Als ich am Freitag noch einen Tag in Berlin, dachte ich, ich könne doch mal nach Tempelhof fahren und mir das Flugfeld anschauen. Das Wetter sollte gut sein, und ein bisschen herumlaufen und Leuten beim Drachensteigen zusehen – das ist eine schöne Sache. So fuhr ich nach Tempelhof.
Flughafen Tempelhof aus der Vogelperspektive. Die Hangars links wurde einst von der US Air Force genutzt, rechts für die zivile Luftfahrt.
Das Gelände ist von enger Bebauung und stark befahrenen, mehrspurigen Straßen umgeben. Der Verkehr rauscht, es ist laut. Doch mit jedem Schritt, den ich ich mich auf der Landebahn von der Umgebung entferne, wird die Stadt leiser, der Wind frischt auf, Autos und Menschen, Enge und Hitze verschwinden hinter mir. Ich kann verstehen, warum die Berliner das erhalten wollen, so wie es ist.
Das Flugfeld. Mit Flugzeug.
2050 Meter geradeaus.
Ich hatte vorher kurz ins Internet geschaut und gelesen, dass es Führungen durch das Flughafengebäude gebe: „Mythos Tempelhof“, freitags um 13 Uhr . Das passte. Ich kann an dieser Stelle schon vorwegnehmen: Machen Sie das ruhig mal, wenn Sie in Berlin sind. Buchen Sie so so eine Tour, es ist eine spannende Sache.
Die Führung startet im GAT, dem „General Aviation Terminal“ rechts neben der Abfertigungshalle. Im gesamten Gebäude ist, man kann es nicht anders als mit dieser Phrase sagen, die Zeit stehen geblieben. Hätte sich plötzlich die Türen geöffnet, hätten backenbärtige, Schlaghose tragende Reisende die Szene betreten, wären Stewardessen vom Flugfeld hoch gekommen und hätte uniformiertes Bodenpersonal hinter den Check-In-Schaltern Platz genommen, es hätte mich nicht gewundert – nein, es wäre selbstverständlich gewesen.
Der Flughafencharakter ist noch an jeder Stelle erhalten, muss es auch bleiben; es gibt da Vorschriften. Entsprechend ist alles picobello, die Böden sind sauber, die Anzeigetafeln noch vorhanden, nur das Gepäckband steht still. Aber es braucht nicht viel Fantasie, um es in Bewegung zu versetzen. Das Ganze ist recht surreal.
GAT: Das General Aviation Terminal
Die Abfertigungshalle
Abfertigungshalle: Aufgang ins Restaurant
Keine Telefonkabinen mehr.
Der Flughafen wurde vom Architekten Ernst Sagebiel entworfen. Erst später trat Albert Speer auf den Plan. Sagebiel hat, das wusste ich vorher nicht, mit Tempelhof den ersten modernen Großflughafen geplant – eine Art „Mutter aller Flughäfen“ mit Hotels, Geschäftsräumen, Verwaltungsgebäuden und einer kleinen Tribüne für Besucher, die nur gucken wollen. Zehn Pfennige sollte das damals kosten. So etwas hatte es vorher noch nie gegeben. Bisher waren Flugplätze ausschließlich dem Fliegen vorbehalten: Man kam, ging aufs Flugfeld, stellte sein Gepäck dort hin, bestieg das Flugzeug und war weg.
Sehr beeindruckend ist das Dach der Abflughalle. Es ragt vierzig Meter nach vorne und war auch als Tribüne gedacht: 100.000 Leute sollten auf ihm Platz haben, um der Luftwaffe bei Flugschauen zuzujubeln. Damit all diese Menschen möglich schnell herauf und herunter kommen konnten, wurden gegenläufige Treppenhäuser in das Gebäude gebaut: Binnen 30 Minuten sollte das Dach zur Propagandazwecken gefüllt werden können.
Hier stiegen die Leute in die Flugzeuge.
Man könnte meinen, es braucht, um den Ausleger zu halten, ein Kontergewicht, ähnlich wie bei einem Kran. Tatsächlich wird das Dach nicht hoch gezogen, sondern herunter gedrückt – von der Tribüne, die auf ihm gebaut ist.
Ankunft und Abflug. Rechts der Führerfahrstuhl – einer von zwei Fahrstühlen, die Adolf Hitler hat bauen lassen, damit er nicht mit dem Volk die Treppen hochlaufen musste.
Eines der gegenläufigen Treppenhäuser, die noch immer im Rohbau sind und niemals fertig gestellt wurden.
Im Gebäude befinden allerlei Räumlichkeiten, die mit dem Flugbetrieb erstmal nichts zu tun haben – darunter eine Basketballhalle der US Air Force. Die amerikanischen Streitkräften sind ja seit jeher bemüht, es ihren Soldaten im Ausland möglichst heimelig zu machen. So spielten hier also die Berlin Braves; der Boden ist sehr weich, viel weicher als deutscher Turnhallenboden.
Sporthalle der US Air Force. Hier trainierten und spielten die „Berlin Braves“. Es gab außerdem eine Damen- und Herrensauna.
Im Luftschutzkeller mit Wilhelm Busch. An den Wänden finden sich Striche und Zahlen, mit denen Menschen nicht die dort verbrachten Tage gezählt haben, sondern die Spielstände darstellen: Die Air-Force-Soldaten nutzten die Räume für Billard und andere Spiele.
Die monumentalen Räume über der Abfertigungshalle werden heute gerne für Filmaufnahmen benutzt.
Treppenhaus, gesehen aus dem dritten Untergeschoss.
Natürlich geht es bei der Führung auch um die NS-Zeit, um Zwangsarbeiter, die in zugigen, feuchten Hangars Flugzeuge zusammen bauten, die nur in entsprechenden Baracken zur Toilette gehen durften, einen Kilometer entfernt von ihrem Arbeitsplatz.
Es geht auch um die Luftbrücke, während der bis zu 58 Flugzeuge in der Stunden in Tempelhof landeten, entladen wurden und wieder starteten. Eine Sache, die mir besonders im Gedächtnis geblieben ist: Zu Anfang gab es noch keine betonierte Start- und Landebahn, nur eiserne Lochplatten, die bei jeder Landung auseinander sprangen. Zwei Leute mit einem Schweißgerät saßen im Gras, rannten hin, schweißten sie wieder zusammen und rannten weg, ehe der nächste Flieger landete. Ich denke mal, dass sie recht schnell auf den Beinen waren.
Zentralflughafen Tempelhof