaum möglich. Dann Stau ohne Grund. Wegen Unfall. Und wieder ohne Grund.

Montag und Dienstag, 26. und 27. März

28. 03. 2018  •  6 Kommentare

Kleine Verzögerungen im Betriebsablauf, was das Heimwegbloggen angeht. Ich war beschäftigt mit Raclette und Schweizer Pralinés und guten Gesprächen.

Außerdem ist die Europäische Union bei der Standardisierung von Steckdosen und Steckern hinterher. In Italien hatte ich das im Griff. Für die Schweiz war ich nicht vorbereitet. Wer kann denn ahnen, dass der deutsche Stecker nicht in die Schweizer Steckdose passt, der italienische Adapter aber auch nicht. Das Macbook durfte einen Tag schlafen.

Derweil hatte ich gestern ein Déjà vu:

Knietiefer Schnee

Ganz zum Schluss geht nochmal alles auf Anfang.  Aber von vorn.

*

Montag

Am Montag bin ich am Lago d’Iseo aufgebrochen, das Auto voller Kram. Die ganze Karre roch allerdings nur nach Gregor, dem unerschrockenen Reiseschnittlauch. Völlig benebelt vom Schnittlauchdurft umkurvte ich Mailand.

Bevor ich durch den Gotthardtunnel fuhr, war das Wetter fantastisch: Sonne, 15 Grad, wunderbares Frühlingswetter. Dann fuhr ich in den Tunnel, starrte eine Viertelstunde lang in die Röhre, Tempomat auf 80, und sechszehn Kilometer später, auf der Nordseite des Gotthard: 4,5 Grad, Nebel und Nieselregen. Ich empfand heftige Spontanschwermut.

Auf dem Weg zu meinem Ziel in Langenthal hielt ich kurz in Luzern – ein wenig Mittagspause machen und mir die Beine vertreten.

Luzern, Brücke

Ich bin im ganzen vergangenen Jahr nicht so vielen Asiaten begegnet wie an diesem Tag in Luzern. Die ganze Stadt war voll von asiatischen Touristen, die genau das taten, was das Klischee von asiatischen Touristengruppen erwartet: Sie liefen unaufgespannten Schirmen hinterher, posierten neben Uhren, trugen Mundschutz, entstiegen Bussen und entschuldigen sich achtmal, wenn ich sie anrempelte. Irgendwann war ich gefangen in einer Gesellschaft älterer japanischer Herrschaften, die mir freundlich zunickten, mich dann aber systematisch einkreisten. Hätte ich nicht höllisch aufgepasst, säße ich jetzt im Bus nach Neuschwanstein und weiter nach Prag.

In Luzern gibt es einen asiatischen (natürlich!) Imbiss, und dieser asiatische Imbiss bereitet die schärfte Nudelsuppe der Welt zu. Und die heißeste. Himmel, ich wollte nur einen Snack und habe eine Dreiviertelstunde gebraucht, um diese Suppe zu essen. Zwei Taschentücher habe ich vollgeschnäuzt, meine Augen tränten; ich sah aus, als käme ich von einer Beerdigung. Aber lecker war’s.

Luzern, Altstadt

Danach fuhr ich weiter nach Langenthal, wo U mit erwartete. U hatte mir geschrieben, als ich ungefähr in den Abruzzen war: Wie denn mein Heimweg aussehe; wenn es passe, würde sie mich gerne in die Schweiz einladen.

So saß ich am Montagabend gemeinsam mit U am Abendbrottisch, wir tranken erst einen köstlichen selbstgemachten Aperitif auf Basis von Bitterorangen, Brandy und Roséwein, dann gab’s Lauch-Quiche und Crème brûlée, dazu einen guten Wein, und dann war es plötzlich sehr spät und wir waren sehr müde.

Lauch-Quiche

Crème brulée

*

Dienstag

Ein geschenkter Tag in der Nähe des Schweizer Jura – was mache ich da wohl? Genau: Hinauflaufen und hinunterschauen und danach ein Eis essen.

Ich fuhr nach Oberdorf in der Nähe von Solothurn, um auf den Weissenstein zu laufen. Bis ich dort war, war ich mir noch nicht sicher, ob ich wirklich hinauflaufen wollte. Denn es gibt eine Gondelbahn. Als ich dort ankam, war klar: Ich musste hinauflaufen wollen, denn die Gondelbahn hat derzeit ihre jährlich Revision und ist außer Betrieb. Also stapfte ich los.

Sehr schnell ging mir auf, warum es eine Gondelbahn gibt. Es ging steil bergauf. Also: wirklich steil. Biarnica-steil. Nur, dass der Weg deutlich länger war als vom Iseosee hinauf zu meinem Domizil.

Aufstieg zum Weissenstein

Auf den sonstigen Wanderungen geht es natürlich auch bergauf, zwischendurch flacht es aber immer mal ab. Hier war es von unten bis oben gleichbleibend steil. Hinterher schaute ich nach: 620 Höhenmeter auf 4 Kilometer. Das erklärt mein Schnaufen.

Aufstieg zum Weissenstein

Wie immer sieht das auf den Bildern gar nicht so wild aus. Und es sieht auch aus, als seien es nur 200 Meter gewesen.

Aufstieg zum Weissenstein

Nach ungefähr eine Stunde strammen Bergaufgehens Licht am Ende des Tunnels – beziehungsweise die Mittelstation der Gondelbahn am Ende der Kuppel.

Aufstieg zum Weissenstein

Ihnen fällt es vielleicht auch auf: Die Schneemenge nimmt zu. Nach der Mittelstation ging es um die Kurve. Dahinter sah es so aus:

Aufstieg zum Weissenstein

Ich prüfte zunächst durch bergauf- und wieder bergabgehen, ob ich denn auch wieder runterkommen würde. Denn bergauf ist ja alles immer schick, bergrunter wird es dann eine Rutschpartie – zumal, wenn der Schnee hart gefroren ist. Es ging aber einigermaßen. Also stapfte ich weiter bergan.

Aufstieg zum Weissenstein

Kurz vor dem Gipfel war der Schnee dann Schranken-hoch.

Aufstieg zum Weissenstein

Und ans Schaukeln war auch nicht zu denken.

Eingeschnaute Schaukel, nur noch ein Stück Kette guckt oben raus

Ich ging zum Kurhaus auf dem Weissenstein, ein Restaurant. Auch das Restaurant hatte Revision und war geschlossen. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass es geöffnet hatte, deshalb hatte ich mir ein Brot und einen Apfel eingepackt und stand glücklich im Wind auf dem Gipfel.

Weissenstein

Die Aussicht ins Tal war diesig – im Original aber schärfer als auf dem Bild. Das Auge kriegt die Darstellung besser hin als die iPhone-Kamera.

Ausblick vom Weissenstein

Danach schlitterte ich den Weg wieder hinunter. Und hinunter. Sackte zwischendurch mal ein. Und stapfte weiter hinunter. Vorbei an der Mittelstation. Und weiter hinunter. Und hinunter. Und hinunter. Und war irgendwann zurück am Auto.

Übrigens, wieder eine Frage an die Botaniker: Kennt jemand diese Knödelblume?

Knödelblume

Nach dem Aufstieg auf den Weissenstein gab es noch zwei Tagesaufgaben: Eis essen und Schweizer Schokolade kaufen. Dazu fuhr ich nach Solothurn. Um es kurz zu machen: Ich war in beidem erfolgreich, habe mir die Stadt angesehen und die Kathedrale besichtigt.

Solothurn

Solothurn: Einkaufsstraße mit Kathedrale

Kathedrale in Solothurn, Innenraum

Kathedrale in Solothurn, Kuppel

Für den Abend hatte mich U gefragt, ob ich Raclette möge – und wir machten Raclette. Mit Knoblauch und Speck, mit Ananas und mit Zwiebelsalat. Und mit Wein.

Raclette-Tisch

Am späten Nachmittag war ihre Tochter vorbeigekommen – mit einem Tablett voller Pâtisserie-Köstlichkeiten. Denn – wer hätte diesen Termin besser legen können? – sie hatte tagsüber einen Pâtisserie-Kurs besucht und acht Stunden lang Pralinen, Mousse und Schokolollis hergestellt. Ich möchte nicht viele Worte verlieren. Sehen Sie selbst:

Verschiedene Pralinés und Mousse, ein Schoko-Lolli, kandierte Mandeln

Zwei Sätze nur: Die rote Praline auf zwölf Uhr zergeht auf der Zunge, sobald man sie in den Mund legt. Der Mund füllt sich mit einem himbeerigen Geschmack, der sich mit dem Schmelzen der Schokolade zu einer paradiesischen Mélange vereint.

Dann war es plötzlich sehr spät, und wir waren sehr müde.

Sonntag, 25. März

25. 03. 2018  •  59 Kommentare

Der letzte Tag dieser Reise, Tag 30 des geschenkten Monats, den ich in Italien verbringe.

Der Wecker klingelte um 7 Uhr, denn ich wollte heute Großes vollbringen: Bötchen fahren! Ich fühlte mich allerdings sehr müde. Als ich die Küchenuhr sah, wusste ich auch, warum. Es war gar nicht 7 Uhr. Es war 6 Uhr. Sapperlot. Wochentage, Zeitumstellung, alles Schall und Rauch.

Ich frühstückte und stapfte dann den Berg hinunter zum Bootsanleger. Das Dorf schnarchte noch. Ich dachte erst, dass ich die Einzige sei, die zum Monte Isola übersetzen würde. Doch dann kam noch ein Paar mit Teenie-Sohn. Der Teenie-Sohn hatte ebenfalls die Zeitumstellung nicht verarbeitet.

Bootfahrt zum Monte Isola

Der See war morgenfrisch, diesig und leicht vernebelt. Die Sonne hatte es noch nicht über die Berge rundherum geschafft. An Deck war es frisch, aber nicht so kalt, dass ich drinnen sitzen musste.

Der Plan für den Tag: Hinauf auf den Inselberg steigen, hinunterschauen, wieder hinab gehen, hinaufschauen und ein Eis essen. Ich war nicht großartig vorbereitet, hatte nur gelesen, dass man am besten von Peschiera aus aufsteigt. Also fuhr ich mit dem Boot bis Peschiera Maraglio.

Dort ging ich einfach bergauf.

Monte Isola, Blick auf die Bergamasker Seite des Sees, blühender Busch

Das ist das Gute an dieser Art von Wanderausflügen: Die Orientierung ist einfach. Wenn der Weg sich gabelt, einfach immer die Abzweigung nach oben nehmen.

So stieg ich die Insel hinauf: über Pfade, über eine Straße, über Wiesen und durch das Dorf Cure.

Haus vor Bergkulisse

Weg nach oben, unten der See und Berge

Auf dem Monte Isola gibt es keine Autos. Die Einheimischen dürfen Motorroller fahren. Es gibt ein paar dieser dreirädrigen, kleinen Motocarri; die Bauern haben kleinere Traktoren, aber keine Autos.

Nach etwa einer Stunde kam ich auf dem Gipfel des Monte Isola an. Dort oben gibt es eine Kirche, das Santuario della Madonna della Ceriola.

santuario della Madonna della Ceriola

santuario della Madonna della Ceriola

Monte Isola: Blick vom Gipfel

Die Sonne schien sehr schön an eine Kirchenseite – dort, wo die Bänke stehen. Ich nahm das als Einladung und setzte mich eine halbe Stunde in die Sonne und genoss die Wärme.

Santuario: Bänke in der Sonne

Mit der Zeit kamen recht viele Leute – Italiener, die einen Sonntagsausflug machten und auch hinaufgestiegen waren: Freundinnen, eine Wandergruppe, ein Bergjogger mit Hund, ältere Paare, junge Paare und Familien. Sie mussten zur gleichen Zeit wie ich ein Schiff genommen haben, aber von der anderen Uferseite, der Brescia-Seite. Ich wohne auf der Bergamo-Seite.

Danach stieg ich wieder bis nach Cure ab, nahm dann aber den Weg nach Massa und nicht nach Peschiera, wo ich hergekommen war: Ich ging als statt nach 12 Uhr in Richtung 9 Uhr hinab. Das war ein sehr schöner Weg, mal gepflastert, mal unebener, aber immer gut begehbar.

Monte Isola, Abstieg

Monte Isola

Am Rande des Weges: Frühlingblumen. Yeah! Blühende Blumen in Weiß, Blau und Gelb, außerdem eine Blume, die ich noch nie gesehen habe. Vielleicht kennt sie jemand von Ihnen:

Blume

In Orzano, dem Küstenort unter Massa, ging ich gerade den Weg ins Dorf hinab, als ein Opa aus einer Tür trat. Ich bin sehr groß, der Opa war sehr klein. Er ging mir nur bis knapp über den Ellbogen.

„Kommst du von ganz oben?“, fragte er.
„Ja, genau. Von der Kirche.“
„Als ich ein junger Mann war, bin ich in siebzehn Minuten hochgelaufen. Siebzehn waren mein Rekord.“
„Siebzehn?! Von hier aus? Wow. Das ist gut.“
„Ich bin jetzt 85 Jahre alt. Nächsten Monat werde ich 86. Ich bin schon Urgroßvater. Bisnonno, sai? Nonno, Bisnonno – Urgroßvater.“
„Wohnen Ihre Enkel hier auf der Insel?“
„Nur einer. Meine Frau und meine Tochter wohnen auf der Insel. Und einer der Enkelsöhne.“
„Und Sie haben immer hier gewohnt?“
„Nur zwei Jahre nicht. Da habe ich in der Fischerei gearbeitet. Oder, naja, nicht gearbeitet. Ich habe in der Reederei nur beaufsichtigt. Also zwei Jahre nicht gearbeitet. Sonst immer hier. Wo wohnst du?“
„In Tavernola.“
„Dann kannst du gleich das Schiff dort unten nehmen. Hier die Straße runter, und dann rechts.“
„Gibt’s da unten auch eine Gelateria?“

Eine Eisdiele gab es nicht, dafür eine Bar mit einer gut gefüllten Tiefkühltruhe. Es war ja kürzlich Sortimentswechsel, wie wir wissen.

Ich nahm nicht das Schiff in Orzano, sondern ging am Ufer zurück bis nach Peschiera. Auf der Hälfte der Strecke: die Tankstelle des Ortes, 24 Stunden Self-Service.

Tankstelle

Peschiera Maraglio ist der touristischste Ort der Insel. An der Promenade gibt es einige Souvenirläden. Die meisten Besucher landen in Peschiera an.  Vor zwei Jahren waren hier auch die Floating Piers.

Ich hatte noch Zeit, bis mein Schiff abfuhr. Also ging ich ein wenig umher und setzt mich dann an die Promenade in die Sonne.

Peschiera

Der Rückweg:

Monte Isola vom Wasser aus

In Tavernola angekommen, musste ich den Berg, den ich heute morgen hinunter gegangen war, wieder hinauf. Sie kennen den Weg.

Das war der letzte Tag in Italien.

*

Trivia #1: Sandra schenkte mir, bevor ich abfuhr, ein Duschgel mit dem Namen „Der Tag gehört dir“. Ich nahm es mit auf die Reise. Heute, am letzten Abend, habe ich die letzten Tropfen verbraucht.

Duschgel

Trivia #2: Gregor lebt und wird gemeinsam mit mir zurück nach Deutschland reisen.

Gregor

*

Das Seltsame daran, dass ich abreise, ist, dass ich mich fühle, als wäre ich gerade erst angekommen. Nicht zeitlich. Zeitlich habe ich das Gefühl, ich sei bereits drei Monate unterwegs. Ich habe so viel mehr erlebt, als ich in einem Monat in meinem Alltag erlebe.

Was ich mit „Ankommen“ meine, ist: Anfangs war alles neu. Ich hatte keine Ahnung, wie die Dinge funktionieren: Wie man Auto fährt, ohne aufzufallen; an welches der Mauthäuschen man am besten heranfährt; wie die Dinge im Supermarkt angeordnet sind; wie es an der Käsetheke zugeht; welcher Radiosender annehmbare Musik spielt; wie der Tagesrhythmus ist; wann man Salve, wann Ciao und wann Buongiorno sagt. Überhaupt: das Reden. Es fällt mir deutlich leichter als vor einem Monat. Ich fühle mich nicht mehr fremd in Italien.

Nun fahre ich heim. Ich denke, ich werde irgendwann wiederkommen.

VG

Danke, dass Sie mich auf dieser Reise begleitet haben.

Samstag, 24. März

24. 03. 2018  •  10 Kommentare

Als ich gestern aus Bergamo kam, sah ich, dass es in Capriolo einen Gartenmarkt gibt. Nun, dachte ich mir heute morgen, es ist Samstag, es ist Frühling, da ist es nur folgerichtig, in einen Gartenmarkt zu fahren.

Gartenmarkt: Im Vordergrund Tontöpfe, dahinter Pflanzen

Ich wollte nach Pflanzen schauen, die ich in Deutschland nicht gut bekomme oder die vielleicht teurer sind. Außerdem hatte ich die Hoffnung, dass es Tontöpfe zu einem kleineren Kurs als im Dortmunder Baumarkt gibt.

So war es auch. Ich kaufte eine kleine Palme für mich und eine für die Turnschwester in Heidelberg. Dort komme ich ja auf dem Weg nach Norden vorbei. Außerdem kaufte ich Tontöpfe zu einem Schnäppchenpreis. Die großen kosteten 24 Euro, die kleinen 9 Euro. Nachdem ich bezahlt hatte, sagte die Verkäuferin: „Fahren Sie mal das Auto vor, wir helfen Ihnen beim Einladen.“

Ich fuhr das Auto vor, sie öffnete den Kofferaum und musste lachen.
„Das wird aber eng“, meinte sie.
„Ach“, sagte ich, „das kriegen wir schon hin.“
„Sie mögen gerne Wein, oder?“
„Ist nicht alles für mich.“
„Jaja.“

Wir räumten ein wenig, und dann passten Palmen und Töpfe – auch so, dass sie nicht klappern oder gegeneinander stoßen. Gut – für die Heimreise muss natürlich noch ein bisschen mehr ins Auto; ich habe ja noch Sachen im Appartment. Aber, ach – ein bisschen hier stapeln, ein bisschen dort zusammenschieben; ich habe schon mit einem Micra bei Ikea Möbel gekauft, da sollte das jetzt keine Herausforderung sein.

Danach fuhr ich zum anderen Ende des Sees nach Lovere. Der kleine Ort ist Mitglied in der Vereinigung I borghi più belli d’Italia, die schönsten Orte Italiens. Joa, ich sag mal: Es ist ganz hübsch. Die Mitgliedschaft hätten allerdings auch andere Orte verdient, denen ich auf meiner Reise begegnet bin.

Lovere: See in Lovere mit Steg parallel zum Ufer und Tannen

Positiv zu vermerken ist, dass Lovere eine Eisdiele hat, die gutes Eis macht – getestet an den Sorten Stracciatella und Latte e cereali. Allerdings war der Eisdielenmann der muffeligste Eismann Italiens. Das gibt Abzüge in der B-Note.

Der Iseosee war 2016 übrigens der Ort der Floating Piers, des Kunstwerks von Christo und Jeanne-Claude. Man konnte auf orangenen Stegen über den See bis auf die Insel Monte Isola gehen – und bis zu einer weiteren kleinen Insel, die San Paulo heißt und die der Eigentümerfamilie des Waffenherstellers Beretta gehört.

Lovere: Platz mit Brunnen

Der Weg von meinem Ort Tavernola Bergamasca bis nach Lovere führt am Ufer des Sees entlang. Je näher ich Lovere kam, desto mehr war die Straße dem Felsen abgerungen. Auf den letzten Kilometern vor dem Ort fallen die Berge senkrecht ins Meer. Die Straße ist nur so breit, dass gerade zwei Auto nebeneinander her fahren können; es gibt Einbuchtungen, damit man anhalten kann, wenn einem ein Lkw begegnet.

Noch ein Bild aus den Gassen von Lovere:

Gasse mit schmalem Haus in Lovere

Morgen letzter Tag in Italien für diese Reise. Danach Reisetag.

*

Gelesen: Auch 2018 gehört mein Uterus noch immer nicht mir – Journelle mit einer Wutrede zum Paragraphen 218, 219a, zu Informationen über Abtreibung und zu gemeinsamer Verantwortung. Just my two cents: Ich weiß von drei Frauen, dass sie abgetrieben haben. Alle drei hätten das Kind ausgetragen. Alle drei Erzeuger haben sich jedoch gegen das Kind ausgesprochen und hätten die Frauen sozial, emotional und wirtschaftlich allein gelassen. Zwei der Frauen wären sofort und unmittelbar von Armut bedroht gewesen, hätten sie das Kind ausgetragen: als mehr schlecht als recht zurechtkommende Selbstständige und als befristete Teilzeitkraft. Deshalb haben sich die Frauen damals für einen Abbruch entschieden. Zwei von ihnen haben heute Kinder. Die dritte habe ich aus den Augen verloren.

Gelesen: Warum bauen sich Menschen Stein-Käfige um den Garten? Das frage ich mich auch.

Angeguckt (via Herrn Buddenbohm): Bohnenballett



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