Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Wagenwarten im Ghettonetto

30. 4. 2011 28 Kommentare Aus der Kategorie »Anrainer«

Das Ghettonetto hat eine entscheidende Schwäche:
Es hat zu wenig Einkaufswagen. Besonders an den Publikumstagen Freitag und Samstag befinden sich keine in der Parkschleife.

Ich stehe neben den Kassenbändern und warte auf das nächste frei werdende Wägelchen. Eine knittrige Mittdreißigerin bezahlt Formfleisch, Fertiggerichte und zwei Dosen Tabak und räumt alles in ihren Einkaufswagen. Ihr struppiges Haar ist verblichen. Ihre Tochter, ein blondes Herzchen mit Hello-Kitty-Sandalen, schüttelt eine gelbe Ghettonetto-Tüte auf und beginnt, die Sachen einzupacken.

„Geh wech mitte Tüte!“ herrscht die Knittrige sie an, und das Mädchen erschrickt. „Geh da vorne inne Ecke damit. Die Leute sollen ruhich auf unsern Wagen watten. Ich watte auch schon mein ganzes Leben auf ’nen Prinzen.“

Als sie alles eingepackt hat und die Tüte am langen Arm hält, schiebt sie mir mit der freien Hand den Wagen rüber. „Hier“, sagt sie. „Kannze haben. Und von dem Chip, der da drin is‘, kannze dir auffe Kirmes ’ne Rose schießen. Macht sonst eh keiner.“

Dann fasst sie ihre Tochter zwischen die Schulterblätter und schiebt sie zur Tür hinaus.

Kommentare

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  1. Ganz ehrlich? DA will ich auch mal einkaufen!

    1. Nessy sagt:

      Sie müssen allerdings mehrmals hingehen. Es gibt nicht bei jedem Einkaufsgang eine Garantie auf außergewöhnliche Erlebnisse.

  2. Ist auch mein Lieblingsladen. Schön skizziert :-)

  3. Sanníe sagt:

    Für den Ghettonetto kriegst Du bestimmt mal irgendann ne Abmahnung. Ich geb dann was dazu :-)

    In meinem Ghettonetto aber auch immer das geiche: Genug Wagen, nur kein Platz da irgendwo durchzufahren, überall Kartons, Biowein alle, Zigarettenautomat „is kaputt“ und eine heulende Kassiererin.

    Naja, wenigstens müssen sie ihn nicht zunageln vorm 1. Mai.

    1. Nessy sagt:

      Abmahnung vom Ghettonetto – das ist doch reine Werbung hier. Frau Spezialistin möchte unbedingt hin, und Frau Papierschiffchen ist auch schon neugierig. Was kann man mehr wollen, als Marketingabteilung?

    2. lejupp sagt:

      Wenn Du rauchst reisst der Biowein es auch nicht raus.

  4. jpr sagt:

    Dann hoffe ich mal, dass Ihr Ghettonetto entsprechend seiner Wagen dimensioniert ist. Die hier ansaessigen Supermaerkte haben eher mehr Wagen als Stellflaeche, so dass das Grauen schon einsetzt, wenn man beim Reinkommen sieht, dass nur noch so das letzte Drittel an Wagen da ist. Aber einkaufenstehen ist auch was schoenes.

    Fuer die junge Dame bin ich mir nicht sicher, ob ich mir gerade wuenschen soll, dass sie was von Mamas Zynismus erbt (Abhaertung tut not), oder lieber nicht. Immerhin ist die Zahl verfuegbarer Prinzen ja gestern wieder um eins geschrumpft.

    Zusammenfassend kann man aber sagen: Leute gucken ist eh immer das spannendste, egal wo man das tut.

    1. Nessy sagt:

      Am besten samstags im Draußensitz inne Stadt – bei Käffchen und Keksen oder Spaghetti-Eis.

      Im Winter lohnt es sich, ein Einkaufszentrum zu besuchen, in den ersten Stock zu fahren, sich an das Geländer neben der Rolltreppe zu lehnen und zu gucken, wer hochgefahren kommt. Geht stundenlang.

  5. hm, so sieht es bei uns nur in den „besseren“ vierteln aus. allerdings würde ich die gute tat mit dem € auch da eher nicht vermuten…

    1. Nessy sagt:

      War nur’n Chip. Und ich habe ihn nach dem Einkauf direkt und samt Wagen weitergegeben. Ist grad kein Jahrmarkt.

  6. diekleine sagt:

    zumindest hatte diese frau einen ausgeprägten realitätssinn :-)

    1. kinderdok sagt:

      skizzenblog rules

  7. juppi sagt:

    ein Musterbeispiel an Lebensfreude, diese Frau…

  8. Hody sagt:

    Ja das kenne ich, ich arbeite am Bahnhof und gehe morgens vor dem Arbeiten ab und an dort für die Mittagspause einkaufen. Da holt sich so manche Gestalt dann schon eine Literdose Bier…

  9. kvinna sagt:

    Märchenhaft!

    1. Nessy sagt:

      Nun ja. Wie man’s nimmt.

    2. kvinna sagt:

      Frau Nessy, wer ist „man“? Und die Geschichte von einer, die nicht mehr an Märchen glaubt und unbedingt die Welt an dieser Erkenntnis teilhaben lassen will, die ist doch richtig gut!

      Und warum kann ich hier eigentlich fehlplazierter Kommentare nicht selbst löschen? Es fällt mir auch immer schwer, die „Antworten“ Dialoge zu verfolgen, denn ein Abonnement funktioniert nicht oder nur sehr schwer und die eigenen Kommentare in all‘ den „Antworten“-Ausläufern wiederzufinden ist auch mühsam…

    3. Nessy sagt:

      Das sind ja gleich 3 Beschwerden auf einmal.

      Also, warum man das nicht löschen kann, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Sie nicht bei WordPress angemeldet sind und das System keine Berechtigung dazu vorsieht. Weil ich aber nicht in das System eingreifen kann, habe ich keine Möglichkeit, das zu ändern.

    4. kvinna sagt:

      Tja, heute bin ich nun mal quengelig! Fällt mir ein, dass Nichtblogger bei blogspot.com vermutlich auch nix selber löschen können. Is‘ dann eben so. Aber dass das Abo nicht funktioniert, hat das dieselbe Ursache?

    5. Nessy sagt:

      Keine Ahnung. Aber ich denke mal, nicht. Macht zumindest keinen Sinn. Mal bei wordpress.com nachfragen?

  10. CeKaDo sagt:

    Wir haben hier, in der Kreisstadt für Europas Nieten (so zumindest die allgemein gültige Deutung des Autokennzeichens) nur zu viele Einkaufswagen. Daran erkennt man jedoch auch, in welcher Stadt man ist. Denn hier werden die Einkaufswagen aus drei Gattern grundsätzlich von den Kunden in nur ein Gatter geschoben, bis der Eingang versperrt ist.

    Sieht man also irgendwo einen Supermarkt mit zugeparktem Eingang, weiß man, dass man nur hier sein kann.

    1. queenofsoup sagt:

      stimmt doch gar nicht. das machen die hier auch, die menschen da. gibt zwar auch viele nieten hier in wien, aber da heißen sie anders.

    2. Nessy sagt:

      Großer Parkplatz, darauf ein Häuschen für die Einkaufsautos – und eine Wagenschlange, die dort hinausreicht und die Durchfahrt versperrt.

      Derjenige, der seinen Wagen einstellt und zur Schlange beiträgt, ist nicht mehr betroffen (weil fertig mit dem Einkaufen) – was kümmert es ihn dann.

  11. Sasan sagt:

    Auch jedes Mal wieder nett ist der „Schmuddel-Penny“ (sorry, mir ist auf die Schnelle nichts Passendes auf Penny eingefallen).
    Da stand ich mal geschlagene 15 Minuten an der Kasse (bei 38 Grad Außentemperatur) und guckte einem Penny-Kassen-Azubi und einem aufgebrachten kleinen Chinesen dabei zu, wie die Beiden um eine Wassermelone debattierten. „Melone kappuuuut. Melooonne kappputtt.“
    Es war herrlich. Nach ungefähr 10 Minten, sah man jedem in der Schlange die selben Mordgelüste in den Augen an.
    Als ich dann endlich auf den kochenden Asphalt des Parkplatzes trat, sah ich den Chinesen wie er die Melone fallen ließ. „Mellooooneee kapuuuut“….!!!!!

    1. Nessy sagt:

      Die Fähigkeit, äußerlich intakte, aber kapuuuuuuute Melonen durch klopfen und lauschen zweifelsfrei und mit 100-prozentiger Treffsicherheit zu erkennen, ist bestimmten Volksgruppen vorbehalten – so mein Eindruck. Mit diesem Menschen sollte man sich vor allem in den Sommermonaten gut stellen.

      Ich jedenfalls kann so viel klopfen und lauschen, wie ich will – und erwische trotzdem gerne überlagerte Früchte. Freundliche Verständigung mit Mit-Einkäufern aus dem asiatischen oder arabischen Raum tut da Not.

  12. creezy sagt:

    Oh, was für eine schöne Geschichte. Insbesondere weil wir Frauen uns ja schon seit mindestens 30 Jahren uns die big Teddys auf’m Jahrmarkt selber schießen, weil wir zu gut für „nur Rosen“ schießen!

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