Das Himmelfahrt-Phänomen
Seit Anfang Dezember höre ich allerorten:
„Das muss noch vor Weihnachten erledigt werden.“
Es ist das Himmelfahrt-Phänomen: An einem Donnerstag mitten in der Woche kommt ein Feiertag daher. Gänzlicher überraschend, natürlich. Wer kann das ahnen. Am Vorabend sind deshalb die Läden so voll mit Hamsterkäufern, als sei ein Atomschlag zu erwarten, der die westliche Zivilgesellschaft für immer zerstört (und mit ihr das Tiefkühlfilet Bordelaise, das in seiner Aluschachtel frierend darauf wartet, in den Luftschutzkellern deutscher Nachkriegsmiets-
häuser eingelagert und für das Überleben derer verwendet zu werden, die besser der Blitz treffen sollte).
Gleichermaßen, wie die Menschen vor Christi Himmelfahrt mit Kleinbussen einkaufen, werden in Büros Termine gesetzt, Konzepte eingefordert und Besprechungen anberaumt, als habe der Gesetzgeber ab 2011 das Arbeiten verboten. Dazwischen finden Weihnachtsfeiern statt; in frohlockende Fröhlichkeit gekleidetes Teambuilding, das jeder Mitarbeiter beim Nobelitaliener an der Ecke selbst bezahlen darf – die Firma ist schließlich nicht für das Vergnügen ihrer Mannen zuständig. Eine Anwesenheitsliste wird allerdings schon geführt, im Sekretariat. Da bleibt als Entschuldigung nur der Noro-Virus, der selbst das motivierteste Lohnempfängerdasein von jetzt auf gleich in gekachelte Gefilde verlegen kann – gerade in Zeiten seelewärmender Glühweintrinkerei aus unzureichend gespülten Motivkeramiktassen.
Wenn Sie an dieser Stelle des Textes den Eindruck gewinnen, ich sei gefrustet, mag ich Ihnen das bestätigen. Hier im Kännchencafé ist sonst immer Kirmes, quietschbunt, mit Luftschlangenpusten, da darf ich auch mal maulig sein. Ab dem 1. Januar werde ich natürlich wieder Heiterkeit verbreiten, schließlich habe ich „ein Wohlfühljahr erster Klasse“ vor mir.