Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Von Selbstbestimmtheit, Fremdbestimmtheit und dem Optimismus, dass es schon hinhauen wird

15. 3. 2017 25 Kommentare Aus der Kategorie »Broterwerb«

Seit dem 1. Februar bin ich offiziell selbstständig, und aktuell kann ich mir keine bessere Entscheidung vorstellen.

„Ich bewundere dich, dass du deine Komfortzone verlassen hast“, sagte neulich eine Freundin zu mir. Die Wahrheit ist: Ich habe nicht das Gefühl, dass ich sie verlassen, sondern dass ich sie betreten habe. Denn ich arbeite zwar mehr als vorher. Es verteilt sich allerdings anders und fühlt sich deshalb entspannter an. Entspannt im Sinne von: arbeitsreich, aber erfüllend und deshalb gut für meine selische Gesundheit. Letztere hat mich in den vergangenen Jahren zunehmend verlassen – nicht ernsthaft und bedrohlich, aber ich habe das Arbeitsleben zunehmend als belastend empfunden, war viel erkältet und hatte einige Stressymptome.

Wir haben jetzt Mitte März, und im Angestelltenverhältnis war ich zu diesem Zeitpunkt immer schon das erste Mal durch. Meist hatte ich im November/Dezember den letzten Urlaub, also vier Monate zuvor. Ich fühlte mich müde, wurde dünnhäutig, sehnte die freien Ostertage oder den ersten Kurzurlaub herbei. Das ist jetzt nicht so, im Gegenteil, ich fühle mich sehr frisch, obwohl ich mich schon seit Anfang November um Businessplan und Krankenkasse, Finanzamt und Autokauf, um Geschäftstausstattung, -anbahnung und Auftragsvorbereitung (und allerlei mehr) bemüht habe – also sehr gut ausgelastet war.

Aber ich arbeite nun nur noch für mich und für den Kunden. Ich empfinde meine Arbeit deshalb bei jedem Handgriff als sinnvoll, selbst bei Aufgaben, die mir keinen Spaß machen. Die gibt’s ja auch als Selbstständige, sogar gar nicht so wenige, aber am Ende weiß ich, wofür ich welchen Job erledige, und profitiere unmittelbar vom Ergebnis meines Tuns.

Zweiter Punkt ist: Ich kann mir meine Arbeit selbst einteilen. Auch in Wochen, in denen ich viel auf dem Tisch habe, die Möglichkeiten zum Einteilen also begrenzt sind, schaffe ich mir Freiräume: mal eine halbe Stunde länger frühstücken, mal mittags ein Nickerchen – beides nur 30 Minuten, aber es ist einfach unglaublich befreiend, es tun zu können. Mal morgens joggen gehen, mal zwischendurch in den Garten zum Durchschnaufen und Sonne tanken. Die kleinen Dinge halt. Habe ich abends Termine, gehe ich morgens ins Fittnessstudio. Anderntags arbeite ich bis Mitternacht, weil’s gerade fluppt, und stehe am nächsten Tag erst um 9 Uhr auf. Natürlich bin ich auch jetzt fremdbestimmt. Ich habe die Dinge aber insgesamt viel mehr selbst in der Hand.

Es ist ja auch so, dass Homeoffice unglaublich effizient ist, zumindest wenn man keine Kinder im Haushalt hat. Ich bin ein Mensch, der keine äußeren Antriebe braucht, um zu arbeiten; ich stehe werktags um 7.30 Uhr auf, weiß, was ich tun möchte, und beginne den Tag. Der Arbeitsweg fällt weg, das ist massig viel Zeit. Ich kann nebenbei Wäsche waschen, wenn ich Zerstreuung brauche, und zwischendurch einkaufen gehen, wenn ich bei einer Sache nicht weiterkomme. Im Angestelltenverhältnis bin ich seinerzeit einfach ineffizient geworden, habe Kolleg*innen zugequatscht oder stumpf gewartet, dass der Feierabend kommt. Heute erledige ich stattdessen Haushaltskram, der früher obendrauf kam und der mich in meiner Freizeit zusätzlich stresste.

Home Office bringt auch mit sich: Es kommt niemand rein und stört mich. Die vielen kleinen Schwätzchen entfallen, und überhaupt ist die ganze Kommunikation sehr zweckgesteuert. Letzteres, na klar, ist nicht nur ein Vorteil: Zwischenmenschliche Wärme und Austausch fehlen natürlich. Dafür werde ich aber demnächst ab und an in ein Coworking Space gehen. Außerdem bin ich abends jetzt viel unterwegs – nicht nur, weil viele Networking-Termine stattfinden, sondern auch, weil ich dazu im Gegenatz zu früher die Energie habe.

Noch ist das Geld deutlich weniger als als Angestellte. Aber auf Dauer wird das schon alles hinhauen; ich bin guter Dinge. Es liegt jetzt alles in meiner Verantwortung. Das ist die schlechte Nachricht, aber vor allem auch: die gute.

Kommentare

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  1. Nathalie sagt:

    Und diese Gedanken und positiven Seiten der Selbständigkeit bleiben – bei mir seit 13 Jahren. Ich stimme all Deinen Punkten zu und wünsche Dir nur das Beste! Es wird auch „Durchhänger“ geben, aber sie waren jedenfalls bei mir nie so lang und so zermürbend wie während der Festanstellung.

    Viel Erfolg
    Nathalie

    1. Nessy sagt:

      Dankeschön. Dass es Durchhänger geben wird, damit rechne ich fest. Schlechte Auftragslage, keinen Antrieb – damit rechne ich fest. Ich hoffe aber, dass ich inzwischen gelassen genug bin, das zu überwinden.

  2. Lobo sagt:

    „Wer sein Hobby zum Beruf macht, geht nie wieder arbeiten.“

    Mir geht es ähnlich. Die letzten 16 Jahre Selbstständigkeit mit all dem Auf und Ab waren zwar nicht immer ein Zuckerschlecken, aber ich möchte nichts anderes machen, fühle mich absolut wohl.

    1. Nessy sagt:

      Naja, ein Hobby ist es jetzt nicht unbedingt. Aber schon etwas, das mir Freude macht.

  3. Rebekka. sagt:

    Klingt toll! Webseite ist auch toll! :D – Alles Gute dabei.

  4. flyhigher sagt:

    Toi toi toi! Ein toller Schritt! Ich drück dir alle zur Verfügung stehenden Daumen und Zehen :-D!
    Und wenn du die zwischenmenschliche Kommunikation vermisst – ein kleiner Blogbeitrag, uns schon sind wir da, wir Kommentatoren :-D!

    1. Nessy sagt:

      Und auf Twitter. Ich spüre sie schon jetzt, die Wärme.

  5. scrooge sagt:

    Herzlichen Glückwunsch zur Selbstständigkeit. Ich kann das alles sehr gut nachvollziehen. Ich bin schon eine ganze Weile Freiberufler, und vor ziemlich genau einem Jahr habe ich mich im gegenseitigen Einvernehmen von einem größeren Auftraggeber getrennt, der mir immer mehr im Weg stand.
    Bilanz nach einem Jahr: Direkte Arbeitsstunden und Umsatz etwas weniger, aber seit ein paar Wochen das Gefühl: Da geht noch einiges! Ärger und Frust: Deutlich weniger.
    Genau die Freiheit, die du beschreibst, schätze ich auch sehr. Klar, es gibt Zeiten, in denen alle Kunden gleichzeitig ankommen und meine Wochenplanung zur Quadratur des Kreises wird, aber dafür gibt es auch ruhige Zeiten, in denen ich unter der Woche einfach mal einen Tag wandern gehen kann.
    Dieser Post hat mich darin bestätigt, zu der Möglichkeit, ein bis zwei Tage in der Woche bei einer Fachhochschule zu arbeiten, „thanks, but no thanks“ zu sagen.

    1. Nessy sagt:

      Wenn alle Arbeit gleichzeitig kommt, ist das ja ein Luxusproblem. Mit unterschiedlichem Arbeitsaufkommen kann ich sehr gut umgehen. Ich finde es ganz prima, über einen Zeitraum richtig reinzuklotzen – aber auch zu wissen, dass danach eine ruhigere Phase kommt.

  6. Ach, das freut mich sehr, dass Sie sich in der Selbständigkeit so wohl fühlen, liebe Frau Nessy! Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass dies so bleiben möge.

    1. Nessy sagt:

      Dankeschön. Toll wär’s!

  7. Mercator sagt:

    Ich habe festgestellt, dass bei schlechter Auftragslage das aktive Arbeiten an einer Verbesserung (aquirieren, Eigenwerbung neu/anders machen, Flyer/Broschüren mit Referenzen erstellen etc.) sehr hilfreich ist, den Frust zu bekämpfen. Und ganz wichtig, nicht erst dann Eigenwerbung machen, wenn es schlecht läuft, sondern vorher!

  8. Susanne sagt:

    Glückwunsch und alles Gute weiterhin! Ein sonst nur stiller Mitleser drückt alle Daumen, dass es für Sie gut läuft. Allerdings fällt auf Ihrer Webseite ein „g“ runter… bei Innovationbegleitung. Das sieht lustig aus, lässt sich aber bestimmt schnell ändern.

    1. Nessy sagt:

      Liegt an der Responsivität der Website. Bei einer bestimmten Auflösung (Tablet, 13“er) läuft die Schrift ungünstig. Da weiß ich grad nicht, wie ich da an anderer Stelle einen Umbruch erzwingen kann.

    2. jpr sagt:

      Sie koennen ein „Soft-Hyphen“ (­) einfuegen nach ‚Innovations“ (Innovations­begleitung). Das nimmt der Browser als Tipp dort umzubrechen, wenn er muss und rendert nichts, wenn er nicht muss.
      Scheint im lokal adaptierten Preview ganz gut zu funktionieren.

    3. jpr sagt:

      Oh, Ihre Kommentarfunktion interpretiert HTML Entities. Ich meinte ­

  9. Ina sagt:

    Liest sich wie die genau richtige Entscheidung und ich freue mich sehr für Sie. Alles Gute für die selbstständige Zukunft!

    Liebe Grüße, Ina

    1. Nessy sagt:

      Dankeschön.

  10. jpr sagt:

    Die positiven Punkte, die sie nennen kann ich alle unterschreiben – auch wenn ich sie „nur“ aus dem Angestelltenverhaeltnis kenne. Letzlich ist es eben gleich die Taetigkeit an sich und der Grad zu dem man ernstgenommen wird und Freiheiten eingeraeumt bekommt. Und das ist natuerlich nie groesser, als wenn man sein eigener Chef ist.

    Ich find’s jedenfalls hervorragend laeuft es Ihnen genau so in die Richtung, die Sie sich erhofft haben und wuensche, dass es noch lang mit genau der richtigen Mischung weitergeht.

    1. Nessy sagt:

      Dankeschön.

  11. Georg sagt:

    Das hört sich sehr gut an, ich freu mich für Sie und drücke die Daumen, dass die Durststrecken nur kurz sein werden.

  12. Croco sagt:

    Viel Erfolg wünsche ich von Herzen.
    Ein mutiger Schritt, der Respekt verdient.
    ( ich kleine Beamtenseele täte mich ja nie trauen und gucke so voller Ehrfucht hoch)

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