Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Neu im Repertoire | Die Tage mäandern dahin, gehen ineinander über, zerfließen. Tagsüber Arbeit, acht Stunden, zehn Stunden am Schreibtisch, zwischendurch kochen, am Abend Spaziergang, Netflix oder Gesellschaftspiel. Acht Stunden Schlaf und wieder von vorn. Am Wochenende geringe Abwandlungen: keine oder wenig Arbeit, dafür mehr Spaziergang, Netflix oder Gesellschaftsspiel, aufwändiger kochen und manchmal backen. Neu im Repertoire: Gartenarbeit.


Eine Stunde vor Ausgangssperre | Abendspaziergang um den See, mit Vollmond.


Urlaubskasse | Irgendwann im vergangenen Jahr, als ich bemerkte, dass ich im Lockdown nicht viel Geld ausgebe, begann ich, meine Urlaubskasse zu füllen. Jeden Monat, immer zu Beginn, legte ich einen Betrag hinein. Direkt, wenn es wieder möglich ist, wollte ich Urlaub machen. Szenenwechsel. Im Oktober dachte ich: „Jetzt machen sie alles ein paar Wochen dicht, und dann fahre ich in eine kleine Ferienwohnung, zwei Wochen irgendwo am Meer“, und legte weiter monatlich Geld in die Urlaubskasse. Im Januar dachte ich: „Jetzt machen sie alles ein paar Wochen dicht, und dann fahre ich in eine richtig geile Ferienwohnung, drei Wochen irgendwo am Meer“, und legte weiter monatlich Geld in die Kasse. Inzwischen stellt sich das Gefühl ein: Sollte der Dauerlockdown irgendwann vorbei sein und sollte selbst ich irgendwann geimpft sein, miete ich mich in Ferienwohnungen ein, am Meer und in den Bergen, für Wochen und Monate, denn ich habe immer weiter Geld in die Urlaubskasse gelegt.


Zwei Stunden vor Ausgangssperre | Abendspaziergang im Wald.


Privilegien für Geimpfte | Wissen Sie, ich habe keinen Schmerz damit, wenn Geimpfte mehr Freiräume haben. Meine große Sorge ist nur, dass „man ja jetzt wieder in Präsenz arbeiten kann“, weil „so langsam normalisiert sich ja alles“ und „viele sind ja schon geimpft“. Ich spüre jetzt schon, wie der Druck steigt, wie Kunden nach mehr Präsenz streben. Das wird um ein Vielfaches mehr werden. Und dann stehst du da, als Vorsichtige und Ungeimpfte, und kannst dich nur weigern, mit hohen persönlichen Kosten. Oder gehst hin, vielleicht auch mit hohen persönlichen Kosten.

Kommentare

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  1. AM aus DO sagt:

    Genau mein Gefühl zu den Impfungen und der Arbeitswelt

    + all die ungelösten Fragen, die sich daran anschließen, dass die Kita- und Schulkinder auch noch über Monate ungeimpft bleiben…

  2. Anne sagt:

    Ja, wieso reden alle über Lockerungen für Geimpfte statt über den Infektionsschutz für die Ungeimpften? :–(

    1. Vanessa sagt:

      Zumal gerade erst 10 Prozent der Menschen Vollimunität genießen.

  3. Frau Irgendwas ist immer sagt:

    Der Mond war der Hammer, oder? Zum Glück kann ich trotz Vollmond schlafen wie ein Stein, umso mehr hab` ich mich über die kugelrunde Kugel am Abendhimmel gefreut.

    1. Vanessa sagt:

      Und wie hell er war!

  4. „… statt über den Infektionsschutz für die Ungeimpften …“ Das ist sehr richtig. H. denkt schon lange darüber nach. Heute war im benachbarten Altenheim eine Aktion: Jede/r, der/die wollte, konnte sich dort impfen lassen, solange die Vorräte reichten. Sehr gut!

  5. Nihilistin sagt:

    „Die Tage mäandern dahin..“ Genau so. Ich sollte eigentlich mehr Qualitätszeit haben – kein Arbeitsweg (Homeoffice), keine Dienstreisen, kein Freizeitstress. Und doch macht dieses Mäandern müde, ausgelaugt, unkonzentriert. Immerwährend das Gefühl, nicht „anzukommen“, nicht zur Ruhe zu kommen.
    Und die Sehnsucht nach Meer&Tapetenwechsel …. und die dritte geplante Auszeit (nach Dezember und April) habe ich innerlich schon abgeschrieben.

    Einfach müde.

    1. Julia sagt:

      So geht es mir auch. Ich bin seit ende Februar 2020 im Home Office, und zugegeben: letztes Frühjahr war das für mich persönlich erstmal eine Wohltat (mir ist die Diskrepanz zur allgemeinen Situation schon klar) – ich bin normalerweise 20-25 Wochen im Jahr beruflich unterwegs, immer Langstrecke, immer gejetlagged, immer schön lustiges Kontinente-hopping (und da das oft für Außenstehende aufregend klingt: Jein. Ich mag meinen Job, aber Konferenzzimmer sehen überall gleich aus und die Reisen zehren sehr an einem.) Mir ging es als Individuum letztes Frühjahr erstmal so richtig gut. Endlich mal unlimited daheim (ich bin nämlich im Herzen eigentlich ein kleiner Homebody). Endlich mal Tempo raus. Corporate bleibt im Schrank und mein Büro wandert auf meinen Balkon.
      Fast forward 14 Monate und heute geht es mir wie dir und Vanessa. Dieses ziellose Mäandern von Tag zu Nacht zu Tag….schlaucht mich mittlerweile mental so richtig, trotz aller Gegenmaßnahmen, um mich strukturiert zu halten. Ich bin im Kopf einfach mittlerweile völlig stumpf. Mir ist bewusst, das es Jammern auf hohem Niveau ist, wenn man sich die Menschen ansieht, die gern ins Home Office würden, aber nicht können oder dürfen (hab ich in der erweiterten Familie), oder die, die als komplette Familie derzeit daheim sind. Für die hab ich eine Luxussituation. Ja, alles richtig, und trotzdem zehrt sie an mir. Deswegen Danke für den Kommentar und auch Danke an Vanessa für diesen Post.

    2. Nihilistin sagt:

      @Julia Hoffe dass der Kommentar-Kommentar richtig aufgereiht wird: Danke auch Dir für Deine Erfahrungen. Ich rede, wie Du, sonst auch sehr wenig drüber, weil meine Situation gegenüber der von Eltern/KH Personal/Erzieher:innen/Verkäufer:innen sehr sehr priviligiert ist. Aber zu wissen, dass man im „Fühlen“ grad nicht allein ist, hilft sehr, die Zeit noch durchzustehen und sich nicht wie ein mieses Alien zu fühlen.

  6. martin III. sagt:

    Ach, abwarten, bis unbeschwerter Urlaub wieder möglich ist reicht die Urlaubskasse womöglich für den Kauf eines Strandgrundstücks samt Häuschen ;)

  7. Andreas sagt:

    Ich finde eine Erwägung von Privilegien für Geimpfte aufrührerisch, unverantwortlich und antisozial, so lange nicht für jeden Menschen die Möglichkeit einer Impfung in Sichtweite ist. Und albern hinsichtlich der Tatsache, dass wir derzeit bei noch bei unter 10% Immunisierung herumdümpeln und noch nicht mal Pflege-, Lehr- und und Erziehungspersonal durchgeimpft sind.

    Natürlich steht es außer Frage, dass die persönlichen Freiheiten nicht länger eingeschränkt sein dürfen, als dringend nötig. Aber wo endet die Definition von „dringend nötig“?
    Spulen wir doch mal ein gutes Jahr zurück. Damals war der Begriff „Risikogruppe“ noch schwer in Mode, und selbige galt es solidarisch zu schützen. Obwohl damals auch noch große Teile der Fachwelt der Meinung war, dass Kinder weder gefährdet noch Gefährder seien, wurden Kitas und Schulen dicht gemacht, und Spielplätze ebenso. Mittlerweile sind wir schlauer, was die Kinder angeht, und im Nachhinein betrachtet war es im Sinne der Pandemieeindämmung wohl genau richtig, auch unter ihnen die Kontakte einzuschränken.

    Aber gab es damals eine öffentliche und politische Diskussion um Privilegien für Kinder? Nö. Die Kinder haben ihre Großeltern per Videochat gesehen, sie haben fleißig Regenbogenbilder gemalt und ins Fenster gehängt, und sie haben verzichtet, verzichtet, verzichtet.
    (Übrigens, während einige besonders liebe Exemplare der Risikogruppe sich weiterhin draußen zum Plausch trafen oder uns im Treppenhaus mit dümmlichen Kommentaren über den Abstand bereicherten.)

    Ich darf eigentlich nicht klagen, relativ gesehen. Wirtschaftlich sind wir dank meines Jobs ohne Schaden durch die Pandemie gekommen. Ich bin, abgesehen von einem kurzen Intermezzo im letzten Sommer, seit einem Jahr im Home Office. Wir haben zumindest einen Balkon und viel Grün in Reichweite. Als die Spielplätze zu waren, konnte ich unserer Tochter das Radfahren beibringen und schon bald größere Touren mit ihr machen.
    Unsere Fünfjährige ist ein liebes und kluges Wesen, und selbst jetzt sagt sie noch mit ungebrochenem Optimismus Sätze, die mit „Wenn das blöde Corona mal vorbei ist …“ anfangen. Sie ist so stark und tapfer, und doch kommt auch sie an ihre Grenzen, und es bricht einem einfach das Herz, wenn das Kind untröstlich weint, weil es irgendwann einfach doch zu viel für die kleine Seele ist.

    Andere Familien müssen mit deutlich mehr Herausforderungen klar kommen. Aber dennoch: Wir haben im Sinne der Solidarität viele Einschränkungen auf uns genommen und diese auch getragen und verteidigt, weil wir an die Notwendigkeit dieser Maßnahmen glauben. Und neben dem ganzen Affenzirkus um verfrühte Lockerungen sind es die Forderungen nach Privilegien für Geimpfte, die mich zu der Frage führen: Ist diese Solidarität eigentlich nur eine Einbahnstraße, bei der es letzen Endes darauf ankommt, von welcher Seite man den gestreckten Mittelfinger sieht?

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