Siehste!
In meinem näheren Umfeld gibt es eine Sammlung vornehmlich älterer Herrschaften, die immer das Schlimmste erwarten.
Wenn ich erzähle, dass ich mir beim Sport den Rücken verrenkt habe, sagen sie: „Das ist bestimmt ein Bandscheibenvorfall!“ Habe ich Verdauungsbeschwerden, sagen sie: „Hatte Opa Helle auch. Drei Monate hat er noch gelebt. Darmtumor.“ Fahre ich in ein fernes, gefährliches Land – zum Beispiel Frankreich: „Wurde Onkel Udo dort nicht überfallen?“ – „Großtante, das war anders herum. Onkel Udo war es, der Frankreich überfallen hat, damals.“ – „Aber sie haben ihn dabei ganz übel zugerichtet!“
Monate, nein: Jahre später sitzen wir an der Kaffeetafel, und ich erzähle: „Vorgestern hat sich Neumann’s Katrin ’nen Bandscheibenvorfall geholt, als sie sich nach dem Einkaufsnetz bückte.“ Dann kommt dieses Wort. Das Wort, das gleichzeitig Triumph und die Gewissheit, Recht behalten zu haben, ausdrückt. Das eigentlich meint: „Habe ich dir nicht schon vor Jahren gesagt, dass man sich nicht einfach den Rücken verrenkt?!“ Doch statt eines langen Satzes sagen sie nur: „Siehste!“
Dieses „Siehste!“ steht in diesem Moment ohne Zusammenhang da:
„Vorgestern hat sich Neumann’s Katrin ’nen Bandscheibenvorfall geholt.“
„Siehste!“
Denn natürlich erinnere ich nicht mehr an unser Gespräch von vor vier Jahren. Frage ich deshalb verwirrt zurück: „Wieso ’siehste‘?“ –
Oh, oh-oh. In diesem Moment fühlt sich der Siehste-Sager in seiner Überzeugung bestätigt, dass ich mit einer unglaublichen Ignoranz geschlagen bin. Vernehmlich schnauft er. Vorwurfsvoll schaut er mich an. Schließlich fragt er: „Haben wir nicht schon damals, als du dir beim Sport den Rücken verrenkt hast, darüber gesprochen, dass es ein Bandscheibenvorfall war?“
Fragen Sie dann niemals, nie! mals!: „Aber in welchem Zusammenhang steht mein Rücken jetzt mit dem Rücken von …?“ Nicken Sie einfach demütig. Gestehen Sie sich Ihre Uneinsichtigkeit ein. Senken Sie unterwürfig den Blick.
Sehn’se. Geht doch.