Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Österliche Entspannung, Serpentinen und leere Straßen

11. 4. 2020 4 Kommentare Aus der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Karfreitag | Ausgeschlafen. Rührei gefrühstückt. Auf die Terrasse gelegt. Gelesen. Eingenickt. Bad geputzt. Rückenyoga mit Mady gemacht. Auf den Balkon gelegt. Gelesen. Eingenickt. Aufs Sofa gelegt. Traumschiff geguckt. Fisch von Käpt’n Iglo gegessen. Wieder aufs Sofa gelegt. Ins Bett gegangen. Glücklich eingeschlafen.


Projektmanagement aus der Ferne | „Wir brauchen Deine Hilfe im Projektmanagement.“ Mit diesen Worten holte mich Daniel vor dreieinhalb Wochen ins Projekt „Mediziner für Mediziner gegen Covid“. Welche Ideen ich bei der Projektorganisation verfolgte, habe ich jetzt mal aufgeschrieben: Wie die Website entstand und welche Gedanken ich in der Projektorganisation verfolgte. Die Gedanken lassen sich natürlich auch auf andere Projekte übertragen.

Für das medizinische Publikum ist drüben bei „Mediziner für Mediziner gegen Covid“ ist ein neuer Artikel online: Intensivtransport bei Covid-9.


Treibenlassen | Der heutige Tag begann mit einem ausgedehnten Spaziergang durch die Hood, beginnend auf der südlichen Seeseite, dann durchs alte Arbeiterviertel den Remberg hoch, von dort weiter bis zu Stadtkrone Ost, vorbei am Backparadies für Frühstücksbrötchen und wieder nach Hause. Alles in allem fast zwei Stunden. Das war ordentlich.

See mit Sonne, davor Geäst mit beginnenden Blättern

Die B236 war fast geisterhaft leer, als ich sie überquerte. Die Bundesstraße ist normalerweise eine gut befahrene Nord-Süd-Verbindung von Schwerte und der A1, über Dortmund hoch zur A2.

Bundesstraße mit Mittelstreifen, links und rechts je zwei Spuren, nur ein Auto.

Vor dem Bäcker: eine lange Schlange. Alle warteten gesittet mit eineinhalb Metern Abstand. Ich setzte erstmals eine Gesichtsmaske auf und war damit eine von fünf Kundinnen – von geschätzten 40, die in dieser Zeit vor und nach mir einkauften. Das Sprechen beim Bestellen war mühselig: Die Bäckerei war voll, der Stoff fing einiges an Schall auf und erschwerte zudem die nonverbale Konversation. Ich war geneigt, näher an die Theke zu treten, um mich zu verständigen – was ja aber auch nicht Sinn der Sache ist.

Das weitere Tagesprogramm betand nur noch aus gepflegtem Balkonsitzen. Die Ostertage habe ich mir explizit frei genommen.


Puls | In diesen Tagen höre ich hier und dort vermehrt Stimmen, die sagen: „Wie lange soll das noch gehen? Sollen die Alten doch zu Hause bleiben!“ Risikogruppen würden halt sterben, so sei das eben. Erst gestern wurde ich wieder unfreiwillig Zeugin dieser lässigen Großzügigkeit, mit denen man anderen das Sterben gönnt.

Ich möchte dann gerne fuchtelnd auf Liste aller Faktoren deuten, die einen schlechten Covid-Verlauf begünstigen. Ich stelle mir diese Liste ähnlich der Eis-Tafel am Kiosk vor – nur mit Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, aktuellen oder überstandene Krebserkrankungen und Diabetes. Hinzu kommen (Sonderkarte): Alter ab 50 Jahre, Rauchen, Übergewicht. „Suchen Sie sich was aus!“, möchte ich rufen. „Bluthochdruck, Arterien-Verengungen, Herzrhythmusstörungen, Kurzatmigkeit, Asthma, Rheuma, Fettleber, Kippen, Bierbauch, schlechte Venen – wo sind Sie dabei?“

Außerdem – was soll das überhaupt heißen: Wer Vorerkrankungen hat, habe halt Pech – für solche Leute wolle man sich nicht einschränken? Sind gesellschaftliche Bemühungen nur von Wert, wenn wir damit junge, pumperlgesunde, apfelbäckige Menschen schützen? Ich krieg‘ Puls.


Corona-Service | Schon viel geteilt und verlinkt, dennoch hier noch einmal: Covid-19 – eine Zwischenbilanz oder eine Analyse der Moral, der medizinischen Fakten, sowie der aktuellen und zukünftigen politischen Entscheidungen | Ein besonderes Fremdschäm-Schmankerl: Antworten reisender Deutscher auf die Fragen niederländischer Grenzkontrolleure, wo die Fahrt denn hingehe und ob sie dringend nötig sei | Was Covid-19 von der Grippe unterscheidet, sind unter anderem die Folgeschäden schwerer Verläufe: Es scheint, als handele es sich bei Covid um eine systemische Erkrankung, die viele Organe in Mitleidenschaft zieht. | Geht mich nichts an, aber … | Bilder vom rumänischen Flughafen Cluj, von dem aus Erntehelfer nach Deutschland fliegen – Bericht der tagesschau | tagesschau aus dem HomeofficeWerbung für social distancing

Gelesen | Während ich am Karfreitag auf der Terrasse lag, habe ich Bov Bjergs „Serpentinen“ zu Ende gelesen. Das Buch ist hoch gelobt – genauso wie sein Vorgänger „Auerhaus“.

Buch "Serpentinen" auf dem Terrassentisch mit Milchkaffee und Saftschorle, dahinter der Garten mit blühendem Kirschbaum und Gewächshaus

Allerdings hatte ich mit Auerhaus meine Schwierigkeiten. So nun auch mit den Serpentinen. Ich fürchte: Bov Bjerg und ich kommen literarisch nicht zusammen. Klappentext:

Ein Vater unterwegs mit seinem Sohn. Ihre Reise führt zurück in das Hügelland, aus dem der Vater stammt, zu den Schauplätzen seiner Kindheit. Da ist das Geburtshaus, dort die elterliche Hochzeitskirche, hier der Friedhof, auf dem der Freund Frieder begraben liegt. Ständiger Reisebegleiter ist das Schicksal der männlichen Vorfahren, die sich allesamt das Leben nahmen: „Urgroßvater, Großvater, Vater. Ertränkt, erschossen, erhängt.“ Der Vater muss erkennen, dass sein Wegzug, seine Bildung und sein Aufstieg keine Erlösung gebracht haben. Vielleicht helfen die Rückkehr und das Erinnern. Doch warum bringt er seinen Jungen in Gefahr? Warum hat er keine Antwort auf dessen bange Frage: „Um was geht es?“ Er weiß nur: Wer zurückfährt, muss alle Kurven noch einmal nehmen. Wenn er der dunklen Tradition ein Ende setzen will.

Ullstein

Das Buch ist eine Reise in die Gedankenwelt des depressiven Vaters. Es beginnt fragmentarisch. Der Inhalt erschließt sich kaum. Der Sohn bleibt namenlos. Die fetzenhaften Gedanken des Vaters tragen die Beiden durch die Berge.

Wie schon in „Auerhaus“ ist der Protagonist der „Serpentinen“ stark ich-bezogen. Er ist selbstherrlich, wenig reflektiert und bleibt ohne Entwicklung. Natürlich: Das bringt die Krankheit der Depression mit sich. Gleichzeitig erhalte ich als Leserin dadurch keine Erkenntnisse.

Gelesen | Mysteriöses Meisensterben. Der Naturschutzbund startet eine Melde-Aktion.

Kommentare

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  1. Uwe sagt:

    Moin,

    verstehe ich Sie richtig dass an Depressionen erkrankte „selbstherrlich, wenig reflektiert und ohne Entwicklung“ sind ? Muss mich doch sehr wundern.

    Grüsse aus 58239 Schwerte,

    Uwe

    1. Vanessa sagt:

      Meine Erfahrung ist: Das kommt auf die Krankheitsphase und -ausprägung an. Innere Getriebenheit, eine innere Gedankenmaschine, die läuft und läuft und läuft – allerdings nicht vorwärts, nicht mit Erkenntnisgewinn. Dazu ein Alles-oder-Nichts-Denken. Äußerlich Stilllegung und Antriebslosigkeit, während das Innere bis zur Erschöpfung im Kreis rennt.

      Wenn dazu eine fehlende Krankheitseinsicht kommt, wenn für alle Impulse von außen Gründe gefunden werden, warum der Weg nicht infrage kommt, ist das eine riesige Selbstintensivierung.

      Vielleicht wäre das ein besseres Wort gewesen: Selbstintensivierung.

      Den Protagonisten in den Serpentinen nehme ich so wahr: um sich selbst und seine Gedanken kreisend, jeden Impuls von außen abwehrend, ohne Entwicklung. Das ist meiner Erfahrung nach durchaus Teil der Erkrankung, ja.

      Gleichzeitig ist es natürlich nicht das ganze Krankheitsbild und nicht repräsentativ für alle Erkrankten.

  2. blogspargel sagt:

    Also, der erste Artikel unter „Corona-Service“ von der Mittelländischen Zeitung aus der Schweiz finde ich sehr tendenziös, verstörend und angstverstärkend. Das wird der aktuellen Situation bei uns nicht gerecht. Es würde sicherlich der richtigen Einordnung helfen, hier auch einen Artikel zu verlinken, der die aktuelle Situation kritisch im Sinne überzogener Maßnahmen zu Lasten der Freiheit des Einzelnen sieht.

  3. Nihilistin sagt:

    Ah….ich sehe, auch Sie haben Mady entdeckt. Meine tägliche Begleiterin nach dem Homeoffice („man muss sich ja auch mal bewegen, wenn man schon nicht ins Büro darf“). Ich glaube, ich hab noch nie soviel Rückenturnen gemacht wie zu Corona-Zeiten (und bin auch noch nie so viel und vor allem regelmässig Rad gefahren)

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