Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Das Glühwein-Paradoxon

5. 12. 2014 45 Kommentare Aus der Kategorie »Lebenslage«

Da stehen sie nun wieder an den Buden, klebrige Tassen in der Hand, Bommelmützen auf dem Kopf und saufen Glühwein.

Eigentlich mag niemand Glühwein. Oder hat man jemals zu Hause auf dem Sofa gesessen und gesagt: „Jetzt’n Glühwein?“ Nein, hat man nicht, will man auch nicht. Glühwein ist fies, so richtig fies, Glühwein rollt die Zehennägel auf, selbst türkische Sirupklumpen sind ein feines Stück Obst gegen die abartige Süße von Glühwein.

Trotzdem trinken ihn alle, es gibt keine Ausrede, außer man muss noch Auto fahren, aber „Komm! Einer geht!“, einer muss gehen, „für den Geschmack“. Doch gerade für den Geschmack möchte man ja eben nicht. Weil aber alle eigentlich nicht wollen und Glühwein nur trinken, weil sie auf dem Weihnachtsmarkt stehen, weil das dort so muss, weil auch „Last Christmas“ und „Jingle Bells“ müssen, obwohl es allen aus den Ohren blutet – weil also alle leiden, darf sich niemand verweigern. Außer für einen Lumumba. Es ist ein sozialistisches Gewürzwein-Kollektiv, wir sind gleichgeschaltete Glühwein-Genossen, niemand darf es besser haben als der andere.

Ist die Tasse leer, geht einer vor, steht fünfzehn Minuten an, holt neue Tassen mit neuem Glühwein. Ohne die Pfandmarken einzulösen, von deren Wert man Kleinwagen kaufen kann. Glühwein dreifuffzich, drei Euro Pfand auf die Tasse, macht siebenfuffzich pro Becher. Wer am Ende die Tassen zurückbringt, ist niemals der, der auch die Pfandmarken hat, wer hatte die überhaupt jemals? Ach, der Thomas, der ist aber schon weg. Tanja und Tina stecken ihre Motivtassen sowieso in die Handtasche, wo sie als klebriger Keramik-Magnet vier verlorene Haargummis wiederfinden.

So ist der Glühwein also doch für etwas gut. Man hat am Ende eine Tasse, hässlich wie Nacht, die man nutzen kann, um Öl abzulassen und Schrauben zu verwahren. Und man hat vier neue Haargummis.

Kommentare

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  1. Zaubermann sagt:

    Großartig! ♥
    Bin ja bekennender Nettogehalt-aufm-Weihnachtsmarkt-Verprasser.
    Ich mag das, überteuerten Glühwein, halbkalte rote Wurst mit viel zu viel Senf, ALLES!! :-D

    1. Frau Nessy sagt:

      Ich wusste, es gibt ne Zielgruppe für diese Veranstaltung. Hab’s immer geahnt.

    2. jpr sagt:

      Es ist ja eine furechterliche Abschweifung vom Thema, aber bei ‚rote Wurst‘ denke ich eher an die Faehren nach Schweden. Irgendjemand leuchtende Pylsa?

  2. Christian sagt:

    „Glühwein dreifuffzich, drei Euro Pfand auf die Tasse, macht siebenfuffzich pro Becher.“

    Fehlersuchtext? ;)

    1. Frau Nessy sagt:

      Nur bis zum vierten Glühwein. Danach passt’s.

  3. Johanna sagt:

    Wat’n Text mal wieder, Frau Nessy. Besser geht’s nicht.

    1. Frau Nessy sagt:

      Danke.
      //*knickst schüchtern

  4. peter sagt:

    was für ein scheiss, da muss jemand zum psychiater mal..

  5. Kiki sagt:

    Wieso Pfandmarken, wasndas für ein beknacktes System? Der Becher ist das Pfand, wer den Becher zurückbrigt, kriegt die zwo Euro (auf dem Hamburger Rathausweihnachtamarkt).

    1. Frau Nessy sagt:

      Zumal man die Tasse schonmal auf den Tresen stellt, eifriger Mitarbeiter A schnappt sie sich unbemerkt, irgendwann kommt man dran, Mitarbeiter B nimmt die Pfandmarke entgegen und fragt natürlich, wo denn die Tasse sei.

      Fragen Sie bitte nicht nach dem Sinn. Ich weiß es nicht. Aber es gibt halt bisweilen Pfandmarken.

  6. Claudia Matthes sagt:

    Ich fand Glühwein auch immer das schrecklichste was es auf Deutschen Erden gibt.

    Aber ich gestehe, seit dem ich in einer Weingegend lebe und mein richtigen selbst hergestellten Glühwein getrunken habe ist mein Bild davon ein anderes.
    Der ist weder pappig Süss noch völlig überwürzt.
    Mein Geschmack ist es immer noch nicht, aber vielleicht kommen sie ja mal in eine gute Weingegend zur Weihnachtszeit und probieren einen Winzerglühwein.

    Claudia

    1. Frau Nessy sagt:

      Das werde ich tun. Hier kommt der Glühwein halt aus Wanne-Eickel. Oder ausm Aldi.

  7. Franzi sagt:

    Jaaaaaaa, endlich sagt es mal jemand ! Bzw. schreibt. Weihnachtsmärkte und Glühwein sind das Grauen. Vlt. liegt es an den sauerländischen Genen? Großartiger Text, habe jetzt „Nacken“ vom zustimmenden Nicken.

    1. Frau Nessy sagt:

      Ob der Sauerländer an sich lieber Bier trinkt, kann ich so allgemein nicht sagen. Auf Schützenfesten wird allerdings auch selten Wein ausgeschenkt.

  8. Lobo sagt:

    Ich sag nur : heißer Met, da kippste jeden Glühwein in den Gully. ;-)

    1. Frau Nessy sagt:

      Habe ich noch nicht probiert. Muss ich wohl mal.

  9. Öhm … also ich bin bei zu süßen Sachen echt empfindlich (Bitter Lemon finde ich ekelhaft übersüßt), aber ab und zu mal ein Glühwein ist okay. Auch nach einem Winterspaziergang zuhause, aus der Flasche und in der Mikro warmgemacht. Und die Tassen sind auch nicht immer so häßlich (wir haben eine ganze Menge davon, die in der Weihnachtszeit als Teebecher dienen — Spandauer Weihnachtsmarkt von 1994 und so). Meistens werden die Tassen aber schon zurückgegeben und der Pfand eingesammelt.

    1. Frau Nessy sagt:

      Das ist doch wunderbar. Es muss sie ja geben, die Glühweinliebhaber. Nur von Zwangsglühweintrinkern kann ja kein Glühweinhersteller leben.

  10. Gerade gestern Abend tatsächlich zu Hause auf dem Sofa gesessen und gesagt: “Jetzt’n Glühwein?”. Weil warm und gemütlich. Aber abgesehen von der Geschmackssache kann ich das Paradoxon dann doch nachvollziehen :)

    1. Frau Nessy sagt:

      Nein! Doch! Tatsächlich? Wahnsinn.

  11. Doch, es gibt Leute, die Glühwein mögen – ich selbst nicht, aber mein Freund.

  12. kinderdok sagt:

    Einer muß es ja schreiben: Ich mag Glühwein.
    Einmal in fünf Jahren. Und bitte nur bei dem einen speziellen Stand hinter der Kirche, diewodaso für Nicaragua oder das Kinderprojekt in Papua sammeln.

    1. Oder wie bei uns die Heilpädagogische Hilfe… da hat man sogar dann die Chance, einen Glühwein vom Oberbürgermeister (oder ehemaligen und jetzigen nds. Innenminister) persönlich ausgeschenkt zu kriegen…

  13. Julia sagt:

    Kann es sein, dass es dir nicht so sehr um den Glühwein als eher um eine bestimmte Art von Leuten geht? Warum auf einem Getränk rumhacken – keiner zwingt dich, es zu trinken.

    Das mit dem „Glühwein ist eklig“ ist doch massiv übertrieben. Ich mag Glühwein – vielleicht nicht den allerbilligsten vom Norma, aber zumindest bei uns auf den Weihnachtsmärkten ist er durchaus trinkbar. Besser natürlich selbstgemacht, gerne auch aus Weißwein. Noch besser ist Glögg, mit Rosinen und Mandelspänen :) Hmmm, liebe ich. Für mich ein perfektes Wintergetränk. Vor ein paar Jahren hat meine Tante ein Waldquiz für die Familie veranstaltet (eine Art Rallye, wo man an bestimmten Stationen Fragen beantworten musste, wie z.B. „wie hoch ist dieser Baum?“, “ – wer die meisten richtigen Antworten hatte, bekam am Ende einen Preis), da gabs zu Beginn Glühwein aus der Thermoskanne – das war lecker, hat für gute Laune bei allen Beteiligten gesorgt und ist für mich heute noch eine schöne Erinnerung.

    Wer keinen Glühwein mag, soll halt einfach keinen trinken (so halte ich es z.B. mit Kaffee) – aber warum es anderen madig machen?

    1. Frau Nessy sagt:

      Das ist eine ernste Sache hier. Ich möchte Sie bitten, meinen Glühweinbeitrag nicht zu hinterfragen, schon gar nicht, was seine Absolutheit angeht.

      Und bleiben sie mir weg mit Rosinen. Vor allem mit Menschen, die Rosinen essen. Denn darum geht es ja vor allem – und nicht um Rosinen essende Elefanten.

  14. Marie sagt:

    Tipp des Tages: Lecker Glühwein und heiße (!) Bratwürste (3 im Weckla) auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt

    1. Frau Nessy sagt:

      Bratwürste – generell, nicht nur auf Weihnachtsmärkten – sind eine zweischneidige Geschichte. Einerseits denke ich: Boah, lecker! Bratwurst! Aber nach einer halben Bratwurst ist es dann schon wieder gut. So viel zu meiner gespaltenen Bratwurstseele.

  15. Aaaargh, genau so isses! Danke für deine herrlichen Texte, immer wieder zu schön:-)

    1. Frau Nessy sagt:

      Sehr gerne.
      //*gibt Gratiskeks aus

  16. Ich gebe heimlich still und leise zu, dass ich Weihnachtsmärkte nicht mag, aber auf der Couch zu Hause schon des Öfteren einen Glühwein getrunken habe….

    1. Frau Nessy sagt:

      Das Kännchencafé wird hier noch zum Sofaglühweintrinkertreffpunkt. Vielleicht können Sie sich mit der Queen of Maybee zusammentun? Dann könnten Sie ein Sofa-Glühwein-Event auf die Beine stellen. (#serviceblog)

  17. ths sagt:

    ganz einfache Lösung: hessischer Weihnachtsmarkt mit heissem Ebbelwoi. Schmeckt sowieso viel besser ;)

    1. Ponder sagt:

      Eeeeebbbeeeeeelwooooooi! Awwwä sischäääää!

      Ja.

      Definitiv.

      Notfalls geht auch noch ein nicht zu süßer weisser Glühwein, den gibt es hier gelegentlich auch in lecker.

      Viele Grüße,

      der Ponder

  18. Anke sagt:

    Genau darüber am Wochenende mit dem Mann geredet. Dass ich den Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt vermisse (hier in Norwegen gibt’s nur „gløgg“: die alkoholfreie, aber genauso klebrig süß schmeckende Variante, bei der man sich dann noch ganze Mandeln und Rosinen reinkippt, um sich später dran zu verschlucken).
    Der Mann vermisst ihn nicht. Der ist also schon einen Schritt weiter!

  19. Monika sagt:

    Also ich mag Glühwein, aber nur den von zuhause.
    Weißer Wein (Grüner Veltliner oder sonst was „saures“) – Zimtstangen, Zitronen, Nelken und wenig Zucker. Ist gar nicht so süss. Nur den pickerten Glühwein den mag ich auch nicht.
    Grüße aus dem Waldviertel.

    1. Holger sagt:

      Wurde weiter oben ja schon ein paar mal erwähnt – weißer Glühwein ist tatsächlich meist wesentlich besser als roter – gibt’s aber wohl nur auf Weihnachtsmärkten in Weingegenden, meist bei Ständen, die Winzer selbst betreiben – konsumiere ich regelmäßig hier in Mainz, und letztens bin ich auch in Frankfurt fündig geworden. Oft ist der wenig bis gar nicht gesüßt (zum Selber-Süßen steht dann ein Schütter mit Zucker auf der Theke) und einfach nur gut gewürzt. Das rote klebrige Zeug ist echtes Klischee, was in Norddeutschland (wo ich herkomme) auf den Weihnachtsmärkten verkauft wird… BTW: den Unterschied merkt man schon früher im Jahr, wenn Federweißer-Zeit ist – in Norddeutschland wird gar fürchterliches Zeug verkauft, was wenig mit dem zu tun hat, was man beim Winzer (in Mainz an Ständen in der Stadt) direkt zu kaufen bekommt.

  20. scrooge sagt:

    Oh je! Und ich bin nicht nur bekennender Glühweintrinker, sondern auch noch Tassensammler. Man gönnt sich ja sonst nichts. *g*

    1. Frau Nessy sagt:

      So konsequent, dass es trotz persönlicher Glühwein-Aversion sympathisch ist!

  21. Südwind sagt:

    Also bei uns im Süden (=Wien) gibt es viel Schlimmeres, nämlich Punsch! Ekelhaft süß, dreitausend Kalorien sowie eine Stunde Kopfweh pro Schluck!

    Dafür ist der Glühwein, sofern er aus Schilcher oder Uhudler (autochthone Traubengewächse Österreichs) besteht, nicht süß und daher eine echte Alternative.

    Nur so als Tipp, wenn Sie mal in die Stadt mit den schönsten Christkindlmärkten kommen wollen.

    1. Frau Nessy sagt:

      Es gib sehr viele Gründe, nach Wien zu reisen. Wenn nun noch Glühwein hinzukommt – herrje. Dann muss ich bald umziehen. :)

  22. p3t3r sagt:

    Weihnachtsmarkt ist das WACKEN der Bürofachangestellten.

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