Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

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Thorsten III.

12. 03. 2013  •  22 Kommentare

Draußen Schnee, drinnen durchbricht Thorsten III. die Ackerkrume.

Tomatenanzucht

Go, Thorsten, go!

Aufzug. Krankenhaus.

8. 03. 2013  •  35 Kommentare

Aus der Halle geht ein Aufzug zur Station.

Wir steigen ein: eine Frau mit Pflaster auf dem Auge, ein Mann mit Pflaster am Hals, ein weiterer ohne alles, aber mit einer flauschigen, grauen Jogginghose, die wie das Maul eines Mantarochens einen sehr dicken Bauch umspannt  – und ich. Ich drücke die Vier, die beiden Pflaster die Fünf, der Flauschjogger nichts. Die Türen gehen zu. Er drückt die Eins.

Erster Stock. Die Aufzugtür öffnet sich mit einem metallischen Reiben.
„Ist das die Eins?“, fragt Flauschjogger.
„Ja“, sage ich.
„Dann muss ich hier nicht hin.“
Tür zu.

Er drückt die Zwei. Ruckelruckel. Tür auf.
„Ist das die Zwei?“
„Das ist die Zwei.“
„Hier muss ich auch nicht hin.“
Tür zu.

Er drückt die Drei. Fahrt. Tür auf.
„Drei?“
„Ja-ha!“, sage ich.
Die beiden Pflaster sagen nichts. Mit leerem Blick starren sie an die gegenüberliegende Aufzugwand.
„Hier muss ich nicht hin.“
„Wo müssen Sie denn hin?“
Tür zu.
„Muss ich gucken.“ Er will die Vier drücken. Doch sie leuchtet bereits.
„Is‘ ja schon“, sagt er.
„Is‘ schon“, sage ich.

Tür auf. Flauschjogger guckt. Und guckt. Macht einen Schritt vor. Guckt.
„Hier isses“, sagt er. Er steht jetzt in der Lichtschranke.
Die Pflaster starren weiterhin, sind völlig sediert.
„Dann steigen Sie doch aus“, sage ich ermunternd.
„Weiß nicht.“
Ich muss hier aber aussteigen“, sage ich, denn er verstopft die Tür.
Pflaster Eins atmet vernehmlich ein und aus.
„Hier muss ich hin“, sagt Flauschjogger. Er ist noch nicht alt, vielleicht Mitte vierzig, sein T-Shirt ist trockentuchartig rot-weiß-kariert, seine Unterlippe dicker als die Oberlippe. Wir fahren jetzt seit fünf Minuten Aufzug, neben mir stehen zwei untote Bepflasterte, vor mir bildet eine unschlüssige Nicki-Hose in 4XL einen Propfen in der Fahrstuhltür. Ein Mann in einem Rollstuhl schiebt sich in Zeitlupe über das Foyer von Station Vier, indem er seine Füße voreinander setzt wie Dreispringer Jonathan Edwards in Super Slow Motion. Trübes Sonnenlicht bricht sich Bann durch eine ungeputzte Panorama-Scheibe, vor der aneinander montierte Stühle stehen.

„Was ist nun?“, frage ich. „Rein oder raus?“
Der Dreispringer ist vor einem Cola-Automaten angelangt. Flauschjogger geht einen Schritt vor, aber nicht so weit, dass ich an ihm vorbeikomme. Er bleibt erneut stehen, blickt links, blickt rechts, sagt: „Nä, hier is‘ dat nich'“, dreht sich wieder um, doch er ist nun aus der Lichtschrank heraus, in diesem Moment schließt sich die Fahrstuhltür. Ich versuche noch, ein Bein in die Tür zu werfen, habe beide Hände voll, aber ich krieg’s nicht hin, treffe nicht richtig oder wie auch immer, jedenfalls geht die Tür zu.

„Weg isser“, sagt das Halspflaster.
Die Frau mit dem Augenpflaster lacht mit geschlossenem Mund, lautlos, nur ihre Schultern hüpfen auf und ab. Ihr verbleibendes Auge ist weit aufgerissen. Sie ist ein Zyklop.

Die Tür geht auf. Fünfter Stock, wir steigen aus. Als ich die Treppe hinunterkomme, ist Flauschjogger weg. Jonathan Edwards sitzt vor dem Cola-Automaten und wirft Geld in den Schlitz. Eine Wolke hat die Sonne verdunkelt. Lineoleumboden schimmert im Zwielicht.

„Wo ist er?“, frage ich.
„Wer?“, fragt Jonathan.
„Der Mann, der eben hier ausgestiegen ist.“
„Hier ist keiner ausgestiegen.“
Bong Klong – eine Colaflasche fällt aus dem Automaten.

Krankenhaus, Station vier. Es ist 14.03 Uhr an einem Donnerstagnachmittag.

Kampfgericht

4. 03. 2013  •  11 Kommentare

Seit ich Bildungsbandscheibe habe, bin ich Kampfgericht*.

Am Kampfgericht nehme ich die Zeit. Zeit nehmen ist eine wichtige Aufgabe, denn man drückt die Knöppe der Anzeigetafel (Heimspiel) oder trägt das Spielgeschehen in den Spielbericht ein (Auswärtsspiel).

Damit man das darf, muss man zuvor einen Abendkurs belegt und einen Test bestanden haben. Erst dann kriegt man einen Zeitnehmer-Ausweis, ein Dokument mit Lichtbild, Stempel und Dokumentnummer. Ohne Ausweis keine Knöppe. Die Fragen beim amtlichen Zeitnehmertest sind herausfordernd wie gewisse Führerscheinfragen:

Was machen Sie, wenn eine Omma überraschend die Straße betritt?
a) hupen und draufhalten
b) hupen und Fernlicht an
c) bremsen

Die Vertreter des Handballkreises nehmen diesen Test nichtsdestotrotz sehr ernst – so ernst, dass sie während der Stillarbeit mit auf dem Rücken verschränkten Armen durch die Reihen schreiten, um sicherzustellen, dass niemand schummelt, und um den jungen Damen unter den Prüflingen aufmunternd auf die Schultern zu klopfen und pantomimisch Tipps zu geben, weil sie denken, die weiblichen Kleingeister schaffen es sonst nicht. Weil ich ein Checkerbunny bin, habe ich den Test bestanden und bin seither anerkannte Zeitnehmerin des Handballkreises mit angeschlossenem Kampfgerichtsdiplom. Allerdings gibt es in der Praxis einige Probleme.

Eherne erste Regel des Kampfgerichts ist nämlich:  Das Kampfgericht ist neutral. Zweite Regel ist: Das Kampfgericht ist immer aufmerksam. Beides liegt mir nicht im Blut, weshalb ich für diese Aufgabe, aller intellektuellen Eignung zum Trotz, vollkommen untauglich bin. Denn einem Spiel der eigenen Mannschaft beizuwohnen, ohne dass ich mich mit den Hühnern freuen oder über den Schiedsrichter und die Gegnerinnen ärgern darf, ist ausgesprochen schwierig und verlangt mir höchste Willenskraft ab. Was nicht heißt, dass ich nicht fair bin oder dass ich irgendwas falsch eintrage. Aber ohne Emotionen das alles? Ich bitte Sie!

Dann die Sache mit der Aufmerksamkeit. Beim letzten Spiel standen sie allesamt auf dem Feld, 13 Spielerinnen, eine saß mit zwei Minuten auf der Bank, und zwei Schiedsrichter, und ich dachte: „Worauf warten die denn? Warum geht’s nicht weiter?“ Bis mir auffiel: Huch, sie warten auf mich. Ich Schusselchen.

Was die Neutralität angeht, habe ich mich auf vieldeutiges Brummen und zeterndes Murmeln verlegt. Sie ahnen gar nicht, wie wild ich stumm granteln und wie neutral ich dabei gucken kann.

*nicht zu verwechseln mit Kampfgewicht

Bücher 2013 – 1

3. 03. 2013  •  15 Kommentare

Mit Frühling, ohne Hund:

Bücher 2013 - 1: Mit Blumen, ohne Hund

Luca di Fulvio. Der Junge, der Träume schenkte.
Der junge Natale wandert mit seiner Mutter in die USA aus, heißt dort Christmas, seine Mutter verdient ihr Geld als Prostituierte und Christmas wächst in den Straßen New Yorks auf. Er hat ein großes Mundwerk, gründet eine Gang, lernt ein Mädchen kennen – und den Rest lesen Sie am besten selbst. Die Geschichte fließt munter dahin, ein prima Schmöker.

John Green. Das Schicksal ist ein mieser Verräter.
Hazel hat Krebs. So richtig schlimm. Gus hat auch Krebs, aber nicht mehr ganz so doll. Hazel verliebt sich in Gus – und Gus in Hazel. Hazels großer Wunsch: Peter van Houten treffen, den Autor ihres Lieblingsbuchs. – „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ ist ein Jugendbuch mit klarer Sprache und stringenter Handlung. Es ist okay zu lesen, aber … ach, ich weiß auch nicht. Mit Jugendbüchern werde ich nie so richtig warm.

Steve Hamilton. The Lock Artist. (Der Mann aus dem Safe)
Sein Vater läuft Amok, Mike versteckt sich im Safe, wird im Wasser versenkt. Mit dieser traumatischen Erfahrung verliert Mike seine Stimme – und wird zu einem der besten Safeknacker der Welt. Er manövriert sich in Schwierigkeiten, verliebt sich, lässt sich instrumentalisieren. – Die Geschichte wird auf drei dicht nebeneinander liegenden Zeitebenen erzählt, was ich anfangs schwierig fand, hinterher aber richtig gut. Ein ungewöhnlicher Kriminalroman. Auf jeden Fall einer der besseren.

Richard Russo. That Old Cape Magic. (Die alte Sehnsucht)
Jack ist Professor und Drehbuchautor und seit 30 Jahren mit seiner Frau verheiratet. Die Tochter ist aus dem Haus, heiratet bald. Seine Frau trennt sich von ihm, und die Urne seines Vaters wird er irgendwie nicht los. Jack wollte nie wie seine Eltern werden und muss nun, mit Mitte 50 erkennen, dass er ihre Geschichte doch wiederholt. Eine tiefsinnige, nostalgische, manchmal slapstickhafte Geschichte. Gut.

Rafik Schami. Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte.
Ein Buch, das nicht wirklich eine Geschichte enthält, sondern mehr ein Monolog des Autors ist, in dem er eine Lanze für das gesprochene Wort und die erzählte Geschichte, für das Märchen und für seine Heimat Syrien bricht. Schamis Worte sind leidenschaftlich, aber nicht immer interessant, oftmals redundant und mir deshalb fremd geblieben. Er wirkt in seiner Rede wie ein Missionar.

Chevy Stevens. Still Missing – Kein Entkommen.
Das Buch habe ich innerhalb von drei Tagen durchgelesen. Keine große Literatur aber ein spannender Thriller mit dichter Atmosphäre. Darum geht’s: Die Maklerin Annie wird bei einer Open-House-Besichtigung entführt und daraufhin in einer Hütte gefangen gehalten. Ein Psychospiel beginnt. Mehr verrate ich nicht.



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