Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

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Brandenburger Podcast-Spezial: Hörspiel-Produzentin Katja Reister im Interview

30. 07. 2019  •  Keine Kommentare

Zurück im Ruhrgebiet. Und was finde ich beim Tascheauspacken? Eine neue Podcastfolge. Sapperlot!

In Brandenburg habe ich Katja getroffen. Katja Reister produziert Hörformate: Hörbücher, Hörspiele und Podcasts. Sie hat in New York und London gelebt, für Audible gearbeitet und ist nun wieder in Berlin.

Vanessa (links) und Katja (rechts) mit Strohhut. Beide lächeln. Im Hintergrund Natur.

Ich habe sie vors Mikro geholt und mit ihr über ihre Arbeit gesprochen. Sie erzählt, wie ein Hörspiel entsteht, welche Leute daran beteiligt sind und wie die Sprecher und Sprecherinnen ausgewählt werden. Wir haben über Podcast-Serials und über Kinderbücher geredet. Und es gibt Hör-Tipps.

Ein Mann. Eine Frau. Ein Gespräch., diesmal als Brandenburg-Sonderausgabe Eine Frau. Eine Frau. Ein Gespräch.:

Shownotes:

Katja ReisterKatja auf TwitterBrittaThe Webster Appartments for Women in New York CityCoconat Space in Brandenburg

Hörspiele, die Katja empfiehlt:
Die juten SittenDie Flüsse von LondonHonigtotTrue Blood

Podcast-Serials, die Katja empfiehlt:
SerialMensch MuttaIm Untergrund

Zum Download und zum Anhören:

mp3SoundcloudPodigeeIm Abo bei Apple Podcasts

Dienstag, 23. Juli

24. 07. 2019  •  2 Kommentare

Heute wenig Recreation, mehr Work. Ich schloss mich der „Neigungsgruppe Arbeit“ an, wir setzten uns in einen der Coworking-Räume, und ich tat Dinge.

Coworking-Space im Gutshaus: Holztisch, , darauf Laptop und iPad, im Hintergrund große Fenster

Ich schrieb Mails und dachte schonmal einen Kundenworkshop vor, der Anfang August, direkt nach meinem Urlaub stattfindet. Außerdem beschäftigte ich mich mit allerlei Kleinkram, Buchhaltung, einem Auftrag an meine Grafikerin, und ich buchte eine Unterkunft fürs Agile-Barcamp in Leipzig.

Außerdem stellte ich das Newsletterthema aus dem Juni online. Ich schrieb darüber, warum Bonuszahlungen und leistungsabhängige Vergütung mehr schaden, als sie nützen.

Hinter den dicken Mauern des Gutshauses war es angenehm kühl. Es ließ sich gut arbeiten.

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Einladung | Fette Einladung zu meinem Vortrag auf der Digitalen Woche Dortmund! Kommt alle!

Logo der Digitalen Woche Dortmund. Untertitel: "Didigitalisierung, Innovationen, Chancen.  04. - 08.11.2019"

Kultur frisst Strategie – Digitalisierung ist mehr als Technik

5. November 2019, 18 Uhr.

Digitale Werkbank, Hoher Wall 15, Dortmund

Ich werde darüber sprechen, was Digitalisierung dem Menschen abfordert, welche Rolle Unternehmenskultur spielt, wie man sie entwickelt und warum es normal ist, wenn es mal drunter und drüber geht. Alle Infos zum Vortrag und Anmeldung.

Ich freue mich auf Euch! Bitte formlos anmelden, damit ich ausreichend Getränke ordern kann.

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Co-Workerin | Mir gegenüber saß Britta. Sie schreibt auf der Seite „Leben mit Reizdarm“ über die Erkrankung.

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Obst | Am späten Nachmittag und am Abend jeweils ein Spaziergang um den Quadranten. Der erste führte mich an Mirabellen vorbei.

Ein Busch mit Mirabellen und ein staubiger Weg mit einer Pfütze

Hier wachsen überall wilde Pflaumen und Mirabellen. Die Mirabellen sind reif und süß und lecker und wollen gegessen werden.

(„Die Wilden Mirabellen“ wäre ein guter Band-Name.)

Über den Feldern ging ein leichter Wind, und selbst in der Sonne war es nicht zu heiß. Das war sehr angenehm und gut auszuhalten.

Abends Abendsonne.

Abendsonner, die über Bäume hinwegscheint. Davor ein Feld mit wilden Pflanzen.

Und ein großer Mähdrescher bei der Arbeit.

Mähdrescher in der Abendsonne

Nebenan wohnt ein tauber Schäferhund mit Schlaganfall, der sich erst vor dem Mähdrescher verkroch und sich dann enthusiastisch, sein rechtes Bein hinter sich herschleppend, auf das gemähte Feld warf und sich ausführlich auf dem stachligen Korn wälzte.

Montag, 22. Juli

22. 07. 2019  •  7 Kommentare

Beelitzer Heilstätten | Heute lief ich durch Baumwipfel, an den Dächern von Ruinen entlang. Ich besichtigte einen OP-Saal und flanierte durch ein Sanatorium.

Das Alpenhaus der Beelitzer Heilstätten: Backsteinbau, verfallen, ohne Glas in den Fenster. Aus dem Dach wachsen Bäume

Die Beelitzer Heilstätten liegen südlich von Berlin. Bis zum Zweiten Weltkrieg waren sie die weltweit modernsten Einrichtungen zur Heilung von Tuberkulose. Sie gehörten der Landesversicherungsanstalt Berlin. Berliner Arbeiter und Arbeiterinnen waren damals bereits über die Landesversicherungsanstalt versichert und wurden kostenlos dort behandelt.

Ab 1945 behebergten die Gebäude das größte sowjetische Militärhospital außerhalb der UDSSR.

Die Gebäude sind heute verfallen und geplündert, können aber besichtigt werden. Ein Baumkronenpfad führt durch die Wipfel und um das so genannte Alpenhaus herum.

Baumkronenpfad aus der Höhe

Von der 40 Meter hohen Aussichtsplattform kann man auf den Pfad und über die Brandenburger Wälder sehen.

Das Sanatorium wurde inmitten der Natur errichtet. Es bestand aus 60 Gebäuden. Das Gelände ist 200 Hektar groß, also zwei Quadratkilometer.

Panoramablick über den Wald. Klein darin: zwei Backsteingebäude

Die Heilstätten versorgten sich selbst. Hier gab es eines der ersten Heizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung. Außerdem gab es auf dem Alpenhaus einen Wassertank, durch den ein Schornstein führte, der ihn beheizte.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter waren von Ost nach West strikt nach Geschlechter getrennt untergebracht. Außerdem wurde von Nord nach Süd danach unterschieden, ob Patienten ansteckend waren oder nicht. Es gab Betten für 1.200 Menschen.

Blick vom Baumkronenpfas eine Hauswand hinunter

Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gab es noch keine Medikamente gegen Tuberkulose – auf das bereits erfundene Penicillin spricht die Krankheit nicht an. Die Patienten wurden deshalb nur mit „gutem Leben“ kuriert: Alle Zimmer auf dem gesamten Gelände waren nach Süden ausgerichtet. Sie machten dreimal täglich Luftbäder. Es gab gute Speisen zu essen.

Flügeltür im Foyer der Chirurgie mit Blick in den Gang

Alle Gebäude sind mit einer Stahlskelettbauweise errichtet. Keine Wand ist tragend; die Backsteine haben nur schmückenden Charakter und sollten dem Auge wohltun – ebenso wie die farbigen Kacheln im Innern. Nichts sollte an eine Krankenanstalt erinnern.

Die Ecken in den Zimmern waren abgerundet: an den Wänden, in den den Zimmerecken wie auch unter der Decke. Das sollte verhindern, dass sich Turberkelbakterien festsetzten.

Gang in den Beelitzer Heilstätten: blaue Kacheln bis auf Brusthöhe, danach weiße Farbe. Fenster links, rechts die Zimmer

Zudem waren die Beelitzer Heilstätten der erste Ort, an dem man mit einem Knopfdruck nach dem Pflegepersonal klingeln konnte. Dann leuchtete über der Gangtür ein Licht auf.

Bogen über der Tür mit farbigem Glas

Die Fahrstühle waren verglast, so dass Licht in die Gebäude hineinfiel. Licht und frische Luft wurden als wichtigstes Mittel zur Überwindung der Krankheit gesehen.

Fahrstuhl im Foyer: grüne Fahrstuhltüren im lichtdurchfluteten Treppenhaus
Blick nach oben in den Fahrstuhlschacht und das Treppenhaus. Alles sehr hell.

Die Heilanstalten waren außerdem vorbildlich, was Hygiene anging. Jeder Patient und jede Patientin, ob im Einzel- oder im Zweibettzimmer (eine andere Belegung gab es nicht), hatte sein eigenes Waschbecken, damit er sich nicht erneut infizierte. Das ist mehr, als jetzt in den Krankenhäusern Standard ist.

In den 1920er Jahren wurde auf dem Gelände eine Chirurgie errichtet.

Chirurgiegebäude von außen: Balkone mit geschwungenen Geländern. Bäume wachsen darauf.

Erst zu diesem Zeitpunkt waren die medizinischen Mittel und das Wissen vorhanden, derartige Operationen vorzunehmen. Dennoch überlebte einer von sechs Patienten einen Eingriff nicht.

Der OP-Saal bietet heute einen Blick ins Freie.

OP-Saal

Seinerzeit gab es eine septische und eine aseptische Abteilung. Die aseptische, also keimfreie Abteilung, in der sich auch die OP-Säle befanden, arbeiteten mit Dampfsterilisation; kein chirurgisches Werkzeug wurde zweimal verwendet. Durch eine Öffnung konnte der Chirurg es nach Benutzung direkt in den Keller befördern, wo es gereinigt wurde.

OP-Saal: Desinfektionsanlage

Für die Menschen war der Aufenthalt eine Wohltat im Vergleich zum eigenen Zuhause. Dort wohnten die Arbeiterfamilien mit all ihren Mitgliedern auf nur 25 Quadratmetern. Betten wurden geteilt. Tagsüber kamen oft noch Schlafgänger ins Haus, an die man sein Bett für einige Stunden vermietete.

Im Hof gab es das „Scheißhaus“ mit dem „goldenen Eimer“. Viele Familie sollten jedes halbe Jahr um, weil die Wohungen feucht waren; der 1. April und der 1. Oktober waren „Ziehtage“, offiziell von der Stadt Berlin erlaubte Umzugstage.

Die hygienischen Umstände waren sehr schwierig. Deshalb breiteten sich Krankheiten wie die Tuberkulose rasch aus. Heilung war unter diesen Umständen schwierig bis unmöglich. Die Industrialisierung brauchte aber kräftiges Arbeitsvolk – weshalb die Versicherungsanstalt keine Mühen scheute, es zu kurieren.

Bewachsenes Haus auf dem Gelände

Baumkronenpfad und Beelitzer Heilstätten

Es gibt täglich unterschiedliche Führungen durch die verschiedenen Gebäude. Nur mit einer Führung kann man hinein und Fotos machen. Ich war in der Chirurgie. Öffnungszeiten: 10 bis 19 Uhr. Alle Infos auf der Website.

Sonntag, 21. Juli

22. 07. 2019  •  2 Kommentare

Hinterherblogging | Ich hänge etwas mit dem Tagebuchbloggen. Am Sonntagabend bin ich im Hof versackt – mit Menschen aus München, Bielefeld und Berlin. Danach ergriff mich eine plötzliche Müdigkeit, die das Bloggen unmöglich machte.

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Die Suche nach Groß-Glien | Ich wohne hier in Klein Glien. Deshalb machte ich mich auf die Suche nach Groß Glien.

Klein Glien ist wirklich klein. Einmal geblinzelt beim Autofahren, schon ist man hindurch. Die Erwartungen an Gross Glien waren: zweimal blinzeln.

Tatsächlich ist Groß Glien … weg.

Steine an einem Feld

Bereits seit dem Jahr 1420 ist Groß Glien wüst und verlassen. Mitte des 16. Jahrhunderts wurden noch einmal eine Schäferei, danach ein Hof für Ackerbau und Viehzucht errichtet. Schließlich lebten 42 Menschen hier – bis die Einwohnerzahl wieder sank. 1931 wurden die Gebäude abgerissen. Vor wenigen Jahren wurden die Überreste der Kirche (Bild) aus dem Bewuchs geborgen.

In der Umgebung ist das Töpfercafé Schmerzwitz.

Gutshof Schmerwitz: Renovierter Gutshod, gepflasterter Hof, Biergartenbestuhlung, Blumenkübel

Es hält monumentale und gleichzeitig köstliche Kuchenstücke vor. Man denkt danach, nie mehr etwas anderes essen zu können – und auch zu wollen.

Auch Gut Schmerwitz war einst eine Wüstung, genauso wie Groß Glien. Es wurde ebenfalls als Schäferei wiederlebt – blieb dann aber erhalten.

Töpfercafé von innen: hözerne Tische und Stuhle, große Korblampen, weißes Fachwerk

Das Gut gehörte der Familie Brandt von Lindau. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Familie enteignet.

Das Gut war anschließend unter anderem Zentralschule der Deutschen Volkspolizei und anschließend Zentralschule für Kampfgruppen „Ernst Thälmann“.

Seit dem Jahr 2000 ist es wieder in privatem Familienbesitz.

Weg zurück durch den Wald …

Alter Laubbaum inmitten von Nadelwald, verunschenes Licht

und über Felder.

Weg, der an einem abgeernteten Feld entlangführt. Die Sonne scheint, blauer Himmel und kleine Wölkchen

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Monokultur | Es gibt hier Felder. Sehr viele Felder. Sehr viele, sehr große Felder. Beeindruckend große Felder.

Kornfeld bis zum Horizont

Die Wikipedia weiß: „Die durchschnittliche Betriebsfläche ist mit 238 Hektar im deutschlandweiten Vergleich sehr groß. Großbetriebe mit über 1.000 Hektar bewirtschaften über 70 % der brandenburgischen Ackerflächen.“

Kornfeld von links nach rechts bid zum Horizont, in der Mitte ein Baum

Gleichzeitig ist Brandenburg führend beim ökologischen Landbau (gleiche Quelle), bei mir auch gleich ums Eck:

Maisfeld mit Blumen drin

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Gewitter | Am Samstagabend kam ein Gewitter über Klein Glien. Blitze über Blitze, Wind und eine Stunde lang peitschender Regen.

Blick auf dem halb geöffneten Fenster. In der Ferne ein weißes Haus gegen dunkelblauen Gewitterhimmel

Das Wasser drückte sich durch die Holzfenster und nässte die Fensterbank.

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Gelesen | Ein lehrreicher Twitter-Thread über die Geschichte des Pipimachens im All, gefunden bei der Kaltmamsell.

Freitag und Samstag, 19. und 20. Juli

20. 07. 2019  •  8 Kommentare

Rast | Ankunft in Brandenburg.

Panorama in Brandenburg: links die tief stehende Sonne, Maisfeld, rechts eine baumbestandene Straße

Hier bleibe ich ein paar Tage. Coworking & Recreation. Ein bisschen Arbeit, ein bisschen mehr Urlaub.

Ich bin zu Gast im coconat, einem Coworking Space irgendwo im Nirgendwo bei Bad Belzig, im Landkreis Potsdam-Mittelmark.

Gebäude des Gutshofs von außen
Foyer, Schild: "Relax and get some work done". Dazu eine Diskokugel

Sechs Leute haben das hier gegründet, haben einen Gutshof instand gesetzt, Platz für 40 Menschen geschaffen, Arbeitsräume und Schlafräume eingerichtet, schnelles WLAN in die Provinz gebracht und sich auch sonst allerlei ausgedacht, um das Leben schön zu machen.

Hof mit Steine auf Stein, dafür bunte Stühle und Pflanzen
Springbrunnen mit Schaukel
Zelt, aufgespannt zwischen Bäumen

Eine Sehenswürdigkeit der Gegend habe ich schon erkundet: Ich war auf Brandenburg zweithöchstem Berg, der sich direkt hinter dem Haus befindet: der Hagelberg, 200 Meter.

Blick vom Hügel hinunter auf gelbe Kornfelder

Das war relativ schnell erledigt. Für Historiker: Wissenswertes über die Schlacht bei Hagelberg.

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Gartenhaus | Zuvor, am Freitagvormittag, war ich noch in Weimar unterwegs. Ich besuchte Goethes Gartenhaus.

Blick durch ein hohes, weißes Holztor auf ein kleines, graues, weinbranktes Haus

Ich muss zugeben, dass die Themen „Goethe“ und „Schiller“ es während meiner schulischen Bildung verpasst haben, ins Langzeitgedächtnis überzugehen. Natürlich haben wir uns im Deutschlunterricht mit Werken beschäftigt, ich hatte ja sogar Deutsch-Leistungskurs. Aber ich erinnere nichts, gar nichts.

Durch diese dunkle Gasse muss er kommen. Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Fest gemauert in der Erden, steht die Form, aus Lehm gebrannt. Das war also des Pudels Kern!

Es ist alles ein Nebel, auch das Drumherum. Wann haben sie gelebt? Mit wem? Der Goethe mit Charlotte von Stein. Oder war’s Christiane Vulpius? Welche zuerst oder hat er mit beiden gleichzeitig …?

Das Gartenhaus deckte es auf: erst Charlotte, platonisch, dann Christiane. Woraufhin Charlotte verschnupft war, obwohl sie mit Freiherr von Stein verheiratet war und mit ihm sieben Kinder hatte.

Blick ins Haus: Bibliothek, Schreibtisch

Mehr als 1.770 Briefe und Zettelchen schrieben sich Goethe und Christiane Charlotte. Das ist stattlich. Hätte es damals schon WhatsApp gegeben – was hätten sie dann erst zustande gebracht! Terrabytes von Daten! Und die ganzen Selfies!

Beleuchteter Treppenabgang

Ich begegnete auch dem Erlkönig wieder, in seiner originalen Form. Ich musste ihn einst auswendig lernen, in frühen Jahren, in der fünften oder sechsten Klasse.

Erlönig in Goethes Handschrift

Macht man das heute eigentlich noch in der Schule, Gedichte auswendig lernen?

Weil es regnete, sah ich von einem auschweifenderen Spaziergang ab. Bevor es nach Brandenburg ging, wollte ich noch zur Gedenkstätte Buchenwald, neun Kilometer vor Weimar auf dem Ettersberg.

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Buchenwald | Weimar hat eine reiche Geschichte, in die eine wie in die andere Richtung. Kunst, Musik, Literatur auf der einen Seite, Politik und Nationalsozialismus auf der anderen Seite.

Hitler wollte Weimar zur Gauhauptstadt machen und erfreute sich schon früh an der Stadt mit ihrer so vorbildhaft deutschen Geschichte. Während des zweiten Reichsparteitags der NSDAP 1926 wurde hier die Hitlerjugend gegründet. Es gab nationalsozialistische Aufmärsche. Vor dem Hotel Elephant, das Hitler nach nationalsozialistischem Stil neu aufbauen ließ, feierten die Weimarer ihn.

Buchenwald war eines der größten Konzentrationslager auf deutschem Boden. Es lag vor den Toren der Stadt auf dem Berg im Wald. 56.000 Menschen starben hier, durch Krankheit und Erschöpfung, sie wurden erschossen oder überlebten auf andere Weise nicht. Die Möglichkeiten zu sterben waren unerschöpflich.

Egal, wo und wie oft ich Orte wie diesen besuche: Es ist mir unverständlich. Wie kann der Mensch so unmenschlich werden? Welche Mechanismen sind es, die eine Gruppe Allmacht über die Andere erlangen lassen; welche Vorgänge sorgen dafür, dass diese Macht aufs Abartigste eskaliert? Wie kann es geschehen, dass der Mensch alles Mitgefühl verliert und zum Menschenquäler wird? Wer wäre ich gewesen, hätte ich damals gelebt?

Heute streifen Leute über das Gelände, Alte und Junge, Familien und Gruppen. Das KZ ist eine weite Ebene auf der Bergkuppe. Die Umrisse der Baracken liegen auf der Erde, als Steine, als Mauerreste, als fahrige Markierungen. Es geht Wind. Das Gras wiegt sich. Der Himmel ist wolkenverhangen. Die Uhr über dem Appellplatz zeigt Viertel nach Drei, Uhrzeit der Befreiung am 11. April 1945. Im schmiedeisernen Tor die Inschrift: „Jedem das Seine“.

Die Besucher tragen Trekkingschuhe. Manche eine Regenjacke. Mutter und Sohn stehen vor der Genickschussanlage. „Hast du gehört, was die Frau gerade gesagt hat? Wie sie hier die Menschen erschossen haben?“ – „Ja, Mama.“

Einige Besucher führen einen Rucksack mit Proviant mit sich. Andere gehen ins Museumscafé und bestellen zwei Wienerle mit Senf. Im Gebäude nebenan läuft der Film mit den Tausenden Toten, Vorführung für eine der Jugendgruppen, die hier zahlreich mit Bussen vorfahren.

Es ist nicht erwünscht, auf dem Gelände Fotos zu machen und sie ohne Genehmigung zu veröffentlichen. Deshalb gibt’s hier keine.

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Gelesen | Elizabeth Strout: Bleib bei mir.

Buch: Elizabeth Strout, Bleib bei mir

Ein wunderbar leises Buch über ein Dorf, dessen Pfarrer seine Frau verliert – eine Frau, die anders war. Er ist nun alleine mit den Kindern, in der Langsamkeit seiner Trauer wird er vom Leben überholt. Die Organistin will eine neue Orgel, der Lehrer träumt von einer anderen Frau, die Haushälterin verschwindet. Alles passiert in einem ruhigen Fluss – und am Ende … ach, lesen Sie selbst.

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Metabene | Aus der losen Reihe „Orte an denen Blogbeiträge entstehen“:

Eine Holzplatte in einer Nische vor einem geöffneten Fenster, darauf ein MacBook, in der Ferne dunkle Wolken.

Donnerstag, 18. Juli

18. 07. 2019  •  1 Kommentar

Technischer Halt | Auf der Fahrt von München nach Weimar gab’s heute einen technischen Halt in Kinding, Altmühltal.

Silbernes Auto mit aufgeklappter Motorhaube

Mein Auto sagte: „Ölstand prüfen.“ Ein gelbes Warndreieck leuchtete auf.

Weil ich weiß, dass gelbe Leuchten keine roten Leuchten sind und ich nur bei roten leuchten sofort anhalten muss, fuhr ich erstmal weiter, suchte mir eine Ausfahrt und steuerte eine Tankstelle an. Gegenüber der Tankstelle, welch eine Freude, befand sich auch ein Autoschrauber.

Ich prüfte zunächst selbst den Ölstand. Das Auto hatte Recht. Es musste Öl rein. Um sicherzugehen, ob nicht ein Marder irgendwas durchgefressen hatte, bat ich den Mechanikus von gegenüber, mal reinzuleuchten. Das tat er – und füllte auch gleich Öl nach. Danke an das Landes-Team.

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Weimar | Am Nachmittag Ankunft in Weimar. Dort ins Hotel und rasch zur Stadtführung, die um 16 Uhr auf dem Marktplatz startete und über das Schloss zum Herderplatz führte.

Herderplatz: Bunde Fassaden, verspielte Giebel.

Eineinhalb Stunden Weimar im Schnelldurchlauf. Leider sprach die Stadtführerin leise, auch der Stimmverstärker nützte wenig. Schiller, Goethe, Liszt, Goldenes Zeitalter, Silbernes Zeitalter, Herder, Bauhaus, Weimarer Republik, Nationalsozialismus – kein leichter Stoff. Wenn die Umgebung dann noch laut ist und nur Sprachfetzen ankommen … schwierig.

Schillerhaus: Gelbes Haus mit türkisen Fensterläden, davor ein Baum.

Nach einer Stunde ließ ich mich zurückfallen, verschwand in eine Gasse und machte meinen eigenen Rundgang.

Goldene Verzierungen an einer türkis-weiß-gelben Fassade. Über der Haustür eine Girlande: "Just married."

Hübsche Stadt. Ein bisschen truschig, ein bisschen alternativ, mit jungen Eltern, Kindern in Lastenrädern und erstaunlich vielen Hutverkaufsstellen. Dazu Kulturtouristen und Jugendgruppen.

Fassade des Eingangs zum Stadtschloss.

Übrigens sieht man hier überall Gingko: Gingko-Pflanzen, Gingko-Shops, Gingko-Appartments, Gingko-Tinkturen. Hat irgendwas mit Goethe zu tun.

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Biebereis | Eissorten des Tages: Schoko und Mango.

Mittwoch, 17. Juli

17. 07. 2019  •  7 Kommentare

Broterwerb I| Heute hatte ich ein Date bei der Universität der Bundeswehr in Neubiberg, genauer an der Fakultät für Betriebswirtschaft, Studiengänge „Management und Medien“.

Das war spannend, denn zwischen 1999 und 2003 habe ich hier einen ordentlichen Batzen Zeit verbracht. Den Osteingang der Uni habe ich noch wiedererkannt, sonst hat sich alles rundherum verändert: Wo früher Felder waren, steht heute ein ausuferndes Wohngebiet. Es gibt Straßen, die es früher nicht gab. Die Wege sind nun anders. Auch auf dem Campus hat es rege Bautätigkeit gegeben. Wahnsinn. Die Stadt München hat sich über Felder und Wiesen bis nach Neubiberg ausgedehnt.

Und es wird weiter gebaut: Gegenüber der U-Bahn-Haltestelle Neuperlach-Süd, Enthaltestelle der U5 (Protipp: hier parken und in 15 Minuten bis in die Innenstadt zum Odeonsplatz fahren) ist schon lange ein riesiger Büropark. Nun bebauen sie auch den Park & Ride; wer pendeln möchte, muss nun weiter weg parken. Irre.

Broterwerb II | Ich habe eine Buchung für den Juli 2020 erhalten. Sehr cool.

Ich werde an der Medienakademie Ruhr ein zweitägiges Seminar zum Innovationsmanagement geben. Wenn Sie interessiert sind, schauen Sie im Herbst dort mal vorbei. Dann ist das Jahresprogramm 2020 online.

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Gesprächsfetzen I | In der Straßenwirtschaft hinter mir sitzen er und sie. Kein Paar, nur Freunde; man erkennt es schon nach wenigen Sätzen. Sie führen ein Gespräch über Dies und Das. Sie sind beide jung; sie ist gerade erst in den Job eingestiegen. Er kann nicht viel erfahrener sein, auch wenn er mehrfach betont, er sei „sowas wie der Geschäftsführer in dem Laden“, nicht wirklich, aber de facto mache er „all die Geschäftsführersachen, die wichtig sind“.

„Kein Mann will eine Frau, die mehr arbeitet als er“, sagt er. Sie sagt, sie sei noch in der Probezeit, außerdem gefalle ihr der Job. Deshalb arbeite sie gerne.

„Wenn ich zig scheißtausend Sachen zu tun habe, und es ist niemand da, wenn ich abends heim komme – dafür brauch‘ ich keine Freundin“, sagt er. Sie sagt, sie wolle sich erstmal im Arbeitsleben zurechtfinden.

Eine Freundin, die mehr verdiene, sei einfach ungeil, sagt er. „Wenn dein Freund dich irgendwann nicht mehr f\cken will, weißt du, woran es liegt.“

Gesprächsfetzen II | Auf dem Bahnsteig sitzt eine Frau und telefoniert. Sie telefoniert sehr laut. Sie brüllt fast. Jedes zweite Wort, das sie brüllt, ist „Arschloch“. Allerdings die liebevolle Art von Arschloch, sie sagt: „Du bist so ein Arschloch, ey, ich liebe dich, du Arschloch.“

Dann sagt das andere Ende etwas. Sie legt den Kopf schrägt, presst das Handy ans Ohr. Es ist ein sehr großes Handy in einer goldenen Schale. Sie sagt: „Du bist so eifersüchtig, Arschloch.“

Die U-Bahn kommt. Wir steigen ein. Sie setzt sich in einen Vierer. Es ist noch ein weiterer Vierer zwischen uns. Dennoch höre ich sie deutlich. „Du hörst mir nie zu, du Arschloch. Ich hab‘ dir gesagt, nie wieder. Aber du sagst, doch, und dann haben wir es gemacht und jetzt ist alles wie vorher, du Arschloch.“

Vielleicht reden sie übers Heiraten, vielleicht über die Anschaffung eines Haustiers, vielleicht über eine Anmeldung im Fitnessstudio.

„Wenn ich sowas noch einmal mit dir mache, dann machen wir es richtig, du Arschloch. Dann machen wir es ernst.“

Pause.

„Okay. Morgen um Acht.“ Sie legt auf. „Arschloch.“

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Gefangen in Heidelberg | Nachzutragen ist noch eine Begebenheit aus Heidelberg. Ich war gefangen.

Am Montag ging die Turnfreundin zur Arbeit. Ich blieb in ihrer Wohnung in Heidelberg, eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Ich früchstückte zunächst, genoss die Aussicht vom Balkon und arbeitete dann. Für den späten Nachmittag verabredeten wir uns in der Stadt.

Als es an der Zeit war, packte ich meine Siebensachen, zog die Wohnungstür hinter mir zu und ging zur Haustür. Die Haustür: abgeschlossen. Der Weg zurück in die Wohnung: versperrt; ich hatte keinen Schlüssel.

Mmmh.

Fenster: keine.
Fluchtwege: keine.
Wäschekeller: auch kein Fenster.

Mmmh.

Ich klingelte bei den Nachbarn: niemand da.

Mmmh.

Ich rief die Freundin an: „Ich befinde mich in einer misslichen Situation.“

Sie fing sofort an, in den Hörer zu schreien: „… habe ich ihnen extra noch gesagt!! … jedesmal!! … Rentner!!! … schließen immer ab!! … wir werden alle irgendwann verbrennen!! …“ Und: „Ich rufe sie an. Bleib, wo du bist!“

Wo sollte ich auch hin?

Eine geraume Zeit später, ich hatte mich auf der Treppe eingerichtet, tauchte eine verrentete Organistengattin in der Haustür auf. „Ich dachte, es wäre niemand im Haus. Da schließe ich lieber alles gründlich ab.“

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Besonderheit | Ich aß heute besonderes Eis: Lillet Berry und Milchschnitte. Außerdem hatte ich einen Probierlöffel „Augustiner Bräu“.

Lillet: 5 /10 Punkte
Milchschnitte: 9/10
Augustiner Bräu: 10/10

Dienstag, 16. Juli

16. 07. 2019  •  4 Kommentare

MUC | Heute fuhr ich von Heidelberg nach München, eine angenehme Fahrt, kaum Stau. Pause am Rasthof in Greding, dort einen Kaffee, dann Weiterfahrt.

In München arbeitete ich zunächst ein bisschen im Hotel: Terminvorbereitung für morgen; ein Rest war noch zu tun. Ich ruhte etwas. Danach fuhr ich in die Innenstadt zum Odeansplatz und ging von dort über den Viktualienmarkt ins Glockenbachviertel.

Dort traf ich auf den Alten Südlichen Friedhof.

Allee mit Bäumen, links und rechts große Grabsteine

Er entstand im 16. Jahrhundert, damals außerhalb der Stadttore, als Pestfriedhof. Im 19. Jahrhundert war er einige Zeit lang der einzige Münchener Friedhof. Deshalb gibt es dort einige prominente Namen, darunter den Maler und Apotheker Carl Spitzweg und die Brauerei-Ikone Joseph Pschorr (Hacker Pschorr).

Grab der Familie Pschorr

Die letzten Bestattungen auf dem Südfriedhof fanden 1944 statt. Das ganze Areal steht nu unter Denkmalschutz.

Grabsteine, Bäume, Farne, Lens Flares

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HD | Die eineinhalb Tage zuvor verbrachte ich in Heidelberg, Besuch bei der Turnschwester. Ankunft am Sonntagabend, Absacker auf dem Balkon mit Blick auf Ziegelhausen.

Mond, darunter Häuser in der Dämmerung in hügeliger Landschaft

Am gestrigen Montag zunächst Arbeit bis zum Nachmittag, danach der traditionelle Gang vom Köpfel über den bewaldeten Neckarhang und den Philosophenweg hinunter nach Heidelberg.

Blick durch Wald auf Heidelberg im Neckartal
Blick in Baumkronen, durch die Sonne scheint

Unten in der Altstadt: ein leichtes Getränk, danach ein indisches Essen mit der Turnschwester.

Fein.

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Dortmund bewirbt sich als iCapital 2019, als Europäische Innovationshauptstadt.

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Gelesen und angeguckt | Ein Multimedia-Stück der Hessenschau: Wie stressig ist pendeln?

Gelesen | Frauen bekommen weniger Geld von Investoren, wenn sie gründen. Ihre Ideen werden unterschätzt, abgetan, sie werden eher als unerfahren und ungeeignet eingestuft.

Während junge Frauen von den Investoren oft als unerfahren eingestuft wurden, galten junge Männer als erfolgshungrig und aufstrebend. Vorsicht wiederum wurde bei Gründerinnen als hemmende Angst ausgelegt, bei Männern dagegen als wünschenswerte Besonnenheit.

Angehört | Podcaster Malik spricht fast vier Stunden lang mit Patricia Cammarata (dasnuf.de) übers Bücherschreiben, über Kinder und Medien, über Geburten, über Männer und Frauen und über das Leben.

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Ausblick | Morgen noch ein Tag in München. Am Donnerstag Weiterfahrt. Lassen Sie sich überraschen.

Donnerstag, 11. Juli

12. 07. 2019  •  10 Kommentare

Verknautschung | Letztens habe ich festgestellt, dass ich auf Fotos zunehmend älter aussehe.

Früher, zu Zeiten der Analog-Fotografie, als man nur alle Jubeljahre Bilder machte, haben Menschen den eigenen optischen Verfall wahrscheinlich nicht mitgekriegt; da kam lediglich irgendwann der Tag, an dem man plötzlich alt war – nach dem 80sten Geburtstag von Onkel Erich, auf dem die Familie nach langer Zeit mal wieder Fotos knipste, die sie Monate später, nachdem der Film voll war, entwickelt hat. Auf diese Fotos schaute man dann, nachdem man sich jahrelang nicht durch die Augen Dritter gesehen hatte, und dachte: „Himmelherrgott, was ist mit mir passiert?“

Ich werde irgendwie knautschig und knittrig, genauer kann ich das nicht beschreiben.

Letztens saß ich dabei, als zwei mir bekannte Frauen sich übers Liften unterhielten. Sie griffen sich an den Kiefer, schoben die Haut ihrer Wangen hoch und sagten: Hier, genau hier, müsse dringend etwas gemacht werden. Mir war bis anhin nicht aufgefallen, dass dort Bedarf besteht, ich sah mir die Wangen genau an und entdeckte nichts. Aber wenn sie es sagen, wird es wohl stimmen.

Bei mir müsste man Einiges tun: sowohl Einiges anheben als auch Einiges absaugen. Wenn es abgesaugt wäre, müsste man das Verbleibende zusammenraffen, und weil Gerafftes Falten wirft, müsste man danach mit einem Glätteisen drübergehen. Nachdem man mit dem Glätteisen drüber war, müsste man ein Serum hineinspritzen, damit es nicht sofort wieder knittert – und wer weiß, was danach nötig wäre. Eins zöge das andere nach sich, das wäre ein Fass ohne Boden. Ich habe schonmal eine 40 Jahre alte Wohnung saniert – da offenbarte jeder Handgriff weitere Handgriffe: Unter der Tapete war nochmal eine Tapete und nochmal eine Tapete und als die Tapete schließlich weg war, fiel der Putz ab. Am Ende war die ganze Bude entkernt; Heimwerker kennen das. So stelle ich mir das mit dem Liften vor. Also lasse ich das lieber, denn ich bezweifle, dass ich abgesaugt, angehoben, gerafft, geglättet und gespritzt glücklicher bin. Glück ist ja eher eine Sache des Innendrinn als des Außenrum; das steckt im Fundament, nicht in der Tapete.

Ich bin trotz fortschreitenden äußeren Verfalls weiterhin neugierig, werde sogar immer neugieriger. Je mehr ich sehe und lerne, desto mehr weiß ich, was ich nicht weiß. Ständig höre ich irgendwo etwas, lese mich dann ein, fahre irgendwo hin, jemand erzählt mir Sachen, und ich denke: Spannend, darüber musst du mehr erfahren. Gleichzeitig finde ich es wundervoll, schon das ein oder andere erlebt zu haben. Das lässt mich mit Gelassenheit auf Ereignisse blicken. Es ist sehr erfreulich, Dinge souverän einordnen zu können. Die schwankenden Aufregungskurven meiner 20er- und 30er-Jahre, diese grotesken Ausschläge auf der inneren Dramatikskala fehlen mir überhaupt nicht. „Ach ja, das hatten wir schonmal“, denke ich jetzt, ducke mich, lasse den Sturm über mich hinwegziehen, und schon ist wieder Sonnenschein.

Auch Menschen finde ich zunehmend spannend, fand ich immer schon spannend; aber jetzt, wo ich mehr und mehr in mir ruhe, kann ich viel besser Leute aushalten, die mich früher in Rage brachten. Das ermöglicht ganz neue Austausche.

Während also das Außen zunehmend verknautscht, wird das Innere immer aufgeräumter. Das gefällt mir; lieber so als umgekehrt.

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Broterwerb | Den Tag verbrachte ich im Home Office. Die Fahrt zum Kunden ersparte ich mir: Dort waren am heutigen Tage viele Ansprechpartner nicht da – was zu tun war, erledigte ich von daheim, per Telefon und Chat und GoTo-Meeting. Die moderne Technik macht ja vieles möglich. Das finde ich immer noch großartig.

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Gelesen | Wenn Jawls Frau verreist, wird sie gefragt, ob sie für ihn vorkocht. Im Jahr 2019. Das ist skurril.

Gelesen | Frau Novemberregen berichtet, wie sie Abteilungen in fernen Ländern steuert, indem sie immer die gleiche Tabelle weiterleitet.

Schauen Sie übrigens auch mal bei Frau Joriste vorbei. Sie tagebuchbloggt seit einiger Zeit ebenfalls.

Mittwoch, 10. Juli

10. 07. 2019  •  4 Kommentare

Broterwerb | Mäßige Stausituation auf der Hinfahrt, nur auf dem Autobahnzubringer, kurz vor der Baustelle und auf dem Autobahnwegbringer. Also das Übliche und nicht erwähnenswert.

Ich habe den „Alles gesagt?“-Podcast mit Jutta Allmendinger gehört. Der Beginn ist hölzern, auch Frau Allmendinger wirkt sperrig, es wird dann besser und sogar sehr launig – dranbleiben! Ich finde es weiterhin unpassend, dass in dem Format standardmäßig zwei baugleiche Männer interviewen; die ZEIT vergibt damit Chancen. Eine weibliche Fragestellerin oder zumindest eine Kombination aus unterschiedlicheren Männern (alt/jung, mit/ohne Migrationshintergrund etc.) würde dem Format gut tun. Frau Allmendinger hält den Herren ein paarmal den Spiegel vor.

Unerfreuliches Staugeschehen auf der Rückfahrt. Zubringer zur A1, auf der A1, Bundesstraße nach Hause – alles unschön. Ich weiß, ich weiß, ich bin Teil des Problems. Nur: Was machen? Auf meiner Route funktioniert kein ÖPNV (2 Stunden für die einfache Strecke), fürs Fahrrad ist es zu weit (50 Kilometer hin und 50 zurück), mit dem Auto dauert es sowohl morgens als auch abends zwischen 45 Minuten (fast nie) und eineinhalb Stunden (ziemlich oft). Das Auto ist also immer noch die beste aller Lösungen, wenn man Zug- und Busfahren nicht zum Selbstzweck betreiben möchte.

Der Allmendinger-Podcast ist fünf Stunden lang; ich habe in den vergangenen zwei Tagen, während ich herumstand, jede Minute gehört. Danach, passend zur Situation: Mobilitätsforscher Andreas Knie im Interview bei Jörg Thadeusz.

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Lesungsfazit | Am Abend war Circleabend mit gemeinsamer Manöverkritik zur Lesung vom Wochenende: Wir sind zufrieden. Die Rückmeldungen waren positiv. Von 96 angemeldeten Gästen sind 85 gekommen – das ist sensationell für eine Veranstaltung an einem sonnigen Sommerabend, bei der man nicht vorher bezahlen muss. Danke an alle, die da waren!

Gleichzeitig haben wir Verbesserungsvorschläge eingesammelt: mehr Einstieg, besserer Getränke-Service, Hintergrundmusik nach der Lesung und ein paar weitere, kleine Dinge. Es gibt immer etwas zu optimieren.

Wie viel wir an das Kinderkrebsprojekt Fruchtalarm spenden können, steht noch nicht fest: Wir warten noch auf die Rechnung der Location. Erst dann können wir eine abschließende Summe nennen. Wir haben auf jeden Fall Überschuss, den wir weitergeben können.

Fazit und Beschluss: Auch im nächsten Jahr soll es wieder eine Lesung geben.

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Gelesen | „Die sind nicht mal mehr bereit, von Hamburg nach Frankfurt am Main zu ziehen“ – Ein Headhunter echauffiert sich, dass jüngere Generationen nicht mehr bis Mitternacht arbeiten wollen. Wie unverschämt aber auch.

Im wahren Leben erlebt die Generation ja oft Folgendes: Sie arbeitet für ein Unternehmen, engagiert sich, macht Überstunden, bringt Ideen ein, dann wird das Team aufgelöst, der befristete Vertrag endet sang- und klanglos – oder der Chef wechselt und will nichts mehr von vorherigen Vereinbarungen wissen: „Jetzt müssen Sie sich erstmal beweisen“. Als Frau darf man glücklich sein, nicht schwanger zu werden, denn dann ist die Perspektive eh im Eimer.

Wenn Wertschätzung, Bezahlung und die fachliche Herausforderung stimmen, wenn Job und Persönlichkeit gemeinsam betrachtet werden, habe ich nie Probleme mit dem Engagement von Leuten – egal welchen Alters. Mich alarmiert es, wenn Leute nur für ihren Job leben und keine Freizeit kennen; das bringt im Arbeitsumfeld meiner Erfahrung nach mehr Probleme mit sich, als es löst – auch bei Führungskräften.

Gelesen | Wieso die Flüchtlingssituation im Mittelmeer so kompliziert ist. Ich finde das gar nicht kompliziert: Man darf Menschen nicht ertrinken lassen. Was die privaten Seenotretter angeht, hat der Tagesspiegel einen differenzierten Kommentar.

Gelesen | The Gifts of Fatness. Es ist tatsächlich so: Körperfülle und die Reaktionen darauf lassen einen Charakterschweine leichter erkennen. In manchen Businesskontexten erledigt das bisweilen auch allein das Frausein.

Gelesen | Computerwissenschaftler Chris Boos über Digitalisierung in Deutschland: „Uns geht es viel zu gut“. Seiner These, dass ein gemeinsames Ziel für den Fortschritt braucht, schließe ich mich an. Er nennt das autonome Fahren. Ich würde das Ziel weiter fassen: eine Mobilität, die maximal angenehm und minimal zerstörerisch ist. Passend dazu: Wo Estland Deutschland abhängt.



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