Aufmerksame Leser wissen: Fußball und ich, wir sind wie ein Ehepaar, das es emotionslos miteinander aushält, sich abends im Bett freundlich zunickt und sich dann den Rücken zudreht.
Nun bin ich jedoch vor drei Jahren nach Dortmund gezogen, die Stadt, in der Fußball – und das darf man wohl sagen – gelebt wird wie nirgendwo sonst. Mann und Maus, Frau und Kind sind hier Fan. Das liegt unter anderem daran, dass es seit der Quasi-Einstellung des Bergbaus und des Brauereiwesens in Dortmund nicht viel anderes gibt, worauf man stolz sein kann, aber auch, weil in keiner anderen Branche der Aufstieg des Proletariers zum Millionär so hautnah passiert. Dat da unten, auffem Rasn, dat sind welche von uns! Kevin und die Leute aus Eving können Ihnen bei Bedarf sicher mehr dazu erzählen.
Die Handballhühner schauen, wenn sie nicht selbst im Stadion sind, jedes Spiel auf Sky. Der Trainer lädt dazu in sein Wohnzimmer ein, lässt neben seinem riesigen Fernseher eine Leinwand hinunter, baut einen Beamer auf, Sofas und Stühle stehen im Rund, und wir sitzen da wie in einer Arena, Bier und Chips in der Mitte.
Der Coach hat wieder die Fußball-Arena aufgebaut. #bvb #cl pic.twitter.com/SI8RhFWXyg
— Vanessa Giese (@dieliebenessy) April 9, 2013
Ich habe an diesen Veranstaltungen bislang vor allem aus Gründen der Geselligkeit und der innigen Sehnsucht nach Heimeligkeit teilgenommen. Außerdem gibt es immer etwas Leckeres zu essen, zum Beispiel Mett.
Gestern trafen wir uns natürlich auch – wie auch schon in der Woche zuvor: Championsleague-Viertelfinale, Dortmund – Málaga, schon seit Tagen gibt es in Dortmund kein anderes Thema. Selbst wenn das Rathaus explodierte, vor einem Viertelfinale interessiert das hier keine Sau.
Gestern aber hat es mich nicht nur von den Sitzen gerissen, nein, ich habe gegen Borussia Dortmund verloren. Zwei Tore in der Nachspiel, das ist zu verrückt, das ist einfach sensationell, un-fucking-fassbar. Nach drei Jahren des Nebeneinanderherlebens bin jetzt auch ich im Bann dieses Vereins, alle Gegenwehr ist ermattet.
Gekreische hier wie sonst nur unter der Dusche! #handballhühner
— Vanessa Giese (@dieliebenessy) April 9, 2013
Außerdem bin ich mir spätestens seit dem gestrigen Abend sicher: Der BVB und ich, wir haben eine unsichtbare Verbindung.
Meine geheime Superkraft: Seit ich in Dortmund wohne, hat der #BVB jedes Jahr einen Titel gewonnen.
— Vanessa Giese (@dieliebenessy) April 9, 2013
[Audio: BVB-Netradio]
Kommentare
23 Antworten: Bestellung aufgeben ⇓
:-)
Nett ist auch diese Übertragung hier, wer es verpasst hat: https://soundcloud.com/90elf/nachspielzeit-bvb-malaga
Habe ich auch gehört. Sehr schön.
Wie großartig ist das denn?
Willkommen im Club! Ich war in der Sky-Kneipe und hatte die Hoffnung aufgegeben. Dann sagte einer: „Ich bin bereit für das Fußballwunder!“, das dann auch prompt geschah. Ich laufe schon den ganzen Tag grinsend und kopfschüttelnd durch die Gegend (natürlich mit Fanschal). Das ist Fußball!
Nach dem 1:2 hatte ich die Sache abgeschrieben. Alle lümmelten noch auf dem Sofa rum – und plötzlich passierte es.
Bei uns hat gestern die Kneipe gebebt. Ich hab leider nicht gearbeitet, aber ich gönne es meiner Kollegin, denn je besser die favorisierte Mannschaft, desto üppiger das Trinkgeld!
Das war am Ende bestimmt seeeeehr üppig. Und der Abend war lang (oder der Morgen früh).
Endlich haben Sie das Licht gesehen! <3
Muss wohl. Mmmpf.
Meine Fußballbegeisterung bezog sich bisher auf die vergangene Weltmeisterschaft, die in Berlin stattfand. Ein wenig wurde die Sache nur davon getrübt, dass ich mich nicht 100%ig als DeutscheNationalmannschaftsFanin bekennen konnte, sondern immer der Meinung war, dass die beste Mannschaft gewinnen soll – was sie dann vielleicht auch tat, denn ich weiß das Ergebnis nicht mehr.
Vielleicht muss ich auch mal nach Dortmund ziehen, um eine späte Liebe zu entdecken.
Sie müssten allerdings ein bisschen durchhalten. Bei mir war die Sache nicht innerhalb von ein paar Monaten geregelt. Die Fußballfans wirken in öffentlichen Verkehrsmitteln zunächst nämlich extrem abschreckend.
Genau das habe ich erlebt , als ich in einem Regionalzug auf der Fahrt nach Essen war. Der ganze Wagen bebte von den laut geäußerten Vorfreuden der Fans – und nachher sah der Wagen so aus, als hätte ein Erdbeben alles verwüstet.
Vielleicht werde ich doch lieber nicht Fan, zumindest nicht von Fußball, eher von Stullenbretttischtennis o.ä.
Ich vermeide es, Bahn zu fahren, wenn Fußball ist. Denn es ist wirklich, wirklich schrecklich. Es ist mir auch ein Rätsel, warum man unbedingt saufen muss, um Fußball zu schauen.
P.S.: Stullenbretttischtennis, das ist bestimmt mit dem bkannten Schulhofspiel Mathebuchtischtennis verwandt.
wir hatten früher immer Englischbuchtischtennis, das war mit fester Pappe gebunden und handlich-klein.
Wie schön, dass nicht nur wir solche Sportarten erfinden mussten.
Die Ostler waren wegen der Mangelwirtschaft sowieso erfinderischer als ihre westlichen Brüdern und Schwestern im Herrn, da die ja (fast) alles kaufen konnten.
na, willkommen in der Familie — schwarzer Hals und gelbe Zähne!
Ich komme ja aus der Heimat des anderen deutschen Champions League – Halbfinalisten und hab trotzdem mitgefiebert. Ich hab nicht daran geglaubt, dass das Spiel noch so eine dramatische Wendung nimmt und freue mich ehrlich für den BVB. Zum Glück hab ich trotz unchristlicher Aufstehzeit am nächsten Morgen bis zum Schluss durchgehalten, sonst hätte ich mich wirklich geärgert. Und Respekt für die Stimmung im Stadion, die Fankurve hat einen super Job gemacht.
Jetzt müssen wir nur noch hoffen, dass es zwei deutsch-spanische Halbfinals gibt, um dann ein deutsch-deutsches Finale zu begehen.
Dann werd ich aber leider dem BVB die Treue wieder abschwören müssen, denn selbst als nicht-Bayern-Fan (1860 *hust*) kann man in diesem Fall als Münchnerin nicht mehr für Dortmund sein
Volles Verständnis. Aufgrund meiner erst jungen Fußballsympathien und meinem gesunden Sportsgeist bin ich keiner Mannschaft gegenüber wirklich feindlich gesinnt. Obwohl ich sagen muss, dass die Schalker sich schon manchmal echt schofelig benehmen.
aber das müssen Sie ja sagen, da Sie nicht in „Herne-West“ wohnen, sondern eben in „Lüdenscheid-Nord“.
Ähm – *hebt zaghaft den Finger*
Jetzt bin ich ja nicht so der Fußballfan (ich gucke halt immer mal bei großen Turnieren…). Was ich eigentlich sehr schade finde, dass das entscheidende Tor nur einem Schiedsrichterfehler zu verdanken ist. Nimmt dem Ganzen eigentlich den Glanz, den es verdient hat.
Oder hatte der Schiedsrichter einfach nur Angst?
Ich finds jedenfalls nicht wirklich schön.
Das 1:2 der Malagenios war ja auch abseits – insofern ist es ausgleichende Gerechtigkeit.
Ich bin, auch unabhängig von diesem Fall, ein großer Fan von Tatsachenentscheidungen. Denn nehmen wir an, das letzte Tor wäre nicht gefallen, das Ergebnis wäre 2:2 gewesen. Dann hätte Dortmund wegen eines Abseitstors Málagas verloren. Und das ist okay so. Denn sie hätten nicht wegen dieses Tors verloren, sondern weil sie im Hinspiel unterirdisch gespielt haben, im Rückspiel mindestens zwei 100-prozentige Chancen (Reus, Götze) haben liegen lassen und die Innenverteidigung rumlief wie die Hühner. Dann passiert halt sowas.
Málaga hat auch deshalb verloren, weil sie versucht haben, das Spiel über die Zeit zu bringen. Wegen dieses Rumgetrödels gab’s vier Minuten Nachspielzeit, in der die Tore überhaupt noch fallen konnten. Tja, verzockt.
Man verliert niemals wegen des Schiedsrichters. Man kann trotz des Schiedsrichters gewinnen, aber niemals wegen des Schiedsrichters verlieren.
Es ist halt immer noch Sport. Trotz allen Geldes, das dahinter steckt.
Ah! Naja, in diesem Kontext ist es wirklich eine Art ausgleichende (oder besser: zwangsläufige [?] Gerechtigkeit).
Und diese Zusammenhänge (wunderbar erklärt – man merkt, dass Sie selbst Spielerfahrung haben) waren mir alle nicht geläufig (unter anderem das erste Abseitstor Málagas).
Dann ist wirklich eine der grandiosen zeitlosen Fußballsensationen…
ja schön.
meine Heimmannschaft ist ja nun weit weg von allem Guten, Schönen und Internationalen, da borgt man sich gerne einmal die Emotionen vom BVB – die Bayern sind da schon zu abgeklärt.
Aber, nicht wahr, Frau Nessy – dieser Link zum BVB-Radio hätte jetzt nicht sein müssen – ich bin taub.