Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Virale Beschäftigung | Corona beschäftigt mich gerade sehr stark – weil es meine Kunden beschäftigt. Nachfolgend einige lose Bemerknisse.


Kurvendiskussion | Man kann die Absage von Veranstaltungen und die behördlichen Entscheidungen richtig finden und trotzdem den Kopf über Hamsterkäufer schütteln. Man kann völlig unpanisch sein, und trotzdem versuchen, sein Verhalten anzupassen. Das geht gut, das ist kein Widerspruch.

Worum es bei Geisterspielen, Veranstaltungsabsagen und der Vermeidung von Dienstreisen eigentlich geht – in einer Grafik:

Das Ganze auf Deutsch, mit Kurve, nochmal bei der FAZ. Eindrücklich auch diese Grafik:

https://twitter.com/clausvonwagner/status/1237320829698027523

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America

Die Nachrichten aus Bergamo sind in diesem Zusammenhang leider sehr besorgniserregend. Dort ging die Kurve steil hoch. Die italienischen Ärzte machen dort nun faktisch Triage: Der Krankenhausarzt Christian Salaroli sagt, man entscheide nach den Faktoren Alter und Gesundheitszustand, inwieweit sich eine Behandlung lohne – oder ob ein anderer Patient größere Chancen habe und deshalb einen der Beatmungsplätze erhalte, wie im Krieg. Er ruft dazu auf, zu Hause zu bleiben (Übersetzung von mir):

State a casa. State a casa. Non mi stanco di ripeterlo. Vedo troppa gente per strada. La miglior risposta a questo virus è non andare in giro. Voi non immaginate cosa succede qui dentro. State a casa.

(Bleibt zu Hause. Bleibt zu Hause. Ich werde nicht müde, das zu wiederholen. Ich sehe zu viele Leute auf den Straßen. Die beste Antwort auf das Virus ist, nicht raus zu gehen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was hier drin los ist. Bleibt zu Hause.)

Coronavirus, il medico di Bergamo: „Negli ospedali siamo come in guerra. A tutti dico: state a casa“

Wie Salaroli spricht auch sein Kollege Daniel Macchini von „Krieg“: Text im Tagesspiegel.

State a casa. Bleibt zu Hause. Ich werde am Freitag noch ein Seminar besuchen (wenn es denn stattfindet), und mich danach etwas einschränken, neben der Arbeit, völlig unpanisch, um dazu beizutragen, dass die Kurve flach bleibt.


Der Kapitalismus | Ich höre immer wieder Kritik daran, dass die Berichterstattung die Folgen für die Wirtschaft thematisiert. Es gehe doch um Menschenleben und die Gesellschaft, da sei Kapitalismusdenken ja wohl fehl am Platze.

Ich habe bereits Auftragseinbußen. Bislang nicht besorgniserregend. Aber wenn im zweiten Halbjahr weitere Aufträge wegbrechen oder wenn ich erst gar keine Aufträge erhalte, weil die Unternehmen, die mich eigentlich engagiert hätten, erstmal ihre Verluste aufholen müssen – dann macht mir das Sorgen. Ich bin noch gut dran, ich habe Reserven und bin allein. Viele Freiberufler haben keine ausreichenden Rücklagen, um mehrere Monate zu überstehen – und haben zudem Familie und Kinder. Für uns gibt es kein Kurzarbeitergeld und keine staatlichen Hilfen.

Es gibt schon jetzt zahlreiche Messe-, Transport- und andere Unternehmen, die ihre Verluste kaum tragen können. Das sind keine Konzerne mit Vorständen und Boni. Das sind Menschen, die eine Idee hatten und die etwas aufgebaut haben. Sie beschäftigen weitere Menschen und geben ihnen Arbeit. Sie alle haben nichts falsch gemacht, sie haben richtig gewirtschaftet – dennoch reicht es nicht, weil zu schnell zu viel wegbricht. Da gibt es momentan bereits viel Verzweiflung, weil Leute sehen, dass ihre Reserven nicht ausreichen werden, um über viele Monate die Löhne weiter zu bezahlen. Beide, Angestellte und Unternehmerinnen, sind Nachbarn, Bekannte, Freunde. Das ist nicht der böse Kapitalismus. Das sind Wir – genauso wie all die Menschen, die nicht krank werden sollen, Wir sind.

Kommentare

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  1. Ina sagt:

    Vielen Dank. Eine sehr sachliche und zutreffende Zusammenfassung und Bewertung der Situation. Was man teilweise auf social media an Kommentaren liest.. Da fällt mir gar kein treffender Begriff ein. Schlimm.

    Liebe Grüße, Ina

    1. Vanessa sagt:

      Dort schaue ich gar nicht erst rein. Das hilft ja in diesem Fall wenig.

      Manchmal ist Social Media eine durchaus gute Quelle. Bei komplexen Herausforderungen aber eher weniger.

  2. Vielen Dank. Es ist das zweite Mal, dass jemand vernünftig und sachlich über Corona redet. Das erste war übrigens von einer ehemaligen Kollegin, die zur Zeit für sehr viele internationale Bildungsprojekte und – reisen zuständig ist, leider aber auf Estnisch. Obwohl Sie ja schon bei uns waren, glaube ich eher nicht, dass Sie schon die Sprache beherrschen. :)

    1. Vanessa sagt:

      Eher nicht, nein.

      Ich finde die Berichterstattung in tagesschau, im NDR-Podcast und bei Zeit Online sehr sachlich. Mehr konsumiere ich nicht. Ist vielleicht auch besser so.

  3. Vielen Dank für die Erwähnung meines Tweets. Der Beitrag kam heute in meinem Monitoring auf und das nette Logo „Draußen nur Kännchen“ veranlasst mich, auf den von mir außerdem und vielfach genutzten Hashtag auf Instagram #draussennurkaennchen hinzuweisen. Wir treffen uns dort ;) https://www.instagram.com/explore/tags/draussennurkaennchen/

    Etwas ausführlicher habe ich übrigens das GIF aus dem Tweet hier beschrieben: https://www.xing.com/news/insiders/articles/die-flache-epidemiekurve-3038046

    1. Vanessa sagt:

      Danke für den Link, speziell zum Xing-Artikel!

  4. PaulineM sagt:

    Eine Gruppe Freiberufler, denen im Moment die ganze Existenz wegbricht, sind Dolmetscher. Bei manchen wurden bis zu 90 % der Aufträge storniert, weil solche Aufträge oftmals bei größeren Veranstaltungen, Konferenzen, Messen, Kongressen stattfinden.

    1. Vanessa sagt:

      Je mehr man darüber nachdenkt: Es sind unglaublich viele. Messebauer, Dolmetscher, Speaker, dazu alle Menschen, die mit Gruppen arbeiten. Die Hotelerie ist betroffen. Gastronomie.

  5. Katrin sagt:

    Leider befürchte ich, dass Hilfen eher nicht die Freiberufler und kleineren Selbständigen erreichen, sondern die armen Autohersteller und Banken wieder auf die Beine hilft. :( (Mann und ich sind auch betroffen)

    1. Vanessa sagt:

      Hilfe gibt es nur, wenn das Gesundheitsamt den Freiberufler offiziell in Quarantäne steckt. Und auch dann habe ich Zweifel. Wir werden sehen.

  6. Liz sagt:

    Danke für deine Gedanken. Ich bin auch Freiberuflerin (Werbung) und spüre ein gewisses Ruckeln in der Auftragslage. Zwar habe ich über die Jahre genügend Rücklagen erarbeiten können, andererseits bin ich Hauptverdienerin und betrachte die wirtschaftlichen Implikationen nicht sorglos. Das Gespräch mit Kunden zeigt wiederholt, dass alle sehr vorsichtig sind – Budgets werden auf Eis gelegt oder ganz storniert, größere Zusagen möchte grad kaum jemand machen.

    Auch mein Mann ist Freiberufler, wir haben ein Kind und damit auch zahlreiche soziale Kontakte (Kita), die wir nicht ohne Not abschalten können. Ob Kitas oder Schulen schließen, ist ja derzeit noch nicht klar. Wie ich mit wochenlang zuhause bleibendem Kind im Home Office arbeiten sollte, ist mir noch nicht klar. Das ginge eigentlich nicht.

    Mit irgendwelchen Hilfen, falls unsere Existenzgrundlage zerbröckelt, rechne ich nicht. Würde mich sehr wundern. Bislang hoffe ich einfach, dass die Rücklagen reichen und in einigen Monaten wieder etwas Schwung in die Sache kommt.

    1. Vanessa sagt:

      Dasselbe hoffe ich auch. Dazwischen lebe ich von vorhandenen Aufträgen und, wenn nötig, etwas Rücklagen. Ich rechne nicht damit, dass sich groß neue Aufträge einstellen werden.

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