Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Kill the Konferenzkekse, Berlin-Edition

5. 12. 2019 14 Kommentare Aus der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Broterwerb in Berlin | Gestern bin ich nach Berlin gereist.

Der Weg hat die Schwächen deutscher Infrastruktur aufgezeigt. Von meiner Wohnung zum Hauptbahnhof – also rund sechs bis sieben Kilometer – habe ich 50 Minuten gebraucht. Seit diese Baustelle oben an meiner Straße abgebaut ist, fährt der Bus dort nämlich nur alle 20 Minuten. Er kam dann noch zu spät, die Stadtbahn war auch strubbelig, und den ICE habe ich nur bekommen, weil er seinerseits Verspätung hatte. Beim Bäcker am Hauptbahnhof dieser 600.000-Seelen-Stadt herrschte blankes Chaos, als gleich mehrere auswärtige Reisende mit Karte zahlen wollten. Beim eintreffenden ICE fehlte dann Waggon 26, was während der Fahrt nach Berlin wiederholt eine Überreizung der Zusteigenden zur Folge hatte. WLAN ging auch nicht.

Das ist alles für sich genommen kein Drama. Ich bin gut ans Ziel gekommen, habe Musik gehört und war glücklich. Es offenbart aber doch sehr deutlich, wo der Entwicklungsstau ist.

In Berlin angekommen genoss ich zunächst ein ausgesprochen launiges und plauschiges Geschäftsessen bei einem Inder in Steglitz. Zum Schluss erhielt ich eine Einladung zu einem Adventsumtrunk am Sonntagabend. Was will man machen!

Danach Weiterfahrt nach Friedrichshain. Dort Bezug des gemieteten AirBnB-Appartments, dem man anmerkt, dass es nur zur Geldschneiderei da ist: Okaye IKEA-Einrichtung, aber eigentlich kümmert sich niemand – wackelnde Klinken, hängende Türen, das kekst mich maßlos an. Dazu lieblose Kommunikation ausschließlich auf Englisch und die tägliche (!) Ermahnung per Standard-Nachricht, ich solle mich bitte leise besaufen und nicht in den Hof aschen. Das war mein letzter AirBnB-Aufenthalt in Berlin; dieses Modell, das an anderen Orten gut funktioniert, ist in dieser Stadt offenbar krank.

Der im Inserat beworbene „stunning garden view“:

Zwei Orchideen auf einer Fensterbank, draußen ein wuchernder Rhododendron.

Nichtsdestotrotz: gute Gegend. Ich brauche eine neue Lösung, nicht in einem Hotel wohnen zu müssen, wenn ich länger in Berlin bin.

Heute Morgen um 8 ging ich über die Frankfurter Allee zum Kunden.

Bürgersteig auf der Frankfurter Allee, Blick nach Westen

Immer wieder beeindruckend, diese riesigen Arbeiterpaläste.

Der heutige Tag war prima und wurde von einem hervorragenden Catering begleitet (Barrista-Kaffee, aber was für welcher!). Ich überlege, eine neue Blogkategorie aufzumachen: Kill the Konferenzkekse. Nach der Toffifee-Freude in Frankfurt gab es heute nämlich eine Nougatkugel-Etagere.

Von oben fotografiert: bunte Kugeln in Silberpapier auf einer Etagere.

Mit solch liebevollen Kleinigkeiten holt man mich ja tief im Herzen ab.

Auf dem Rückweg schaufensterte ich an der aktuellen Sargmode vorbei. In der Hauptstadt segelt man stilecht über den Styx.

Abends sehr leckeres Sushi vom kleinen Imbiss nebenan. Holladiewaldfee, war das großartig. Das spielte in einer ganz anderen Liga als das Dortmunder Phoenixsee-Standard-Sushi. Das war unerwartet.

Sushi-Platte

Gedanken | Derweil ist eine weitere Anfrage für 2020 bei mir eingetrudelt. Sehr spannend! Von einer ebenso spannenden Persönlichkeit.

Das ist alles verrückt. Ich mache das, was im Angestelltenverhältnis niemand von mir hören wollte: Ich beobachte, wie Menschen handeln. Ich sehe Strukturen. Ich sage, was ich denke.

Okay, es kommt bei meinen Aufträgen schon noch weitere Leistung dazu. Aber verblüffend ist dennoch, dass das, was vorher niemand von mir hören wollte, was ich aber nicht aufhören konnte wahrzunehmen und woran ich deshalb verzweifelt bin, in einer anderen Arbeitsform Anklang findet.


Advent, Advent | Ein Lichtlein brennt.


Gelesen | Vielleicht werden sie sogar noch besser. Olli Fritsch über Borussia Mönchengladbach.

Gelesen | Einfach mal loslassen. Alle reden davon, man müsse loslassen: Sorgen, Liebeskummer, Kränkungen, Beziehungen. Warum festhalten auch nicht allzu schlecht ist.

Gehört | Seit wann wir für die Arbeit brennen. Ein 20-Minuten-Stück über die Geschichte von Arbeit und dem Gedanken der Selbstverwirklichung.

Kommentare

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  1. Neli sagt:

    Ich glaube Miz Kitty von Kitty Koma hat noch eine Wohnung in Berlin, die sie regelmäßig an Gäste vermietet.

    1. Vanessa sagt:

      Interessanter Hinweis.
      Danke.

      Bin auch nett. Betrinke mich nicht laut und asche nicht in den Hof.

  2. ANNA sagt:

    Hattest du schon mehrere Reinfälle per AirBNB? Wenn ja :waren die alle in Berlin ? Ich verstehe ,dass man gerade für länger „mehr“ als nur ein Hotelzimmer hätte ,auch wegen des Preis-Leistungs-Verhältnisses…gibts in Berlin keine netten Inhabergeführten Pensionen ?

    Und noch eine Frage nebenbei : bist du einfach mal so in ein Bestattungsinstitut spaziert wie in ein „normales“ Geschäft ? *denksmiley einfügen*

    1. Vanessa sagt:

      Ich hatte das schon andere Male, aber nur in Berlin. Ich dachte bislang, das seien Einzelfälle. Mir dämmert aber langsam, dass das System hat.

      Ich möchte ja eben kein Hotel. Und auch keine Pension. Ich möchte eine Wohnug mit Kühlschrank, mit Kochen. Wo niemand reinkommt und mir das Zimmer putzt. Wo ich mich nicht anziehen muss, um zu frühstücken. Wo ich Wäsche waschen und sie aufhängen kann. Wo ich mir mal ein Brot schmieren kann. So halt.

      Das war das Schaufenster des Bestatters.

  3. AirBNB sollte man/frau ohnehin lassen. Hier in München verknappt es massiv den Wohnraum und dient zur Geldschneiderei. Der Wunsch nach einer Wohnung ist aber verständlich.

  4. Frau Budenzauberin sagt:

    Also diese Etagére – da sieht ja jeder sofort, wieviel man schon gefuttert hat!

    Deine Zimmererfahrung erinnert mich hart an eine Woche mit meiner besten Freundin in Berlin, Februar ’87. Wir hatten eine kleine Pension in der Bleibtreustraße, kleines Zimmer mit 2 Einzelbetten, Gemeinschaftsbad und Frühstücksraum. Als wir ankamen, öffnete uns eine ältere Dame in Negligé & Plüschpantöffelchen, die Wände rot gestrichen und überall Tund an den Wänden und auf den Kommoden, Kronleuchter & Co. Wir dachten erst, wir wären im falschen Etablissement, aber dit is Berlin. Übernachtung 15,- DM für uns beide pro Nacht, im Zimmer waren wir dann eh nur für die paar Stunden Schlaf. Und haben natürlich dann die Tür von innen verschlossen, sicher ist sicher.

    1. Vanessa sagt:

      Nun, bei 15 DM würde ich nichts sagen. Aber so …

      Es gab noch weitere Überraschungen. Unter anderem eine Kammer in der Wohnung, die mehrmals täglich von Reinigungsfrauen frequentiert wird. Natürlich, ohne Rücksprache, dass ständig fremde Leute in die Wohnung kommen. Die wackelnde Spülmaschine, der kaputte Föhn und die nicht schließende Duschtür (jedesmal Badezimmerflutung) sind da nur Lappalien. Ich habe schon keine Worte mehr.

  5. Andrea sagt:

    Da ich ganz in der Nähe wohne, welcher Sushiladen war es denn? Habe zwar einen Liebling, aber würde gern mal wieder einen anderen Guten finden. Danke dir!

  6. Daniela sagt:

    Das Ackselhaus bietet genau solch eine wunderbare Unterkunft. Verschiedene, sehr durchdachte Zimmer, mit funktionsfähiger Küche und bequemen Betten. Leider hochpreisig, aber schöne Lage, und wenn man mag, auch schönes Frühstück.

    1. Vanessa sagt:

      Danke! Die Preise sind tatsächlich am oberen Ende. Andererseits: Das sieht ganz, ganz toll aus!

  7. Joriste sagt:

    in der ufa-Fabrik gibt es ein Gästehaus mit Zimmern und Gemeinschaftsküche, aber auch ein kleines Appartement. Ich lass mal einen link zum flyer da (selbst war ich noch nicht dort, mein Patenkind hat in der ufa-Fabrik ein freiwilliges ökologisches Jahr absolviert und die Verwandtschaft hat die Unterkunft exzessiv genutzt) https://www.ufafabrik.de/sites/default/files/download/gaestehaus_flyer_-_2017.pdf

    Den Hüttenpalast schlage ich mal nicht vor, soll toll sein, ist aber vielleicht mit zu wenig Privatsphäre und ja recht eigentlich auch ein Hotel.

    Und wie immer, gern gelesen, Danke!

    1. Vanessa sagt:

      Danke für den Tipp. Die Ufa-Fabrik hat eine Gemeinschaftsküche. Das mag ich nicht gern. Denn ich möchte nach einem anstrengenden Tag unter Menschen keine Leute mehr treffen. Trotzdem – kommt in den Speicher für „vielleicht wenn ich sonst nichts finde“.

    2. Joriste sagt:

      Ja, das verstehe ich. Es sieht so als, als ob das Appartement eine eigene Wohnküche hat. Ich drücke die Daumen für gute Alternativen beim nächsten Berlinarbeiten.

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