Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Regen. Gedanken zu dem, was ich tue. Ein Kleid. Konjunkturpaket.

4. 6. 2020 8 Kommentare Aus der Kategorie »Tagebuchbloggen«

Juchhu | Es regnet. Hallejuah. Heute Nacht hat es begonnen, am Morgen fisselte es, über Tag hat es immer mal geregnet, in der Nacht und morgen soll es weitergehen. Der Garten brummt zufrieden.

Garten, nass: geschwungener Weg, Kirschbaum, Natursteinmauern, rechts Wiese, im Hintergrund weißes Gewächshaus

So langsam wird es auch unter den Bäumen nass.

Trotz Regen fragte die Sportsfreundin am Abend, ob ich mit ihr eine schnelle Runde um den See walken wolle, sie mit Stöcken, ich ohne. Ich ließ mich nicht lange bitten. Durch die Gegend latschen geht ja immer.

4 Sportschuhe, Stöcke, Fotos von oben die Beine entlang

Zwanglos | Die Nachbarn haben Corona genutzt und sich eine Hütte in den Garten gebaut. Tag um Tag haben sie gesägt und gehämmert, sie haben mir gewunken, wenn ich auf dem Balkon saß, ich habe zurückgewunken, den Fortschritt gelobt und das Tun beobachtet. Anschließend haben sie die Hütte angestrichen, Sand davor gekippt und eine Lichterkette dran gehängt.

Gestern öffnete ich Google Maps und – sehen Sie selbst. Ich feiere das.


Selbstständigenkram | Dinge, über die man sich als Selbstständige Gedanken machen muss: das Konjunkturpaket. Für sechs Monate wird die Mehrwertsteuer gesenkt. Ich habe schon Post von meinem Buchhaltungsprogramm bekommen.

Wir werden in den nächsten Tagen Papierkram dahingehend ändern, dass die im genannten Zeitintervall geltenden Steuersätze verfügbar sein werden und eine Lösung implementieren, die die Änderungen beim Buchhalten so einfach wie möglich machen wird.

E-Mail-Newsletter von Papierkram

Auf meinen Verdienst hat das keine Auswirkungen. Ich reiche die Steuer ja nur durch: Ich erhebe sie mit meinen Rechnungen und überweise sie mit der monatlichen Umsatzssteuervoranmeldung ans Finanzamt. Auch für meine Unternehmenskunden hat das keine Auswirkungen: Sie zahlen nicht weniger, denn sie reichen die Steuer ebenfalls nur durch.

Ich habe überlegt, wie ich nun Angebote schreibe: Denn die im September geltende und im Angebot ausgewiesene Mehrwertsteuer kann bei Leistungserbringung im Januar ja bereits wieder eine andere sein. Werde also bei den Angeboten, die ich zwischen Juli und Dezember schreibe, wahrscheinlich keine Mehrwersteuer ausweisen und stattdessen sowas schreiben wie: „zzgl. geltender Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt der Leistungserbringung.“ Oder ich weise die Mehrwertsteuer aus und schreibe sowas dazu wie „Der Mehrwertsteuersatz kann zum Zeitpunkt der Leistungserbringung abweichen.“ Oder whatever. Alles ist im Fluss.


Gedanken zu dem, was ich tue | Ich las ein Interview mit Judith Muster, einer Unternehmensberaterin. Es geht um Agilität und ob es eine Managementmode sei. Außerdem sagt sie, dass „agiler werden“ oft nur ein Label, ein Mittel zum Zweck sei, um im Unternehmen etwas verändern zu können.

Das Ausrufen eines neuen, in diesem Fall agilen Zeitalters hat ja auch den Zweck, dass man das Alte nicht schlechtmachen muss. Man kann durch die Dramatisierung des Neuen die Botschaft verbreiten, dass sich etwas ändern muss. Das ist dem Unternehmen mithilfe des Labels Agilität gelungen.

Problemlösungen und Lösungsprobleme

Zu sagen „Wir müssen agil werden“, helfe, einen Wandel überhaupt erst anzustoßen. Anders sei es manchmal kaum möglich.

Der Ruf nach Agilität funktioniert im ersten Schritt wie ein Symptom, das ein Problem signalisiert. Im zweiten Schritt dient dieser Appell als Türöffner für Veränderungen. Was man dann konkret macht, muss mit den gängigen Agilitätskonzepten nicht viel zu tun haben. Viel wichtiger ist es, die eigentlichen Probleme zu verstehen. Dank der Agilitäts-Rhetorik kann die Organisation behaupten, sie hätte die eigenen Pathologien erst jetzt – dank der neuen Methode – erkennen können, nach dem Motto: Wir sind gar keine bürokratischen Besitzstandswahrer, wir konnten nicht wissen, dass es auch anders geht. Systemtheoretisch gesprochen: Man erzeugt im System Irritationen, ohne es im Kern infrage zu stellen.

Meiner Erfahrung nach kennen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die eigenen Pathologien, also das, was im Unternehmen krankt, sehr gut. Ich mache weiter die Erfahrung, dass sie auch kein Problem damit haben, Bestehendes infrage zu stellen – wenn man Zeit in Gespräche investiert, sie respektvoll nach ihrer Meinung fragt, gut zuhört, die Meinungen verschiedener Gesprächspartner abgleicht und zusammenbringt. Wenn ich in Unternehmen gehe, ärgern sich die Leute meist schon seit Jahren über bestimmte Dinge und sind durchaus bereit, sie zu verändern – und auch sich selbst. Es fehlt ihnen nur der Hebel, es zu tun; sie wissen nicht, wie, und haben Angst, dass es schlecht für sie ausgeht. Oft gab es bereits Initiativen aus einzelnen Abteilung heraus. Die Abteilungen haben dabei allerdings die Bedürfnisse wiederum anderer Abteilungen nicht berücksichtigt. Die anderen Abteilungen haben sich echauffiert, die Mitarbeiter bekamen einen auf den Deckel, die Initiative starb und mit ihr der Mut, etwas anzusprechen und aus dem Tagesgeschäft heraus zu verändern.

Ich halte es für schwierig, „im System Irritationen zu erzeugen“, ohne das, was eigentlich im Argen liegt, infrage zu stellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verstehen zu Beginn eines Wandels sehr schnell, dass kein Stein auf dem Anderen bleiben wird. Das Einzige, was hilft, ist Ehrlichkeit. Mit offenem Visier ins Getümmel laufen. Klar sein, fair sein. Den Leuten helfen, die Unsicherheit auszuhalten und auch, in der neuen Organisation einen Platz zu finden.

Wenn man diesen Gedanken Raum lässt, finden die meisten Leute sehr gut einen neuen Platz für sich, unabhängig vom Lebensalter. Ich halte die Variable „Lebensalter“ ohnehin für maßlos überbewertet; die älteren Mitarbeiter*innen haben dahingehend einen viel zu schlechten Ruf. Meiner Erfahrung nach ist die Veränderungsbiographie eines Menschen entscheidend dafür, wie er mit Neuem umgeht, nicht das Lebensalter: Ein 64-Jähriger, der sich schon oft verändern musste, ist flexibler und lernt schneller als ein 34-Jähriger, der seit der Ausbildung das Gleiche tut. Bei 64-Jährigen, die seit 40 Jahren dasselbe tun, ist nicht das Lebensalter das, was blockiert, sondern die nicht vorhandene Veränderungsbiographie.

Aber zurück zum Thema. Ich rate davon ab, die Notwendigkeit für einen Wandel mithilfe einer Krücke herbeizureden. Es braucht keine modischen Worte.

Ich gehe zu den Unternehmen, höre erstmal zu und bringe Methoden mit, die helfen, den Wandel mithilfe der Menschen dort voranzubringen. Klar sind das viele agile Methoden. Aber nicht nur. Ich mache auch nie eine Methodendiskussion auf oder sage, dass etwas „agil“ wird. Weil: Vielleicht wird es das gar nicht, nicht nach Lehrbuch. Ich öffne lieber Perspektiven („Wollen wir mal etwas ausprobieren und gucken, ob es euch hilft?“) – meist haben die Mitarbeiter*innen dann aber noch bessere Ideen. Einfach, weil sie ihre Abläufe, Produkte und Dienstleistungen besser kennen. Es ist ein Zusammenspiel, wie Tanzen.


Tiefes Seufzen | Die Freibäder in Dortmund bleiben weiterhin geschlossen: zu teuer. Ich werde mich in der Nachbarschaft umschauen. Das Elsebad in Schwerte hat 50-Meter-Bahnen, einen Schwimmerbereich und ist bei jedem Wetter von 9:30 bis 19:30 Uhr geöffnet. Hört sich gut an. Alternativ steige ich einfach in die Ruhr. Später, wenn es wärmer ist.


Unverhofft | Heute kam Post. Am 14. Februar hatte ich ein Kleid bestellt. Kaum hatte ich es bestellt, verschob sich die Lieferzeit um ein paar Wochen. Dann nochmal um ein paar Wochen. Ich überlegte, es wieder abzubestellen, vergaß es aber. Die Lieferung verschob sich nochmal um etliche Wochen. Ich vergaß das Kleid daraufhin vollkommen. Vor zwei Tagen bekam ich eine E-Mail: „Ihr Paket ist unterwegs.“

„Huch“, dachte ich. Na sowas.

Heute kam das Kleid. Es passt wie angegossen, und ich habe mich gefreut wie ein Schnitzel.

blaues Kleid mit rot angesetzten Rändern und Stoffgürtel

Gelesen | Interessanter Twitterfaden zur Bildsprache Trumps und der Rolle der Religion in seiner Politik

Gelesen und geguckt | Bewegungen, die man sich körperlich nicht vorstellen kann

Corona-Service | Umgang mit Corona: verschiedene Menschentypen. Das Interview verlinke ich wegen drei Wörter: „Dehnungsfugen im Alltag“. Darüber hinaus finde ich die skizzierten Typen ganz passend – wenngleich sie wahrscheinlcih eher ein Kontinuum als in sich geschlossene Kategorien sind. | Kommentar zur Rave-Demo auf dem Berliner Landwehr-Kanal. Verlinke ich ebenfalls nur, weil dort Wörter vorkommen. Zum Beispiel „Vollhonks“, „sagenhafte Beknacktheit“ und „flotte Bumsmusik“. | Zwei Spieler haben sich die Nächte um die Ohren geschlagen, Vorschriften gewälzt, Pläne skizziert – nun darf Beachvolleyball gespielt werden.

Kommentare

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  1. Friederike sagt:

    Aua – der Trump-Religion-Twitterfaden ist ja erschreckend! Und irgendwie erschreckend plausibel …

  2. Lotti sagt:

    Och Mensch, das mit den Freibädern tut mir echt leid. Besonders für die Dortmunder Kinder und Jugendlichen! Für die Erwachsenen sind die Nachbarkommunen vielleicht gut erreichbar, für Kinder ist so ein Freibadsommer (gerade wenn Urlaube ausfallen und auch wenn der Sommer heiß wird) aber was besonders Schönes und will nicht mit elterlichen Bringdiensten (wenn diese es denn können und wollen) abgestimmt werden. Und gerade nach diesem blöden Schulhalbjahr wäre es ihnen besonders zu gönnen.
    Hier bei uns im südlichsten Rheinland kam erst die gleiche Nachricht: Freibäder öffnen nicht – und jetzt ist doch geöffnet. Welch ein Glück. Die Spontanität fehlt (stark begrenzte Eintrittskarten sind im Internet für bestimmte Zeitfenster zu buchen). Wir sind die ganze Woche leer ausgegangen – dann halt heute, die Kinder mit Neopren und heißer Dusche zwischendurch!

    1. Vanessa sagt:

      Es ist sicherlich nicht einfach. Allerdings zeigt sich, dass die Kommune die Digitalisierung verschlafen hat: Eine Online-Tickebuchung mit Tagesobergrenze gibt es nicht, weil es in dieser Hinsicht bislang nicht Digitales gab. Man kauft beim Bademeister eine Papierkarte – oder eine papierene Zehnerkarte, die er bei jedem Besuch locht. Das war bislang zauberhaft retro.

  3. Danke zu den Ausführungen über “Wir müssen agil werden”. Ich habe das Ansinnen zu fürchten gelernt, seit ich es als Synonym eines Chefs für „Meine Abteilung besteht eh nur aus Vollidioten, und das werde ich ihnen jetzt beweisen“ erlebte.

    1. Vanessa sagt:

      Das Konzept „Agilität“ hat seine Berechtigung. Es steckt viel Gutes drin. Allerdings passt es nicht auf alle Unternehmen und auf alle Menschen. Leider wird auch oft als „agil“ gelabelt, was nicht agil ist.

  4. Trulla sagt:

    Vielen Dank für den sehr erhellenden Twitterfaden über die Bildsprache Trumps und seines verlogenen Missbrauchs von Religion.
    Ich habe beim Lesen einiges dazu gelernt und mein tägliches Erschrecken findet Erklärungen. Was allerdings keine beruhigenden Aspekte hat.

    Die Proteste in Folge des grauenvollen Todes von George Floyd lassen mich dennoch darauf hoffen, dass ihm im November die Stunde der Niederlage schlägt.

    1. Vanessa sagt:

      Ich hoffe das Beste und befürchte das Schlimmste.

  5. Ad Mehrwertsteuer: Ich schreibe bei unseren Angeboten immer: „Zuzüglich der zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung gültigen Mehrwertsteuer.“ (Endlich, nach so vielen Jahren, hat sich meine Vorsicht bezahlt gemacht!)

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