Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Urlaub, Tag 4 – Morbider Charme in San Pellegrino, ein Tag in Bergamo und ein reichlich gedeckter Tisch

3. 10. 2022 1 Kommentar Aus der Kategorie »Expeditionen«

Sonne | Am vierten Tag meines Urlaubes reißt der Himmel auf, und der Tag begrüßt mich mit Sonne.

Rotgoldener Morgen. In der Ferne hohe Berge. Im Tal Wolken.

In Erinnerung an den Regen hat die Natur einen dicken Batzen Nebel ins Tal gelegt. Durch den Nebel stapfe ich hindurch, als ich vom Berg hinunter gehe nach La Vetta, dem Ortsteil am Hang, wo mein Auto steht. Fünfzig Minuten dauert der Abstieg, 500 Höhenmeter. An einigen Stellen ist es so steil, dass ich in Schlangenlinien absteige.

Nebliger Abstieg ins Tals. Links ein kleines Häuschen mit Geländer, rechts Felswand.
Verlassener Torpfosten, im Hintergrund Blick ins Tal auf San Pellegrino

San Pellegrino Terme ist ein Ort mit morbidem Charme. Einst war es Erholungsort der Reichen und Illustren mit Grand Hotel, Zahnradbahn und Aussichtslokalen. Jetzt lebt es vom Einstigen.

Zwar gibt es das luxuriöse Casinò Municipale im Jugendstil, doch das Grand Hotel steht als Mahnmal am Ufer des Brembo, die Fensterläden verschlossen, die Fassade strahlt Sepia aus. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts war es eines der modernsten Häuser der Region, 250 Zimmer, ein jedes ausgestattet mit Telefon und fließendem Wasser. Nun dämmert das Wahrzeichen des Ortes seit vierzig Jahren dahin und wartet auf seine Wiedergeburt.

Grand Hotel, davor ein Baumstamm, in den das Grand Hotel geschnitzt ist.

Ich frage Elisabetta, was geschehen sei. Man habe sich auf dem Erfolg ausgeruht, sagt sie, und über lange Zeit nicht investiert. Irgendwann seien dann die Gäste ausgeblieben. Die Zweifelnden, denke ich, sind auf der Langstrecke eben doch erfolgreicher als die Überzeugten, die Selbstgefälligen. Il Funicolare, die Zahnradbahn, ist immerhin seit diesem Jahr wieder in Betrieb, frisch herausgesputzt.

Gegenüber des Grandhotels, auf der anderen Seite des Flussufers, ein halbrundes Gebäude mit Säulen. Über dem Eingang formen verrosteten Buchstaben den Namen des Wassers, das nach der Stadt benannt ist: Acqua S. Pellegrino.

Flaches, halbrundes Gebäude mit Säulen. Über den Säulen, aus verrostetem Metall: "Acqua S. Pellegrino".

Sonst gibt sich der Ort dörflich. Es ist Samstag. Man geht ins Städtchen, man grüßt sich, trägt Taschen, zieht Hackenporsche hinter sich her, hält ein Schwätzchen.

Neben dem Zeitungskiosk am Ufer des Brembo steht eine Anzeigetafel. Adrian sei geboren, steht dort. Die Kommune heißt ihn herzlich willkommen.

È nato Adrian. La communità dà il benvenuto.

Dann wechselt der Text. Hundehalter werden aufgefordert, Häufchen aufzuheben: „Dein Hund kann es nicht aufsammeln. DU MUSST ES MACHEN! Steck den Kopf nicht in den Sand!“ Die Altherrengruppe auf der Bankbank starrt mich erst an und mir dann hinterher.

Ich fahre nach Bergamo. Bergamo hat ungefähr so viele Einwohner wie Bottrop, ist aber ungleich ansprechender, nicht zuletzt, weil dort das Stracciatella-Eis erfunden wurde. Aber auch architektonisch gibt Bergamo mehr her.

Antike Fassaden, links Santa Maria Maggiore, die Kathedrale.

Die Oberstadt liegt auf einem der letzten Alpenausläufer, und so fühlt es sich auch an, wenn man hinaufläuft. Bis zum höchsten Punkt, dem Castello di San Vigilio, geht es zünftig bergan. Wie auch in San Pellegrino fahren hier Zahnradbahnen. Allerdings sind sie am heutigen Samstag überfüllt. So laufe ich bergan, und mir wird gehörig heiß.

Die Stadt hat eine längjährige Geschichte: Etrusker, Langobarden und Barbarossa bis zum Risorgimento. Bergamo war Zentrum der Corona-Pandemie: Binnen zwei Monaten starben 6000 Menschen.

Brücke in die Città Alta, im Hintergrund liegt die Unterstadt zu Füßen.

Es gibt eine Universität, deren Fakultäten und Institute sich über die Stadt verteilen. Vor allem aber gibt es: Essen. Die Straßen quellen über vor pasticcerie, macellerie, birrerie – Konditoreien, Metzgereien, Brauereien, dazu Bars, Restaurants und natürlich Eisdielen.

Im Il Fornaio liegen die Pizzen im Schaufenster, dick belegt mit ganzem Büffelmozarella. Sie werden nach Kilo-Preis verkauft. Menschen drängen sich im Geschäft.

Massig dick belegte Pizzen in einer Auslage.

Nach dem Tag in der Stadt fahre ich wieder heim auf den Berg.

Im Jeep sitze diesmal nicht nur ich, sondern auch die Tochter und der Schwiegersohn der Vemieter und die zwei Enkelkinder. Elisabetta und Paolo laden mich nicht nur zu Polenta ein, wie verabredet, sondern auch zu Gemüse und Käse, zu Kaffee und Zitronenkuchen, zu Kaktusfrüchten, Wein und Kastanien. Die Kastanien röstet Paolo auf dem Herd: Dazu zerkleinert er Holz, schiebt es in den alten Ofen und kippt die Kastanien auf die gusseiserne Platte. Es wird heiß in der kleinen Küche in der wir zu Siebt um den großen Tisch sitzen, auf dem sich das Essen stapelt. 27 Grad zeigt das Thermometer an der Wand.

Voller Abendbrottisch, im Vordergrund halte ich eine Kaktusfrucht in der Hand

Gegen Zehn steige ich, erwärmt vom Ofen und von Gespräch, in meine Koje in der ersten Etage und schlafe sofort ein.


In Gedanken | Während ich in Bergamo war, waren meine Gedanken oft bei Elena – Journelle -, ihrer Familien und denen, die an diesem Tag auf ihrer Trauerfeier waren.


Gelesen | Schlafmediziner Martin in Schlott, passenderweise auch Chefarzt für Anästhesie, über guten Schlaf:

Schlott: […] Ich bin sogar der Meinung, dass wir uns die Hälfte der Persönlichkeitsentwicklungsseminare sparen könnten, wenn die Menschen ausgeschlafener wären.

ZEIT ONLINE: Sie beraten unter anderem Topmanager und Topmanagerinnen, wie diese besser schlafen können. Was genau empfehlen Sie denen?

Schlott: Schlaf zu einer Priorität zu machen und nicht länger zu glauben, dass vier oder fünf Stunden ausreichen. Am besten sollte man sich klarmachen, dass ausreichend Schlaf dazu führt, dass man bessere Entscheidungen trifft, fokussierter arbeitet und viel mehr Dinge in einer kürzeren Zeit schaffen kann. Wer ihn auf seiner Prioritätenliste nach ganz oben setzt, richtet seinen Tagesablauf danach aus. 

Wie komme ich zu gutem Schlaf?

Die Reise-Richtlinie in meinem Unternehmen sagt ja: Wenn ich vor 6 Uhr aufstehen muss, nehme ich mir ein Hotelzimmer. Ohne ausreichend Schlaf bin ich nicht gut.

Kommentare

1 Antwort: Bestellung aufgeben ⇓

  1. Alexandra sagt:

    Das Grandhotel erinnert mich an den Bahnhof von Canfranc in den Pyrenäen; eine schräge Geschichte von Anfang an. Aber vielleicht ist es einfach der gleichen pompösen Optik geschuldet …

Die Kommentare sind geschlossen



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