Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Irgendwas ist ja immer

8. 4. 2020 7 Kommentare Aus der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Früher Vogel | Der Dienstag begann mit einem Gang um den See: 7:15 Uhr los und 8:30 Uhr wieder da. Das war gut – sieben Kilometer zu Fuß, das fehlt derzeit oft. Leider gab’s keinen Sonnenschein. Aber irgendwas ist ja immer.

See mit Dortmunder Panorama, bewölkt, im Vordergrund ein Baum

Das Reisebüro macht schon Stimmung für bessere Zeiten.

Aushang: "Wir sind immer noch da, nur gerade nicht hier, aber mobil präsent ... (Telefonnummer). Freut Euch schon jetzt auf tolle Reisen nach der Corona-Krise. Die brauchen wir dann alle dringend."

Heute war die 8:30-Uhr-Telko bereits um 8 Uhr, danach ging es direkt weiter mit Terminen – deshalb kein Morgenmarsch. Aber demnächst wieder, dann.


Einzelbüros | Aktuell gibt es wenig Spannendes, keine Reisen, keine Ortsveränderung, keine Sehenswürigkeiten, keine Stunts, keine Expeditionen und Erlebnisse, nicht einmal Restaurantbesuche.

Herr Buddenbohm bezeichnet seinen Gemütszustand als „vergnügt-fatalistisch“. Dem mag ich mich anschließen. Zwar plagt mich durchaus Besorgnis, was das Durchstehen einer möglichen Erkrankung angeht – sowohl für mich selbst als auch meine Lieben, und der Gedanke an andere, abstraktere Gruppen macht mich traurig -, darüber hinaus bin ich allerdings gottergeben. Die Situation ist, wie sie ist, und sie ist für mich persönlich nicht schlecht.

Alle, denen es anders geht, mögen mir dieses Gefühl nachsehen; aber ich erfreue mich daran, daheim zu sein. Sonst bin ich immer viel unterwegs; ich erfreue mich am Frühling zu Hause. In meinen Arbeitspausen stehe ich mit einer Tasse Kaffee im Garten und schaue versonnen in die Natur. Ich beobachte die Vögel, und wenn es sich fügt, harke, hege und pflanze ich. Das Spannendste findet deshalb in meinem Lebenssegment „Gemüsezucht“ statt. Die Kürbisse und Zucchini sind mittlerweile in Einzelbüros umgezogen.

Kürbis und Zucchini in kleinen Anzuchttöpfchen, die meisten schon mit drei Blättern.

Das Sozialleben gestaltet sich auch nicht übel. Zwar wenig körperlich, aber dennoch innig. Telefonate und WhatsApps halten zusammen, was zusammengehört. Wir speisen gemeinsam vor der Videokonferenz, der Dresscode ist gemütlich. Nach der Mahlzeit befinde ich mich in unmittelbarer Nähe des Bettes, ich brauche nur lang hinzuschlagen, schon liege ich drin. Es hat alles auch seine Vorteile.

Die Arbeit ist immer noch vorhanden, mehr als vorher. Ich habe ja auch mehr Zeit: jeden Tag zweieinhalb Stunden, die ich derzeit nicht auf der Autobahn verbringe – Raum, der sich füllt. Die Tage sind also zugleich voll und entspannt. Die Kommunikationswege stehen, der Rhythmus ist eingerichtet, man trifft sich morgens zur Telko, danach geht es an die Arbeit. Die Mittagspause ist allen stillschweigend heilig, der Nachmittag klingt mal um 16, mal um 18 Uhr aus, und ich bin direkt daheim.

Nur die Abbruzzen, die ich im Sommer besuchen wollte, fehlen mir schon jetzt, und ein Ausflug ans Meer wäre auch wunderbar. Aber irgendwas ist ja immer.


Corona-Service | Die Dortmunder Polizei spielt bei ihrer Fahrt durch die Straßen „You’ll never walk alone“. | Kleine Krankenhäuser in der Fläche: Erst sollen sie geschlossen werden, nun brauchen wir sie. Dennoch überlegen Träger, Personal in Kurzarbeit zu schicken. | Was ich jetzt oft lese: Etliche home-schoolenden Familien schwenken um auf „ein Fach pro Tag“ – und alle sind zufriedener. Vielleicht ein Modell, das man für den Schulalltag mal zu Ende denken könnte.

Gelesen | Adlon for One. Autor David Hugendick war im Hotel Adlon, und zwar ziemlich allein: Nur sechs andere Gäste waren mit ihm dort, Corona-Zeiten. Sein Text hat keine tiefgreifende Botschaft, der Besuch ist in diesen Zeiten genau genommen geradezu dekadent (aber sind Luxushotels das nicht immer?). Dennoch oder gerade deswegen ist es eine Freude, ihn zu lesen.

Ich habe einen Schreibtisch, an dem eigentlich magenkranke Patriarchen sitzen müssten, die unentwegt den Prokuristen anschreien, der obendrein die empfindsame Tochter geheiratet hat, die Blüten in Eichendorff-Bände presst. […]

Ich rufe den Zimmerservice mit einem Telefon, das aussieht, als seien damit früher einmal Nuklearwaffeneinsätze befohlen worden. Das Schnitzel? Ja, gewiss. Es werde gleich gebracht. Ich wollte noch sagen, dass ich es auch gern abholen könne, weil ich keine Umstände machen wolle, aber vermutlich würde das noch größere Umstände machen, außerdem heißt ja Luxus, andauernd irgendwelchen Menschen alberne Umstände zu machen und das für angemessen zu halten. Draußen wird es dunkel. 

Adlon for One

Gelesen | Für immer Hardrockhausen. Eine Besprechung des Moritz-von-Uslar-Buches „Nochmal Deutschboden“.

Gehört | Faking Hitler. Ein Podcast in zehn Folgen über die gefälschten Hitler-Tagebücher des stern, aufbereitet mit Original-Tonbandaufnahmen von Telefonaten zwischen stern-Reporter Gerd Heidemann und Fälscher Konrad Kujau. Die Geschichte wird erzählt wie ein Krimi. Ich bin aktuell bei Folge sieben. Wer auch Juan Morenos Relotius-Recherchen gelesen hat, erkennt Muster in der Haltung von Redaktionen und Verlagen, die solche Ereignisse begünstigen – darunter Machismo, Selbstgerechtigkeit und das Unterdrücken interer Kritik. „Faking Hitler“ ist ein Podcast des stern selbst, das Drehbuch stammt von Nilz Bokelberg. Die Älteren unter uns kennen ihn noch von VIVA. Empfehlung.

Gelesen | Ein Thread über die Siphonophore Apolemia uvaria, die Perlenkettenqualle, die laut Meerwasserlexikon „nicht für Heimaquarien geeignet“ ist. Ach was.

Kommentare

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  1. Katja sagt:

    Stimmt, irgendwas ist immer. Ich wäre froh, wenn bald der „Normalzustand“ wieder da ist.
    Zwar stressiger als jetzt aber dafür wenigstens Arbeit.
    Viele Grüße zu Dir, Katja

    1. Vanessa sagt:

      Ohne Arbeit isses alles Mist.

  2. Christian sagt:

    Nur eine winzige Ergänzung …

    : Etliche home-schoolenden Familien schwenken um auf “ein Fach pro Tag” –
    : und alle sind zufriedener. Vielleicht ein Modell, das man für den Schulalltag
    : mal zu Ende denken könnte.

    Die sog „offenen Unterrichtsformen“ , zB mit Wochenplan oder auch Epochenunterricht machen genau so etwas ja schon lange möglich. ich bin mir gar nicht sicher, dass alle Kinder, die jetzt im HomeSchooling streng nach Mathe-Deutsch-sachkunde von den Eltern beschult wurden das vorher in der Schule auch so erlebt haben.

    1. Vanessa sagt:

      Wochenplan und Epochenunterricht klingen gut. Ich mag das allerdings gar nicht weiter beurteilen; ich bin ja nicht vom Fach. Ich kann nur sagen: Wäre ich im Homeschooling, wären längere Einheiten, die thematisch bei einer Sache bleiben, hilfreich.

  3. Frau Irgendwas ist immer sagt:

    Die grünen Einzelofficebewohner, passen die alle ins Gewächshaus oder gibt es Draussen-Kandidaten? Vielleicht besondere Züchtungen?
    …die Perlenkettenqualle, die laut Meerwasserlexikon “nicht für Heimaquarien geeignet” ist. Ach was.
    Ich bin geneigt zu sagen: Irgendwas ist immer! *böser Kalauer bei meinem Namen, aber der musste raus*

    1. Vanessa sagt:

      Es kommt halt auch auf die Größe des Aquariums an.

      Die Einzelbürobewohner kommen allesamt ins Beet. Das sind Kürbisse und Zucchini. Die können das. Nur die Tomaten kommen ins Gewächshaus.

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