Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

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Siehste!

31. 10. 2011  •  32 Kommentare

In meinem näheren Umfeld gibt es eine Sammlung vornehmlich älterer Herrschaften, die immer das Schlimmste erwarten.

Wenn ich erzähle, dass ich mir beim Sport den Rücken verrenkt habe, sagen sie: „Das ist bestimmt ein Bandscheibenvorfall!“ Habe ich Verdauungsbeschwerden, sagen sie: „Hatte Opa Helle auch. Drei Monate hat er noch gelebt. Darmtumor.“ Fahre ich in ein fernes, gefährliches Land – zum Beispiel Frankreich: „Wurde Onkel Udo dort nicht überfallen?“ – „Großtante, das war anders herum. Onkel Udo war es, der Frankreich überfallen hat, damals.“ – „Aber sie haben ihn dabei ganz übel zugerichtet!“

Monate, nein: Jahre später sitzen wir an der Kaffeetafel, und ich erzähle: „Vorgestern hat sich Neumann’s Katrin ’nen Bandscheibenvorfall geholt, als sie sich nach dem Einkaufsnetz bückte.“ Dann kommt dieses Wort. Das Wort, das gleichzeitig Triumph und die Gewissheit, Recht behalten zu haben, ausdrückt. Das eigentlich meint: „Habe ich dir nicht schon vor Jahren gesagt, dass man sich nicht einfach den Rücken verrenkt?!“ Doch statt eines langen Satzes sagen sie nur: „Siehste!“

Dieses „Siehste!“ steht in diesem Moment ohne Zusammenhang da:
„Vorgestern hat sich Neumann’s Katrin ’nen Bandscheibenvorfall geholt.“
„Siehste!“

Denn natürlich erinnere ich nicht mehr an unser Gespräch von vor vier Jahren. Frage ich deshalb verwirrt zurück: „Wieso ’siehste‘?“ –

Oh, oh-oh. In diesem Moment fühlt sich der Siehste-Sager in seiner Überzeugung bestätigt, dass ich mit einer unglaublichen Ignoranz geschlagen bin. Vernehmlich schnauft er. Vorwurfsvoll schaut er mich an. Schließlich fragt er: „Haben wir nicht schon damals, als du dir beim Sport den Rücken verrenkt hast, darüber gesprochen, dass es ein Bandscheibenvorfall war?“

Fragen Sie dann niemals, nie! mals!: „Aber in welchem Zusammenhang steht mein Rücken jetzt mit dem Rücken von …?“ Nicken Sie einfach demütig. Gestehen Sie sich Ihre Uneinsichtigkeit ein. Senken Sie unterwürfig den Blick.

Sehn’se. Geht doch.

Warum man den Eltern nicht gehorchen sollte

27. 10. 2011  •  38 Kommentare

In der U-Bahn. Ein Mädel zur Freundin:

„Es ist voll wichtig, dass du nicht auf deinen Vatta hörst. Denn wenn du jetzt lieb bist und gehorchst und so, dann ändert das deinen Geist. Dann wirst du willensschwach, so voll unterwürfig, verstehst du. Dann stehst du hinterher auf diese besitzergreifenden Typen, die dich schlagen und so. Dann macht der dir ’n Kind, haut dir eins in die Fresse und du hockst zu Hause, weil du Hartz Vier hast und voll devot bist. Und das alles nur, weil du immer brav warst. Weil: Das polt dich um im Hirn. Deswegen besser jetzt voll Streit mit den Eltern haben und hinterher glücklich mit ’nem Kerl.“

Zeit für den Wunschzettel

26. 10. 2011  •  50 Kommentare

Oktober – Zeit, über Weihnachten nachzudenken.

Mutter: Weißt Du schon, was Du Dir wünschst?
Nessy: Es ist Oktober.
Mutter: Eben.
Nessy: Nee, Mama, weiß ich noch nicht.
Mutter: Dann schreib doch mal einen Wunschzettel.
Nessy: Sportsocken. Die kann ich gut gebrauchen.
Mutter: Sportsocken? … Sowas kann dir dein Vater schenken.
Nessy: Einen großen Topf zum Suppenkochen.
Mutter: Du hast doch Töpfe.
Nessy: Die sind aber alle zu klein.
Mutter: Einen Topf kannst du dir selber kaufen.
Nessy: Ohrschmuck. So kleine Ringe, in Silber.
Mutter: …
Nessy: Nicht gut?
Mutter: Du hast immer Vorstellungen!
Nessy: Was denn?
Mutter: Ach,  ich überrasche Dich einfach.  Eine Mutter weiß schließlich, was ihrer Tochter gefällt.

Lebensabend

25. 10. 2011  •  38 Kommentare

Tomatenbericht:

Dank Frau Pummelfee gibt es noch einmal Thorstomaten: Nachdem Thorsten beim Umzug vom Balkon in die Wohnung verunfallt war, habe ich die geretteten grünen Tomaten mit einem Apfel in eine Tüte gesteckt. Und tatsächlich – sie werden rot:

Unreife Thorstomaten werden rot

Thorsten genießt derweil sein Gnadenbrot im Tomatenhospiz. Ich habe ihn ans Fenster gerückt, damit er Licht bekommt und vielleicht noch die letzten drei Tomaten fertig brütet:

Thorsten guckt raus

Ette von unten

19. 10. 2011  •  40 Kommentare

Unter mir befindet sich eine Wohnung, zu der es keine Tür gibt.

Zumindest nicht vorne. Der Ette, der darin wohnt, muss seine Gemächer über den Hof betreten. Ist er drin, kann er durch nicht weniger als zwei Fenster herausgucken. Eines öffnet den Blick in die überdachte Hofeinfahrt – drei Meter bis zur nächsten Mauer. Das andere geht nach vorne auf den Gehsteig. Damit niemand hineinsehen kann und vielleicht auch, weil ihm Mitmenschen und Tageslicht nicht liegen, hat er es mit blickdichter Folie abgeklebt, hinter der es die meiste Zeit bläulich schimmert.

Ette ist aber nicht einsam. Er hat Freunde. Sie kommen immer abends. Dann hallt es laut durch die gekippte Folie:
„Aaah!“
„Scheiße!“
„Hau ihn weg, mann!
„Mist, verdammter!“
„Geiler Zock!“

Manchmal fliegen Dinge gegen die Scheibe, Bekundungen gleichermaßen des Frusts wie der Freude. Spät am Abend, oft erst nach Mitternacht, verabschieden sich Ettes Kumpels:
„War krass, Alta.“
„Herbe Nummer, mann.“
„Mit dem Kick, das hab ich voll vercheckt, ey.“
„Lol, Alta, aber wie, Alta.“
„Mach gut, ne.“
„Lasset krachen.“

Gute Nacht, John-Boy.
Gute Nacht, Elizabeth.
Gute Nacht, Jim-Bob.
Gute Nacht, Frau Nessy.

Thorsten kehrt heim

13. 10. 2011  •  43 Kommentare

In der Wohnung ist er herangewachsen. Hier wird er sterben.

Thorsten am Frühstückstisch

Ich brauchte den Wäscheständer im Bad, denn auf dem Balkon trocknet die nasse Kleidung nicht mehr. Es war an der Zeit, Thorsten loszubinden und ihn ins Haus zu holen.

Solange, wie er noch möchte, darf er nun mit mir am Frühstücks- und Abendbrottisch sitzen. Es ist mir eine Ehre, treuer Kamerad.

Beim Brötchen-Dealer um die Ecke

12. 10. 2011  •  62 Kommentare

Die Frau vor mir deutet auf ein Camembert-Sandwich.

Kundin: Können Sie mir das erwärmen?

Die Brötchen-Dealerin erwärmt das Sandwich und gibt es der Kundin.

Kundin: Das ist jetzt aber warm!
BD: …?
Kundin: Ich wollte es lau!
BD: Vielleicht lassen Sie es noch ein bisschen stehen …?
Kundin: Glauben Sie, ich habe Zeit zu warten, bis es wieder kalt wird? Ich habe doch nicht ewig Mittagspause! Oder wie lange haben Sie mittags Pause?
BD: …
Kundin: Ich dachte, das sei hier die Snacktheke. Snack! Sie arbeiten doch nicht den ersten Tag hier. Da müssen Sie es doch wohl hinkriegen, dass man sich als Kunde nicht die Finger verbrennt.
BD: …
Nessy: Fühlen Sie doch nochmal. Jetzt ist es bestimmt schon kühler.
Kundin: [sich zu mir umdrehend] Sie sind wohl eine ganz Schlaue.

Mittagspause

9. 10. 2011  •  45 Kommentare

Neuer Job, neue Mittagsroutinen.

Am Fuße des Bürogebäudes, in dem ich nun arbeite, befindet sich eine Verkaufsbude. Sie gehört Körri-Karl. Körri-Karl hat genau drei Gerichte im Angebot: Currywurst-Pommes, Currykrakauer-Pommes, nur Pommes. Man munkelt, er arbeite mit dieser Trias gerade an seiner vierten Million.

Tatsächlich steht vor Körri-Karl fast immer eine Schlange. Er beschäftigt vier Damen, die in dem engen Wagen jeweils einen festen Platz haben: Eine nimmt die Bestellungen entgegen, die andere sorgt für ausreichend Würste auf dem Grill, die Dritte legt Wurst und Soße auf einen Plastikteller, die Vierte füllt Pommes auf. Sie stehen in einem Quadrat an den vier Wänden des Standes, ihre üppigen Hintern treffen sich fast in der Mitte.

Die Damen sind sehr tüchtig. In der Mittagszeit geht ungefähr jede halbe Minute eine Portion Currywurst-Pommes über die Theke, 120 in der Stunde, 360 zwischen halb zwölf und halb drei. Das ergibt ca. 1400 Euro Einnahmen, plus zusätzlichem Umsatz aus den Segmenten „Ketchup/Mayo“ und „Extra scharf“. Das ist das Kerngeschäft.

Meine Bürogemeinschaft ist natürlich nicht ganz unschuldig an Körri-Karls guter Bilanz. Die Nerds überlegen sogar, eine Körri-Karl-Käm zu installieren, um auch den Kollegen, deren Büros nach hinten raus gehen, gegen 13 Uhr einen spontanen Blick auf die Schlangenlänge zu ermöglichen. Das Projekt ist hoch priorisiert.

Ich habe am Freitag zum ersten Mal Körri-Karls Currywurst probiert, schon allein wegen der Integration in die Gruppe. Man muss sich schließlich den Gepflogenheiten anpassen. Und in der Tat: Die Soße ist richtig gut.

Zwei Läden weiter befindet sich übrigens – quasi als Ausgleich für Körri-Karl – ein Obstladen, den die Kollegen angesichts seiner Preise „Früchte-Juwelier“ getauft haben. Ab und an kann man dort eine Nektarine erwerben, für das gute Gewissen. Allerdings nicht zu oft, wurde ich gewarnt. Das werde sonst zu teuer.

Hautpflege mit Mitte 30

6. 10. 2011  •  71 Kommentare

Es gibt Dinge, die kann man preiswert kaufen.
Und es gibt Wimperntusche.

Wimperntusche muss etwas kosten. Denn billige färbt nach ein paar Stunden ab, und ich sehe aus wie heroinabhängig. Gute Wimpterntusche gibt es allerdings nur in Parfümerien – menschenrechtsverletzende Orten, die so eine Art Water Boarding machen, mit Gerüchen. Das ist schon übel genug. Parfümerie-Fachverkäuferinnnen sind darüber hinaus die letzten Menschen, mit denen ich auf einer Wellenlänge bin.

Nessy: Ich nehme die hier. [deutet auf Stamm-Wimperntusche]
Parfüm-Uschi: Eine gute Wahl. Die haben wir gerade im Kombipack. Mascara, Gesichtwasser und Kajal, alles zusammen für 28 Euro.
Nessy: Uhm, ja, schön. Ich brauche aber nur die Mascara.
PU: Im Kombipack bekommen Sie aber …
Nessy: Ich weiß. Brauche ich aber nicht.
PU: Nicht? Einen Duft dazu?
Nessy: Nein.
PU: Nein? Womit schminken Sie sich denn ab?
Nessy: Ich wasche mich. Mit Seife.
PU: MIT SEIFE??

Ich hätte an dieser Stelle auch sagen können: „… und vor dem Zugbettgehen kaue ich immer eine Handvoll Nägel.“

PU: Mit Handseife?
Nessy: Seife halt. Wasser, Seife, sowas. Sie wissen schon.
PU: Und womit pflegen Sie dann Ihre Haut?
Nessy: Creme. Tagescreme. Von dm.
PU: Puh, ja, das ist … also …  Seife. Das ist … ich meine, Sie müssen sich darüber im Klaren sein: In Ihrem Alter verzeiht die Haut noch viel. Aber wenn Sie erstmal auf die 30 zugehen, sollten Sie dringend vorsorgen. Wirklich! Dringend! Sonst haben Sie schon mit Ende 20 Ihre ersten Falten. Die kriegen Sie nie wieder weg.
Nessy: Das wird schlimm.
PU: Ja!
Nessy: Und das, wo ich jetzt schon aussehe wie 25.
PU: Na, wie 25 vielleicht nicht. Trotzdem. Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen. Aber sehen Sie, ohne richtigen Pflegeprodukte ist das halt ein Problem.

Darüber muss ich erstmal mit meinem Therapeuten sprechen. Ich Teenager, ich.



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