Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

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Der Taxifahrer

29. 01. 2013  •  24 Kommentare

Ich steige in ein Taxi. Der Taxifahrer ist in meinem Alter, ein korpulenter Mann mit dichtem, dunklem Bart und großen, fast schwarzen Augen.

„Zum Krankenhaus bitte“, sage ich.

Er stellt den Taxameter ein und fährt los. „Hastu kranken Freund?“, fragt er, dann legt er los:  „‚Schab auch immer nachts Husten. Der hört gar nisch‘ auf. Hab isch schon seit Wochen. Aber liegt vielleischt daran, dass isch immer bis sechs abends arbeite. Dann ess‘ isch und gehe ins Bett, aber boah! Wenn isch huste, kommt das wieder hoch. Bis hier!“ Er deutet mit der Handkante an seinen Hals. „‚Schab mir schon gedacht, vielleischt soll isch abends weniger essen. Weißtu, meine Frau kocht voll gut.“

Öhm.
„Vielleicht besser nur ein Süppchen?“, sage ich.

„Hastu vielleischt rescht. Hastu Kinder?“

Ich verneine.

„’sch werde Vatta. In einem Monat.“ Er schweigt, streckt unmerklich den Brustkorb vor und sieht mich von der Seite an.

„Herzlichen Glückwunsch!“, sage ich. „Junge oder Mädchen?“

„Junge. Aber weißtu was? ‚Sch hätt‘ gern ’n Mädschen gehabt. Escht jetz‘. Weißtu, in meine Kultur … meine Kumpels haben mir auf die Schulter geklopft und gesagt, Stammhalter und so, Glückwunsch und so. Aber weißtu, Mädschen ist irgendwie, da fühl‘ isch voll viel im Herzen. Weißtu, weil: Mädschen beschützt man mehr.“

„Wenn das Kind erstmal da ist, ist bestimmt egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Und den Jungen beschützt du dann auch ganz doll.“

„Ist bestimmt so. Weißtu, ist sowieso ein ganz besonderes Kind, weil: Meine Frau hatte vorher zwei Fehlgeburten. Immer in zehnter Woche. War isch voll traurisch, und meine Frau war noch trauriger, natürlisch. Hat viel geweint.“ Wir stehen an einer Ampel. „Im Dezember hat sie vier Wochen im Krankenhaus gelegen. War sooooo weit auf, der Muttermund -„, er hält seine Hände melonenbreit auseinander – „deshalb musste sie im Krankenhaus liegen, weil: Sonst flutscht das Kind da raus, weißtu.“

Die Ampel wird grün. Wir fahren weiter.

„War ein escht schlimmer Monat. Weißtu, meine Mutter hat immer viel Wert auf Essen gelegt – früher, als isch noch ein Junge war. Hat immer warm gekocht, jeden Tag. Und isch bin so froh, weil: Meine Frau ist wie meine Mutter. Kocht auch immer warm, jeden Tag. Aber im Dezember, das war schlimm. Ein Monat ohne Essen. Konnte isch kein Fast Food mehr sehen.“

„Dann musst du halt selbst kochen“, sage ich.

„Kann isch doch nisch, Alta!“ Er erschrickt. „Oh, ’schuldigung, wollt‘ isch nisch ‚Alta‘ sagen.“

„Kein Ding. Es gibt Kochbücher. Da steht drin, wie kochen geht.“

„Jaaaaa“, er zieht verschämt die breiten Schultern hoch und grinst verschmitzt. „Weiß isch, weißtu, aber bin isch zu faul. Oh mann, isch freu misch so auf meine Kind. Isch freu misch ja jetzt schon, jeden Tag nach Hause zu kommen, aber dann – Wahnsinn, alta. Zehn Euro zwanzisch.“

Wir sind am Krankenhaus. Ich bezahle und wünsche ihm alles Gute für seine Frau. Er winkt beim Wegfahren. Ich fühle voll viel im Herzen.

#aufschrei

27. 01. 2013  •  91 Kommentare

Zum Thema #aufschrei wurde schon viel gesagt.

Ich möchte das nicht alles wiederholen. Wer mag, kann beispielsweise bei Frau Journelle, Frau Anne, Frau Nuf, Frau Kiki, oder Frau Antje nachlesen. Auch die Kaltmamsell hat etwas geschrieben. Am meisten kann ich mich mit ihrem Beitrag und dem von Frau Serotonic identifizieren.

Was am erstaunlichsten an dieser ganzen Sache ist, ist, dass offensichtlich jede Frau mindestens fünf Begebenheiten erzählen kann. So natürlich auch ich.

Ich möchte an dieser Stelle nicht in die Tiefe gehen, denn mit den meisten Begegnungen, insbesondere denen der vergangenen fünf Jahre, halte ich mich nicht lange auf. Ich bin inzwischen selbstbewusst genug, um mir davon nichts anzunehmen, auch wenn der vertraute Griff eines unvertrauten Herrn bei mir jedesmal Abscheu auslöst, egal ob er an die Taille, ans Gesäß oder nur an den Arm geht. Das jüngste Ereignis war vor wenigen Monaten, als ich in der Innenstadt stand, auf jemanden wartete und eine männliche Stimme mir mit warmem Atem von hinten ins Ohr raunte: „So schöne feste Schenkel. Zwischen denen möchte ich liegen.“ Ich ging wortlos fort, einfach geradeaus, ohne mich zu ihm umzudrehen. Ich habe noch nicht einmal sein Gesicht gesehen.

Zwei Begegnungen werde ich niemals vergesse. Ich hatte sie als junges Mädchen. Einmal befand ich mich im Freibad. Ich tauchte und konnte sehen, wie ein Mann im Nichtschwimmerbereich des Beckens stand, sein Glied hing aus der Badehose, und er rieb es. Ich konnte das seinerzeit nicht einordnen, fand es nur abstoßend und erzählte es meiner Mutter. Sie war sich sicher, ich hätte es mir nur eingebildet.

Die zweite Begegnung fand statt, als ich schon ein Teenager war, 15 oder 16 Jahre alt. Meine Mutter hatte mich einkaufen geschickt, es war ein sonniger Sommertag, ein Auto mit einem Mann hielt neben mir.

„Kann ich dich etwas fragen?“, sagte er. „Ich suche etwas.“

Ich ging zu ihm, denn es kam öfters vor, dass Leute nach dem Weg fragten, ich dachte mir nichts dabei. Auch er fragte mich nach dem Weg – zum Puff.

Ich wusste, wo der Puff war, ich war schließlich alt genug, außerdem gab es in diesem kleinen Ort im Sauerland nur einen einzigen Puff – den kannte jeder. Dennoch war ich für einen kurzen Moment perplex: So eine direkte Frage, wer rechnet denn damit? Ich schaute mir den Mann an, und als mein Blick auf den Sitz wanderte, sah ich, dass er nur eine Shorts trug, eine sehr kurze Shorts. Sein Penis hing aus der Hose auf seinen rechten Oberschenkel. Er war mit einem Gefrierbeutel umhüllt, und der Mann musste bereits mehrmals hinein ejakuliert haben, denn der durchsichtige Beutel war verschmiert und voll mit Sperma.

Ich erklärte ihm schnell den Weg zum Puff. Einmal wenden, die Straße runter, dann rechts, und nach 500 Metern sind Sie da. Bitteschön.

„Wenn du magst, kannst du mitkommen“, sagte er und grinste.

Ich lief fort. Ich habe niemandem davon erzählt.

Zwei Erzieherinnen in der U-Bahn

23. 01. 2013  •  56 Kommentare

Zwei Damen in der U-Bahn. Ich steige mitten im Gespräch ein.

(…)
„Im Urlaub bin ich in Spanien.“
„Wie kommste denn dahin?“
„Mit dem Auto.“
„Ja, aber, wie kommste dahin?“
„Hä?“
„Erdkunde war echt nie mein Ding.“
„Durch Frankreich.“
„Ach so.“
„Bist du dumm, odda watt?“
“ ‚Schab doch abgebrochen. Hab ich dir doch schomma erzählt.“
„Schule, odda watt?“
„Nache Neunten. Weil, ich bin da einfach nich‘ mehr hingegangen. Wurde auch gemobbt und so. Und dann hat meine Mutter gesacht: Dat bringt ja allet so nix mehr. Die zehn Pflichtschuljahre waren ja auch voll.“
„Und wieso machse getz Erzieherin?“
„Weil, wird gebraucht, hat die vom Amt gesacht. Wat has‘ du eigentlich vorher gemacht?“
„Industriekauffrau. Abba hab‘ ich nich‘ zu Ende gemacht, die Lehre. Bei der Prüfung war ich damals ja schwanger und ich war auch so aufgeregt, da bin ich durchgefallen und nich‘ mehr hingegangen. Abba getz, wo ich 30 bin und mein Sohn außem gröbsten raus is‘, dachte ich, da starte ich nomma durch.“
„Erzieherinnen werden gesucht.“
„Dat hamwa schon allet richtich gemacht.“

Bildungsbandscheibe

22. 01. 2013  •  39 Kommentare

Kurz vorweg: Fred lebt.

Sportlich bleibt mir aktuell nur eine Betätigung: durch die Gegend latschen. Dabei habe ich die wenigsten Schmerzen.

Das gleicht angesichts der Witterungsbedingungen einer Expedition – bei wadentiefem Neuschnee und wildem Gestöber in Parks und Wäldern. Der Kauf von Schneeschuhen und Steighilfen steht unmittelbar bevor.

 

115 Kilometer Bandscheibenlatschen

Das Gelatsche der ersten 14 Tage nach Bandscheibe.

 

Das Latschen bringt zwei Dinge mit sich: Bildung und kuriose Begegnungen.

So neigte ich zu Beginn der Latscherei dazu, mich alle 500 Meter über einen zur Verfügung stehenden Zaun oder ein Geländer zu hängen, um meine zusammengematschten Wirbel zu dehnen und der Bandscheibe Luft zu verschaffen – das reduziert die Schmerzen und ist überdies eine Anweisung der Physiotherpeutin.

Nun mutet es für den unbedarften Zuschauer natürlich etwas seltsam an, wenn eine vor ihm gehende Dame sich plötzlich über ein Geländer wirft und hinabbaumeln lässt. Der erste kam sogleich zu mir gelaufen, das Telefonino mit der gewählten 112 in der Hand.

Seit diesem Erlebnis sehe ich mich immer erst um, bevor ich mich irgendwo dehne –  und hänge mich nur über, wenn niemand in der Nähe ist. Nichtsdestotrotz kommt es vor, dass gerade in dem Moment, in dem ich mich vorbeuge, ein Typ um die Ecke biegt.

Typ: Suchste wat?
Ich (mit rotem Kopf, vornüber hängend): Hä?
Typ: Is‘ hier wat vergraben oder so?
Ich: Wieso das?
Typ: Na, du hast dich grad so verstohlen umgekuckt und jetzt hängste da und kuks‘ inne Erde.
Ich: Ach so, nee, ich dehne nur meinen Rücken. Hab‘ da gesundheitliche Probleme.
Typ: Also kein Schatz oder irgendwie Beute oder so.
Ich: Nee.
Typ: Schade.

Während des ganzen Gelatsches höre ich Hörbücher, Podcasts, Zeug. Empfehlen kann ich besonders, nach 25-stündigem Test:

Ich weiß nun total viel über Krankenhauskeime, Ernährungsberatung in den USA, Kurfürst Friedrich III.,  die Raumfähre Columbia, den Physiker Edward Teller – ach, ich kann es gar nicht alles aufzählen.

Meine Bandscheibe ist eine Bildungsbandscheibe.

Er beobachtet mich

16. 01. 2013  •  66 Kommentare

Das ist Fred:

Schokoschneemann Fred

Fred ist 50 Zentimeter groß, wiegt zwei Kilo und wohnt seit Weihnachten bei mir. Er hat es nur meiner reinen, eisernen Willenskraft zu verdanken, dass er noch lebt und nicht verwundet wurde. Und er beobachtet mich.

Serviceblog: Protokoll eines Experiments

14. 01. 2013  •  55 Kommentare

Ich mache ja für Sie dieses Service-Ding: Rücken plus Husten.
Hier mein Fazit der ersten zwölf Tage.

Phase eins:
Ich benutze ungern Fäkalwörter im Kännchenkaffee , aber verdammte Scheiße. Sind! Das! Schmerzen! Ich bin ja einiges gewohnt. Bänderrisse. Kapselrisse. Ein Nasenbeinbruch. Fucking Hell –  Husten ist schon die Hölle, aber Niesen erst. Ohgottohgottohgott. Und im Fernsehen? Nur Eis. Die haben sich doch abgesprochen. Inuit, wohin man schaltet. Atom-Eisbrecher. M58, die Transkontinentale durch Russland, Vermummte teeren Straßen im Schneesturm. Ja, die haben’s drauf die Russen. Und was macht der Lanz da? Isst der etwa Robbenfett? Ekelhaft. Diese grünen Stückchen, die ich abhuste, sind auch widerlich. Die sind so hart, die kann man sogar noch kauen. So eine Scheiße, das alles. Spazierengehen könnte helfen.

Phase eins a:
Alta, das geht so nicht mehr. Wie heißt dieses Dreieck über den Krankenhausbetten? Ich brauche sowas. Und die Entenmutti, die könnte mir ihren Rollator leihen. Oder nein, ein Zivi wäre besser. Aber ach – die heißen jetzt Bufdi. Oder ich rufe einfach Mats an, dass er nach dem Training vorbeikommt. Verdammt, ich kann gar nicht auftreten. Und gnaaaaaaaaaaaah, immer wieder dieser scheiß Husten. Wie lange noch bis zur nächsten Schmerztablette? Aber Tetrazepam ist gut. Mein Gott, davon fällt ja ein Elefant um. Spazierengehen hilft.

Phase eins b:
Ach, Doktor Knack. Den heirate ich mal. Er spendiert mir ein MRT und eine 50er-Packung Ibu 600. Was kriegt man dafür eigentlich hinterm Bahnhof?  Über Amazonien gelernt, dass es dort Fluss-Sehkühe gibt, deren Kot das Nonplusultra ist. Für alles. Ohne Seekuhscheiße geht da nix. Außerdem: spazierengehen – gehen gehen gehen gehen. Dazu Hörbuch hören, „Anne Granger: Wer sich in Gefahr begibt„. Ich weiß gar nicht mehr, wo ich noch hinlatschen soll. Aber es gibt eine App fürs Latschen. Jetzt weiß ich wenigstens, wie weit ich gelaufen bin. Und wie lange. Und wie viele Schritte. Ich brauche auch eine Turnanleitung für Rücken.

Phase zwei:
The Beginning of Turnen.

Rückenturnen

Erster Lichtblick: Ich kann husten, ohne dass ich das Gefühl habe, dass meine Mitte mit einem brennenden Schwert durchteilt wird – es sind die kleinen Dinge, die erfreuen. Die neue App sagt: 5,78 Kilometer, 7.366 Schritte, 1 Stunde 14 Minuten. Unsaomma war niemals langsamer.

Phase zwei a:
Mein Pro-Tipp: Ganzkörperwärmebehandlung unter der Sonnenbank. Klingt komisch, aber aus der Badewanne käme ich ja nur mit einem Kranwagen raus. Ich bin nun zwar knusprig wie eine gebackene Ente, aber was soll’s – die Muskelschmerzen werden weniger. Schlecht: Ich kann nicht schlafen. Oh yeah, was zieht das ins Bein. Als ob dir einer einen Besenstil ins Kreuz steckt, ihn durch die Hüfte bis ins Knie schiebt und dadrin rumquirlt. Tetrazepam hält genau sechs Stunden. Also bis nachts um vier. Ich lege mich auf meine Isomatte und turne dazu. Draußen ist es still und stockfinster. Auf 3sat: Kailash, der heiligste aller Berge, Tibet. Mönche drehen Gebetsmühlen. Rücken rund, Arsch raus, Rücken rund. Sie singen monoton. Das ist alles sehr verstörend. Entenmutti kann auch nicht schlafen, knipst ihr Küchenlicht an und glotzt zu mir rüber. Das muss jetzt auch nicht sein. Ich lasse die Rolläden herunter.  Tagsüber: 9,4 Kilometer, 12.101 Schritte, 1 Stunde 47 Minuten.

Phase zwei b:
MRT. Brumm Brumm. Gewehrsalven. Danach der Strahlenarzt, der mir Fragen stellt und sie direkt selbst beantwortet. Er hält einen Monolog mit der Redegeschwindigkeit Verona Poths und schiebt dabei meine Wirbelsäule hektisch mit einem Stift über eine Art Riesen-iPad, dass sicher sehr, sehr teuer war. Wo haben Sie Schmerzen? Nein, warten Sie, ich sage es Ihnen. Schiebschieb. Diskusprolaps, Nucleus pulposus ist ausgetreten. LW vier fünf, lateral, aber das merken Sie sicherlich. Machen Sie eigentlich Sport? Wie alt sind Sie? Schiebschieb. Ah, hier stehts’s – na gut, sechs Jahre noch, dann können Sie zum Bestatter gehen. Es gibt genau vier Gründe für Prolaps und Protrusion: Adipositas, schwache Muskulatur, schweres Heben, Degeneration. Übergewicht. Haben Sie gehört? Schiebschieb. Muskulatur … mmmh. Oh. Die ist gut. Naja. Verstehen Sie mich? Hier sehen Sie das Ganze – schiebschieb – transversal, dort wäre der Spinalkanal. Stehen Sie mal auf, Achtung, ich fasse Ihnen an den Arsch. Locker lassen, anspannen. Okay. Ich wünsche Ihnen viel Glück, tschüß. 5,4 Kilometer, 6.886 Schritte, 1 Stunde 4 Minuten. Es regnet in Strömen.

Phase drei:
Doktor Knack ist schon verheiratet. Und sehr mitfühlend. Sechs mal Krankengymnastik und Akupunktur. Ich sehne mich nicht mehr nach der nächsten Schmerztablette. Ich höre „Timur Vermes: Er ist wieder da„. 10,41 Kilometer, 13.260 Schritte, 2 Stunden 11 Minuten. Es geht viel bergauf.

Phase drei a:
Ich kann eine halbe Stunde am Stück sitzen und turne mich zum Elfenpingiun. Ich lerne Faszinierendes über den Yarsagumba, den chinesischen Raupenpilz. Es zelten doch tatsächlich ganze Dörfer im himmalayischen Hochland und suchen diesen Pilz, von dem zehn Kilo mehr als 300.000 Euro wert sind, weil er praktisch für alles gut ist, vor allem für die Potenz von Chinesen. Der Husten ist immer noch dolle, ich werde plötzlich heiserer als Rod Stewart nach ’ner Packung Marlboro. 14,09 Kilometer, 17.061 Schritte, 2 Stunden 43 Minuten. Eine Freundin trägt mir Wasser ins Haus.

Phase drei b:
Husten – die ganze Nacht. Hust. Hust. Hust. Hust. Hust. Hust. Hust. Hust. Hust. Hust. Aber schmerzfrei. Es ist doch toll, wenn man weiß: Es war schon alles viel, viel schlimmer. Tagsüber: 8,6 Kilometer, 10.963 Schritte, 1 Stunde 42 Minuten.

Phase vier:
Fünf Stunden geschlafen, ohne Tetrazepam. Nur noch drei statt vier Schmerztabletten am Tag. Erste Physiotherapie. Auf Anweisung hänge ich über meiner Küchentheke ab und strecke meine Wirbel. Husten: okay. Allgemeine Stimmung: zuversichtlich. 10,3 Kilometer, 12.776 Schritte, 2 Stunden 11 Minuten in dickem Schnee.

Alles wird gut.

Das nächste große Ding

8. 01. 2013  •  83 Kommentare

Vergessen Sie Hochseilgärten, Survival-Trainings und Ultraläufe. Es gibt größere Herausforderungen: Legen Sie sich einen Bandscheibenvorfall zu und schaffen Sie sich gleichzeitig einen grundständigen bronchialen Infekt mit ordentlich Husten an. Weil das hier ein Serviceblog ist, habe ich das für Sie mal ausprobiert.

Das Erste, was Sie beachten sollten, ist, dass der Rückenschmerz so richtig schön ins Bein zieht. Auch Taubheitsgefühle sind nützlich, sie verstärken das Erlebnis. Am besten ist, wenn Sie gar nicht auftreten können, dann wird es so richtig schön.

Das Zweite, was von Bedeutung ist, ist die Intensität des Hustens. Er sollte gut fest sitzen – erst, wenn sie bereits etwa zehn Minuten husten, sollte der erste grünlich-harte Auswurf kommen. Achten Sie darauf, dass es Sie zwischendurch so richtig packt und Sie einen soliden, reflexhaften Hustenanfall bekommen, den Sie nicht mehr kontrollieren können. Dann ist das Erleben besonders nachdrücklich.

In Zusammenhang mit dem eingeklemmten Nerv ergeben sich dann außerkörperliche Erfahrungen, die Sie so schnell nicht vergessen werden. Es kann sogar sein, dass Sie einmal am eigenen Leib erleben, was es heißt, Sternchen zu sehen. Seien Sie aber nicht zu streng: Es leuchtet dann nicht die strahlende Venus über Ihnen, vielmehr handelt es sich um diffuse Lichtpunkte. Sollte es dazu kommen, halten Sie sich vorsichthalber an einer Anrichte oder Kommode fest, optimalerweise so, als stützten Sie sich auf einen Triathlonlenker, denn es kann sein, dass Ihnen auch das zweite Bein wegsackt. Im ersten haben Sie ja eh schon kaum Gefühl.

Nun der Haken: Wie Sie sich für dieses besondere Event anmelden, kann ich Ihnen leider nicht sagen. Aber vielleicht erwischt es Sie ja so wie mich, aus heiterem Himmel.

Die letzten Bücher des Jahres

2. 01. 2013  •  7 Kommentare

Die Bücher des November und Dezember:

Bücher im November und Dezember

Jeffrey Kinney. Diary of a Wimpy Kid
Mehr ein Comic als ein Buch. Genauso nett wie „Calvin und Hobbes“, nur ohne Tiger. Greg Heffley hat es jedenfalls faustdick hinter den Ohren. Kurzweilig, nicht nur für Kinder.

Monika Maron. Animal triste
Sie ist Paläontologin, ihr Leben ist das Skelett eines Brachiosaurus im Berliner Naturkundemuseum. Dort trifft sie den Hautflügelforscher Franz. Die beiden beginnen eine Affäre, die zu ihrem Leben wird, auch nachdem sie beendet ist. Ein Buch übers Lieben, über Verlust, über Obsession und ein bisschen über die deutsche Wiedervereinigung, zwischendrin mit klugen Worten. Großartig bisweilen, auf jeden Fall aber hat es mich gedanklich beschäftigt.

Margaret Mazzantini. Mare al Mattino (Das Meer am Morgen)
Libyen, Sommer 2011: Jamila und Farid fliehen erst zum Meer, dann auf ein Boot in Richtung Italien. Dort steht Vito am Strand. Auch er, obwohl Italiener, floh mit seiner Mutter einst aus Libyen. Zwei Schicksale, zwei Flüchtlingsgeschichten, gut zu lesen. Ich mag Margaret Mazzantini generell und kann die Autorin nur empfehlen.

Danke an T., der nach meinem Wunschzettel gefragt und mir das Buch geschenkt hat.

Eugen Ruge. In Zeiten des abnehmenden Lichts
Der Roman wurde viel gepriesen, ich habe mit ihm – wie immer mit hochgelobten und mit dem Deutschen Buchpreis bedachten Werken – meine Probleme. Es geht um die Geschichte der Familie Umnitzer, um die Großeltern Wilhelm und Charlotte, um ihre Söhne Werner und Kurt sowie Kurts Frau Irina, um Enkel Alexander und Großenkel Markus. Die Familie wächst zwischen Sowjetunion und DDR auf. Die Geschichte wird nicht chronologisch, sondern in Episoden erzählt, die später ein Ganzes ergeben. Auf mich wirkt sie angestrengt – beim Lesen habe ich mich oft an Schullektüre erinnert gefühlt.

Judith Schalansky. Der Hals der Giraffe
Grandios! Inge Lohmark, Biologielehrerin, lebt den Darwinismus. Sie unterrichtet in Vorpommern, ihre Schule soll in vier Jahren geschlossen werden, ihre Schüler hält sie auf Distanz – bis sie sich verliebt. Das Buch und die Sprache Lohmarks stützen sich komplett auf die Biologie. Die drei Teile heißen „Naturhaushalte“, „Vererbungsvorgänge“ und „Entwicklungslehre“. Jede Doppelseite hat zudem eine eigene Überschrift, es gibt Illustrationen. Unbedingt lesen.



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