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Im Zentralbüro für Erdrotation: Neue Geschäftsfelder

23. 2. 2016 2 Kommentare Aus der Kategorie »Im Zentralbüro für Erdrotation«

Im Zentralbüro für Erdrotation ist Leerlauf. Professorin O. Mega und ihr Assistent Euler brauchen dringend ein neues Projekt. Eulers Aktivität bei Tinder bringt Olga auf eine Idee.

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Kernfusion! Warum ist sie nicht eher darauf gekommen? Professorin Olga Mega ist elektrisiert.

„Mein Radionuklidchen“, hat Emmet sie in ihren gemeinsamen Zeiten immer genannt, wenn sie so geladen und instabil war . „So energisch bist Du das süßeste Isotöpchen in Gottes großem Reaktor.“ Euler hingegen murmelt fortwährend etwas von „Gewitterwolke“.

Seit sie sein Liebeswerben analysiert, geht er ihr konsequent aus dem Weg. Auch heute ist er zu Dienstbeginn direkt ins Labor verschwunden. Derzeit entwirft er einen zehnschrittigen Kreiselkompassbausatz: weniger als fünfzehn Teile, montierbar mit Holzdübeln und Inbusschlüssel – ein zivilwirtschaftlicher Auftrag eines Möbelhauses.

„Haben Sie diese Nebentätigkeit angemeldet, Euler?“
„Sie haben Sie sogar genehmigt.“
„Sie werden mir hier zur sehr zur Passante. Ich sehe Sie kaum noch.“
„Dass Sie das überhaupt tangiert.“
„Euler. Ich schätze Sie. Als Mensch und als Mitarbeiter.“
„Deshalb übergehen Sie mich also immer.“
„Seit wann sind Sie so ein Sensibelchen, Euler? Lief Ihr Date mit Marie Curie nicht gut?“
„Ich möchte nicht darüber sprechen.“

Olga lehnt sich an den Chromatographiekühlschrank und wedelt mit einem Blatt Papier. „Wollen wir noch einmal unseren Forschungsantrag durchgehen?“ Sie hat nun einige Nächte über ihre neue Projektidee geschlafen und zwei Mind Maps gemalt. Bis nächste Woche muss ihre Power-Point-Präsentation für die Europäische Kommission fertig werden, damit das Antragsverfahren anlaufen kann.

Euler steckt seinen Kardanrahmen zusammen, doch die Kämmung klemmt. Versonnen fummelt er am Holz.

Olga stemmt die freie Hand in die Taille. „Euler?! Actio, Reactio?“

Er reißt die beiden Rahmenstücke wieder auseinander, atmet tief ein und sagt ohne aufzublicken: „Ihr Antrag, Professorin. Nicht unser.“
„Euler. Jetzt mal unter uns zwei Geophysikern. Ich verstehe ja, dass jede Lotabweichung Ihr Koordinatensystem durcheinander bringt. Aber wir müssen neue Geschäftsfelder erschließen. Keine Subventionsmaschinerie füttert auf Dauer zwei Mitarbeiter durch, die sich nur alle drei bis sieben Jahre mal um eine Schaltsekunde kümmern. Nicht mal die EU. Wir müssen unseren Wirkungsgrad erhöhen.“
„Aber doch nicht mit einem Puff.“
Olga schnaubt. „Nun werden Sie nicht zum Moralisten. Wir erforschen lediglich den Wirkungsquerschnitt zweier zusammenstoßender Körper. Die Wahrscheinlichkeit ihrer Verschmelzung. Endotherme und exotherme Beziehungen. Das ist interdisziplinär und international von großem Interessen. Denken Sie nicht auf der Mikro-, sondern auf der Makroebene. Nicht nur einzelne Menschen. Auch Staaten! Wir forschen für den Weltfrieden, mein Lieber.“
„Mir fehlt da noch das Packende.“
„Coreship. Elitefusion. So sollten wir es nennen.“
Euler blickt auf. „Ich bin nicht Ihre Labormaus.“
„Nur noch zwei Dates, Euler. Für die Grundlagenforschung. Wenn wir einen Weg finden, Energiegewinnung nicht nur physikalisch in einem Kernfusionsreaktor stattfinden zu lassen, sondern auch zwischenmenschlich durch die Zusammenführung zweier aneinander interessierter … äh … Isotöpchen, reliabel messbar, reproduzierbar – wir alle wissen, dass Leidenschaft Energie freisetzt. Wenn wir es schaffen, diese Energie zu transferieren, werden wir in die Geschichte eingehen! Wir müssen menschliche Wärme nur in Joule speichern und auf der Makroebene wieder freisetzen. Stellen Sie sich einmal vor: keine Kriege mehr! Dank des Mega’schen Pax-Kondensators.“
„Euler’schen.“
„Nun werden Sie nicht kleinlich.“

Fortsetzung folgt

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Kommentare

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  1. flyhigher sagt:

    Liebe Frau Nessy, ich liebe diese Wortgewandtheit! Danke für die Fortsetzung :-D

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