Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

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Telekolleg „Heizkörper lackieren“

7. 10. 2013  •  38 Kommentare

Hier im Kännchencafé passiert gerade nicht viel.

Im Hintergrund hingegen passiert eine ganze Menge. Denn ich habe Urlaub. In diesem Urlaub renoviere ich entweder – oder schlafe.

Sie denken nun bestimmt: „Oh je, in welch eine Bruchbude will Frau Nessy eigentlich einziehen! Sie renoviert doch schon seit Wochen!“ Das stimmt so nicht ganz, denn zwar renoviere ich tatsächlich seit Wochen, die Wohnung ist aber keine Bruchbude. Vielmehr ist es so: Je weiter man in die Tiefen einer Sache vordringt, desto mehr Details entdeckt man, die man verbessern kann. Und Sie kennen bestimmt die alte Renoviererweisheit: „Was du jetzt nicht machst, machst du hinterher niemals mehr.“

Oder würden Sie, wenn Sie einmal eingezogen sind, die Heizkörper abnehmen?

abgenommener RadiatorSehen Sie. Ich auch nicht.

Dabei kann man mit abgenommenen Heizkörpern so viel machen. Man kann zum Beispiel Dämmplatten in die Nische hinter dem Radiator kleben und so dafür sorgen, dass die Heizung demnächst nicht mehr den Garten mitheizt. Man kann die Heizkörper reinigen und von Spinnweben befreien. Und man kann die kackbraune Farbe weiß überlackieren.

Servicetipp #1: 
Polystyrol-Hartschaumplatten mit Waffelstruktur zur Dämmung. Die lassen sich nachher auch gut streichen.

Das Ganze ist eine elende Plackerei – nicht so sehr das Lackieren, sondern das Abnehmen. Deshalb haben das auch zwei kräftige Herren für mich getan, denen es nichts ausmacht, 40 Kilo Heizkörper mit 60 Liter Wasser drin zu heben.

Nun ja, fast nichts. Deshalb:

Servicetipp #2:
Gutes Catering hilft, die Motivation starker Männer hoch zu halten.

Nachdem die starken Männer Ihnen die Heizkörper aus der Wohnung getragen haben, nachdem die Heizkörper im Garten ausgelaufen sind (an dieser Stelle werde ich nächstes Jahr dreiköpfige, sprechende Tomaten ernten) und die Herren die Dinger auf einen Bock gehoben haben, können Sie sich an die dekorative Feinarbeit machen und die Heizkörper lackieren.

Heizkörper lackieren

Servicetipp #3:
Meine Wagner-W-550-Sprühpistole hat ca. 70 Euro gekostet und war ihr Geld wert. Das Lackieren geht zigfach schneller als mit dem Pinsel und spart Farbe. Außerdem fühlt man sich wahnsinnig professionell. Achtung: Es gibt Sprühdinger für Lacke und Sprühdinger für Wandfarben.

So sieht dann hinterher das Ergebnis aus:

Vier lackierte Heizkörper

Nach dem Lackieren müssen die Heizkörper natürlich wieder ran an die Wand (vgl. Servicetipp #2). Wenn Sie in einem Nachkriegshaus wohnen, so wie ich es demnächst tun werde, kann es sein, dass Sie ganz komische Anschlüsse haben. Also nicht Halbzoll-Gewinde oder Viertelzoll, sondern 7/16, angesichts derer sich selbst der anwesende Heizungsbaugeselle rätselnd am Kinn kratzte. Der Baumarkt hatte passende Kappen und Stopfen natürlich nicht vorrätig, denn 7/16 : „Wer verbaut denn sowatt? Hamwa nich!“ Aber wir sind ja Checker:

Servicetipp #4:
Wenn Sie 7/16-Anschlüsse haben, dichtet ein 10-Cent-Stück, eingelegt in die Ventilkappe, passgenau ab.

Als die Heizkörper wieder dran waren, habe ich mich unten im Heizungskeller gefühlt wie in Wolfgang Petersens „Das Boot“:

Heizungskeller

Es fehlten nur die Echolot-Geräusche.

Servicetipp #5:
Wenn die Heizkörper wieder dran sind: Wasser nachfüllen und entlüften.

Als ich dann so herumstand und Wasser nachlaufen ließ und mich ein wenig umsah, denn das Ganze braucht reichlich Zeit und im Heizungskeller ist es schön warm und muckelig, habe ich mich sehr ruhrgebietlich gefühlt:

Aufkleber: IG Bergbau und Energie

Wenn Sie also demnächst Zeit und Muße haben, nehmen Sie doch einfach mal Ihre Heizkörper ab. Ich garantiere Ihnen viele schöne Stunden, ein nachhaltiges Ganzkörpertraining und mindestens ein kniffliges Rätsel.

Dienstags auf dem Marktplatz

1. 10. 2013  •  31 Kommentare

Heute, auf einem Marktplatz im Sauerland, habe ich meinen Lebensplan geändert.

Marktplatz mit KirchturmEin Ausflug trug mich ins Sauerland, in die Heimat, auf den Marktplatz, an einem Dienstag. An einem Dienstag stellen die Menschen hier nicht nur ihre Mülltonnen an die Straße, an einem Dienstag ist hier auch Wochenmarkt, direkt unter dem Kirchturm. Zehn, zwölf Wagen parken dann dort, mit Fisch, Käse und Gemüse, mit Pflanzenzwiebeln und Reibeplätzchen.

Unter dem Kirchturm befindet sich ein Café, ein Eiscafé mit Draußensitz. Gegen 11 Uhr kommt die Sonne herum, scheint durch die nahe Gasse auf die Tische und Stühle. Die Kundschaft sitzt dann nicht nur mit besten Blick auf den Marktplatz, sie sitzt an einem Tag wie diesem, einem wunderbaren Alterweibersommertag, auch hell und warm.

Ich gehe nur fünf Schritte über den Markt, schon ruft es mir aus dem Eiscafé zu. So ist das hier an einem Dienstag, da sind alle auf dem Markt, da trifft man jeden, der sich irgendwie erübrigen kann: Rentner, Spätschichtler, Mütter in Elternzeit, hungrige Angestellte auf dem Weg zum Reibeplätzchenwagen. Wer hier geboren ist, trifft hier dienstags nicht nur jemanden, er trifft meist sogar alle.

Er sitzt an einem der Tische in der Sonne, und ich setze mich zu ihm. Er ist nun Rentner, ein Freund der Familie. Wir plauschen ein wenig. Kaum habe ich meine Latte M bestellt, schlendert der Nächste vorbei, auch Rentner, auch bekannt, der Erste ruft, der Zweite tritt zu uns an den Tisch:

„Wo kommste weg?“ Der Erste.
„Vom Arzt. Wegen meinen Venen.“ Der Zweite.
„Die beste Krankheit taugt nix.“
„Wem sagste das.“
„Setz dich.“
„Aber nur fünf Minuten.“

Er rückt sich einen Stuhl in die Sonne und setzt sich zu uns. Sogleich kommt meine Latte von rechts – und mit ihr der dritte Rentner von links.

„Moin Jupp! Setz dich bei!“
„Keine Zeit!“
„Erzähl keinen Quatsch!“
„Na gut, überredet!“

Nun sind wir schon zu Viert. Bald stoßen Rentner Vier und Fünf hinzu, kurz danach auch Sechs und Sieben, binnen 30 Minuten sitzen wir zu Neunt am Tisch. Nur Nummer Zehn lehnt den Kaffee ab:

„Hab’n nervösen Magen! Vertrage nur Getränke mit Schaum.“ Er meint nicht den Milchschaum und strebt in Richtung Fischbude davon.

Die Runde ist nun gesellig. Es geht um Krankheiten und Urlaube. Der Eine muss in die Röhre, der Andere war an der See, auf Tour mit dem Elektrofahrrad. Der Dritte fuhr am Wochenende mit dem Kegelclub nach Willingen – für Weib, Bier und Tanz.

„Da sagte der Türsteher zu mir, sein Etablismeng, das wär nix für mich, aber da vorne, da gäb’s auch was für die gehobene Kundschaft.“
„Gehoben im Stil?“
„Nee, gehoben im Alter.“

So sitzen sie da, trinken Cappuccino mit Sahne und noch einen Capuccino mit Sahne, so geht die Zeit dahin. Die Sonne wärmt uns den Rücken, ich blicke über den Marktplatz, grüße hier, grüße da, lausche dem Plausch und verwerfe meinen Plan, später einmal Fensterrentner zu werden. Nein, ich werde nicht Fensterrentner. Ich werde Eisdielenrentner.



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