Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Eine Radreise durch Dänemark: Legoland und die Fahrt von Billund nach Herning

18. 7. 2024 13 Kommentare Aus der Kategorie »Expeditionen«

Legoland | Er war natürlich nicht zu vermeiden: der Besuch im Legoland. 2.145 Dänische Kronen kostet dieses schlanke Vergnügen für fünf Personen. Das sind in Euro und in Worten zweihundertsiebenachtzigeinhalb Stück Geld.

Entsprechend schmierten wir uns am Morgen einen Haufen Brote, packten Äpfel, Müsliriegel und Wasserflaschen ein, denn Pommes waren nicht mehr drin. Beziehungsweise: Falls sie noch drin waren, waren wir nicht mehr gewillt, sie zu bezahlen.

Mein Vergnügen bestand im Wesentlichen darin, auf die Brote aufzupassen. Mir wird schon in einem Linienbus schlecht, bei Karussells wird mir speiübel.Und selbst wenn das nicht so wäre, hätte ich keine Lust, 45 Minuten anzustehen, um einmal im Kreis zu fahren.

Einmalig unternahm ich den Versuch und stellte mich bei einem Fahrgeschäft an, einer Art „Wilden Maus“. Dieser Ritt, so dachte ich, könnte einigermaßen verträglich sein, und man muss ja auch mal etwas wagen. Beim Einsteigen stellte sich jedoch heraus, dass meine Beine zu lang für das Wägelchen waren und ich mich nicht hinsetzen konnte. Da ich die Beine nicht raushängen lassen durften, musste ich wieder aussteigen. Ich ging dann auf die Brote aufpassen.

Das klingt alles ein bisschen unbefriedigend. Das war es jedoch keineswegs. Ich hatte einen wundervollen Tag. Die Kinder rannten von Fahrgeschäft zu Fahrgeschäft, fuhren Achterbahn oder ließen sich von einem Roboterarm über Kopf werfen. Der Reiseleiter musste mit; das Meiste vertrug er auch ganz gut. Nur nach der Robotergeschichte war er etwas grün im Gesicht.

Und ich: las. Ich las fast ein ganzes Buch, saß da, schaute in die Gegend, beobachtete andere Menschen, aß Brote, Äpfel und Müsliriegel, ich baute Dinge aus Lego, musste mit niemandem reden und entspannte mich acht Stunden lang aufs Allerbeste.

Eine Sache tat ich allerdings: Ich fuhr Wasserbob. Ich hege eine Liebe zu Wasserbobs. Sie sind ausreichend aufregend, aber nicht so, dass mir übel wird. Beim Wasserbob im Legoland geht es am Ende steil bergab. Das war großartig und hat mir sehr gut gefallen.

Zum Schluss ein Bemerknis: Obwohl das Publikum fast ausschließlich aus Familien mit Kindern bestand, gab es keinerlei Trotzanfälle, Wutausbrüche oder elterlichen Seltsamkeiten. Eine Welt des Friedens und der guten Laune. Verrückt.


Billund – Herning | Der zweite Fahrtag in Dänemark: Nach dem Besuch im Legoland sattelten wir die Räder und fuhren von Billund nach Herning, 66 Kilometer nach Norden. Während der erste Fahrradtag eher schleppend begann, waren wir diesmal von Beginn an im Tritt: Für die ersten 27 Kilometer bis nach Brande brauchten wir nicht einmal eineinhalb Stunden.

Brande hat etwa 7.500 Einwohner und ist die Heimat des Mode-Unternehmens Bestseller. Zu Bestseller gehören die Marken Jack & Jones, Only, Vero Moda, Mamalicious, Selected und weitere – die genannten, sind die, die mir bekannt waren. Bis ich in Brande vor der Bibliothek saß, wusste ich nicht, dass es alles Marken aus einem Hause sind – und zudem noch dänische.

Die Dänen haben eine wunderbare Eigenschaft: Sie erschaffen Infrastruktur für Menschen. Sie bauen helle, offene Bibliotheken und Begegnungsräume drinnen und draußen, sie bauen Spielplätze, stellen Picknickbänke in die Gegend, haben öffentliche Toiletten und sorgen dafür, dass man sich willkommen fühlt. Man sieht den Orten an: Es ist den Dänen etwas wert, dass alle sich wohl und in ihren Bedürfnissen gesehen fühlen.

Von Brande aus fuhren wir in das Braunkohlerevier nach Søby. Ab den 1940er Jahren bis etwa 1970 wurde hier Braunkohle gewonnen – zunächst mit der Hand. Später war der Abbau mit Maschinen erlaubt. Wer mit harter Arbeit gutes Geld verdienen wollte, war hier richtig; die Möglichkeit zog viele Menschen an. Dank des Braunkohleabbaus in Søby kam Dänemark ohne Brennstoffmangel durch den Zweiten Weltkrieg und die Zeit danach.

Wiese mit weißen und gelben Blüten, darin verrostete Gerätschaften vom Braunkohleabbau

Das Braunkohlemuseum erzählt die Geschichte der Menschen, die von der Braunkohle leben. Sie wohnten in Hütten und Baracken; einer der Arbeiter wohnte jahrelang in einem Kleiderschrank, den er sich mitgebracht hatte. Viele Menschen bauten sich kleine Häuser und wohnten dort mit ihren Familien. Ein Kaufmann eröffnete, eine Schule wurde gegründet, ein Schlachter kam ins Dorf. Frode Petersen, der junge Mann auf dem Schwarz-Weiß-Foto, lebte bis ins Jahr 2002 in seiner Hütte. Der alte Herr neben ihm, auf der Ornamenttapete, ist Otto Rasmussen, der Milchmann und Möbelpacker des Ortes.

Vom Braunkohlemuseum aus fuhren wir weiter.

Die Landschaft zwischen Billund und Herning besteht im Wesentlichen aus Kartoffelfeldern. Die weißen Blüten reichen bis auf die Hügelkuppen, an den Waldrand, den Horizont, je nachdem, was grad da ist. Wir fuhren an Bauernhöfen vorbei. Manchmal reihten sich zwei oder drei aneinander.

Ein Kartoffelfeld

Am späten Nachmittag erreichten wir das Haus von Maria und Henry. Ihre vier Kinder sind aus dem Haus, seit Jahren schon ist im Obergeschoss kein Leben mehr. Deshalb quartieren sie dort nun Gäste ein – Gäste, die die Welt zu ihnen nach Hause bringen. Im ersten Jahr nach der Pandemie, als man wieder reisen durfte, so erzählten sie uns am Abend, hätten sie alle Hände voll zu tun gehabt. In diesem Jahr seien wir die ersten Gäste. Allerdings, sagte Maria, reise sie auch oft zu ihren Kindern und ihren Enkeln. Dann schließe sie den Kalender; möglicherweise liege es daran.

Wir bestellten uns Pizza und Fritten und schliefen danach wunderbar.

Billund – Herning.
Entfernung: 68 Kilometer
Höhenmeter: 237
Reine Fahrzeit: 3 Stunden 37

Kommentare

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  1. Susanne sagt:

    Wenn ich das alles so lese, bekomme ich totale Sehnsucht nach Urlaub in Dänemark! Und natürlich unbedingt auch mit dem Fahrrad. Vielen Dank fürs „Mitnehmen“ und viele Grüße aus der Schweiz (Urlaub in genau der anderen Richtung…)!

    1. Vanessa sagt:

      Gerne und Grüße zurück!

  2. PaulineM sagt:

    Was für ein schöner Reiseabschnitt! Man sagt den Dänen ja nach, dass sie die glücklichsten Menschen seien. Vielleicht liegt es daran, dass sie „Infrastruktur für Menschen“ erschaffen.

    Im Legoland hätte ich auch eher die Brote bewacht. Seit meiner Schwangerschaft vor Jahrzehnten kann ich nicht mehr Karussell fahren, dabei bin ich in der Stadt mit der größten Innenstadtkirmes Europas aufgewachsen und sozusagen im Karussell großgeworden.

    1. Vanessa sagt:

      Sööst, wie schön. Das ist mir bekannt.

  3. Andreas sagt:

    Wir brechen morgen früh in Richtung Blåvand auf und Legoland ist natürlich auch ein Ziel. Ich bin schwer gespannt; mein letzter Besuch dort müsste nun schon fast 40 Jahre her sein.
    Wir hatten übrigens das Glück, dass der gelb-blaue Discounter just letzte Woche ein Angebot hatte, bei dem man die Karten für 29,- p. P. kaufen konnte. Bei uns sollten also auch noch Pommes mit drin sein. :-)

    1. Vanessa sagt:

      Was ein Schnäppchen! Ich wünsche viel Freude mit Fashrgeschäften, Pommes und Softeis!

    2. Andreas sagt:

      Wir haben es dann doch ohne Pommes geschafft. Die Lebensmittelpreise im Park entlockten mir nur ein kurzes „Pföh.“, und die Warteschlangen, die vor den Imbissen fast so lang waren wie jene vor den Fahrgeschäften, begruben jegliche Versuchung, die mitgebrachten Speisen durch etwas frisch zubereitetes zu ersetzen.
      Wir hatten jedenfalls einen großartigen Tag, an dem wir uns direkt zum Anfang auf den Piratenbooten wilde Wasserschlachten lieferten und den das Töchterchen stolz wie Bolle mit einem Legoland-Führerschein beendete.

    3. Vanessa sagt:

      Das ist doch schön! Wir kamen gut ohne Pommes aus, gönnten uns nur irgendwann ein Softeis (seltsamerweise ohne Blattgold, der Preis ließ anderes vermuten). Für 29 Lidl-Euro definitiv ein lohnenswerter Besuch. Für 60 Euro … naja. Aber die Kinder hatten Spaß. Also alles gut.

  4. Ilona sagt:

    Ich liebe Ihren Blog!!!
    Ich freue mich, dass Sie uns mitnehmen auf das Abenteuer „Radurlaub mit Kids. :-) “
    Bin sehr gespannt wie es weitergeht, was die Kids aus diesem Urlaub machen, was sie alle erleben, etc.
    Ich hoffe Petrus ist Ihnen wohlgesonnen und schenkt ihnen herrliches Radl-Urlaubswetter .
    Wünsche Ihnen immer Luft in den Reifen und unfallfreies Radeln!
    Herzlichst
    Ilona

    1. Vanessa sagt:

      Petrus war zwischendurch ziemlich schlecht gelaunt, aber dann wieder guter Dinge. Regen und Platten erledigten wir in einem Abwasch.

  5. […] „Die Dänen haben eine wunderbare Eigenschaft: Sie erschaffen Infrastruktur für Menschen. Sie bauen …“ […]

  6. Andreas sagt:

    Nach einer Woche in Blåvand muss ich neben viel Begeisterung für dieses und jenes aber leider auch feststellen, dass ich von der Aussage „Die Dänen […] erschaffen Infrastruktur für Menschen“ mehr erhofft hatte – zumindest in Hinsicht auf Verkehrsplanung. Vielleicht hatte ich auch eine zu hohe Erwartungshaltung an das, was die Skandinavier für Fußgänger und Radfahrer einplanen.

    Jedenfalls war ich sehr, wie man im angelsächsischen sagt, „underwhelmed“ über die Situation, die ich vorfand. Innerorts und knapp drumherum gab es auf einer Straßenseite einen Streifen von ca. 1,20m Gesamtbreite, den sich Radfahrer und Fußgänger für beide Richtungen teilen mussten. Nicht nur, aber besonders auf den Wegen zum Strand war das schlicht und einfach zu wenig Platz und in der Brisanz noch zusätzlich befeuert durch lauter Ingrids und Rudolfs, die ihrer E-Bikes ungeachtet der Umgebung immer nur in vollem Tempo zu bewegen vermögen.
    Ein Radfahrer, der in dieser Situation das einzig logische tat und auf der Fahrbahn fuhr, wurde von einem (dänischen!) Autofahrer angehupt und mit barschen Gesten auf den Seitenstreifen verwiesen. Da habe ich in deutschen Großstädten schon bessere Lösungen gesehen.

    Und während man hierzulande über den Zustand von Radwegen jammert oder die Sinnhaftigkeit von Schutzstreifen in Frage stellt, nutzt man auf dänischen Landstraßen einfach die 30 cm zwischen Seitenlinie und Asphaltkante, pinselt ein Radsymbol da drauf und sagt „bitteschön“. Familien mit Kindern und Anhängern zuckeln dort ihres Weges, während der motorisierte Verkehr ohne Abstand mit 80 an ihnen vorbeirauscht. Ganz und gar nicht hygge.

    1. Vanessa sagt:

      Ja, auf den Landstraßen gibt es teilweise keine Radwege. Es folgt allerdings keinem System (oder ich erkenne es nicht). Wir wurden auch mehrfach angehupt – vor allem ich, die ich im Treck hinten versetzt fuhr, um mehr Abstand zu den Kindern zu erzwingen.

      Dann wiederum gibt es die Landstraßen entland gut ausgebaute Radwege, teils mit Beleuchtung. SIe fangen irgendwann an, gehen über viele Kilometer und enden dann wieder.

      In den Städten und Orten sind die Dänen besser aufgestellt, wenn auch noch nicht perfekt. In Aalborg habe ich insgesamt eine gute Infrastruktur erlebt, aber hin und wieder ist auch hier abbiegen unmöglich bzw. extrem umständlich. Das sind dann Kreuzungen nur für die Autofahrer.

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