Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

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Sein Projekt

31. 08. 2014  •  12 Kommentare

Auf meinem Balkon gibt es einen Thorsten, der genau ein Projekt hat: sein Projekt.

Ein Busch, eine Tomate

Für das Ausbrüten einer Riesentomate hat er alle Eitelkeit über Bord geworfen, alle Blätter abgeschüttelt, alle übrigen Blüten verdorren lassen. Noch zwei Tage, dann ist sie rot und reif. Noch zwei Tage, dann verliert sein Leben allen Sinn.

Die Lieblingstweets im August

29. 08. 2014  •  3 Kommentare

Twitter-Lieblinge 08/2014:

Bemerknisse zum Urlaub

26. 08. 2014  •  24 Kommentare

Achtzehn Bemerknisse* zum Urlaub:

  • Zu Siebt zu verreisen ist eine wunderbare Sache, kann ich nur jedem empfehlen. Man meint ja, das sei auf Dauer anstrengend, aber es gibt vieles, das man sich teilen kann: Das Kochen, die Kinderbespaßung, die Reparatur von Dingen. Das ist sehr praktisch.
  • Der Kochelsee war überdies ein ideales Reiseziel, vor allem mit drei Kindern. Stöcke, Steine und Dinosaurierskelette – es gab alles. Auch Schwäne, die sich streicheln ließen.
  • Und Zwerge.

Am Kochelsee

  • Fünf der sieben Urlauber waren ja Russen, Freunde aus Moskau, und ich muss sagen, dass es sehr kommod ist, Russisch zu lernen, wenn man einfach so beisammen ist. Mein Sprachverständnis hat sich deutlich verbessert.
  • Ich kann nun aufgrund der entsprechenden Interessenslage in der Reisegruppe sämtliche Tierarten auf Russisch benennen (auch Nacktschnecken), einschließlich ihrer unverpuppten Form (Raupe), ihren Kindern (Kälbchen, Ferkelchen) sowie sämtlichen Bestandteilen (Schwanz, Flügel, Schnauze, Popo). Hier beispielhaft eine коза:

Neugierige Ziegen

  • Überdies kenne ich nun, nachdem gefragt wurde und ich nachgesehen habe, das russische Wort für Haubentaucher, was für meine zukünftige Sprachentwicklung sicherlich noch von Bedeutung sein wird.
  • Im Kochelsee darf man angeln, wobei es nicht so einfach ist, an eine offizielle Angelerlaubnis für urlaubende Russen zu kommen. Aber es war der Herzenswunsch des Jungen, da setzt man alle Hebel in Bewegung. Die Damen und Herren in Kochel waren sehr freundlich, und so wurde nach 50 Euro in die Gemeindekasse und eineinhalb Stunden Behördengängen denn auch geangelt, ganz legal.

Beim Angeln

  • In den drei Kindern befand sich ein Eis-Wecker. Ab eine Stunde vor Eis begannen sie, oboenhaft zu quengeln, wobei Eis mal um zwei Uhr und mal um vier sein konnte, immer aber dann, wenn gerade kein Eis erreichbar war.
  • Der kindliche Eis-Wecker hat sich sehr schnell mit meiner eigenen inneren Eis-Uhr synchronisiert.
  • Falls Sie übrigens mal Kascha probieren wollen, den russischen Hirsebrei, kochen Sie einfach ein paar Hirsekörner. Erst kurz in heißem Wasser, danach abgießen, sonst wird es bitter. Danach im Verhältnis 2:1 (2 Wasser, 1 Hirse) 30 Minuten in heißem Wasser quellen lassen. Milch und ein bisschen Zucker dazu.
  • „Ordnung everywhere!“, wie oft habe ich diesen erstaunten Ausruf gehört. Überall gemähtes Gras, nirgends steht etwas herum – wie bezaubernd, wie verstörend. Von oben sieht unser Land sogar noch ordentlicher aus als von unten. Was uns so selbstverständlich vorkommt, ist es offensichtlich nicht.

Herzogstand: Blick auf den Kochelsee

  • Sommerrodeln ist eines dieser Dinge, an denen ich wahrscheinlich auch mit 80 nicht den Spaß verlieren werde.
  • Ich bin allerdings die, die auf der Sommerrodelbahn immer die lahmen Enten vor sich hat. Ich sehe es ihnen auf dem Weg nach oben schon an und kann trotzdem nichts tun!
  • Kühe gibt es in Bayern an jeder Ecke, sogar solche mit Glocke um den Hals. Letztere grasen dann unter meinem Schlafzimmer. Es gibt sie mit und ohne Euter. Die ohne Euter sind mir suspekt, auch wenn sie noch sehr jung sind. Ich bin ihnen aber offensichtlich auch nicht geheuer.

Kuhbegegnung

  • Nach sechs Tagen, an denen wir Berge hinauf und Berge hinab fuhren, Tiere bestaunt, München besichtigt und eine Klamm erobert hatten, packte mich dann doch die Wanderlust und ich legte an einem Tag laut Moves-App 25,7 Kilometer zu Fuß zurück – bei blendendem Wetter.

Wanderwetter

  • Danach taten mir zugegebenermaßen ein bisschen die Beine weh.
  • Das Wetter war übrigens sehr freundlich zu uns: Es regnete nachts und war tagsüber weitestgehend trocken.
  • Am Ende dann, nach sieben Tagen ebenso enthusiastischen wie geduldigen Angelns, stetigem Nachjustieren am Gerät und dem Wechsel des Angelplatzes, fing der Junge dann endlich einen Fisch. Einen einzigen, eine Äsche. Wir haben diesen 50 Euro teuren Fisch angemessen lange und andächtig betrachtet, bevor wir ihn (weil unter Schonmaß) ins Wasser zurückgesetzt haben.

Fisch gefangen!
*Wort geborgt von Frau Gmingmangg

Eine kleine Radtour durch Island

15. 08. 2014  •  10 Kommentare

Es gibt einen Menschen, der eine Idee hatte:

In Elmshorn aufs Rad steigen, nach Dänemark radeln, von dort mit einer Fähre nach Island gondeln, 2000 Kilometer durch Island radeln – über Holperpisten, durch einen Schneesturm und an Vulkanen vorbei – und wieder heimfahren. Verrückte Idee? Egal!

Sascha Eden hat es getan und darüber gebloggt. Aus den Blogbeiträgen ist jetzt ein Buch entstanden – und es ist ein zauberhaftes Buch.

Buch von Sascha Eden: Eine kleine Radtour

Vielleicht sagen Sie: „Ein Buch aus Blogbeiträgen? Nein, danke!“ Dann sollten Sie bei diesem Werk eine Ausnahme machen. Sascha erzählt kompakt, unterhaltsam und selbstironisch von seiner Tour durch Island, die er gemeinsam mit seinem Kumpel Philipp gemacht hat. Er schreibt über Gegenwind, über Rückenwind, übers Zelten in Vorgärten, über unerwartet heiße Quellen, verwunderte Auto-Touristen, ebenso verwunderte Isländer und ein bisschen auch darüber, was die Tour in ihm  bewirkt hat.

Das Ganze macht er in einem ruhigen, unaufgeregten Stil, der ganz im Gegensatz zu Elementen steht, denen er auf seiner Tour ausgesetzt war. Das macht auch den Zauber des Buches aus: Ich ahne als Leser, was Sascha seinem Körper abgerungen hat. Er hingegen erzählt ganz nüchtern von der 150 Kilometer langen Tagesetappe über windumtoste Hochlandpisten – und wie er abends dann doch recht müde war. Ein persönliches Buch, das sehr angenehm zu lesen ist – ich habe es in einem Rutsch durchgelesen.

Jede Etappe ist ein Kapitel. Zu jeder Etappe gibt es Bilder und Eckdaten. Am Ende des Buches hat Sascha aufgeschrieben, mit welcher Ausstattung er unterwegs war. Sehr interessant und vor allem: Respekt, mann. Hut ab.

Das Buch steht zum kostenlosen Download [pdf, 41 MB] zur Verfügung. Sascha freut sich aber auch, wenn Sie das Werk gedruckt kaufen (das ist auch viel cooler) – für ’nen Zehner, mit Versand 12,50 Euro: mehr dazu hier.

Göttliche Lage

14. 08. 2014  •  5 Kommentare

Wir haben hier in Dortmund ja diesen See. Den See, den man entweder mag oder grenzenlos doof findet.

Der See war mal ein Stahlwerk, die Hermannshütte. Sie wurde stillgelegt, abgebaut, Bauarbeiter haben ein Loch gegraben und Wasser reingelassen. Im See darf man zwar nicht baden, aber es gibt einen Yachtclub und manchmal finden Ruderwettbewerbe statt. Menschen segeln in Segelbooten über das kleine Stück Wasser, von einem Ende zum anderen, drehen um, segeln zurück und essen danach ’ne Currywurst.

Die Idee dieses vier Meter tiefen Tümpels ist ein bisschen Naherholung, ein bisschen Schickimicki. Die Dortmunder sollen flanieren und sich entspannen, es gibt Eisdielen, Restaurants und Spielplätze, alles mit architektonischem … ööhhm, ja, doch … Anspruch.  Ich glaube, ein Hauch von Jetset soll durch Dortmund wehen. Nur hat niemand so richtig an die Leute gedacht, die in den alten Arbeiterhäusern rundherum wohnen. Während sich alles um sie herum wandelt bleiben die Ureinwohner nämlich unbeeindruckt so, wie sie sind. Das ist ganz wunderbar, das muss man erlebt haben.

Fünf Jahre lang begleiteten zwei Filmemacher die Entstehung des Phoenixsees hier in Dortmund. Das Ergebnis ist ein Film: „Göttliche Lage – Eine Stadt erfindet sich neu“.

Ich bin schon sehr gespannt auf den Film. Ulrike Franke und Michael Loeken (Webseite) zeigen die Bauarbeiten, lassen alte und neue Anwohner sprechen. Der Ton des Trailers klingt in meinen Ohren kritisch; ich selbst finde den See hingegen durchaus prima, weil Dortmund solch eine Wohn- und Geschäftslage tatsächlich braucht, aber auch wegen seiner Seltsamkeiten.

Der Film feiert am 20. August im Cinestar Dortmund Premiere.

Sportive Frauen, die durchs Wasser pflügen

12. 08. 2014  •  17 Kommentare

Die Freistilstaffel ist ein zauberhaftes neues Schwimmblog.

Ich selbst schwimme zwar sehr gerne und – so viel Eigenlob darf sein – auch durchaus gut, zumindest ausdauernd und in jeglichen Gewässern angstfrei, ich schwimme jedoch äußerst selten. Das bringt mich direkt zu einer Frage, die bei der Freistilstaffel aufgeworfen wird:

„Wo sind denn all die sportiven Frauen, die durchs Wasser pflügen?“

Für mich kann ich sie klar beantworten: im Fitti. Und früher: in der Handballhalle. Selten allerdings im Schwimmbad, höchstens im Sommer im Freibad. Dann zwar durchaus für einen bis drei Kilometer mit Schwimmbrille und Sportanzug im 50-Meter-Becken, niemals aber im Winter im Hallenbad.

Das hat zwei Gründe.

1. Mein eigenes Mittelmaß

Ich habe nie richtig schwimmen gelernt – im Sinne von Technik, Schwimmverein, Leistungssport. Ich kann mich gut über Wasser halten, erreiche auch passable Kilometerzeiten (das Beste war 22 Minuten/km), kann aber nur mäßig kraulen. Die Eleganz, die einem gelernten Schwimmer zueigen ist, geht mir also völlig ab. Mein Schwimmstil ist am treffendsten mit „Der Zweck heiligt die Mittel“ zu beschreiben.

Das hat zur Konsequenz, dass gleichzeitig trainierende, vor Ehrgeiz strotzende und lautlos durchs Wasser gleitende Triathleten mich in der Sportlerbahn absichtlich umpflügen und anrempeln, um mir zu signalisieren: Hau ab, Mädel, lern erstmal schwimmen. In den anderen Bahnen ist allerdings aufgrund diverser Hindernisse – zuvorderst der quer zum Beckenrand treibende Olympiakader von Helsinki 1952 – an schwimmen nicht zu denken, und weil ich nirgends hingehöre, fühle ich mich fürchterlich unwillkommen.

2. Die Umstände

Schwimmbad ist warm, stickig, schwül. Bin ich fertig mit Schwimmen, gehe ich duschen, und ich habe mich noch nicht ganz abgetrocknet, da kann ich schon wieder duschen. Eine Jeans ist kaum übers Bein zu kriegen, das Haar baumelt nass aufs Shirt, die Haartrockner fönen mir eine Tonsur, das Oberteil klebt mir an der Brust.  An ein „Vor-dem-Büro-schwimmen-gehen“ ist nicht zu denken, denn ich sehe auch zwei Stunden, nachdem ich das Wasser verlassen haben, noch aus wie frisch aus dem Becken gezogen. Schonmal versucht, in der Hallenbad-Umkleide ein leichtes Tages-Make-Up aufzutragen? Genauso gut können Sie einen Karpfen schminken.

Abends schwimmen gehen? Keine Chance, bei Hallenbadöffnungszeiten bis 19 Uhr, ein einziges städtisches Bad immerhin bis 21.30 Uhr, aber das liegt weder nahe an meiner Arbeit noch nahe an meinem Wohnort. Also gehe ich ins Fitnessstudio. Dort fühle ich mich dann auch nicht fehl am Platze, denn dort ist der Durchschnitt die Norm.

Es gibt noch eine weitere Frage, die die Freistilstaffel aufwirft – oder vielmehr: Sie stellt eine Theorie auf.

„Was richtig Kraft und Anstrengung erfordert, ist nicht clean, sondern immer etwas animalisch, schwitzig und kompetitiv und sei es nur mit mir selbst. Ich habe den Eindruck, dass das nicht so viele Frauen mögen – richtig reinhauen, die eigene Kraft spüren und eher wild und ekstatisch als anmutig und gemäßigt sind.“

Dieser Hypothese, liebe Genderfreundinnen und -freunde, widme ich mich dann in meinem nächsten Beitrag.

 

 

First World Problems: Kernarme Wassermelonen und ihre Verfügbarkeitsprognose

11. 08. 2014  •  19 Kommentare

Es gibt etwas an Supermärkten, das mich wahnsinnig macht.

Zum einen ist das die Umräumerei. Wenn die Marmelade plötzlich nicht mehr beim Brot steht, sondern neben den Cornflakes, wohingegen die Cornflakes nun nicht mehr neben den Backwaren, sondern direkt hinter dem Obst sind, bei den Eiern, neben der Milch (wo sie vielleicht frühstücksthematisch hingehören, aber dann müsste auch das Brot …!). Das ist der Todesstoß für jedes positive Einkaufserlebnis, das ist ein solcher Blutdrucktreiber, dass ich, sollte ich noch dazu die Kokosmilch nicht finden, weil die Kokosmilch seit heute nicht mehr bei den Konserven steht, sondern neben Lafers exotischem Sondersortiment, zwischen den Grillsaucen und der polnischen Erlebnisecke -, das macht mich also so irre, dass ich kurz davor bin, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, meinen Einkaufswagen zu nehmen und alle vorhandenen 20 Gläser Senf an die Kühltheke zu fahren und neben die Bratwurst zu räumen und noch dazu die Magen- und Darm-Tees zum Klopapier zu sortieren. Sollen sie doch mal fühlen, wie das ist!

Zum anderen macht mich wahnsinnig, wenn sechs Wochen lang kontinuierlich dieser unfassbar großartige Walnusskäse da ist, danach aber zwei Wochen nicht, dann zwei Wochen wieder doch, dann wieder drei Wochen nicht.

Oder Leberpastete. Ich esse gerne Leberpastete, aber sie hat offensichtlich nur um Weihnachten herum Saison, wobei für den durchschnittlichen Kunden mit durchschnittlichem Temperatur- und Festtagsempfinden niemals eindeutig ist, wann Weihnachten beginnt und endet und wann es im November und im Februar Pause hat, zu Ostern aber wieder einsetzt, mithin auch zu Pfingsten, zum Erntedank aber wiederum nicht. Es ist völlig undurchschaubar, wann die Supermärkte in meiner Umgebung Leberpastete führen.

Oder Wassermelonen. Derzeit befinde ich mich in einer knallharten Wassermelonenphase, und ich bin eigen: Sie müssen kernarm sein, sonst macht das alles keinen Spaß. Das ist doch dann eine Riesensauerei, es dauert ewig, die schwarzen Kerne rauszupulen, und im Büro – nein, das muss nicht sein. Also: kernarm. Es gibt aber nicht immer kernarme Wassermelonen, manchmal gibt es überhaupt keine Wassermelonen, dann wieder paletten- und kistenweise. Heute war ich in drei Supermärkten, die grundsätzlich kernarme Wassermelonen führen: Einer hatte gar keine, der andere hatte nur welche mit Kerne, der dritte hatte sie da. Aber warum muss ich deswegen rumfahren? Kann man in Zeiten von Warenwirtschaftssystemen dem Kunden nicht zugänglich machen, ob Wassermelonen, Leberpastete und Walnusskäse da sind? Warum muss ich immer wieder enttäuscht werden? Ikea kann das doch auch.

Als ich im dritten Laden dann endlich die Wassermelone kaufte, habe ich natürlich noch Fetakäse gekauft und Klopapier, Butter und dieses Tiroler Schüttelbrot, das so unfassbar teuer, aber auch so super ist. Wäre für mich also ersichtlich, dass es diese eine Produkt zuverlässig an diesem einen Ort gibt, würde ich dort natürlich gezielt hinfahren und auch alles andere einkaufen.

Oder ich bestelle meine Wassermelone halt irgendwann online.

Flughafen Tempelhof

10. 08. 2014  •  6 Kommentare

Als ich am Freitag noch einen Tag in Berlin, dachte ich, ich könne doch mal nach Tempelhof fahren und mir das Flugfeld anschauen. Das Wetter sollte gut sein, und ein bisschen herumlaufen und Leuten beim Drachensteigen zusehen – das ist eine schöne Sache. So fuhr ich nach Tempelhof.

Flughafen Tempelhof aus der Vogelperspektive

Flughafen Tempelhof aus der Vogelperspektive. Die Hangars links wurde einst von der US Air Force genutzt, rechts für die zivile Luftfahrt.

 

Das Gelände ist von enger Bebauung und stark befahrenen, mehrspurigen Straßen umgeben. Der Verkehr rauscht, es ist laut. Doch mit jedem Schritt, den ich ich mich auf der Landebahn von der Umgebung entferne, wird die Stadt leiser, der Wind frischt auf, Autos und Menschen, Enge und Hitze verschwinden hinter mir. Ich kann verstehen, warum die Berliner das erhalten wollen, so wie es ist.

Tempelhof: Flugfeld

Das Flugfeld. Mit Flugzeug.

 

Tempelhof: Flugfeld

2050 Meter geradeaus.

 

Ich hatte vorher kurz ins Internet geschaut und gelesen, dass es Führungen durch das Flughafengebäude gebe: „Mythos Tempelhof“, freitags um 13 Uhr . Das passte. Ich kann an dieser Stelle schon vorwegnehmen: Machen Sie das ruhig mal, wenn Sie in Berlin sind. Buchen Sie so so eine Tour, es ist eine spannende Sache.

Die Führung startet im GAT, dem „General Aviation Terminal“ rechts neben der Abfertigungshalle. Im gesamten Gebäude ist, man kann es nicht anders als mit dieser Phrase sagen, die Zeit stehen geblieben. Hätte sich plötzlich die Türen geöffnet, hätten backenbärtige, Schlaghose tragende Reisende die Szene betreten, wären Stewardessen vom Flugfeld hoch gekommen und hätte uniformiertes Bodenpersonal hinter den Check-In-Schaltern Platz genommen, es hätte mich nicht gewundert – nein, es wäre selbstverständlich gewesen.

Der Flughafencharakter ist noch an jeder Stelle erhalten, muss es auch bleiben; es gibt da Vorschriften. Entsprechend ist alles picobello, die Böden sind sauber, die Anzeigetafeln noch vorhanden, nur das Gepäckband steht still. Aber es braucht nicht viel Fantasie, um es in Bewegung zu versetzen. Das Ganze ist recht surreal.

Tempelhof: GAT

GAT: Das General Aviation Terminal

 

Tempelhof: Abfertigungshalle

Die Abfertigungshalle

 

Tempelhof, Abfertigungshalle: Aufgang ins Restaurant

Abfertigungshalle: Aufgang ins Restaurant

 

Tempelhof: Telefon

Keine Telefonkabinen mehr.

 

Der Flughafen wurde vom Architekten Ernst Sagebiel entworfen. Erst später trat Albert Speer auf den Plan. Sagebiel hat, das wusste ich vorher nicht, mit Tempelhof den ersten modernen Großflughafen geplant – eine Art „Mutter aller Flughäfen“ mit Hotels, Geschäftsräumen, Verwaltungsgebäuden und einer kleinen Tribüne für Besucher, die nur gucken wollen. Zehn Pfennige sollte das damals kosten. So etwas hatte es vorher noch nie gegeben. Bisher waren Flugplätze ausschließlich dem Fliegen vorbehalten: Man kam, ging aufs Flugfeld, stellte sein Gepäck dort hin, bestieg das Flugzeug und war weg.

Sehr beeindruckend ist das Dach der Abflughalle. Es ragt vierzig Meter nach vorne und war auch als Tribüne gedacht: 100.000 Leute sollten auf ihm Platz haben, um der Luftwaffe bei Flugschauen zuzujubeln. Damit all diese Menschen möglich schnell herauf und herunter kommen konnten,  wurden gegenläufige Treppenhäuser in das Gebäude gebaut: Binnen 30 Minuten sollte das Dach zur Propagandazwecken gefüllt werden können.

Tempelhof: Das Dach

Hier stiegen die Leute in die Flugzeuge.

 

Tempelhof: Dach

Man könnte meinen, es braucht, um den Ausleger zu halten, ein Kontergewicht, ähnlich wie bei einem Kran. Tatsächlich wird das Dach nicht hoch gezogen, sondern herunter gedrückt – von der Tribüne, die auf ihm gebaut ist.

 

Tempelhof: Vor der Abfertigungshalle

Ankunft und Abflug. Rechts der Führerfahrstuhl – einer von zwei Fahrstühlen, die Adolf Hitler hat bauen lassen, damit er nicht mit dem Volk die Treppen hochlaufen musste.

 

Tempelhof: Treppenhaus

Eines der gegenläufigen Treppenhäuser, die noch immer im Rohbau sind und niemals fertig gestellt wurden.

 

Im Gebäude befinden allerlei Räumlichkeiten, die mit dem Flugbetrieb erstmal nichts zu tun haben – darunter eine Basketballhalle der US Air Force. Die amerikanischen Streitkräften sind ja seit jeher bemüht, es ihren Soldaten im Ausland möglichst heimelig zu machen. So spielten hier also die Berlin Braves; der Boden ist sehr weich, viel weicher als deutscher Turnhallenboden.

Tempelhof: Sporthalle

Sporthalle der US Air Force. Hier trainierten und spielten die „Berlin Braves“. Es gab außerdem eine Damen- und Herrensauna.

 

Tempelhof: Luftschutzkeller

Im Luftschutzkeller mit Wilhelm Busch. An den Wänden finden sich Striche und Zahlen, mit denen Menschen nicht die dort verbrachten Tage gezählt haben, sondern die Spielstände darstellen: Die Air-Force-Soldaten nutzten die Räume für Billard und andere Spiele.

 

Tempelhof: über der Abfertigungshalle

Die monumentalen Räume über der Abfertigungshalle werden heute gerne für Filmaufnahmen benutzt.

 

Tempelhof: Treppenhaus

Treppenhaus, gesehen aus dem dritten Untergeschoss.

 

Natürlich geht es bei der Führung auch um die NS-Zeit, um Zwangsarbeiter, die in zugigen, feuchten Hangars Flugzeuge zusammen bauten, die nur in entsprechenden Baracken zur Toilette gehen durften, einen Kilometer entfernt von ihrem Arbeitsplatz.

Es geht auch um die Luftbrücke, während der bis zu 58 Flugzeuge in der Stunden in Tempelhof landeten, entladen wurden und wieder starteten. Eine Sache, die mir besonders im Gedächtnis geblieben ist: Zu Anfang gab es noch keine betonierte Start- und Landebahn, nur eiserne Lochplatten, die bei jeder Landung auseinander sprangen. Zwei Leute mit einem Schweißgerät saßen im Gras, rannten hin, schweißten sie wieder zusammen und rannten weg, ehe der nächste Flieger landete. Ich denke mal, dass sie recht schnell auf den Beinen waren.

Zentralflughafen Tempelhof: Abfertigungshalle

Zentralflughafen Tempelhof

 

Nachlese

9. 08. 2014  •  6 Kommentare

Schön war’s am Donnerstag in Berlin.

Gemeinsam mit Matthias SachauFrédéric ValinErasmus von Meppen und Nutellagangbang habe ich beim Jour Fitz im 4010 Telekom-Shop gelesen. 

Frédéric Valin liest

Herr Frédéric erzählt eine Geschichte vom Dorf.

 

Erasmus von Meppen verliest die Nachrichten

Herr von Meppen verliest die Nachrichten.

Die Vorträge der Herren waren sehr heiter. Schauen Sie sich die Werke gerne näher an. Meine besondere Empfehlung ist Frédéric Valin, der amüsante Geschichten übers Teenagersein auf dem Dorf kennt.

Mit von der Partie war auch Roman Shamov. Für die Dortmunder: Das ist der Beifahrer von Jürgen Klopp.

Herr Roman hat eine Geschichte mit Clown vorgelesen – nein: vorgespielt, so ein Schauspieler macht das nochmal ganz anders als wir zaghaften Autoren; und er hat ein Liedchen gesungen, das er mit Lucie van Org als Duo Meystersinger gemacht hat. Sehr hübsch ist das:

Nach der Arbeit dann das Vergnügen: So ein Berliner Nachtleben hält schließlich auch an einem Donnerstag Kurzweil bereit. Ist ja nicht Dortmund.

Zwei Gläser Astra

 

Langmut

6. 08. 2014  •  9 Kommentare

Nehmen wir meine Studienzeit.

Ich habe unter anderem Italienisch studiert und die italienische Sprache erst zu Beginn des Studiums erlernt. Es gab einen Intensivkurs, in den jeder ging, der es nötig hatte, und in dem die Grundfertigkeiten  durchgeackert wurden. Wir wurden mit Unmengen von Vokabeln und Grammatik beschüttet. Parallel habe ich in den anderen Kursen die „Einführung in die Literaturwissenschaft“ und die „Einführung in die Sprachwissenschaft“ absolviert, dazu natürlich die Seminare der verbleibenden Fächer – und nebenbei in zwei Jobs gearbeitet. Ich war also nicht unbedingt unterbeschäftigt. Trotzdem ging das Sprachenlernen locker von der Hand: Nach einem Semester bin ich nach Italien in den Urlaub gefahren, kam dort gut zurecht, habe um Zimmerpreise gefeilscht, habe mir „Die Säulen der Erde“ gekauft, gelesen, und bis auf bautechnische Spezifika von Kathedralen auch verstanden.

Seit September lerne ich nun Russisch und es gestaltet sich deutlich mühseliger. Das liegt zum einen daran, dass ich keine Vorkenntnisse in slawischen Sprachen habe. Zum anderen aber auch daran, dass neben einem normalen Job, der Fahrt zur Arbeit, Tomatengießen, Sport und den Freunden, die ich auch treffen möchte, nicht viel Zeit übrig bleibt, um mich dem Russischen zu widmen. Bisweilen würde die Zeit, ihr reines Vorhandensein, sogar ausreichen – eine regelmäßige halbe Stunde genügt ja -, doch nach zehn Stunden im Büro, nach Telefonaten, Mails, Sitzungen, Plänen, Konzeptionen und Diskussionen bin ich oft viel zu müde zum Sprachenlernen, dann funktioniert nur noch Gartenarbeit; es geht einfach nichts rein in den Schädel.

Das ist frustrierend, vor allem weil ich ein höheres Tempo gewohnt bin. Eine Hilfe ist immerhin, dass mir meine russische Freundin mittlerweile in ihrer Muttersprache schreibt. Denn das, was in Lehrbüchern steht, geht irgendwie an meinem Vokabelbedarf vorbei: Dass ich mich und meine Firma demnächst bei einem Geschäftsessen vorstellen muss, wird nicht passieren. Ich antworte ihr in einem Russisch-Englisch-Kauderwelsch – mehr Englisch als Russisch, aber immerhin, mühsam ernährt sich бе́лка, Bjilka, das Eichhörnchen: Wir unterhalten uns immerhin über Dinge, über die man sich halt so unterhält. So taste ich mich Wort und Wort, Wendung für Wendung, voran.

Wenn ich es mir also bei Licht betrachte, ist diese Russischsache vor allem für eines gut: um meinen Langmut und mein Durchhaltevermögen zu trainieren.

 

 



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