Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Seit ich Bildungsbandscheibe habe, bin ich Kampfgericht*.

Am Kampfgericht nehme ich die Zeit. Zeit nehmen ist eine wichtige Aufgabe, denn man drückt die Knöppe der Anzeigetafel (Heimspiel) oder trägt das Spielgeschehen in den Spielbericht ein (Auswärtsspiel).

Damit man das darf, muss man zuvor einen Abendkurs belegt und einen Test bestanden haben. Erst dann kriegt man einen Zeitnehmer-Ausweis, ein Dokument mit Lichtbild, Stempel und Dokumentnummer. Ohne Ausweis keine Knöppe. Die Fragen beim amtlichen Zeitnehmertest sind herausfordernd wie gewisse Führerscheinfragen:

Was machen Sie, wenn eine Omma überraschend die Straße betritt?
a) hupen und draufhalten
b) hupen und Fernlicht an
c) bremsen

Die Vertreter des Handballkreises nehmen diesen Test nichtsdestotrotz sehr ernst – so ernst, dass sie während der Stillarbeit mit auf dem Rücken verschränkten Armen durch die Reihen schreiten, um sicherzustellen, dass niemand schummelt, und um den jungen Damen unter den Prüflingen aufmunternd auf die Schultern zu klopfen und pantomimisch Tipps zu geben, weil sie denken, die weiblichen Kleingeister schaffen es sonst nicht. Weil ich ein Checkerbunny bin, habe ich den Test bestanden und bin seither anerkannte Zeitnehmerin des Handballkreises mit angeschlossenem Kampfgerichtsdiplom. Allerdings gibt es in der Praxis einige Probleme.

Eherne erste Regel des Kampfgerichts ist nämlich:  Das Kampfgericht ist neutral. Zweite Regel ist: Das Kampfgericht ist immer aufmerksam. Beides liegt mir nicht im Blut, weshalb ich für diese Aufgabe, aller intellektuellen Eignung zum Trotz, vollkommen untauglich bin. Denn einem Spiel der eigenen Mannschaft beizuwohnen, ohne dass ich mich mit den Hühnern freuen oder über den Schiedsrichter und die Gegnerinnen ärgern darf, ist ausgesprochen schwierig und verlangt mir höchste Willenskraft ab. Was nicht heißt, dass ich nicht fair bin oder dass ich irgendwas falsch eintrage. Aber ohne Emotionen das alles? Ich bitte Sie!

Dann die Sache mit der Aufmerksamkeit. Beim letzten Spiel standen sie allesamt auf dem Feld, 13 Spielerinnen, eine saß mit zwei Minuten auf der Bank, und zwei Schiedsrichter, und ich dachte: „Worauf warten die denn? Warum geht’s nicht weiter?“ Bis mir auffiel: Huch, sie warten auf mich. Ich Schusselchen.

Was die Neutralität angeht, habe ich mich auf vieldeutiges Brummen und zeterndes Murmeln verlegt. Sie ahnen gar nicht, wie wild ich stumm granteln und wie neutral ich dabei gucken kann.

*nicht zu verwechseln mit Kampfgewicht

Kommentare

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  1. jpr sagt:

    Was fuer ein grossartiges Schlaglicht, kann ja in .de nicht angehen, dass jemand einen ‚offiziellen‘ Job macht, ohne amtliche Pruefung, Zertifikat und natuerlich mit Lichtbild. Laeuft die Qualifizierung denn wenigstens auch irgendwann wieder ab und muss regelmaessig erneuert werden? (Wobei ich vergass: Sie sind ja jetzt quasi schon offizielle Liga, vermutlich kann man da schon Millionen mit Wetten auf Spielergebnisse verdienen).

    Bei der Neutralitaet wiederum glaube ich helfen zu koennen: Sie muessen einfach zu jedem bei Ihnen eintreffenden Argument zustimmend nicken und betonen, was fuer ein guter Einwurf das ist und sich fuer diesen bedanken. Finden Sie dann im naechsten Satz eine plausible Begruendung, warum man den eben festgestellten Sachverhalt auch genau anders herum sehen kann und spielen sie den Ball zur Bewertung der beiden Argumente wieder an die anderen Diskussionsteilnehmer zurueck. Spaetestens, wenn sich die Spielunterbrechung einer halben Stunde naehert, werden alle freiwillig zustimmen das Thema doch einfach fallen zu lassen.

    //PS: Lassen Sie mich raten: die Dritte Regel des Kampfgerichts ist: achso, duerfen Sie nicht drueber sprechen. ;)

    1. Nessy sagt:

      Ehrlich gesagt, wird am Kampfgericht nicht viel diskutiert. Man tut einfach das, was der Schiri pfeift. Ansonsten murmeln die Zeitnehmer vor sich hin. Manchmal unterhalten wir uns auch gut. Aber manchmal sind die Zeitnehmer der gegnerischen Mannschaft auch komische, wortkarge Leute.

  2. Himmelhoch sagt:

    Bei den Führerscheinfragen trauen sich wahrscheinlich manche FDP-Vertreter, die ja nicht so viel für alte Leute übrig haben, nicht, eine der anderen Antwortmöglichkeiten anzukreuzen. :-)

    1. Frau Vorgarten sagt:

      wie, eine der anderen? Die FDP koaliert im Zweifelsfall mit denen, die die Mehrheit haben.

    2. Himmelhoch sagt:

      Das mag stimmen. Wenn also 70 % sagten: „Omma umfahren“, dann wäre die FDP auch dafür.
      Nur glaube ich manchmal, dass die FDP auch schon bei 20 % dieser Aussagen dafür wäre, um Renten und Kosten zu sparen.

    3. Nessy sagt:

      Die FDP führt demnächst erstmal die Kfz-Steuer für Gehwägelchen ein und entlastet im Gegenzug die Automobilbranche.

    4. Lobo sagt:

      Nein, die FDP fragt erstmal bei der Rentnerlobby nach ein paar Wahlkampfspenden, die Ihre Entscheidung dann natürlich ÜBERHAUPT nicht beeinflußt ;-)

    5. Frau Vorgarten sagt:

      Die FDP ist schon ein Haufen liebenswerter Menschenfreunde…

  3. chris^2 sagt:

    Das erinnert mich ein wenig an die Prüfung, die ich mal machen durfte, damit ich Sportabzeichen abnehmen durfte. Da war ich mit Abstand der jüngste Teilnehmer. Ähnlich absurd.

  4. Ach Frau Nessy.. ich geh jetzt mit einem Grinsen, dank Ihnen, auf die Arbeit :)

  5. Clemens sagt:

    Ich fand es (als Sportcholeriker, also nur während der 60 bzw 90 lebensentscheidenden Minuten) schon immer schlimm, am Kampfgericht zu sitzen, wenn die Freundin auf der Platte war – das muss bei der eigenen Mannschaft tatsächlich noch schlimmer sein…
    Glücklicherweise braucht man in Bayern mittlerweile auch diesen Schein, und ich hatte zu keinem der Kurstermine Zeit – aus der Nummer bin ich also erstmal raus, und darf mich wieder trommelnd auf die Tribüne setzen :-)

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