Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Gestern hatte ich mein erstes Mal.

Kletterhalle

Nach Vorbild von Frau Isabel habe ich einfach mal eine Sache gemacht: Ich war klettern.

Zuvor hatte ich zahlreiche Videos und Foren konsultiert, um die wichtigste Frage zu klären: Was ziehe ich an? Im Nachhinein hätte ich mich besser mit der Technik des Kletterns vertraut gemacht, denn meine ersten Versuche an der Wand nahmen sich ausgesprochen bescheiden aus. Ich hing auf den Pömpeln wie ein Sack Kartoffeln und brauchte unglaublich viel Kraft, um nicht mal den Hauch von Verve und Eleganz herzustellen, wusste schon nach der Hälfte nicht mehr weiter, nirgendwo war mehr etwas, auf das ich hätte steigen können, oder doch, da vorne, aber wie konnte ich dort hinkommen? „Nimm das linke Bein! Das linke!“, rief Tobi von unten, aber wie sollte das gehen, auf dem linken stand ich doch mit meinem ganzen Gewicht, es ist zugegebenermaßen ein recht hohes Gewicht,  das erwies sich nun eindeutig als Nachteil, das musste ich jetzt senkrecht hochwuchten. Mit krampfenden Händen ließ ich mich in den Gurt plumpsen. Erschütternd, das alles, erniedrigend, deprimierend, und das, ich wage es kaum zu sagen, an einer Wand mit dem Schwierigkeitsgrad drei, die ungefähr, verglichen mit Fahrradfahrenlernen, die Zahl sagt es schon, das Dreirad des Kletterns darstellt. Etwas Einfacheres gab es in dieser Halle nicht, alles andere wäre spazierengehen gewesen.

Ich erholte mich etwas, schüttelte meine Hände aus, die sich anfühlten, als hätte ich Zementsäcke an ihren Sackzipfeln gepackt und in den fünften Stock getragen. Das kann es ja wohl nicht sein, sagte ich mir, so möchtest du nicht enden, nicht als Klops an einer Dreirad-Wand.

Ich ließ  meine erste Wand links liegen und nahm eine andere; wenn der eine Weg nicht klappt, muss man sich halt einen anderen suchen, Hauptsache es geht in die Höhe. „Das ist wie ’ne Leiter hier, das ist ganz einfach“, sagte Tobi, der schon seit Jahren klettert, und ich dachte: „Na super, wenn du das jetzt nicht schaffst, bist du wirklich der Ober-Looser.“ Tatsächlich war es hier deutlich einfacher, die Wand leicht angeschrägt, ich fühlte mich nicht mehr wie ein Kartoffelsack, sondern nur noch wie eine Melone, und als ich oben ankam und hinuntersah, um mich bei Tobi zu versichern, dass das Seil zu ist und ich mich hineinfallen lassen kann, war Tobi plötzlich sehr klein und der Boden sehr weit weg. Eine Welle von Glückshormonen durchrauschte mich und schwappte von innen gegen meinen Kopf.

Nach vier verschiedenen Wänden ging es am Ende ganz leicht, sogar mit viel weniger Kraft als am Anfang, und als ich nach getaner Arbeit dasaß und mir meine Kletterschuhzehen massierte, fühlte ich mich am ganzen Körper toll.

Kommentare

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  1. Hasi sagt:

    So ging es meinem Puschelhintern beim ersten Klettern auch…

    1. Nessy sagt:

      Mit einem Puschelhintern ist es auch nicht so leicht. Ich kann das gut nachempfinden.

  2. sushey sagt:

    Klettern ist eine großartige Sache und hat bei mir mehr noch als für körperliches, für emotionales Wohlbehagen gesorgt.
    Wobei ich im Moment sehr viel mehr bouldere, was aber ja artverwandt ist – allerdings noch ein bisschen anstrengender…
    Ich kann versprechen: nach zwei, drei (regelmäßigen) Wiederholungen fängt es an, richtig Spaß zu machen :-)

    1. Nessy sagt:

      Das kann ich mir vorstellen. Ich fand diese erste Einheit gut, um mich erstmal mit der Sache, mit der Technik, mit dem Gefühl vertraut machen. Ma sehen, wie es nun weitergeht. Es wird auf jeden Fall nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich klettern war.

  3. Jeder, der’s probiert hat, kann’s nachfühlen :).

    Die Frage ist aber: Wie fühlt sich dein Körper heute an?! Wie ein Zementsack, der an seinen Zipfeln in den fünften Stock getragen wurde?

    1. Nessy sagt:

      Nöö, gut. Ich hatte mit schlimmem Muskelkater gerechnet, aber er blieb aus.

  4. Micha sagt:

    Zu WG-Zeiten hat mich mein Mitbewohner mit an den Fels genommen und mich einfach hochgeschickt. Von Nähmaschine, über Angstschübe – das volle Programm. Aber ich bin sie ganz hochgekommen, die 5+. Danach hatte ich sämtliches Adrenalin verschossen und bin im Auto auf der Heimfahrt wie erschlagen eingeschlafen, ich Held.

    In der Halle war ich allerdings noch nie.

    Lieblingsvergleich: *Zementsäcke an ihren Sackzipfeln gepackt und in den fünften Stock getragen*

    1. Nessy sagt:

      5+ ?? Beim ersten Mal??

    2. Micha sagt:

      Der Markus hätte auch locker Motivationstrainer werden können…

      Klettern ist nach meiner Erfahrung irre viel Kopfsache. Und ja, beim erste Mal 5+. Wurde aber über meine (überraschende) Sportlichkeit erst hinterher aufgeklärt. Gell, damit kann ich ein bißle angeben :o)

    3. Nessy sagt:

      Das kann natürlich sein: Wenn man nicht weiß, wie schwierig es ist, macht man es einfach.

  5. ck sagt:

    Auf einer Betriebsfeier sind wir auch mal zum Klettern gefahren. Es hat Spaß gemacht, aber einige Stunden später waren meine Unterarme so taub, dass ich mir nicht mehr selbst die Bierflasche öffnen konnte. Ich habe mich noch nie in meinem Leben so hilflos gefühlt.

    1. ich fürchte, das würde mir ebenso ergehen.
      Wir waren mit der Betriebsfeier Kartfahren. Da wurden andere Körperteile beansprucht (und berauscht…)

  6. FF sagt:

    So ungern ich die schöne Begeisterung für das einprägsame Zementsack-Bild trübe: der gute alte Z. hat keine „Zipfel“ in der Art von Kartoffelsäcken. Jeder, der mal einen geschleppt hat, weiß das. ;-)

    PS.: So, nun aber genug geschlaubergert für heute.

    1. Nessy sagt:

      Aber nur für heute, oder?

    2. jpr sagt:

      Das fieseste an Zementsaecken fand ich ja, dass sie bei gleicher Packungsgroesse wie alle anderen Saecke mit Baumaterialien (Gips oder aehnliches) einfach mal eben das doppelte Gewicht an den Start bringen.
      Da wuerden auch Zipfel das schleppen nicht besser machen.

  7. jpr sagt:

    Das Muskelmenge-im-Bein zu Gesamtmasse Verhaeltnis wird einem an der Wand auf jeden Fall recht klar. Zu meinem – bisher einzigen – Versuch gab es leider kein Alternative und zum dritten Mal den gleiche Aufstieg versuchen war eher nicht so der Bringer.
    Ihr Text klingt aber so, als sollte ich hier mal mit den Kletterfanatischen Kollegen mitgehen, wenn die das naechstemal losziehen. Was Sie aber nicht beantwortet haben: was zieht man da am besten an?

    1. Nessy sagt:

      Klar ist, nach Forenrecherche: Sportleggins kommen nicht in Frage, mit Sportleggins macht man sich zum Affen. Am besten eine kurze oder halblange, im Schritt ausreichend weite Freizeit- oder Trekkinghose. Obenrum T-Shirt.

  8. Lobo sagt:

    Oha ! Nee, klettern is nicht mein Ding, brauchen wir hier auch nicht. Fahrradfahren reicht volkommen. ;-)

    Trotzdem : Re – spekt ! :-)

    1. Nessy sagt:

      Fahrradfahren ist ja auch schon eine Mordssache, vor allem bei dem dollen Wind in Ostfriesland.

  9. crocodylus sagt:

    Boaaaah!
    Mutig mutig, Frau Huberin.
    Mich tät’s gruseln.
    Ich bin ja eher im Fallen erprobt.

    1. Nessy sagt:

      Mit der Sicherungs-Acht vor dem Bauch ist das Fallen netter.

    2. energist sagt:

      Das Runterkommen ist auf jeden Fall die tolle Belohnung für’s Hochmühen. Noch mehr Spaß macht es, wenn man selbst ein Seil mit hoch nimmt und sich daran abseilt, statt vom Sicherer Seil gegeben zu bekommen. Leider mögen das die meisten Hallen (verständlicherweise) nicht gern.

    3. jpr sagt:

      Wieso ist selber abseilen unbeliebter (Mal angenommen, dass man trotzdem gesichert ist die ganze Zeit)? Zaehlt fuer die Leute in der Halle nicht im wesentlichen, dass keiner oben bleibt?

    4. energist sagt:

      Naja, zum Selbstabseilen benötigt man halt a) mehr Equipment und b) muß man sich oben (ohne Aufsicht) umbauen. Die Kletterhallen, die ich bisher besucht habe, sind außerdem recht reserviert, wenn man eigene Seile, Abseilachter, etc. anschleppt, solange man nicht im lokalen Kletterhallenbesucherklub ist.

    5. Nessy sagt:

      Ehrlich gesagt, war mir nicht danach, mich selbst zu sichern. Ich war ausgesprochen glücklich, dass da jemand steht, der mich festhält.

  10. crocodylus sagt:

    Miimmmmimmiiiiiiii. Nicht vom Abseilen und Runterkommen reden. Miiiimmiiiiimiii.

    1. Nessy sagt:

      Was Stunts angeht, laufen Sie außer Konkurrenz, Frau Croco.

  11. kaltmamsell sagt:

    Hihi, Erstklettern liegt wohl in der Luft. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, bevor mich Schweizer Freunde letzten Sonntag die Wände hochbaten, war nur sicher, dass ich mich lächerlich machen würde. Und was 5b war, konnte ich auch nicht einordnen, machte aber Spaß.

    Auch für mich definitiv nicht das letzte Mal, allerdings hatte ich am nächsten Tag ein wenig Muskelkater im Trizeps und zwischen den Schulterblättern.

    1. Nessy sagt:

      Von Muskelkater bin ich verschont geblieben. Allerdings wird er, wenn ich mich mal an schwierigere Dinge begeben, sicherlich kommen. Ich höre ihn schon rufen.

  12. Hm, ich sollte auch mal wieder…
    Wichtiger Techniktipp für alle Anfänger (und ich vermute, Frau Nessy hat jetzt einige dazu gebracht es auch mal versuchen zu wollen): Nutzt die Beine! Die meisten Kletteranfänger wollen sich nur mit den Armen hochziehen – die Beine sind aber in der Regel viel muskulöser und können das viel besser (und man erspart sich damit auch das Problem, daß man hinterher die Bierflasche nicht aufbekommt). Also: Arme in erster Linie zum Festhalten, Beine um Höhe zu machen (zumindest als Anfänger).

    1. Nessy sagt:

      Den habe ich schon beherzigt. Als ich wegen der Bekleidungsgeschichte die Foren durchsuchte, bin ich auf den Tipp gestoßen. Ich hätte es allerdings auch nie anders gemacht – bin ohnehin ein Typ, der viel aus den Beinen arbeitet. Vielleicht automatisch, weil ich dort gut ausgestattet bin.

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