Draußen nur Kännchen Kaffeehaus mit ♥

Familienzuwachs

26. 12. 2010 29 Kommentare Aus der Kategorie »Sippe«

Ich sitze bei Unsaomma im Besucherstuhl.

Die Heizung bollert und gluckert und faucht. Die Blätter des Drachenbaums, der sich mit spirreligen Ästchen über die Brüstung der Fensterbank lehnt, flattern in der aufsteigenden Hitze. Die Weihnachtspyramide daneben dreht wilde Kreisel – ohne dass eine Kerze brennt.

„Is‘ kalt hier, woll?“ fragt Unsaomma.
„Nee“, sage ich.
„Was?“
„Es ist sehr warm.“
„Was?“
„Warm! Hier!“

Unsaomma klemmt, ein bisschen frostig, ein bisschen trotzig, ihre Hände unter den Achseln fest und lässt ihren Kopf auf die Brust sinken. Es ist 16 Uhr, und zuvor war schon die Tante zu Besuch. Ein Tag ohne Mittagsschlaf ist für Unsaomma ein schlechter Tag.

Ich lasse meinen Blick über die Fotos an den Wänden schweifen. Die Familie versammelt sich in trauter Reihung. Neben dem Nachtschrank der kleine Enkel, damals eine raupenhafte Frühgeburt von 1000 Gramm. Daneben der Onkel mit nie wieder erlangter, hendrix-hafter Lockenpracht. Daneben die Schwiegertochter mit ihrem Bordercollie „Giselle“, man kann die Zwei kaum auseinanderhalten. Daneben ich, ein pausbäckiges Kleinkind vor einer braunmelierten Leinwand. Daneben – ich blicke zur Omma.

„Omma, gehören die jetzt zur Familie?“
„Was?“
„Ge-hö-ren die zur Fa-mi-li-e? Ne-ben mir!“ Ich deute mit dem Finger.

Dort hängen in einem goldenen Rahmen, inmitten der Verwandtschaft, zwischen der kleinen Nessy und dem Irokesencousin, als gehörten sie zur Schar der Enkelkinder dazu: Kronprinzessin Victoria und Prinz Daniel.

Unsaomma hebt den Kopf von der Brust, blickt zur Wand, blickt zu mir und sagt: „Ich hab‘ die doch so gern, woll.“

Kommentare

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  1. bei Unsaomma waren es immer die Windsors. Die fand den „Scharles“ so nett. (Und Diana war ja sowieso nur hinter dem Geld her).

    1. Nessy sagt:

      Ich stand ja schonmal vor Schloss Windsor, habe laut „Williiiiiiii!“ gerufen und dem Prinzen gewunken. Er wurde leider nicht auf mich aufmerksam.

  2. Susel sagt:

    Unvergessen: Ferien 1976 als Elfjährige bei der Oma Dreieichenhain und ihre Frage: magst du nicht auch mal Prinzessin werden? Das hat mich damals schon in Angst und Schrecken versetzt.
    Aber die zwei sind echt süß :-)

    1. Nessy sagt:

      Und jetzt, wo die Victoria vermutlich schwanger ist, ist Unsaomma dauer-andächtig.

  3. sweetnsour sagt:

    eine Frechheit, dass ihr nicht zur Hochzeit eingeladen wart. oder wart ihr etwa?

    1. Nessy sagt:

      Ich habe Vicky schon geschrieben: Schwamm über die vergessene Hochzeitseinladung – als Patentante des königlichen Nachwuchses sollte man nicht nachtragend sein.

  4. Ohhh Nessy, das war bei meiner Omma ähnlich.

    Die hatte das „golden Blatt“, die „Neue Post“ und wie sie alle hießen abonniert und Omma las leidenschaftlich gerne Julia-Romane.

    Sowatt färbt ab, ich hab et also inne Gene un kann gar nix dafür, datt ich immer über de Bauern un de Frauensuche schreiben muß. Datt is allet Omma in Schuld! Gott hab se selich.
    Meine Omma, würd bestimmt mit mir lästern , wenn se sich nich inzwischen de Radieschen von unten bekucken tät.

    1. Nessy sagt:

      Also ist Unsaomma auch inschuld™, dass ich im Kino nur Filme mit Liebe schaue?

  5. Lobo sagt:

    Meine Oma ist da ganz anders.
    Die interessiert sich nicht für Klatsch und Tratsch, die quatscht lieber mit meinem Vater über Fußballergebnisse.

    1. Nessy sagt:

      Die schönste Großmutter interessierte sich auch eher für Fußball. Unsaomma hingegen unterstützt den Umsatz der Yellow Press nach Kräften – und sorgt für hohe Einschaltquoten der Musikantenscheune.

    2. Lobo sagt:

      Hör mi up mit dei oll Bayernschiet, datt mach ick neit sein.
      (Hör mir auf mit dieser „Bayernsch…“, das mag ich nicht sehen)
      Sagt meine Oma zum Thema Mutantenstadl. ;-)

  6. URi sagt:

    Ist schon komisch. Bis ich 6 oder 7 war, hatte ich sogar noch ’ne Ur-Oma (und auch einen Ur-Opa). Mittlerweile habe ich weder Omas noch Opas. Und das schon eine ganze Weile. Daran (und nicht (nur) an den Kindern), merkt man, dass man alt (älter?) wird…

    1. Nessy sagt:

      Nicht doch.
      I wo.
      Doch nicht alt.
      Quatsch.
      Nein, nein.

  7. Lauffrau sagt:

    Süß :-)…meine Oma unterhält sich lieber über Soap-Darsteller und schimpft wenn sich da wieder einer daneben benommen hat „Näh, den kann ich nicht leiden…wie der schon aussieht!“…
    Aber ich finde es gut, dass wir noch Omas haben, die so niedlich sind :-)

    1. Nessy sagt:

      Unsaomma schwärmt nicht für Soap-Darsteller, sondern für Tagesschau-Sprecher. Die sind immer schön angezogen und sprechen so klug.

    2. meine hat irgendwann geglaubt, dass die im Fernsehen sie sehen koennen und deswegen nicht mehr vor dem Bildschirm gegessen oder etrunken. Das waere naemlich unhoeflich.

    3. Nessy sagt:

      So viel wie Unsaomma fernsieht, wäre sie dann ganz dünn.

  8. Zaphod sagt:

    Vielleicht gehören die ja wirklich zur Familie, haben Sie da mal etwas nachgehakt? Was man so hört soll der Carl Gustaf ja ein ziemlicher Schwerenöter sein.

    1. Nessy sagt:

      Wenn ich mich im Spiegel betrachte … von der Seite .. also so ein bisschen … die Silhouette im Halbdunkel …

      //*hält vor Erregung die Luft an
      //*greift zum Telefonhörer
      //*konsultiert Muttern

  9. Harriet sagt:

    Süss. Und vor allem, dass Ihreomma sich so unumwunden als Fan outet. Meine Omi hat „unsere Silvia“ nur im Verborgenen angehimmelt, weil ihr das eigentlich peinlich war. Aber sie hatte die B.ildzeitung auch immer bloss, weil die Blumenfrau den Rosenstrauss ja schliesslich irgendwomit einwickeln musste.
    Mein Grossmütterlein hat sich aus all dem nie etwas gemacht. Nur, wenn irgendwas mit Günther Strack im Fernsehen lief, dann hockte sie gebannt davor. Weil das „so’n netter Kerl“ war.

  10. kvinna sagt:

    So richtich voll außm Leben!

  11. Is meine Omma aus der Art geschlagen, wenn sie anstelle von Könischs die Dinos („nich die Mama, nich die Mama!“) mochte??

  12. Lillibelle sagt:

    Meine Oma interessierte sich für beides. Da lagen die Klatschzeitschriften neben dem Kicker. (Der war zwar von Opa abonniert, wurde aber mitgelesen.) Und bis die Hüfte dann nicht mehr mitmachte, ging sie auch noch ins Stadion. Selbstverständlich wurde Sportschau angeschaltet (Opa halte ich allerdings hier auch für die treibende Kraft.) und danach eben Musikantenstadl. Meine ersten Olympischen Spiele (an die ich mich erinnere) habe ich mit Oma und Opa geschaut. Damals. Calgary. (Seufz.) Ist das lange her.

    1. Nessy sagt:

      Calgary. Ach. Das waren Zeiten damals – mit Eddy, the Eagle. An den kann ich mich sogar noch erinnern. Damals hat Katharina Witt auch noch nicht moderiert, sondern ist nur stumm Eis gelaufen. Gute, alte Zeit.

  13. lejontine sagt:

    Aber die beiden sind doch auch wirklich süß. Und gar nicht schwanger. Das würde man bei dem Hauch von Vicky ja sofort sehen. Warum beschäftigt mich das eigentlich??? Ich bin sonst nicht so royal, aber Schweden färbt wohl ab. Hat Eueromma da irgendeinen Bezug zu? Zum Land meine ich? Oder liegts an der deutschen Mama Sylvia?
    Unseromma mag weder Soaps noch Prinzen. Im Gegenteil. Die Mutter wollte mich mal mit dem schwedischen Prinzen verkuppeln (wegen des Sommerhauses…), da war Unseromma strikt dagegen. („Der ist doch nicht hübsch!“) Ach, wenn Haus und hübsch doch nur alles wär…

  14. croco sagt:

    Seien se‘ froh.
    Königs sind schon in Ordnung, und harmlos.
    In meiner Verwandtschaft hingen Bilder von Pater Pio rum.Er hatte blutige Hände, baaaah.
    Seine Fotos wurden sogar uns Kindern unter’s Kopfkissen gelegt, zum Schutz und so.
    Nein, ich stamme aus keiner sizilianischen Mafiafamilie. Es fühlt sich aber manchmal so an.

    1. Nessy sagt:

      Mein Großonkel, der von der anderen Seite, besaß Bücher vom Papst – aber nur, um Geld darin zu verstecken. Denn er meinte, darin sei es gut behütet, praktisch unter der Obhut Gottes persönlich.

  15. Blogolade sagt:

    Ich las ja zuerst
    „Ich sitze bei Unsaomma im Beichtstuhl.“

    Bei meiner Oma gibts zu viele Kinder und Enkelkinder, da ist kein Platz mehr an den Wänden für Königskinder oder andere Prominenz.

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