Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Ein Ausflug ins Altmühltal

24. 7. 2023 7 Kommentare Aus der Kategorie »Expeditionen«

Expedition in die Wissenschaft | Meine Sommerpause ist zu Ende. Zu diesem Anlass habe ich noch einen Ausflug gemacht. Ich setzte mich in den Zug und fuhr nach Eichstätt.

KU Eichstätt

Vor einigen Wochen habe ich eine Einladung aus Eichstätt erhalten – zum Jubiläum der Eichstätter Journalistik und zur Antrittsvorlesung von Annika Sehl. Mit Annika habe ich an der TU Dortmund zusammengearbeitet, am Institut für Journalistik. Wir waren damals beide wissenschaftliche Mitarbeiterinnen. Ich habe mich danach aus dem Wissenschaftsbetrieb verabschiedet, habe Medienangebote auf Smartphones und Tablets gebracht und mich später selbstständig gemacht. Annika ist in der Wissenschaft geblieben und hat eine großartige Karriere hingelegt. Nach Stationen in Oxford, Vertretungsprofessuren in Dortmund und Hamburg und einer ordentlichen Professur an der Universität der Bundeswehr in München ist sie jetzt Professorin an der KU Eichstätt. Dort beschäftigt sie sich mit Medienstrukturen und Gesellschaft, darunter viel mit den öffentlichen-rechtlichen Medien. Sie ist unter anderem auch Mitglied im Zukunftsrat der Rundfunkkommission an.

Außerdem hielt auch Karin Boczek ihre Antrittsvorlesung. Sie ist Juniorprofessorin für Digitalen Journalismus; auch sie kenne ich aus Dortmund. Die dritte Antrittsvorlesung hielt Liane Rothenberger. Ihr Schwerpunkt sind Medien und Migration.

Interessantes aus den Vorträgen, vereinfacht zusammengefasst:

  • Forschung zu Mediennutzung Geflüchteter: Arabischsprache Kinder nutzen sehr schnell deutschsprachige Medien – und haben dabei auch Kontakt zu öffentlich-rechtlichen Programmen.
  • Aktuelle forscht Annika Sehl zur Frage, wie Redaktionen ihre Berichterstattung verändern können, so dass sie der Friedensorientierung dienen und Polarisierung entgegenwirken?
  • Je höher die Einnahmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, desto höher auch die Einnahmen privater Programme. Offentlich-rechtliche Medien tun der Medienlandschaft wirtschaftlich gut und beleben den Markt.
  • Junge Menschen sind eher bereit für öffentlich-rechtliche Programme zu bezahlen als Ältere. Wichtig: Journalistische Qualität muss im Mittelpunkt stehen.

Verschwunden im Altmühltal | Die Anreise nach Eichstätt war thrilling. Von Haltern nach Nürnberg war alles noch einfach. In Nürnberg zeigte die Bahn-App dann Züge, die der papierene Aushang nicht kannte. Der Aushang informierte hingegen über Verbindungen, die die App nicht kannte. Am Gleis stand schließlich ein Regionalexpress, der weder in der App noch im Aushang auftauchte. Der also gar nicht existent war. Das angeschlagene Ziel: Treuchtlingen, dort angeblich Umsteigeoption nach Eichstätt. Stationen: Schwabach, Roth, Georgensgmünd, Mühlstetten, Pleinfeld, Ellingen, Weißenburg. Noch nie gehört! Alles.

Ich stieg ein, das Internet brach weg, wir durchquerten malerische Orte vor Felswänden. Die Leute verließen nach und nach den Zug, bis ich allein war. Ab dem Zeitpunkt hätte der Lokführer mich überallhin fahren können. Niemand hätte mich je gefunden, zerstückelt und vergraben zwischen Emetzheim und Dettenheim, entführt in einem Zug, den es nie gegeben hat.

Überraschenderweise kam ich gut in Treuchtlingen an. Dort stand auch tatsächlich ein Zug nach Eichstätt. In Eichstätt stellte sich jedoch heraus, dass ich noch gar nicht in Eichstätt bin. Von Eichstätt-Bahnhof muss man nämlich noch in einen Schienenbus umsteigen, der über Wasserzell und Rebdorf nach Eichstätt-Stadt fährt. Ich hinterfragte nichts. Es war auch schon 19 Uhr.

In Eichstätt-Stadt war ich immer noch nicht am Ziel. Ich musste in einen Landgasthof nach Landershofen, vier Kilometer jottwede. Ich suchte und fand ein Taxi – das einzige. Darin: der Vadda von Kommissar Thiel aus Münster, vierzig Kilo schwerer.

Taxifahrer: „Sie kumma bestimmt a wegen dea Journalistik.“
Ich: „Bin ich nicht die erste heute?“
Taxifahrer: „Do, so Sie hinwollen, hob i heid scho oan Professor hingefohn. Aus Hamburg. Kennen Sie den?“
Ich: „Wie sah er denn aus?“
Taxifahrer: „Dea war no älter ois i. Und trug oan Hut.“
Ich: <schweige>
Taxifahrer: „Dass do ibahaupt Journalisten ausgebildet wern. So unabhengig, mid eigener Meinung, mein i.“
Ich: „Die Eichstätter Journalistik hat einen sehr guten Ruf.“
Taxifahrer: „Ko ma goa ned glauben. In Bayern!“


Riding the Möhre | Weil Taxifahren auf Dauer ziemlich teuer ist, und die Taxiunternehmen Eichstätts werktags nur Dienstzeiten bis 18:30 Uhr haben (tatsächlich!), mietete ich mir im Landgasthof ein Fahrrad.

Das Ding war die schärfste Möhre, auf der je geritten bin: zwei Rahmengrößen zu klein, Rücktritt, das Vorderrad eierte, das Hinterrad auch, aber nicht im gleichen Rhythmus. Das Sattelrohr rutschte außerdem immer runter, so dass ich mit den Knien an den Ohren trampelte. Jede Fahrt eine Zirkusnummer!

Fahrrad an der Landstraße vor dem Ortsausgangsschild Eichstätt, zwei Kilometer bis Landershofen

Aber egal, die Möhre fuhr, sie fuhr zu jeder Tages- und Abendzeit und brachte mich mehrmals von Landershofen nach Eichstätt und wieder zurück.


So klein ist die Welt | Den Professor aus Hamburg kannte ich übrigens wirklich. Er hatte einen Lehrstuhl in Dortmund, als ich dort wissenschaftliche Mitarbeiterin war. Wir frühstückten zusammen, und er plauderte.


Unterwältigt in Ingolstadt | Am Samstag, dem Tag nach der Veranstaltung, blieb ich noch in Oberbayern. Bei so langen Fahrten hänge ich oft einen Tag dran, besonders wenn ich die Gegend noch nicht kenne. Eigentlich hatte ich vorgehabt, ein wenig Fahrrad zu fahren, aber mit dem vorhandenen Gerät kam das nicht in Frage. Also fuhr ich mit dem Zug nach Ingolstadt. Ich war hart unterwältigt. Eine Stadt, charmant wie Hagen, nur mit bayerischer Fassade. Vergeblich suchte ich nach schönen Ecken, lief vom Hauptbahnhof durch die Altstadt zum Nordbahnhof, aß ein gar nicht mal so gutes Gemüsecurry, fand das Schloss und die Festung und fuhr wieder zurück nach Eichstätt.

In Eichstätt setzte ich mich hin, hing an der Altmühl ab, las und guckte Leute an.


Überwältigt von der Bahn | Heimfahrt im Pride-ICE.

ICE mit Regenbogenstreifen

Die Fahrt von Eichstätt zurück nach Haltern war maximal ereignislos, geradezu großartig langweilig. Die Umsteigezeiten in chronologischer Reihenfolge: drei Minuten in Eichstätt-Bahnhof, zwölf Minuten in Nürnberg, fünf Minuten in Essen. Es hat alles geklappt! In den zwölf Minuten in Nürnberg konnte ich mir sogar Brötchen und ein Getränke kaufen und habe ein Kinder bueno am Automaten gezogen.


Schwein des Tages | „Der Napf ist leer, chica.“

Meerschwein steht mit den Pfoten auf dem Rand des leeres Futtertellers
Kommentare

7 Antworten: Bestellung aufgeben ⇓

  1. Nadine sagt:

    Charmant wie Hagen? Wie ironisch ist das gemeint? ;)
    Also, weil was ich als Exilhagenerin finde: Hagen hat so schöne grüne Ausblicke, es ist sehr grün… und wenn in Bremen alle immer sagen, Bremen sei so grün, denke ich: Fahrt mal nach Hagen… Das meine ich übrigens total ernst. Hübsch ist die Stadt nicht, aber grüner als viele andere…

    1. Vanessa sagt:

      „Aber es ist total grün hier!“ Ist es in Bochum auch. Und in Wuppertal. Trotzdem möchte ich dort nicht wohnen. Wie in Hagen. :)

      Aber wer weiß, wohin es mich irgendwann nochmal verschlägt.

    2. Nadine sagt:

      Ich wohne da ja auch nicht ;)

    1. Vanessa sagt:

      5282 Euro im Durchschnitt, halleluja! Und auch das Mediengehalt ist noch sehr ordentlich.
      Bei dem Gehalt kann man es sich auch leisten, öfter mal wegzufahren.

    2. Ich versuche ja seit langem, meinen davon profitierenden Bruder dazu zu bringen, an roten Ampel anderer Städte Audi-Fahrer*innen an die Seitenscheibe zu klopfen und ihnen nach Herablassen ganz herzlich und mal persönlich dafür zu danken, dass sie diese scheißteuren Autos kaufen, sonst könnte er ja nicht so viel verdienen.

  2. Sabine sagt:

    Ich bin leicht erschüttert, dass ein Besuch in Eichstätt nach Ingolstadt ausweicht, ohne den Bastionsgarten bzw. Hortus Eystettensis wie er nun mal seit dem 16. JH heißt, in Eichstätt überhaupt mal in Erwägung zu ziehen.
    Natürlich erschüttert mich die Beschreibung des Fahrrads ebenso, aber das ist ja nur Blech und Gummi. Der Hortus hingegen, ein Juwel.

Die Kommentare sind geschlossen



In diesem Kaffeehaus werden anonym Daten verarbeitet. Indem Sie auf „Ja, ich bin einverstanden“ klicken, bestätigen Sie, dass Sie mit dem Datenschutz dieser Website glücklich sind. Dieser Hinweis kommt dann nicht mehr wieder. Datenschutzerklärung

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen