Wie ich versehentlich wieder in ein Handballtraining geriet und anschließend einen Bufdi brauchte
Letztens wollte ich spazieren gehen, abends nach der Arbeit. Ein paar Kilometerchen, einmal um den See vielleicht. Ich frage die Nachbarin, Kreisläuferin a.D., ob das eine Perspektive für sie sei.
Wie blöd, meint sie, sie gehe heute zum Training von so einer Handballrentnerinnentruppe. Ein- bis Dreifachmütter, jünger und älter, eher älter, Versehrte und Halb-Invalide seien das, eine Kreisklasse-Spaßmannschaft. „30 Minuten joggen und dann ein bisschen Ballwerfen. Komm doch mit!“
Nun, denke ich ich mir, warum nicht. Besser als gar keine Bewegung. Es wird schon nicht so arg werden.
(Grinst hier schon jemand? Ich sehe das! Durch den Monitor!)
Schon als wir an der Halle ankommen, habe ich einen Verdacht. Denn die Mädels, die davor warten, sehen nicht aus wie Bindegewebsvorfälle mit kritischem HHD, Handballerinnenhaltbarkeitsdatum. Das ist auch nicht die gelenkschonende Koronarsportgruppe. Dort stehen acht von zwölf Monaten eines Sportlerinnen-Erotik-Kalenders, und mir schwant, dass das hier ein böses Ende nehmen könnte.
Aber nun bin ich einmal da.
Wir traben los. Ich nehme direkt die rote Laterne in die Hand und trotte hinterher – wenn man in 25 Jahren Handball eins einzuschätzen lernt, dann die eigenen Fähigkeiten. Nach ungefähr zehn Minuten bin ich mir das erste Mal sicher, dass spazierengehen die bessere Alternative gewesen wäre. Der Januar wird immer schneller, redet dabei aber unaufhörlich, locker-fluffig auf und ab hüpfend, und auf meinen Einwand, warum plötzlich diese Eile, es gebe doch gar keinen Anlass, heißt es nur, huch, gar nicht gemerkt, aber macht doch nichts, es gehe schließlich bergab. Bergab, soso, da ist wohl meine Trigonometrie kaputt.
In der Halle steht dann der Trainer, ein junger Herr, und meint: Nicht lange fackeln, Bälle nehmen, laufen, einpassen. Danach, ohne Umschweife: ab auf die Grundlinie, und in schnellem Tempo, Pass-Pass, vorwärts. Dann: Sprungwürfe, im Lauf natürlich. Im Anschluss: kurz was trinken, aber hopp-hopp; denn jetzt: Linienlaufen. Sechs Meter vor, rückwärts zurück, neun Meter vor, rückwärts zurück, Mittellinie vor, rückwärts zurück – in der anderen Hallenhälfte nochmal, zügig, zügig, auf 70 Prozent der Leistung.
Ich blicke die Kreisläuferin an. Sie zuckt hilflos mit den Schultern.
Nach zwei Durchgängen laufe ich vorwärts zurück, nicht rückwärts, meine Oberschenkel brennen auf Vorhöllentemperatur. Nach vier Durchgängen brüllt der Trainer: „Los! Gebt Gas! Das sind doch keine 70 Prozent!“ Nee, richtig. Das sind 100 Prozent. Ich bin am Ende.
Aber das hier ist noch nicht das Ende.
Es folgen weitere Übungen, Kräftigung, Liegestütz, Abwehr, Angriff, Kraft-Ausdauer. Ich mache zwischendurch eine Hals-Durchschneide-Geste zur Kreisläuferin, aber das bringt mich auch nicht aufs Sofa. Wenn man schon während des Trainings merkt, wo am nächsten Tag der Muskelkater einsetzt, wirds übel, richtig übel.
Nach drei Tagen kann ich wieder ohne Schmerzen Treppen steigen. Nach fünf Tagen klingen die letzten Wehwechen ab. Was mich aber doch ein bisschen stolz macht: Nicht ich bekomme in der 110. Minute den Wadenkrampf, sondern der 18-jährige März.
Sollte ich so etwas allerdings jemals wieder hobbymäßig betreiben, brauche ich einen Bufdi.