Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Archiv der Kategorie »Sippe«

Die Rückkehr der Damenpantolette

28. 10. 2009  •  Keine Kommentare
Ich bin bei Mutter und überreiche ihr die umgetauschte Pantolette für Unsaomma – Größe 40 statt 39.

Mutter: Passen Omma die Schluffen denn jetzt?
Nessy: Muss Omma mal anprobieren.
Mutter: Hast du sie denn nicht anprobiert?
Nessy: Ich trage nicht Größe 40.
Mutter: Aber zum Gucken.
Nessy: Wie soll ich gucken, wenn sie nicht passen?
Mutter: Wegen der Weite.
Nessy:
Mutter: Naja, muss sie halt sehen.
Nessy:
Mutter: [befühlt Pantoffeln] Schön sind sie ja.
Nessy: Finde ich auch.
Mutter: [lauter] Findest Du nicht??
Nessy: [ebenfalls laut] Ich sagte: Fin-De! Ich! Auch!
Mutter: Ach! Nicht.
Nessy: ???
Mutter: Redest Du nicht mehr mit mir?
Nessy: Doch. Es ist nur etwas anstrengend.
Mutter: Dich zu gebären, war auch anstrengend.

[Was bisher geschah:
Pummeldings im Förmchen, Damenpantolette, Der Fluch der Damenpantolette]

Der Fluch der Damenpantolette

19. 10. 2009  •  Keine Kommentare
Als ich ankomme, sitzt Unsaomma im Sessel, an den Beinen Stützstrümpfe, an den Füßen Komfortschuhe. Fröhlich überreiche ich ihr mein Geschenk: die beste und einzige fellbezogene Damenpantolette des Ruhrgebiets.

Versonnen fummelt Unsaomma das Geschenkpapier vom Schuhkarton, öffnet den Deckel und –
„Pantoffeln????“ Verwirrt sieht sie vom Karton zu mir, zu Mutter und zurück zum Karton.

„Hast du dir doch gewünscht, Omma“, sage ich gepresst und schaue mit einem stirngerunzelten „Etwa nicht?“-Blick meine Mutter an. Mutter ist sofort bemüht, die Situation zu retten. Sie reißt eine Pantolette aus dem Karton – das weiße Papier fliegt hinaus und gleitet vor Ommas Gehstock zu Boden.

„Oooooch, wie schön! Guck mal, Omma, ganz warm!“ Mit einer runden Bewegung streicht Mutter über Filz und Fell und zupft dabei das Preis- und Größen-Schild ab. „Die probierst du gleich mal an, woll?“ Bevor Unsaomma sich wehren kann, greift Mutter ihren Fuß, zieht ihn zu sich hoch, hebelt ihr den Schuh von der Haxe und stopft ihr die Pantolette auf die Zehen.

„Das ist aber ein bisschen knapp.“ Vorwurfvoll schaut Mutter mich, noch über den großmütterlichen Fuß gebeugt, von unten herauf an.

Ich nehme Verteidigungshaltung ein. „Das ist 39, wie bestellt.“

„Hast du sie denn nicht anprobiert?“ Mutter versucht, die Pantolette weiter auf den Fuß von Unsaomma zu schieben. Doch Ommas Frist ist zu hoch, der Fuß zu mopsig. Unsaomma haut Mutter auf den Arm und jammert: „Lass das!“

Ich seufze. „Wie soll ich denn die Latschen anprobieren? Das ist doch gar nicht meine Größe.“ Ich erübrige mich, die Pantolette wieder mitzunehmen und gegen eine größere umzutauschen.

Nun gib Gott, dass Größe 40 vorrätig ist. Sonst beginnt alles von Neuem.

Damenpantolette

17. 10. 2009  •  Keine Kommentare
Weil Unsaomma morgen Geburtstag feiert, musste ich heute ein Geschenk kaufen. Mutter wusste: Die alte Frau braucht Pantoffeln.

Ich also los – am Samstagmittag in die Innenstadt, das ist Vorhölle mit Glitzer drauf. Nun finden Sie in dem Gewühl mal Damenpantoletten in Größe 39, die den Ansprüchen von Unsaomma genügen. Vor dem Schuhregal habe ich sicherheitshalber nochmal Rücksprache gehalten:

Nessy: Möchte sie offene Schuhe oder vorne zu?
Mutter: Offene hat sie.
Nessy: Also zue Schuhe.
Mutter: Zue hat sie.
Nessy: [ratlos] Ja … äh … was braucht sie denn dann?
Mutter: Sie hat doch so Fußkälte.
Nessy: Also was Warmes.
Mutter: Filz mit Plüsch.
Nessy: Fell dran?
Mutter: Kein Kunstleder. Feste Sohlen. Die Omma hat doch Parkinson.

So. Jetzt gehen Sie mal in einen Schuhladen und suchen das. Entweder hält der Einzelhandel Hello-Kitty-Ballerinas oder Riemchen mit Strass vor. Beides nichts für Unsaomma, schon wegen der Rutschfestigkeit. Fragen Sie das Schuh-Personal bitte auch nicht nach Pantoletten – Sie werden angeschaut, als hätten Sie ein Kilo Halb und Halb bestellt.

Was tragen Sie eigentlich zu Hause?

Der Verwandtschaft geht das Altglas aus

8. 10. 2009  •  Keine Kommentare
Opa Konni, unser Familienbäcker, hat ein neues Steckenpferd.

Früher war Opa Konni Maurer. Über Umwege wurde er Manager, leitete Abteilungen im In- und Ausland, flog von Deutschland nach Übersee und wieder zurück, bis auf einem der vielen Rückflüge sein Ruhestand in Kraft trat und er plötzlich Pensionär war. Er war überrumpelt. Von Natur aus raschelig, musste er von einem Tag auf den anderen stillsitzen. Höchste Unzufriedenheit stellte sich ein.

Er besann sich deshalb auf sein gelerntes Handwerk: das Rühren und Schichten. Statt zu Putz und Mörtel griff er zu Mehl und Eiern. Seitdem quirlt, knetet und formt er Guglhupfe und Bienenstiche, Stollen und Eierschecken – täglich, stündlich, immerzu; ein kalter Backofen zeugt von Trägheit und Senilität, und wenn Opa Konni sich eins nicht nachsagen lässt, dann das. Jede Woche verschenkt er mehrere Kubikmeter Backwaren. In allen Schaften seines Umfelds – Verwandtschaft, Nachbarschaft, Bekanntschaft – häufen sich Fälle von Diabetes und Gallensteinen.

In seinem sechsten Rentnerherbst hat er nun eine Ausweichtätigkeit gefunden: das Einkochen. Mit hingebungsvollem Eifer pflückt er seit einigen Wochen Kirschen, zupft Beeren, döppt Pflaumen, entkernt Äpfel und verarbeitet sie zu fantasievollen Marmeladen. Doch um neue Kreationen herzustellen, bedarf es großer Mengen an Abfüllgefäßen. Die Schaften sind deshalb zum Sammeln aufgerufen. Sie lagern Klappkörbe voller leerer Gläser in den Kellern ihrer sauerländischen Reihenhäuser, geben sie leer bei Opa Konni ab und bekommen sie voll zurück. Bis zu Beginn des nächsten Jahrtausends ist für Brotaufstrich gesorgt.

In banger Voraussicht fragen wir uns jetzt, welche Leidenschaft er als nächstes entdecken wird – und uns ist klar: Es kommen nur Viehhaltung und hauseigene Schlachtung in Frage. Wir brüten schon über Bauplänen reihenhauskompatibler Stallungen.

Servus, Elternhaus.

15. 12. 2008  •  Keine Kommentare

Die rote Buche im Garten. Das Knacken der Stufen bei Nacht. Die zweitonige Türklingel. Das Versteckspiel in der Küche.

Das Geräusch, wenn jemand die Treppe hoch kommt. Die verzogene Tür im Dachgeschoss. Der begehbare Kleiderschrank unter der Schräge. Die Grube im Keller. Das Dachfenster, das ich oft zu schließen vergaß.

Der Sommer mit dem tennisballgroßen Hagel. Die Birke vor der Haustür. Das vermooste Gras neben dem Holzstapel. Die Gänseblümchen. Das Geräusch der Balkontür. Die schleifende Haustür.

Drei warme Kacheln im Bad. Zwei transparente Dachpfannen. Das Wehen der Gardinen. Das Wespennest im Gästezimmer, damals. Die selbstgeknüpften Teppiche. Der Kamin. Der Holzkorb daneben.

Sommer auf der Terrasse. Das Bettlaken gegen die tief stehende Sonne. Grillen auf dem Rasen. Vogelnester in den Bäumen. Der Bambus. Zahn ausgeschlagen, als ich auf die Steine fiel. Zungenspitze abgebissen, als ich von der Sofalehne stürzte.

Samstags Haare waschen in der Wanne. Föhnen im Wohnzimmer bei der Sportschau. Dann Bratkartoffeln mit Spiegelei. Die grasgrüne Küche, damals. Jetzt grau und modern.

Die Wäscheleinen im Keller und Tennis spielen darunter. Der Kessel mit dem warmen Wasser. Vorheizen vor dem Duschen. Die Taschenlampe auf dem Sicherungskasten. Darunter die Gummistiefel, in der Ecke der Schlitten.

Übers Geländer klettern. Drei Stufen auf einmal nehmen. Die Wäsche in der Treppe mitnehmen. „Kein Gang mit leeren Händen!“

Auto waschen vor der Garage. Aufharken. Laub fegen. Unkraut aus den Fugen kratzen. Schnee schieben. Der Bewegungsmelder der Nachbarn. Die dicke Katze vom Doktor. Die Pfingstrose im Garten. Blühender Ginster.

Der Weihnachtsbaum, der sich in der Scheibe spiegelt. Glöckchenklingeln. Die Wanduhr schlägt die Stunde. Der Wecker klingelt um halb sieben.

Schuhe putzen vor der Kommode im Flur. Lockenwickler im Schrank. Schminktisch. Urlaubsgeld bei den Lippenstiften. Verstecke in der Sockenschublade. Nächtliches Schleichen durch Nachbars Garten.

Servus, Elternhaus.

Gerda und die Loveparade

22. 07. 2008  •  Keine Kommentare
Mein Vater hat eine neue Freundin. Und mit ihr eine neue Schwiegermutter.

Gerda ist eine herzige alte Dame von stämmigem Wuchs. Seit ihr Mann gestorben ist, wohnt sie alleine in ihrem nun viel zu großen Appartment. In ihren einsamen Stunden backt sie Kuchen, Torten und Teilchen für ihre Kinder – und wenn diese übersättigt sind, auch für sich selbst, denn sie liebt Süßigkeiten, allen voran Törtchen und Schokolade.

Ihre Tochter allerdings, des Vaters neue Flamme, ist eine asketische, solariumgebräunte Frau, die jegliche Aufnahme von Fett und Zucker vermeidet. Sie hat deshalb mehr Falten im Gesicht als ihre dralle Frau Mama und ermahnt diese unentwegt, mit kalorienreicher Nahrung zu haushalten.

Mutter Gerda ist durchaus willens, der ständigen Zurechtweisung genüge zu tun, doch ihr Fleisch ist schwach. Kaum hat ihre leptosome Tochter nach ihrem sonntäglichen Besuch die Wohnungstür hinter sich zugezogen, klemmt das erste Mon Cherie in der mütterlichen Backe. Kontrollanrufe sind an der Tagesordnung.

Tochter: Hast du heute Schokolade gegessen, Mutter?
Gerda: … Mmmh … [druckst herum] … ehm …. nur einen Riegel.
Tochter: Mutter! Das war doch bestimmt nicht nur ein Riegel!
Gerda: Es war ein bisschen mehr.
Tochter: Aber wohl keine ganze Tafel!
Gerda: Vielleicht schon …
Tochter: Eine kleine oder eine große?
Gerda: Die mit den ganzen Haselnüssen.
Tochter: Mutter! Das sind 300 Gramm!
Gerda: Dann war es wohl so eine.

Früher, zu besseren Zeiten, fuhr Gerda regelmäßig für einen Bummel in die Innenstadt. Mittlerweile sind ihre Knochen müde. Außerdem traut sie sich nicht mehr, seit die Stadtbahn unter die Erde verlegt wurde. Der Tunnel, dieses schwarze Loch, ist ihr suspekt. Die Zeit der Bunker sei vorbei, sagt sie – und bleibt daheim.

Ausgerechnet am Samstag, als in Gerdas Heimatstadt Dortmund die Loveparade wie ein Wirbelsturm durch die Straßen tobte, hatte mein Vater es sich zur Aufgabe gemacht, mit ihr das Straßenbahnfahren neu zu üben. Gerda war zunächst nicht sehr erbaut, ließ sich jedoch überreden. Irgendwann sei es an der Zeit, wieder etwas zu wagen, sagte sie.

So klemmte also Gerda, der Ohnmacht nahe, während ihrer ersten Bunkerfahrt in die Innenstadt zwischen halbnackten, tanzenden, Trillerpfeife blasenden Ravern fest.

„Das war jetzt nicht so optimal“, sagt mein Vater im Nachhinein. Die alte Dame sei „hoch verschwitzt“ gewesen beim Ausstieg.

Ob sie jetzt traumatisiert sei, frage ich. „Keineswegs“, antwortet mein Vater. „Sie fand es sehr aufregend. Auf der Rückfahrt war sie enttäuscht, dass nur der Tunnel kam, ohne Raver.“



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