Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Archiv der Kategorie »Anrainer«

Geschehnisse in Sichtweite bei digitalem Jump’n’Run

1. 05. 2021  •  8 Kommentare

Jump’n’Run | In den vergangenen Tagen habe ich meine Scholle nicht verlassen. Ich bin zuhause geblieben, 24 Stunden, 48 Stunden, 72 Stunden. Ich habe keine Lust mehr, durch die Gegend zu latschen. Alle Strecken bin ich dreißig, vierzig, sechzig Mal gegangen, aus der Haustür raus und links herum, rechts herum oder mit Kehrtwende den Berg hoch bis in den Wald hinein. Um den See, die Emscher entlang, durch die Kleingartensiedlung und durchs Feld, an der Pferdeweide vorbei in den Nachbarstadtteil. Ich möchte nicht mehr, ich kann das alles nicht mehr sehen. Zudem sind die Arbeitstage lang, und es ist bitterkalt.

Im gleichen Maße, wie ich keine Lust mehr habe, durch die Gegend zu haben, fehlen mir Ausgleich: etwas anderes sehen, hören, fühlen, schmecken, zusammensitzen mit Freunden, essen, trinken, das Meer riechen, Sand spüren, in der Sonne sitzen, die Füße im Fluss, einen Berg hinaufsteigen, die Hand am Fels. Der Tag beginnt morgens mit Aufklappen des Laptops, in diesem Kasten findet sie statt, ausschließlich, es fühlt sich wie ein Jump’n’Run-Spiel an, ein Springen vom Teams Call zur Zoom-Konferenz zum Go-to-Meeting und über das Mural zum Webex, parallel sechs Chat-Nachrichten und zehn E-Mails, ein Laufen von Problem zur Idee zur Lösung zur Abstimmung zur Entscheidung, da kommt schon das nächste Problem, der nächste Call, das nächste Meeting, die E-Mail.

Ich habe die Abende genutzt und drei lange Telefonate mit Freundinnen geführt. Obwohl wir nichts erleben, hatten wir uns doch Einiges zu erzählen. Die inneren Vorgänge sind aufregender als die äußeren.


Hallo, Melone! |  Einmal war ich doch raus. Ich war im Supermarkt. Dort gab es Wackelaugen zu kaufen. Sie werten nun mein Leben im Homeoffice auf.

Honigmelone in Obstschale mit Wackelaugen

Landwirtschaft | Im Garten habe ich Salat und Pak Choi eingegraben, die Zucchinis ins Beet gesetzt und Thorstomaten gestreichelt, die Pflanzen aus Bielefeld gewässert und nach den Beeren gesehen. Die Johannisbeeren entwickeln sich verheißungsvoll. Wenn ich die Gartenbilder aus dem vergangenen Jahr ansehe und mit 2021 vergleiche, hinkt der Garten drei Wochen hinter 2020 her.

Garten, im Vordergrund blühende Bodendecker, im Hintergrund Gewächshaus. Es ist heiter bis wolkig.

Für die Wege in den Beeten und unter der Wäscheleine habe ich einen rollbaren Gartenweg aus Holz bestellt. Ich bin gespannt, ob er brauchbar ist.


Tool | Word Art Cloud Creator


Geschehnisse in Sichtweite | In der Nachbarschaft ist jemand zugezogen, eine Frau. Sie duscht jeden zweiten Morgen, und nachdem sie geduscht hat, öffnet sie das Badezimmerfenster sperrangelweit, trocknet sich ab und cremt sich. Das geschieht immer zur gleichen Zeit, immer um 08:40 Uhr, wenn ich im Morgencall mit meinem Kunden bin. Über den Monitor hinweg sehe ich, wie sich gegenüber das Fenster öffnet und eine nackte Frau im Rahmen erscheint. Der Vorgang dauert fünf Minuten, dann schließt sich das Fenster wieder. Beim ersten Mal war ich erstaunt und, nun ja, deutlich von den Geschehnissen auf dem Bildschirm abgelenkt. Mittlerweile hat die Selbstverständlichkeit, mit der die Nachbarin mich an ihrer Duschroutine teilhaben lässt, etwas Erdendes.

Derweil haben andere Nachbarn während Lockdown I bis III eine Beach Bar gebaut, eine Hütte mit Lichterkette und Bast, mit einer Nische für den Kühlschrank, einer Theke und einer Getränketafel. Davor hat der Nachbar einen Pool ausgeschachtet, nur mit Schaufel und Muskelkraft; allein unter sportlichen Geischtspunkten eine beachtliche Leistung. Das Bassin ist zwei mal zwei Meter groß, das Wasser geht bis zur Brust. Vergangene Woche haben sie das Bauwerk mit Beton ausgegossen. Außerdem wurde ein Grill kirmesbudenähnlichen Ausmaßes angeschafft. Uns steht Großes bevor.


Gelesen und gehört | Hört uns zu! Zeit Online gibt Pflegekräften, Ärzten und Ärztinnen eine Stimme. Eindrückliche und bewegende Umsetzung in Bild, Text und 50 kurzen Audios.

Gelesen | Teresa Bücker plädiert dafür, Vereinbarkeit nicht nur als Vereinbarkeit von Arbeit und Familie zu sehen, sondern von Arbeit und zahlreicher privater Interessen, Verpflichtungen und Beziehungen.

Das fängt damit an, dass ich das Wort Vereinbarkeit hasse. Es ist genauso schrecklich wie der Begriff Work-Life-Balance. So wie wir es gebrauchen, beschreibt das Wort Vereinbarkeit nur die zwei Dimensionen Erwerbsarbeit und Familie und – come on – das ist einfach zu wenig. Vereinbarkeit vergisst nämlich, dass manche Menschen nicht nur Familie haben, sondern auch noch eine Steuererklärung machen, zur Therapie gehen möchten, sich wohler fühlen, wenn sie ab und an Sport machen können, gern Ehrenämter übernehmen würden oder ans Telefon gehen, wenn Freund_innen anrufen und dass es absolut ungesund ist, mehrere Jahre nur fünf Stunden lang zu schlafen.

Mutter, Tochter, Kanzlerin

Geguckt und gehört | Musiker und Songwriter Julius Hartog sprich mit den #NoCovid​-Professoren Michael Meyer-Hermann, Melanie Brinkmann und Dirk Brockmann. Unter anderem rätseln sie, woran es liegt, dass es den poitischen Entscheidungsträgern so schwer fällt, konsequente, mutige Entscheidungen zu treffen.

Die einzige Erklärung, die ich habe, ist, dass diese Akteure andere Entscheidungsprozesse gewohnt sind […]. Die Angst, etwas Falsches zu machen, wirkt paralysierend bei Entscheidungsträgern. Die sind, glaube ich jedenfalls, längere Zeitskalen gewohnt. Das heißt, erstens sind sie Situationen gewohnt, die ganz kompliziert sind, wo alles abgewogen werden muss und dann eine Entscheidung getroffen werden muss, die vielleicht funktioniert und das Abwägen geht eher so: Wo ist die beste Wahrscheinlichkeit, die richtige Entscheidung zu treffen? Eine klare, eindeutige, mutige Entscheidung zu treffen, ist wahrscheinlich gar nicht deren Metier. […] Das ist wirklich fatal in dieser Situation; da macht man immer so einen Mittel-Kompromiss-Weg.

Dirk Brockmann ab Minute 26

Hinzu komme, dass man zu einem Zeitpunkt handeln müsse, zu dem das Problem noch gar nicht sichtbar sei, die Intensivstationen noch nicht voll seien und noch keine Notfall- und Alarmstimmung in der Bevölkerung ist. Der deutsche Dauerlockdown sei nicht nur schädlich für die Wirtschaft.

Es ist ein massiver Schaden in allen Bereichen der Gesellschaft daraus entstanden. Das ist die Folge von dem Dauerlockdown und dem Hin und Her. Und nebenbei sind die Menschen auch noch gestorben. Es ist ja eigentlich eine zynische Idee, die Auslastung der Intensivbetten als Kriterium zu neehmen und zu sagen: ‚Lassen wir es so laufen, dass die Intensivbetten immer voll sind.‘

Michael Meyer-Hermann ab Minute 32

Im Balkon-Office

4. 04. 2017  •  12 Kommentare

Nachmittags ab 14 Uhr kommt die Sonne rum. Dann verlege ich auf den Balkon. 18 Grad – das genügt zum Dasitzen und Arbeiten, warm und flauschig im Hoodie, wie diese hippen Internetmenschen das im Home Office eben tun.

Mein Balkon geht zur Straße raus – im Gegensatz zum Garten, der an einen anderen Garten grenzt, der an einen weiteren Garten grenzt, was eine parkähnliche Idylle ergibt. Der Balkon aber geht ins Leben.

Das Leben sitzt rechts von mir. Und es fährt unter mir herum.

Rechts sitzt meine Nachbarin, auch immer ab 14 Uhr. Sie geht morgens schon um 6 Uhr zur Arbeit, deshalb ist sie am frühen Nachmittag wieder da. Sie ist dann erschöpft und legt sich zur Erholung in ihre Balkonliege. Oder sie setzt sich – die Augen über der Brüstung, ein Kippchen auf den Lippen, den Blick auf die Straße. Nicht, dass sie jemand Bestimmten beobachtet – nein, nein. Es handelt sich eher um ein allgemeines, breit gefächertes Interesse.

Ich selbst schaue auch hinunter auf die Straße – unweigerlich. Denn ich sitze ja. Ich arbeite schließlich. Im Gegensatz zur Nachbarin bin ich nicht konkret am Geschehen auf der Straße interessiert oder sagen wir: war es bislang nicht. Mit dem Balkonsitzen ist es allerdings wie bei einer guten Serie: Man kommt langsam rein, und irgendwann nicht mehr raus.

Gegenüber zum Beispiel (also, nicht direkt gegenüber, etwas dahinter) ist jemand ausgezogen. Dort ziehen nun neue Leute ein. Das wäre völlig uninteressant, hätten sie uninteressante Möbel. Doch sie haben einen Geschmack, der zwischen Neuschwanstein 1869 und WWF-Club 1984 changiert: Glänzend rosa lackierte Bauernmöbel treffen auf mannshohe, selbst leuchtende Plastetulpen. Täglich kommen zwei Männer, die neue Möbel mitbringen, stets in einem Kleintransporter, der nur drei Teile fasst. Die Spannung steigt mit jeder Anlieferung. Zuletzt waren Balkonmöbel drin, die nicht auf den Balkon passten. Die neuen Nachbarn drehten und wendeten die großen Rattan-Lounge-Liegen. Erst linksherum, dann rechtsherum, dann über den Kopf um sich selbst. Aber es war nichts zu machen. Also wieder runter mit dem Zeug, zurück in den Kleintransporter.

Der Kleintransporter steht bei jeder Anlieferung fürchterlich im Weg. Denn meine Straße, eigentlich eine Anliegerstraße, ist baustellenbedingt derzeit eine Durchfahrtstraße. Allerdings eine Durchfahrtstraße, die immer zugeparkt und ohnehin eher eng ist – selbst ohne Kleintransporter, und mit erst recht. Das provoziert Emotionen.

Der UPS-Fahrer brüllt immer sehr laut. Ich höre ihn schon schreien, wenn ich ihn noch nicht sehe. „Fahr, du Penner!“, schallt es durch die Straße. „Verpiss dich, du Arsch!“ Er hupt dafür sehr wenig.

Volkswagen-Fahrer hingegen hupen überdurchschnittlich viel. Das ist mein Eindruck. Mercedes-Fahrer stehen dafür öfter im Weg, weil sie meinen, fahren zu müssen, wo sie nicht fahren können – in der Erwartung, der Entgegenkommende werde schon ausweichen. Tut er aber nicht. Denn er ist ein VW-Fahrer. Er hupt lieber.

„Dat wird immer schlimmer“, ruft mir die Nachbarin von rechts zu, die Nase über der Brüstung. „Ich kann kaum noch schlafen.“ Ob nachts oder am Nachmittag, ist nicht klar. „Fünf Monate soll das noch so gehen. Ich werd‘ verrückt!“

Vergangene Woche musste zweimal die Polizei kommen, weil Menschen sich die Außenspiegel abgefahren hatten. Großes Hallo! Da kamen dann auch die Rentner über uns auf den Balkon. Die, die bei diesen Temperaturen noch drinnen sitzen. Aber im Wintermantel ging’s, da war’s doch warm genug.

Gestern Nachmittag kam dann noch Vatta vorbei, auf eine Fassbrause. „Hier ist ja richtig was los“, meinte er, während wir auf dem Balkon saßen und der UPS-Mann den Kleintransporter anschrie.

„Prost“, rief die Nachbarin von rechts.
„Prost“, rief Vatta zurück und hob die Flasche. Und zu mir: „Ich glaub‘, ich komm‘ jetzt öfter.“

Senminuten

2. 11. 2016  •  48 Kommentare

Im Vorort, neben Einszehn, in Reichweite des Kleingartenvereins „Einigkeit“, gibt es einen Pizzaimbiss. Ein Ladenlokal: Theke, Ofen, davor drei festgedübelte Tische. Über den Köpfen läuft N24.

Die Bude sieht unscheinbar aus, doch jeden Abend stehen die Leute bis auf die Straße. Sie kommen aus dem ganzen Viertel und darüber hinaus; ich wohne inzwischen woanders, fahre aber trotzdem dorthin: Die Pizza ist die beste der Stadt, die Preise sind unschlagbar, die Öffnungszeiten gehen bis Mitternacht.

Die Kundschaft ist illuster: Mit einer leicht angeschlockerten Joggingbuxe ist man für den Laden perfekt gekleidet, aber auch Abendkleider und Zweireiher wurden schon gesehen. Kinder kommen alleine, schieben Einsfünfzig über die Theke und bekommen eine kleine Margherita. Es finden erste Dates statt; junge Menschen sitzen sich an den Plastetischen gegenüber, ihre Hände spielen miteinander, minutenlang blicken sie sich an, während die Pizzen vor ihnen kalt werden. Ab und an hält ein Streifenwagen: Die Polizei kauft hier gerne Zwei zum Mitnehmen.

Der Laden gehört zwei Singhalesen. Sie malochen wie die Bergarbeiter, von mittags bis Mitternacht, rollen Teig, füllen Pizzaschnecken und nehmen die Bestellungen entgegen. Es gibt keinen Ruhetag, die Beiden hatten noch nie zu und sind immer da.

Ruft man dort an, melden sie sich mit einer Lautfolge, die alles bedeuten könnte – vielleicht „Simsalabim“, vielleicht „Da simma dabei“. Man trägt die Nummern vor, die man bestellen möchte. Sie antworten „Senminuten“. Alles dauert immer „Senminuten“, egal ob man eine oder acht oder zwölf Pizzen bestellt. Abholen muss man selbst, geliefert wird nicht – wie auch, die Beiden müssen ja Pizzen rollen, eine nach der andern.

Vor ein paar Tagen sitzen wir dort, die Turnschwester und ich, in Blazer und Kleidchen. Es ist fast Mitternacht, wir kommen von einem Festakt – einer prima Veranstaltung, doch leider haben wir beim Flying Buffet mehrmals den Check-In verpasst: Unsere Mägen hängen in den Kniekehlen. So sitzen wir in der kleinen Pizzabude, draußen die Großstadt bei Nacht, glücklich mit zwei Minipizzen, die wir dankbar mit den Fingern essen.

Die Singhalesen haben die Außenbeleuchtung schon ausgeschaltet: Schluss für heute, nur noch aufräumen – als drei Halbstarke hereinkommen, Trainingshose, Bomberjacke, Undercut, Silberkettchen, irgendein Migrationshintergrund.  Man könnte nun Angst bekommen, doch sie fragen lediglich: „Guten A’md, ’schuldigung, wir ha’m voll Hunger. Könn’wa noch was bestellen, geht das?“

Die Pizzabäcker nicken und machen Margherita und Vegetale und noch etwas, und als die drei Jäuster ihre Pizzen bekommen, wendet sich der Bullige mit der gepiercten Augenbraue zu uns und fragt: „Guten A’md, die Damen“, es klingt nicht ironisch, sondern sehr höflich, „’schuldigung, kann isch mal die Tabasco haben, bitte?“

Ich gebe ihm die Flasche Tabasco, und er sagt: „Danke, ne, und guten Appetit noch, ne. Sie sehen sehr schick aus.“ Die Drei kleckern Tabasco auf ihre Pizzen, dann gehen sie zur Tür. Der Große sagt: „Schüss, ne, und gute Nacht und voll danke, ne“, und die beiden anderen, wie die Chorknaben: „Dankeschön.“

Sie sieht unscheinbar aus, die kleine Pizzabude im Vorort. Aber sie hält viel Schönes bereit.

Julisturm

25. 07. 2015  •  5 Kommentare

Der Morgen beginnt sonnig.

Um 7 Uhr geht die Jalousie im Schlafzimmer hoch. Mit müden Augen blicke ich in den Garten, in die Baumwipfel und in einen Himmel mit Schäfchenwolken. Die Sonne scheint.

Es soll doch stürmen, denke ich. Aber ach, egal. Ich nicke noch einmal ein.

Am Mittag gehe ich an den See und in den Ort.

Phoenixsee, Sturm

Ich mag diese Tage sehr, an denen es stürmt, es aber so warm ist, dass ich eine kurze Hose tragen kann. Diese Freiheit für die Waden – ich werde demnächst noch etwas dazu schreiben.

Im Ort die erste Botschaft, dass auch dieser Sommer irgendwann enden wird.

Kastanien auf der Erde

Die Straßen sind leer. Beim Optiker: niemand. In der Drogerie, wo sich an anderen Samstagen zwei Kassenschlangen bis zum Nagellack drängen: fünf Kundinnen. Beim Bäcker gegenüber sortiert die Verkäuferin die Auslage neu.

Auch Top-Angebote locken heute niemanden.

Plakat: Dortmunder Hansa 0,32 + Pfand

Auf dem Ortsplatz hüpfen zwei Kinder auf einem Trampolin, das ins Pflaster eingelassen ist. Eine Radlerin legt ein großes Paket auf ihren Gepäckträger und schiebt in Richtung Apotheke.

Eine Frau sammelt eine umherfliegende, leere Tüte ein. Eine andere sieht ihr dabei zu, murmelt: „Dat dat heut noch einer macht“, und schlurft weiter.

Zettel: Man sollte viel mehr aufpassen. Am besten auf sich selbst.

Einzig beim Kaffeeröster ist es voll. Es ist Schlussverkauf: übrige gebliebene Sportkleidung, Dekoration und allerlei Unnützliches gibt es zum halben Preis. Ein Mann möchte eine Kapsel-Kaffeemaschine kaufen und lässt sich die Mechanik erklären. Danach möchte er direkt drei Maschinen kaufen, zum Verschenken.

Der Wind draußen frischt auf. Vor dem Blumenladen gegenüber kippen die Vasen um.

Phoenixsee, Sturm

Auf dem Hügel am See bin ich allein. Die Spaziergänger unten am Ufer: allesamt Hundebesitzer. Zügigen Schrittes marschieren sie aneinander vorbei.

Ich stehe im Wind und sehe den Wolken zu. Das Wasser kräuselt sich. Böen drücken das Grad nieder. Bäume wiegen sich. Dann beginnt es zu regnen.

Morgens auf der Terrasse

7. 05. 2015  •  13 Kommentare

Ich besitze vieles, aber eines nicht: einen Ganzkörperspiegel.

Zum einen, weil meine Eitelkeit nur mäßig ausgeprägt ist, zum anderen, weil ich eine Terrassentür habe.

Schaue ich von innen hinaus, sehe ich meinen Garten, schaue ich allerdings von außen ins Haus, sehe ich mich. Also trete ich morgens bisweilen auf die Terrasse, nehme fünf, sechs Schritte Abstand und begucke mich im Spiegel der Glastür. Praktisch: Ich merke, wie warm oder kalt es ist und ob es regnet.

Seit Frühling ist, treffe ich morgens dabei eine Frau aus dem Nachbarhaus. Sie steht mit Zahnbürste auf ihrem Balkon, Luftlinie 40 Meter, ist nicht immer vollständig bekleidet, und guckt in die Gegend. Manchmal trinkt sie einen Kaffee. Oder räkelt sich.

Als sie das erste Mal nur einen BH trug, war sie, glaube ich, etwas verschämt. Ich, Turnhallen-Umkleide-erprobt und gegenüber dem Anblick von Frauen jeglicher Formen und Bekleidungszustände maximal gleichgültig, winkte jedenfalls freudig. Sie winkte aber nicht zurück.

Ich bin  grundsätzlich der Meinung, dass Menschen ihren Balkon betreten dürfen, wie sie möchten. Nackt oder in Lack oder im Bademantel, das ist mir wurscht, ich fühle mich da nicht belästigt. Ich grüße halt einfach, so gehört sich das.

Was ich mich allerdings frage, ist, ob die Nachbarin sich wundert, was ich morgens Komisches auf meiner Terrasse tue. Wahrscheinlich hält sie mich für ziemlich verschroben.

Auf dem Weg zum Bäcker – Frühlingsedition

2. 05. 2015  •  12 Kommentare

Im Januar schrieb ich schon einmal über meinen Weg zum Bäcker.

Seinerzeit lag Schnee, und ich war durchs Gegriesel zum Backparadies gestapft, um Brötchen zu holen. Am Freitag lag kein Schnee – im Gegenteil: Es war bester Sonnenschein, und ich entschied mich, eine kleine Runde durchs Dorf zu drehen.

Dortmund-Schüren, Fachwerkhaus an der Emscher

Dortmund-Schüren, Backsteinhaus mit Aufschrift "Apotheke"

Dortmund-Schüren, Sportplatz, durch zwei Bäume hindurch fotografiert

Dortmund-Schüren, Grünzeug, das aus einer Mauer wächst

Dortmund-Schüren, Haus aus Natursteinen mit Fenstern mit Fensterläden
Ein Dortmunder Ritter muss dieses Wochenende ohne sein Schild auskommen. Er scheint mir nicht viel benutzt: Entweder wurde er schnell besiegt, oder er ist so ein furchtloser Recke, dass sich niemand an ihn herantraut.

Dortmund-Schüren, Ritterschild für Kinder, auf dem Boden neben einem Zaun

Den Friedhof hier im Ort mag ich sehr. Er liegt, umsäumt von Bäumen, zwischen Emscher, Spielplatz und Kirchengemeinde. Im Frühjahr blühen unter den Bäumen Krokusse und viele kleine, wilde Blumen.

Dortmund-Schüren, Friedhof. Baumbestandene Allee.

Dortmund-Schüren, Trampfelpfad neben Hecken

Dortmund-Schüren, Fachwerkhaus an Straße
Der Bäcker hatte morgens um zehn übrigens nur noch zwei Brötchen. Freundlich und geschäftstüchtig, wie er ist, verkaufte er stattdessen aber einzelne Scheiben frisches Brot, die er dann abwog. So konnte allen geholfen werden – und alle Hungrigen konnte heute wiederkommen, um die Brötchen zu kaufen, die sie gestern haben wollten.

Samstags auf dem Weg zum Bäcker

26. 01. 2015  •  22 Kommentare

Der Samstag ist mein Lieblingstag.

Schon in meiner Kindheit liebte ich es, am Samstagmorgen aufzustehen, ohne es zu müssen. Mein vater fuhr mit mir Brötchen holen, danach gingen wir in den Garten oder zogen uns Gummistiefel an und wuschen das Auto. Oder buk mit meiner Mutter Kuchen. Am Abend gab es Pommes, Bratkartoffeln oder Reibeplätzchen, denn samstags kochte immer mein Vater. Wir guckten Schwarzwaldklinik, „Wetten dass …?“ oder „Die verflixte 7“.

Seither hat sich nicht viel geändert. Der Samstag ist der beste Tag der Woche. Ein Tag, an dem ich zu Hause bin, Dinge erledige, vor mich hinwurschtele. Als dieses Wochenende dann damit begann, dass Schnee fiel, war ich vollends glücklich.

Eigentlich wollte ich keine Brötchen holen, ich hatte noch welche eingefroren. Aber dann stapfte ich doch los.

 

Dortmund-Schüren: An der Emscher

 

Vielleicht wundern Sie sich und fragen sich, ob ich umgezogen bin. Das kann nicht das Ruhrgebiet sein!

Doch. Das ist Dortmund, und in meinem kleinen Stadtteil ist es wie auf dem Dorf.

Dortmund: Schürener Vorstadt

 

Ich habe hier zwei Bäcker zur Auswahl. Einer davon ist das „Schürener Backparadies“, das seinem Namen alle Ehre macht. Es wurde im vergangenen Jahr mit dem Gründerpreis NRW ausgezeichnet. 30 Menschen arbeiten dort.

Im Backparadies gibt es nicht nur traditionell gebackene Brötchen, sondern auch standardmäßig Kalte Schnauze und andere tolle Kuchen. Außerdem sind die Leute dort super organisiert und immer wahnsinnig nett. Ein Wohlfühlbäcker.

Schürener Backparadies

 

Zurück ging’s am Sportplatz vorbei – ein schöner, einsamer Weg, wenn alles verschneit ist.

Dortmund-Schüren: Am Sportplatz

 

Eine meiner liebsten Straßen liegt übrigens gleich bei mir nebenan. Hier gibt es Fachwerkhäuser mit Bauerngärten, Natursteinmauern und Umfriedungen mit seltsamen Figuren. Ich gehe gerne dort entlang, wenn ich einkaufen muss. Zum Ende hin steigt die Straße steil an – beziehungsweise fällt, wenn ich auf dem Rückweg bin, zu Beginn steil ab, so dass ich mit meinen Einkaufstüten Fahrt aufnehme.

Dortmund-Schüren: Erlenbachstraße

 

Ein Dorf in der Großstadt. Ich mag es hier.

Wochenende in Dortmund

6. 10. 2014  •  Keine Kommentare

Das Wochenende war zauberhaft – voller Sonne und Wärme.

Auch wenn manch einer sich schon beschwert, wo denn der Herbst bleibt: Ich liebe es warm und bin um jeden Tag froh, an dem der Sommer noch bleibt. Am liebsten mag ich mir das herbstliche Uselwetter sparen und direkt in den Winter übergehen. (Nur um die Herbststürme wär’s schade.)

Das gute Wetter habe ich genutzt und bin am Phoenixsee vorbei zum Erntemarkt nach Hörde spaziert:

Phoenixsee - Blick auf das Nordufer

Phoenixsee - Hügel und Spielplatz

Phoenixsee - Nordufer

Phoenixsee - Hafen

Ich mag Hörde sehr: den Stadtteil, die kleine Innenstadt, die Leute, die Geschäfte. Ich komme aus einer Kleinstadt, und Hörde ist genau so: kleinstädtisch inmitten der Großstadt.

Regelmäßig finden Veranstaltungen statt: Märkte, eine kleine Kirmes, Sportereignisse, Kultur – es ist ganz prima. Am Wochenende also Erntemarkt mit Gemüse, Gaukler und Gebastel. Und fünf (!) Waffelständen. So viele Waffeln konnte noch nicht einmal ich als ausgewiesene Waffelexpertin essen. Halleluja.

Erntemarkt in Hörde

Abgesehen davon gibt es auch vier vorzügliche Eisdielen in Hörde. Ein Stadtteil wie ein Schlaraffenland.

Anekdote mit Hund

22. 09. 2014  •  26 Kommentare

Nur kurz. Denn der Männerschnuppen hat mich noch immer im Griff.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal mein schweres Schicksal erwähnen. Damit Sie wissen, was ich durchmache. Denn ich kann keine Erkältungsmedikamente nehmen. Aspirin Complex, Wik MediNait, all das Zauberzeug: geht nicht. Weil ich kein Pseudoephedrin vertrage. Das ist dort überall drin.

Pseudoephedrin ist magic, es lässt die Schleimhäute abschwellen und macht, dass wir uns gut fühlen. Also Sie sich gut fühlen. Ich nicht. Wenn ich es nehme, schält sich meine Haut ab, und ich sehe binnen Stunden aus wie Freddy Krueger. Und das für die kommenden acht Wochen. Das ist wirklich eine krasse Nummer. Ich wünsche das niemandem.

Pseudoephedrin wird übrigens auch – Achtung, Bildungsblog! – zur Herstellung von Crystal Meth verwendet. Das bekommt mir dann wahrscheinlich ebenfalls nicht.

Weil ich also weiterhin rekonvalesziere, nur eine kleine Anekdote. Als ich heute von der Arbeit heim ging, stieg ich eine Haltestelle früher aus. Ich mache das öfters – eine Station früher aus- oder zwei Stationen später einsteigen. Ich habe einen Bürojob, da muss ich mir Bewegung verschaffen. Wie ich also ausstieg und die Emscher entlang gen Heimat ging, kam mir eine Frau mit einem Schäferhund entgegen. Der Schäferhund war braun mit hellen Strähnchen. Ein Rod Stewart unter den Hunden.

Die beiden waren schon fast an mir vorbei, als das Frauchen schnurrte: „Blondi. Bei Fuß. Blondi. Brav.“ Ich guckte. Sie guckte. Und lächelte. Ich guckte auf den Hund. Der Hund war unbeeindruckt. Sie wieder: „Blondi.“

Ich bin mir nicht sicher, ob Frauchen es weiß. Aber Blondi ist ein, nun ja, etwas eigenwilliger Name für einen deutschen Schäferhund. Vielleicht aber auch nicht ganz untypisch für Dortmund.

Göttliche Lage

14. 08. 2014  •  5 Kommentare

Wir haben hier in Dortmund ja diesen See. Den See, den man entweder mag oder grenzenlos doof findet.

Der See war mal ein Stahlwerk, die Hermannshütte. Sie wurde stillgelegt, abgebaut, Bauarbeiter haben ein Loch gegraben und Wasser reingelassen. Im See darf man zwar nicht baden, aber es gibt einen Yachtclub und manchmal finden Ruderwettbewerbe statt. Menschen segeln in Segelbooten über das kleine Stück Wasser, von einem Ende zum anderen, drehen um, segeln zurück und essen danach ’ne Currywurst.

Die Idee dieses vier Meter tiefen Tümpels ist ein bisschen Naherholung, ein bisschen Schickimicki. Die Dortmunder sollen flanieren und sich entspannen, es gibt Eisdielen, Restaurants und Spielplätze, alles mit architektonischem … ööhhm, ja, doch … Anspruch.  Ich glaube, ein Hauch von Jetset soll durch Dortmund wehen. Nur hat niemand so richtig an die Leute gedacht, die in den alten Arbeiterhäusern rundherum wohnen. Während sich alles um sie herum wandelt bleiben die Ureinwohner nämlich unbeeindruckt so, wie sie sind. Das ist ganz wunderbar, das muss man erlebt haben.

Fünf Jahre lang begleiteten zwei Filmemacher die Entstehung des Phoenixsees hier in Dortmund. Das Ergebnis ist ein Film: „Göttliche Lage – Eine Stadt erfindet sich neu“.

Ich bin schon sehr gespannt auf den Film. Ulrike Franke und Michael Loeken (Webseite) zeigen die Bauarbeiten, lassen alte und neue Anwohner sprechen. Der Ton des Trailers klingt in meinen Ohren kritisch; ich selbst finde den See hingegen durchaus prima, weil Dortmund solch eine Wohn- und Geschäftslage tatsächlich braucht, aber auch wegen seiner Seltsamkeiten.

Der Film feiert am 20. August im Cinestar Dortmund Premiere.



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